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Für Fanny, Lilly und Rosa
Den Seinen gibt’s der Herr im Schlaf
Für Esther
In deiner Liebe finde ich himmlische Ruh
Gerade weil ich Ihren Schlaf ernst nehme, rate ich Ihnen, bei gesundheitlichen Störungen Ihrer Nachtruhe einen Schlafmediziner aufzusuchen. Entsprechende Adressen stellt Ihnen die Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin gern zur Verfügung.
Natürlich können Sie auch eine Schlafmedizinerin aufsuchen, obwohl ich feststellen musste, dass Heilkunde und Forschung noch immer sehr von Männern dominiert werden. Dass ich unabhängig von diesem Eindruck bei personenbezogenen Substantiven und Pronomen die männliche Sprachform verwende, dient jedoch allein der leichteren Lesbarkeit. Auch wenn meine Entscheidung nicht genderkorrekt ist, bitte ich, diese sprachliche Vereinfachung nicht als Benachteiligung des weiblichen Geschlechts zu verstehen.
Und wie ich mich aufmachte, um endlich nachts meinen Frieden zu finden
Es passierte nach einer dieser vielen Tausend Nächte, die ich schlecht geschlafen hatte, mitten auf einer unbeschwerten Kreuzfahrt von Kreta nach Mauritius, zu der ich als Autor eingeladen war, um aus meinen Büchern zu lesen. Irgendwo zwischen Arabischem Meer und Indischem Ozean hatte ich genug von meinem allabendlichen Motto »Augen zu und durch«, von jenem ewigen »Schlaflos durch die Nacht«. Ich beschloss, endlich etwas zu tun gegen meine nächtliche Unruhe, die mehr und mehr zu einem Raubbau an meiner Gesundheit geworden war. Und diesmal sollte es nicht bei bloßen Ankündigungen bleiben. Nein, diesmal sagte ich meinen Schlafstörungen regelrecht den Kampf an.
Welche Konsequenzen diese Entscheidung haben sollte, ahnte ich an jenem Morgen zwischen Oman und den Seychellen nicht im Geringsten: Sie sollte mein Leben revolutionieren, na ja, zumindest die Qualität meines Nachtlebens deutlich verbessern.
Mein Entschluss sollte zu diesem Buch führen, das auch Ihnen helfen wird, endlich Ihren verdienten Schlaf zu finden. Denn das Versprechen gibt Ihnen kein dubioser Schlafcoach. Hier schreibt ein wahrlich leidgeprüftes Opfer von Nachtschweiß und Bettflucht. Ich berichte also aus Erfahrung. Inzwischen aber auch aus der Kenntnis von tausendundeiner Therapie und angeblich traumhaften Tipps und Tricks, die zum ersehnten Schlaf verhelfen sollen und die ich selbst ausprobiert oder mir zumindest sehr genau angesehen habe. Und ich sage Ihnen: Einiges hilft wirklich, hat mir geholfen und wird auch Ihnen bessere Nächte bescheren. Anderes ist blanke Beutelschneiderei. Finger weg!
Wer wirklich seine Nachtruhe finden will, der muss sich aufmachen auf einen langen Weg zur Kenntnis und auch Erkenntnis. Nach Jahren des Lamentierens war ich entschlossen, genau das zu tun. Besser spät als nie.
Eigentlich hatte ich auch keine andere Wahl. Mein Entschluss war »alternativlos«, wie Angela Merkel als Kanzlerin immer zu sagen pflegte. Übrigens: Zumindest mit dem Schlafen hatte die einst mächtigste Frau Europas in ihren Regierungsjahren kein Problem. Um »einigermaßen konstante Laune« zu haben, gestand sie einmal, müsse sie nur darauf achten, auf mehr als vier Stunden Schlaf zu kommen. Mehr als vier Stunden? Obwohl ich nicht einmal in unserem kleinen Familienbetrieb, zu Hause bei meinen vier Frauen, die Chefrolle habe, war ich schon für unvorstellbare vier Stunden Schlaf am Stück zutiefst dankbar. Damals, im November 2019.
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Warum ich gerade an jenem Morgen an Bord beschloss, mir meinen Schlaf nicht länger rauben zu lassen? Nun, zum einen war die unruhige Nacht zuvor wahrscheinlich genau die eine Nacht zu viel, war sie gleichsam jener legendäre Tropfen, der das Fass mit meinem Schlaffrust zum Überlaufen brachte. Und zum anderen lag das wohl an meiner Kabinennachbarin auf dieser Schiffsreise: Katja Sterzenbach.
Die sportliche Frau aus der 5136 nebenan war eine sehr angesehene Yoga-Lehrerin, deren Buch Be YOUnique Sie vielleicht kennen. Seit einigen Tagen und vor allem Nächten lebte, besser: schlief Katja mir vor, wie herrlich erfrischend ein gesunder Schlaf sein kann. Nein, wir kannten einander nicht. Reiner Zufall, dass der Stern am Himmel der deutschen Achtsamkeitsszene und ich in der griechischen Hafenstadt Heraklion gemeinsam an Bord gegangen sind. Und näher kennengelernt haben wir uns auch nicht. In Sachen Schlaf aber kreisten meine Sinne bald nur noch um Katja: Sie avancierte für mich zum besten Beispiel dafür, wie schön die Tage und Nächte sein können, wenn man/frau seine/ihre Ruhe findet, wann immer frau/man sie sucht: Nachmittags träumte sie selig in der Hängematte auf ihrem Balkon; abends – mal früher, mal später – ging sie zu Bett, schlummerte ein und schlief acht Stunden durch; morgens wachte sie voller Energie auf und freute sich auf ihre Yoga-Klasse. Beneidenswert. Oder?
Ich wusste nicht, ob ich Katja für ihr Schlaftalent verfluchen oder verehren sollte. Wann immer sie sich jedoch morgens fidel an den Frühstückstisch setzte, sich nachmittags für ein Ruhestündchen hinlegte oder sich abends mit einem »Schlaft schön!« zum Einkuscheln, Einschlafen und Ausschlafen zurückzog, wünschte ich mir, ich würde wenigstens einmal in meinem Leben so ausgeruht in den Tag gehen oder mich so selig schlafen legen.
Dabei hätten gerade in den Wochen mit Katja die Voraussetzungen für einen traumhaften Schlaf idealer nicht sein können: ein wunderbares Kreuzfahrtschiff, strahlend blauer Himmel, tiefblaues Meer. Kein Wölkchen am Himmel, kaum Wellen auf dem Wasser. Und im Gegensatz zu den gut 1200 Passagieren an Bord mussten Katja und ich keinen Cent für die Reise zahlen, wir bekamen sogar noch Geld dafür. Sie vertrieb den Gästen auf dieser langen Reise die Zeit mit ihren sogar international geschätzten Yoga-Seminaren; ich zeigte den Passagieren hin und wieder, dass ich aus meinen eigenen Büchern fehlerfrei vorlesen kann. Die Gäste wiederum zeigten sich als sehr dankbares Publikum und schickten mich nach meinen abendlichen Auftritten mit herzlichem Applaus ins Bett.
Und dann? Zufrieden machte ich das Licht aus – und die Qual begann. Linke Seite, rechte Seite, Bauchlage. Die Rückenlage, angeblich die gesündeste, geht bei mir ganz und gar nicht. So wälzte ich mich hin und her, dämmerte ein, wachte in einem einzigen Feuchtgebiet auf, wechselte das T-Shirt, wälzte mich in meiner Pfütze wieder hin und her, dämmerte ein, wachte wieder auf und suchte das nächste trockene T-Shirt. Da einer wie ich nachts sonst nichts zu tun hat, vertrieb ich mir die Zeit mit Zweifeln. Ich zweifelte an mir, ich verzweifelte an meiner Bettflucht.
Und Katja von nebenan? Sie genoss es, sich sanft in den Schlaf wiegen zu lassen, wie sie mir morgens strahlend berichtete. Prompt ärgerte ich mich über meine Schlafprobleme noch mal mehr.
In jener Nacht der Kriegserklärung an meine Schlafstörungen aller Art stand ich zwischen drei und vier Uhr in der Früh an der Fensterfront meiner Kabine, sah hinab auf die sanften Wellen, in denen sich das warme Mondlicht spiegelte, blickte hinauf zu strahlend hellen Sternen und lauschte dem vertrauten Stampfen der Schiffsmotoren. Alles so friedlich. Alles geradezu perfekt, um sich in Morpheus’ Arme zu werfen. Der griechische Gott der Träume war mir jedoch noch nie gnädig gewesen. Warum hätte er sich gerade heute Nacht erbarmen sollen? Und sein Sohn Hypnos, der Gott des Schlafs? Er schien mir auch in dieser Nacht zu zürnen. Womit hatte ich seinen Zorn erweckt? Was, verdammt noch mal, hatte ich verbrochen, dass er mich einmal mehr nicht schlafen ließ? Warum fand eine Katja nebenan ihre Ruhe? Warum nicht ich? Lag es an ihrem Yoga? Ihrer Ernährung? Ihrer Abendmeditation? Was machte die richtig? Was machte ich falsch? Seit Jahren schon!
Ich schob die Glastür auf und ging hinaus auf den Balkon. Klein, aber mein. Um mich herum alles dunkel. Alles ruhig. Nur ich und tief unter mir die schwarze See. Ich beugte mich über die Reling. Ich ahnte den gefährlichen Sog, den die Tiefe, die Finsternis und das Rauschen des Meeres auf manche nachtaktive Seele ausüben können. Sich einfach fallen lassen. Aufgehen in der Unendlichkeit. Seinen Frieden finden. Ja, Tote schlafen fest.
Über meine Theatralik, zu der ich selbst ohne Publikum neige, musste ich lächeln. Nein, ich würde mich nicht in die Fluten stürzen und den anderen die Kreuzfahrt vermiesen. Um den Verstand hatten mich meine Schlafprobleme noch nicht gebracht. Doch wütend war ich. Auf Morpheus & Konsorten – und vor allem auf mich selbst. Auf diesen Bettflüchtigen, der mit 63 Jahren noch immer nicht gelernt hatte, abends seinen Schlaf zu finden, oder der ihn in der Nacht mindestens einmal verlor.
Ob ich jemals ein guter Schläfer war? Ich glaube, nein. Aber mit Bestimmtheit sagen kann ich es nicht. Meine Eltern sind schon lange tot. Meine Schwester ist fast fünf Jahre jünger und erinnert sich an so manchen Ärger über ihren großen Bruder – aber nicht an dessen kindliches Nachtgebaren. Eine schlechte Schläferin ist auch sie. Die Frage, ob schlechter Schlaf vererblich ist, haben wir Geschwister uns als Erwachsene schon oft gestellt.
Was meinem sogenannten Krankheitsverlauf anbelangt, kann ich sagen: Mit der Geburt unserer Zwillinge Fanny und Lilly 2005 und – knappe eineinhalb Jahre später – deren Schwester Rosa eskalierte mein Schlafproblem. Beim Leben meiner Kinder, so war es. Denn von Nachtruhe hielten die drei nicht viel.
Esther und ich hatten damals ein Buch gekauft, das unter jungen wie auch älteren Eltern ein Klassiker sein soll. Jedes Kind kann schlafen lernen. Jedes Kind? Ich hatte das ja nie geglaubt. Fanny und Lilly jedenfalls taten sich schwer mit dem Einschlafen und dem Durchschlafen. Und Rosa eigentlich auch, Anleitungen der Schwiegermutter, von Hebammen und angeblichen Lebenshilfeautoren hin oder her. Oder trog mich mein Gedächtnis? Verwehte der warme Tropenwind alle Erinnerungen?
Eigentlich war es auch egal, was damals mit den Kindern war. Inzwischen schlafen die drei Girls wie die Steine; Papa hingegen ist ein rolling stone, der seine Matratze platt wälzt.
Da draußen an der Reling meines Balkons hatte ich dieses ewig schlechte Schlafen so satt wie noch nie zuvor. Aber hatte ich, pardon, die Schnauze nicht schon in so vielen anderen durchwachten Nächten voll gehabt von meinen Schlafstörungen? Hatte ich dem geduldigen Mond da oben nicht bereits oft genug mein Leid entgegengeheult? War das nicht auch in dieser Nacht wieder nur so ein Bellen, auf das kein Beißen folgte? So schien es.
Nach den üblichen Flüchen eines Ohnmächtigen warf ich mich wieder ins Bett, stand irgendwann noch einmal auf, spreizte die Finger und drückte beide Hände gegen die Wand zu Katjas Kabine. Vielleicht könnte ich irgendwelche schlaffördernden Schwingungen von nebenan empfangen; immerhin gab es zwischen unseren Kabinen eine Verbindungstür – die allerdings verriegelt und versiegelt war. Vergeblich wartete ich auf hilfreiche Resonanzen. Nix. Katja war bestimmt in süße Träume eingetaucht. Ich kroch wieder unter meine Decke und muss dann auch irgendwann eingeschlafen sein.
Um meinen Kollegen aus Cabaret, Comedy, Tanz, Musik und Magie am nächsten Morgen meine Zerschlagenheit zu erklären, berichtete ich ihnen beim Frühstück von meinem exzessiven Nachtleben. Und siehe da: Zwei gestanden mir ähnliche Probleme. Wie tröstlich – zumindest beim Kaffee am Morgen. Später sollte ich feststellen: Mit uns drei Bettflüchtigen entsprach unsere Truppe von neun Künstlern dem statistischen Mittelwert. Etwa ein Drittel der deutschen Bevölkerung klagt Erhebungen zufolge über ernste Schlafstörungen. Einen Fall von Insomnie, von medizinisch attestierter schwerer Schlafstörung, unter der etwa jeder zehnte Deutsche leidet, hatten wir nicht in unserem Kreis. Jedenfalls bekannte sich niemand zu diesem Krankheitsbild.
Zwei andere Kollegen wiederum, angeblich mit gutem Schlaf gesegnet, boten mir sehr konkrete Hilfe. Der eine, ein Vortragskünstler, lud mich ein, gleich nach seiner Rückkehr mit ihm daheim Plätzchen zu backen. Seine selbst kreierten »Einschlaf-Taler« würden mir »einen fantastischen Schlaf bescheren«. Seit er abends sein Backwerk mümmele, sei er von seiner Schlaflosigkeit »geheilt«. Auf meine Nachfragen zu seinem Wundermittel folgte eine längere Erklärung über die Heilkraft von Cannabis. Aha.
Der andere war ein junger Zauberer, der mir seine Hypnose-Künste offerierte. Er könne mir »Ankerpunkte« setzen, sagte er: einen fürs Einschlafen, einen fürs Durchschlafen und einen dritten, um morgens erfrischt aufzuwachen. Wir könnten sogleich loslegen, er bräuchte keine Backstube für Heil-Cookies, ihm würden eine ruhige Ecke und Blickkontakt zu mir genügen. Gerührt bedankte ich mich bei den beiden und versprach, »zu gegebener Zeit« auf ihre Offerten zurückzukommen.
Wenn wir Kreuzfahrtkünstler an Bord miteinander reden, dann ist das natürlich vertraulich. Versteht sich. Die vermeintliche Vertraulichkeit, die Künstler bisweilen pflegen, führte dazu, dass ich schon wenig später von einem Passagier sehr mitfühlend angesprochen wurde: Er sei Arzt, einer meiner Kollegen habe ihm von meinem Leid erzählt, und er würde mir gern die Lösung all meiner Probleme anbieten. Er kramte in seiner Hosentasche und zog ein kleines Plastiktütchen hervor. Es trug eine Apothekenbeschriftung und erweckte den Eindruck, zumindest nichts Illegales zu sein.
Ich sah den Gast, einen sehr seriös wirkenden Mann von Ende 50, erwartungsvoll an. Das sei eine »immunmodulierende Aminosäure«, raunte er mir zu, von ihm persönlich hergestellt, mit einem selbst entwickelten Gerät. Ein Löffel am Abend – und ich schliefe tief und fest. Ich bedankte mich und sagte, dass ich »zu gegebener Zeit« bestimmt auf seine Offerte eingehen würde.
Später erfuhr ich dann, dass der Herr Doktor daheim vor allem Haus- und Hoftiere behandelte. Ein Veterinär bot mir seine Hilfe an! War es jetzt so weit? Würde ich durch meine Schlafstörungen langsam vor die Hunde gehen?
An jenem denkwürdigen Tag stand die Sonne noch nicht in ihrem Zenit, da hatten mich drei weitere Mitreisende angesprochen. Diesmal akute Leidensgenossen. Zweimal schwere Einschlafprobleme. Einmal ein massives Durchschlafproblem. Na bitte, tröstete ich mich, bis zum Abend könnte ich eine Selbsthilfegruppe zusammenhaben. Vielleicht sollte ich eine Ad-hoc-Veranstaltung zu Schlafstörungen organisieren. An genügend Zulauf hatte ich keinen Zweifel. Ob ich mal ernsthaft mit dem Entertainment-Manager über so ein Angebot reden sollte? Auch der wirkte beim Frühstück nicht wirklich ausgeschlafen. Andererseits hatte ich von ihm eine wichtige Regel an Bord gelernt: Von eins bis vier schläft der Offizier.
Mittagsschlaf? Nach meinen vergeblichen Versuchen war das Thema für mich erledigt. Auf der Couch oder in der Hängematte zu dösen, das ist etwas für kleine Kinder und alte Männer. Oder für schlafbegabte Katjas.
Nachts, allein zwischen Wahn und Wirklichkeit, hatte ich mir schon öfter geschworen, dass ab dem nächsten Tag alles besser, zumindest alles anders würde. Von wegen sein Leben umkrempeln und so. Ich bin sicher, Sie kennen solche Schwüre, diese Art von Selbstberuhigung, von Selbstbetrug. An diesem Morgen jedoch – müde, aber bei klarem Verstand – bestärkten mich die vielfältigen Reaktionen darin, dem offensichtlich weitverbreiteten Phänomen Schlafstörungen tatsächlich auf den Grund zu gehen. Mit der Veränderung meines Lebens, zumindest der Verbesserung meines Nachtlebens, war es mir diesmal verdammt ernst.
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Mehr als mein halbes Leben hatte ich als Redakteur und Korrespondent für das Hamburger Nachrichtenmagazin Der Spiegel Hintergründe politischer Entscheidungen und Entwicklungen recherchiert, komplizierteste Verwicklungen und Sachverhalte für unsere Leser anschaulich und mitunter sogar packend in großen Geschichten, Reportagen und Reports geschildert. Nun war es an der Zeit, das Thema Schlaf zu ergründen. Und zwar nicht nur um meiner selbst willen. Mir war bewusst geworden, wie viele Menschen sich mit sehr schlechtem Schlaf plagen, wie groß die Sehnsucht vieler nach einer erholsamen Nachtruhe ist. An diesem Morgen, irgendwo auf den Weiten des Meeres, reifte unter traumhaften Bedingungen der Gedanke, über meine Suche nach einem traumhaft tiefen Schlaf auch zu schreiben.
Mit meinen Mitteln, mit den Waffen eines Journalisten, habe ich inzwischen Licht in das dunkle Kapitel nächtlicher Ruhestörung gebracht: Ich habe die wichtigen Studien gelesen und mit den entscheidenden Ärzten, Wissenschaftlern, Forschern und sonst noch relevanten Experten gesprochen – und bin zu Menschen gefahren, die wie ich noch gegen ihre Bettflucht kämpfen oder die schon über ihre Schlaflosigkeit gesiegt haben. Ich bin den Ursachen meiner gestörten Nachtruhe auf die Spur gekommen und habe herausgefunden, was mir und so vielen anderen ein Drittel des Lebens vermiest.
Meine Erfahrungen habe ich aufgeschrieben. Persönlich, aber mit einem Wissenschaftskern, der anderen Leidenden helfen soll, endlich zu ihrem ersehnten Schlaf zu kommen.
Okay – ich habe bislang bei jedem meiner Bücher geglaubt, dass die Welt auf genau dieses Werk gewartet hat. Aber diesmal bin ich sicher: Zumindest die Welt der Nachtaktiven kann mein Handbuch eines Bettflüchtigen brauchen.
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Nun können Sie sich natürlich zu Recht fragen: Wenn es dem Kerl so schlecht ging all die Jahre, warum ist er nicht vorher schon mal zu einem Arzt gegangen? Und wenn Sie wüssten, dass ich zum Leidwesen meiner Krankenkasse bekennender Hypochonder bin, dann würden Sie mir die Frage in besonders scharfem Ton stellen.
Aber zum einen: Ich wandelte ja selbst nach schlechten Nächten nicht wie ein Zombie durch den Tag. Auch gab es immer wieder halbwegs gute Nächte, nach denen ich zwar nicht erfrischt aufwachte, aber zumindest das Gefühl hatte, nur so leidlich mies zu schlafen, wie es angeblich alle tun. Deutschland schläft schlecht ist der bezeichnende Titel eines lohnenden Sachbuchs aus jüngerer Zeit. Den Autor, Professor Ingo Fietze, den ich hiermit ohne Furcht vor einem Veto aus dem Vatikan zum deutschen Schlaf-Papst erkläre, werden wir noch in seiner »Deutschen Stiftung Schlaf« besuchen.
Zum anderen ist es mit der Bettflucht so, dass man gar nicht weiß, zu welchem Arzt man mit seinen Sorgen gehen soll. Zu einem meiner vielen Hausärzte? Hatten mich die Doktoren – die ich als Angestellter bei Erkältungen, Grippen und Magen-Darm-Infekten für Krankschreibungen immer wieder gern konsultiert habe – zum Thema Schlafstörungen nicht mit jenen schlichten Tipps abgespeist, die ich schon aus diesen bunten Blättern beim Friseur kannte? »Fenster auf und Heizung aus!« oder »Nicht vor dem Fernseher einschlafen« durfte ich da lesen, wenn ich darauf wartete, dass der Meister meinen drei Mädchen die Haarspitzen schnitt. Selbst in der von mir so hochgeschätzten Süddeutschen Zeitung las ich unlängst den lapidaren Rat, auf »die richtigen Getränke am Abend« zu achten, denn: »Wer Alkohol trinkt, wacht meist in der Nacht auf und liegt dann erst recht wach.« Ja, zum Wohle!
Und mich mal in ein Schlaflabor legen? Nein. Das waren für mich Einrichtungen, die besonders lauten Schnarchern vorbehalten waren, die nachts ihr ganzes Haus zersägten, oder die für diese armen Menschen reserviert waren, die ihr Leben gefährdeten, wenn ihnen nachts vor lauter Schnappatmung die Luft ausging. So ein schwerer Fall war ich nun auch wieder nicht.
Heute würde ich sagen: Schlaflabore haben meine Vorbehalte nicht verdient. Aber passen Sie auf, wo Sie sich zur Untersuchung betten. Bei manchen Betreibern besteht das Labor aus einem kargen Zimmer mit einem so unsinnlichen Krankenhausbett, dass ich mir nicht vorstellen kann, dort auch nur ein Auge zuzukriegen – erst recht nicht, wenn ich noch verdrahtet werde; andere bieten ihren »Kunden« ein Monitoring in einem schmucken Appartement, dessen Preis für eine Nacht selbst einen Hundemüden um den Schlaf bringt. Sind die einen nun schlechter? Und die anderen unnötig luxuriös? Was überhaupt macht ein gutes Schlaflabor aus? Und wer soll so etwas bezahlen? Ich jedenfalls nicht. Ich habe drei Töchter in konsumfreudigstem Alter, die mir, schauen Sie mich an, schon die Haare vom Kopf gefressen haben.
Nein, als angehender Autor eines Buches zum Thema Schlaf sah ich mich nicht mehr als einen gewöhnlichen Bettflüchtigen unter vielen. Jetzt ging es nicht mehr nur allein um mich und um ein Nachdenken und Umdenken in eigener Sache. Nun hatte ich eine Mission. Jetzt würde ich für meine potenziellen Leser recherchieren. Ich hatte damit sogar eine gewisse Legitimation, die besten Fachleute aufzusuchen, sie mit Fragen zu löchern und ihre Thesen zu hinterfragen. Selbst für Schlaflabore hörte ich so etwas wie den call of duty, empfand ich nun eine license to sleep. Im Dienst meiner Leser.
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Als Bettflüchtiger in höherem Auftrag setze ich mich, typisch Journalist, erst einmal an mein Laptop. Die Suchmaschine wirft mir bei den Begriffen »Schlafstörungen, Arzt, Hamburg« in 0,47 Sekunden »ungefähr 222000 Ergebnisse« aus. Ich denke an meine Leidensgenossen: Die müssten sich doch jetzt völlig überfordert fühlen. Allein die erste Seite, die ich aufrufe, verwirrt mich mit Begriffen wie Osteopathie, Polygraphie oder auch Hypnotherapie, dazu Hinweise auf 23 Ärzte, die angeblich Spezialisten seien, dann wieder eine Liste mit gar 51 medizinischen Experten und 18 »beste Treffer« mit Adressen für Schlaflabore, versehen mit dem Hinweis, dass ich vielleicht auch »ein Fall für die Endokrinologie« sein könnte.
Der angehende Patient sagt da nur: Nein danke! Da kann ich gleich wieder zu meinem Hausarzt gehen, der mir dann rät, es abends mit einem Baldriantee zu versuchen, statt Cola zu trinken.
Der Journalist Bednarz weiß, dass dieser Selbsterfahrungstest in seinem Buch nicht fehlen darf, ja dass er sogar ein ganz entscheidender Teil des Buches sein muss. Aber er sollte nicht am Anfang stehen. Vor irgendeinem Gang in eine Praxis, Klinik oder gar Labor muss ich das Phänomen Schlaf in seiner ganzen Tiefe und Breite und damit auch Bedeutung erkunden. Deshalb reise ich für den ersten großen Teil zu den führenden deutschen Schlafkennern. Ich will wissen, was Schlaf eigentlich ist, wie er entsteht, wer ihn erforscht und, ja, ich möchte auch wissen, welche Rolle er in unserer Gesellschaft, unserer Kulturgeschichte spielt.
Werden Langschläfer nicht als faul verspottet und Frühaufsteher als Helden der Arbeit gefeiert? Hatte mein Vater, schon lange selig, nicht einst Napoleon zitiert, wenn er mich sonntagmorgens um zehn Uhr – für mich als Fünfzehnjährigen mitten in der Nacht – weckte? »Vier Stunden schläft der Mann, fünf die Frau und sechs ein Idiot«, zitierte er den französischen Kaiser und warf mich trotz meiner pubertär-lauten Proteste aus den Federn. Sein Sohn sollte ja kein Idiot werden. Dass Albert Einstein angeblich zwölf Stunden Schlaf brauchte, wusste ich damals noch nicht.
Warum ich bei meinen Teenagern daheim nachsichtiger bin? Ganz bestimmt nicht, weil meine drei Mädchen unter Genieverdacht stehen. Aber ich werde noch lernen, dass meine Töchter in diesen Jahren gar nicht anders können, als bis in die Puppen aufzubleiben, um dann bis mittags nicht rauszukommen aus den Federn. Die Armen.
Mein erster Weg aber führt mich zu Philipp Osten. Als Professor am Universitätsklinikum Eppendorf (UKE) in Hamburg forscht und lehrt er gleichsam vor meiner Haustür; als einer der führenden Medizinhistoriker Deutschlands kennt er sich in der Geschichte des Schlafs aus wie nur wenige. Sein Werk Das Tor zur Seele gehört zu den Klassikern über die kulturhistorische Bedeutung des Schlafs, der schon die alten Griechen fasziniert hat und seither mal als »himmlische Ruh« vergöttert, mal als kleiner Bruder des Todes verteufelt wird.
Begleiten Sie mich auch nach Bayern, auf den Bauernhof des Chronobiologen Till Roenneberg, der seit Jahrzehnten darüber forscht, wie unsere »innere Uhr« unseren Schlaf steuert. Warum wir uns auf dem Land bei Vilshofen treffen und nicht an seinem Institut für Medizinische Psychologie der Ludwig-Maximilians-Universität München? Weil der Wissenschaftler gerade von einer Forschungsreise zu den Quilombolas aus Brasilien zurückgekehrt war. Oder studieren Sie mit mir und dem Vorsitzenden des Vorstands der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM), Peter Young, dessen »Schlafatlas«: Da sehen Sie, wer denn wo in Deutschland wie gut oder wie schlecht schläft. Dass ich überall schlecht schlafe, ist halt mein persönliches Pech.
Wichtig ist mir auch, Fragen nachzugehen, über deren Antworten die Experten streiten, etwa ob Schlaftabletten ein Teufelszeug sind. Denken Sie nur an die tragischen Opfer von Contergan, das beinahe auch meine Mutter genommen hätte. »Meine Frau braucht kein Beruhigungsmittel«, hat mein Vater sich damals aufgeregt und die Tablettenpackung in den Mülleimer geworfen. Gott sei Dank.
Aber haben die neueren Mittel nicht auch ihre guten Seiten? Bei Professor Ingo Fietze, dem Schlafmediziner der weltberühmten Charité in Berlin, lerne ich, dass Schlaftabletten durchaus ihre Berechtigung haben. Meine erheblichen Bedenken gegenüber der Pharmaindustrie und der Geschäftemacherei mit meiner Bettflucht kann er mir nicht nehmen, will er auch gar nicht.
Und wenn wir schon vom Geschäft reden, darf eine Matratzenkunde nicht fehlen. Schauen Sie auch mal, wie die Bettenbranche den Schlaf als Markt entdeckt hat. Sie werden staunen, was sich ein unmögliches Möbelhaus alles einfallen lässt.
Ja, die Branche ist kreativ geworden und sucht den Dialog mit Kunden wie Experten und eine Antwort auf die zentralen Fragen: Was überhaupt ist ein gesunder Schlaf? Was können wir dafür tun? Können wir gutes Schlafen regelrecht lernen, oder müssen wir nicht eher lernen, damit zu leben, dass wir so schlafen, wie wir nun mal schlafen?
Die achtfach mit Bioluft gefüllte Wundermatratze und das Luxusbett zum Preis eines Sportwagens, in das sich angeblich der Alpha-Fußballer Ronaldo für seine sagenumwobenen 90 Minuten Powerschlafeinheiten kuschelt, hilft Ihnen allerdings nicht, wenn neben Ihnen jemand liegt, der in Presslufthammerstärke schnarcht. Weil ich wissen will, was dagegen wirklich hilft und an welchen revolutionären Verfahren gerade gearbeitet wird, setze ich mich in den Zug nach Marburg und treffe Professor Boris A. Stuck, der dort am Universitätsklinikum praktiziert und forscht.
An die Lahn hätte ich auch gern meine Frau mitgenommen. Aber die schnarcht ja nicht. Behauptet sie. Lesen Sie mal, was Professor Stuck dazu sagt. So viel darf ich Ihnen schon verraten: Zu den vielen Mythen, mit denen wir aufräumen, gehört auch, dass Schnarchen reine Männersache sei.
Da ich oft genug nachts aufschrecke, schweißgebadet von Albträumen, interessiert mich besonders, welche Rolle die Alben, diese mir zu oft den Schlaf raubenden Fabelwesen, für unsere Nachtruhe spielen und wie ich sie vertreiben kann. Stimmt es gar, möchte ich von Michael Schredl wissen, dass wir unsere Träume steuern können? So höre ich es immer wieder von der einen oder anderen entrückten Freundin. Diese sogenannten luziden Träume, diese Klarträume, sind unter Esoterikern schon länger ein Thema, das nun mehr und mehr auch das breite Publikum in seinen Bann zieht. Die Antworten des Professors in Heidelberg lassen mich aufhorchen. Ob ich am Ende meiner monatelangen Recherchen meine Träume steuern kann?
Nachdem ich die Top Ten der deutschen Schlafwissenschaft aufgesucht habe, um das komplexe Thema theoretisch zu ergründen, zu erfassen, zu begreifen, mache ich mich auf in die Praxis, im Wortsinn. Begleiten Sie mich bei meinen Besuchen von Selbsthilfegruppen, Schlafseminaren und Schlaflaboren. Und Experten für Licht und Strahlung und Technik generell kommen auch zu Wort. Vor allem aber treffen Sie gemeinsam mit mir Menschen, die ihre Schlafstörungen bereits erfolgreich bekämpft haben – und lassen Sie uns von ihnen lernen.
Den Schluss des Buches bildet mein Besuch in einer Schlafschule. Den Stunden, ja Tagen der Selbsterkundung unter Anleitung des Psychotherapeuten Hans-Günter Weeß im Pfalzklinikum Klingenmünster verdanke ich wichtige Erkenntnisse, von denen ich überzeugt bin, dass sie auch Ihnen weiterhelfen werden. Denn die Ursachen vieler Schlafstörungen liegen oft tief verborgen in unserem Unterbewusstsein – auch meine, wie ich schlussendlich erkennen musste.
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Mit meiner Selbsterfahrung aus den vergangenen Monaten verspreche ich Ihnen, dass sich Ihr Schlaf bereits mit dem Lesen dieses Buches verbessern wird. Nein, das ist nicht zu viel versprochen. Unser Schlaf ist ein Spiegel unserer Seele. Wie diese will er gepflegt, möchte er behutsam behandelt werden. Wie alles im Leben fordert auch guter Schlaf seinen Tribut, hat er seinen Preis: den achtsamen Umgang mit uns selbst. Im Gegenzug schenkt er uns eine erholsame Nachtruhe und damit Ausgeglichenheit, Zuversicht und mentale Stärke.
Ein erster Schritt kann schon das Lesen dieses Buches sein. Indem Sie sich mit Ihrem Schlaf auseinandersetzen, zollen Sie ihm jene Aufmerksamkeit, die er braucht, die er auch verdient. Und die er Ihnen dankt. Mit einer erholsamen Nachtruhe.
Ich selbst habe viel zu lange nicht so gehandelt, wie ich es Ihnen nun ans Herz lege. Erst nach meinem Damaskus-Erlebnis auf der Kreuzfahrt beschloss ich, endlich etwas zu tun. Und ich glaube, nicht einmal das hätte wirklich etwas bewegt. Es bedurfte zusätzlich der Idee zu diesem Buch.
Kurz und selbstkritisch: Mein Schlaf allein wäre es mir wahrscheinlich nicht wert gewesen, mich meiner Störungen so ernsthaft anzunehmen. Schade, nicht wahr?
Ja, ich musste über 60 Jahre alt werden, um die Wechselwirkung zwischen meiner Aufmerksamkeit für meinen Schlaf und einer guten, erholsamen Nacht zu verstehen.
Deshalb ist es mir so wichtig, Ihnen mit diesem Buch nicht nur Informationen über das Phänomen Schlaf zu geben, sondern Ihnen auch ein Gefühl für Ihr Schlafbedürfnis zu vermitteln, Sie zu sensibilisieren für Ihre ganz persönliche gute Nachtruhe.
Hier und jetzt bin ich überzeugt: Schon die positive Beschäftigung mit dem Thema steigert die Qualität Ihrer nächtlichen Auszeit. Feinfühligkeit gegenüber der Problematik ist der erste und wichtigste Schritt zu einem besseren, zu einem gesunden Schlaf.
Den ausführlichen, kritischen, mitunter inhaltlich wie emotional intensiv geführten Gesprächen sowie meinen Erfahrungen in den verschiedenen Gruppen und Kliniken verdanke ich noch einen weiteren Entwicklungsschritt: Auf dem Weg zu diesem Buch habe ich gelernt, nicht nur Verantwortung für meinen Schlaf zu übernehmen – sondern auch die ureigene Verantwortung für meine seelische und körperliche Gesundheit überhaupt. Diese Selbstsorge erlebe ich als große Bereicherung.
Und damit sind wir bei einer Erkenntnis, die weit hinausgeht über das Thema Schlaf. Es geht um Ihre Bereitschaft, grundsätzlich umzudenken. Manche von Ihnen mögen über diese Sätze lächeln. Bitte, das dürfen Sie gerne. Und anderen wird eher bang und bänger. Nein, keine Sorge, dieses Buch will Ihr Leben nicht auf den Kopf stellen. Ich möchte Sie zu nichts bekehren.
Selbst ernannte Schlafgurus gibt es genug. Vor deren Heilsversprechen möchte ich ausdrücklich warnen, obgleich ich niemanden explizit als Nepper, Schlepper oder Bauernfänger bezeichnen möchte. Vielleicht verhelfen sie mit ihren sogenannten Therapien, Tutorials oder Coachings dem einen oder anderen Bettflüchtigen tatsächlich zu ein paar Stunden Schlaf. Es sei ihnen gegönnt: den einen der Schlaf, den anderen das Geld. Wenn es denn hilft oder zumindest nicht schadet.
Ihr Schlaf ist Ihre Verantwortung. Entscheiden Sie also selbst, wem Sie sich für weitere Schritte anvertrauen, nachdem Sie dieses Buch gelesen haben. Qualifizierte Ansprechpartner vermittelt etwa die Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin, deren Vorstandsmitglieder mich ebenso geduldig wie umsichtig bei der Arbeit an diesem Buch unterstützt haben.
Mir hat die bewusste Auseinandersetzung mit meinem Schlaf sehr geholfen. Ich schlafe inzwischen besser. Lesen Sie dazu mein Fazit am Ende des Buches. Auch Sie werden die Nacht nicht mehr so fürchten, wenn Sie ihr mit Offenheit und Wohlwollen begegnen.
Sehen Sie dieses Buch als Reise an, auf der Sie das Mysterium Schlaf erkunden, als Aufbruch in einen Bereich, der Ihnen das Leben schwer gemacht hat. In der Nacht wie am Tage. Viele von Ihnen haben bereits etliches versucht, um Linderung zu finden. Vergeblich. Andere, wie viele Jahre auch ich, haben ihren schlechten Schlaf fluchend hingenommen, einem Schicksal gleich. Letztlich begegnen wir Schlafgestörten dem Ersehnten daher mit Verbitterung und Verachtung. So aber werden Hypnos und Morpheus uns niemals umarmen.
Um Ihnen an meiner eigenen Reifung vom Schlafgestörten zum Besserschläfer zu zeigen, wie ich mein Bett wieder lieb gewonnen habe, ist Augen zu und Schlaf! als erzählendes Sachbuch geschrieben. Auf der einen Seite enthält es alles, was Sie zum Thema Schlaf tatsächlich wissen sollten; auf der anderen Seite lasse ich Sie aber auch teilhaben an meinen Zweifeln, an meiner Verzweiflung wie auch an meiner Freude über eigene Erkenntnisse und Fortschritte.
Als letzte Anmerkung erlauben Sie mir noch eine Bitte: Setzen Sie sich nicht unter Druck. Zu der entspannten Neugier, mit der Sie sich dem Thema nähern sollten, gehört auch die Freiheit, beim Lesen dieses Buches einschlafen zu dürfen. Würden Ihnen über einem meiner anderen Werke die Augen zufallen, so wäre ich schwer enttäuscht. Schließlich wünscht sich jeder Autor, sein Werk möge die Leserin oder den Leser von der ersten bis zur letzten Seite fesseln. Bei diesem Buch hingegen verstehe ich es als Kompliment, wenn Ihnen, wohlig gebettet, mitten in einem der Kapitel die Augen zufallen sollten und Ihre kostbare, lang ersehnte Nachtruhe Sie überkommt. Wie schön für Sie.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen von Herzen: Schlafen Sie gut!
Die Macht des Mysteriums Schlaf
Meine Recherche beginnt – wer hätte das gedacht? – mit einem Bett, einem museumsreifen Stück. Präsentiert wird es mir von einem Mann, der über die Geschichte des Schlafs und dessen Einfluss auf unser Leben und Denken so viel weiß wie nur wenige hierzulande: Philipp Osten, Professor am Universitätsklinikum Eppendorf (UKE) in Hamburg. Osten zählt nicht zum Heer der Ärzte in weißen Kitteln; er trägt dunkle Jeans, ein blau-weiß gestreiftes Hemd mit offenem Kragen und ein dunkles Jackett. Er arbeitet auch nicht im vorderen Teil des riesigen Geländes, wo die Klinik vor Modernität nur so strotzt und übrigens auch das große Schlaflabor untergebracht ist. Zu den Halbgöttern in Weiß und deren heutigen Möglichkeiten, Schlafgestörten zu helfen, brechen wir mit dem nächsten Kapitel auf.
Das Institut von Philipp Osten liegt im Nordteil der Klinik, wo die alten Bauten stehen. Das »Gebäude N30«, abseits der wichtigen Wege für Patienten und Personal, stammt aus der Anfangszeit des Klinikums, als es noch ein Krankenhaus war. Vor rund 100 Jahren, erklärt eine Tafel, waren hier die »Theoretischen Institute« untergebracht, etwa die Pathologie. Neben den breiten Portalen, die den einstigen Status erahnen lassen, künden große goldene Lettern auf rotem Backstein vom heutigen Verwendungszweck: »Medizinhistorisches Museum Hamburg«. Und Professor Osten ist dessen Direktor.
In seinem Arbeitszimmer im ersten Stock, einem großen Raum mit hohen, vollgestopften Bücherregalen, steht der Geschichtswissenschaftler neben einem alten Kinderbett. Es ist ein eher schlichtes Stück. Das Furnier dürfte Eiche sein, vermutet Osten, gebaut wurde es wohl um 1800. Das Besondere sind für den Museumsdirektor die reich verzierten Darstellungen aus weißem Gips: Am Fußende entzünden zwei Jungen, offensichtlich Zwillinge, ein Feuer; am Kopfende sind die beiden noch ein weiteres Mal zu sehen: Nun liegt der eine Bruder mit geschlossenen Augen auf dem Boden, der andere, leicht über ihn gebeugt, behütet seinen Schlaf.
Das Bett ist das erste Exponat einer Ausstellung zum Thema Schlaf, mit deren Planung Osten Ende 2021 beginnen will und die ihm ganz besonders am Herzen liegt. Obgleich sich sein Haus der ganzen Vielfalt der Medizingeschichte widmet – soeben hatte die Ausstellung »Lebenszeichen. Fotopostkarten aus den Lazaretten des Ersten Weltkriegs« ihre Finissage –, ist die gesellschaftliche Wirkmacht des Schlafs eines seiner Spezialgebiete. Das Tor zur Seele lautet der Titel seines in Fachkreisen gelobten Werks, das irgendwann mal zu den Klassikern der Schlafliteratur zählen könnte. Für den Direktor stellen die beiden Jungs in den Verzierungen nicht irgendwelche Buben dar: »Gerade im Kontext der damaligen Zeit«, erklärt Osten, »dürften die Menschen in den Zwillingen die Kinder der Nyx, der griechischen Göttin des Schlafs, gesehen haben.« Die göttlichen Kinder heißen Hypnos und Thanatos, übersetzt: Schlaf und Tod. »Diese Vignetten«, begeistert sich der Professor, »erzählen viele Geschichten, vor allem über das Bild, das die Menschen in unserem Kulturkreis vor 200 Jahren vom Schlaf hatten – und viele dieser Vorstellungen existieren noch heute.«
Bevor der Professor erklärt, warum griechische Götter damals deutsche Bauernmöbel zierten, setzt er einen Tee auf, denn nun, sagt er, müsse er etwas weiter ausholen.
Ich werfe ein, dass in den Büchern, die ich gelesen habe, für manche Autoren die Geschichte des Schlafs mit den alten Ägyptern beginnt. Am Nil sei ein Gott namens Bes als Beschützer in der Nacht verehrt worden. Da er die Schlafenden vor wildem Getier, vor allem Schlangen, schützen sollte, sei er mitunter als Schlangenfresser dargestellt worden. Und sogar ein »Traumbuch« sollen sie am Nil schon geschrieben haben.
Osten sagt, dass er das spannend findet, und lächelt höflich. Ja, manche ließen die Geschichte des Schlafs auch noch viel früher beginnen, mitunter sogar schon beim Neandertaler. Aber, fragt er eher rhetorisch, »was wissen wir wirklich über so weit zurückliegende Zeiten?«. Er zuckt mit den Schultern und meint, dass er es eher mit Karl Marx halte.
Der deutsche Philosoph und Kapitalismuskritiker hatte Mitte des 19. Jahrhunderts postuliert, erst das gesellschaftliche Bewusstsein gebe dem Menschen die Möglichkeit, sich zu erfassen. Für ein schlichtes Gemüt wie mich formuliert der Professor es simpler: »Erst durch unser Leben in der Gemeinschaft geben wir Dingen oder Vorkommnissen ihre Bedeutung, indem wir sie für uns definieren, einordnen, bewerten.«
Ich nicke, und er fährt fort: »Für viele beginnt die Geschichte des Schlafs mit der ersten Gesellschaft, die sich nachhaltig und für uns durch Aufzeichnungen nachvollziehbar Gedanken über ihre Nachtruhe gemacht und die unser Bild vom Schlaf geprägt hat.« Und das seien nun mal die Griechen gewesen – womit wir wieder bei Hypnos und Thanatos wären, den göttlichen Kindern auf dem Bettkasten.
Auch wenn unser Bild von Schlaf, wie wir noch sehen werden, untrennbar verbunden ist mit unserem Bewusstsein vom Tod als »Schlafes Bruder«, wollen wir uns bei den Zwillingen auf Hypnos konzentrieren, nach dem später die Hypnose benannt wird und der als Büste oder Figur oft mit Flügeln an den Schläfen zu sehen ist. Auf seinen leisen Schwingen kam er der Mythologie zufolge angeflogen, um den Müden und Erschöpften mit einem (Flügel-)Schlag den Schlaf zu bringen.
Da die Griechen bereits zwischen Schlaf und Traum unterschieden, hatten sie auch für unsere nächtlichen Bilder einen Gott, Morpheus. Auch er wird vielfach mit Flügeln an den Schläfen gezeigt und mit Mohnkugeln in den Händen. Um die einschläfernde Wirkung der aus dem Schlafmohn gepressten Säfte wussten nicht erst die alten Griechen. Samenfunde an Pfahlbauten aus der Steinzeit lassen darauf schließen, dass die Pflanze schon in Urzeiten kultiviert wurde.
Den großen Bogen vom damaligen Mohnanbau zur heutigen Pharmaindustrie mit ihren angeblich so erlösenden Mittelchen wie dem widerlichen Contergan und weiteren bis heute umstrittenen Produkten schließen wir an anderer Stelle. Hier wäre allenfalls erwähnenswert, dass es die Griechen waren, die dem Mohn-Extrakt seinen berühmt-berüchtigten Namen gaben: Opium, auf Deutsch »Säftchen«.
Meinerseits kann ich zu den Griechen nur Sokrates zitieren und sagen: Ich weiß, dass ich nichts weiß. Aber genau deshalb gewährt mir der Professor ja dieses Privatissimum, das er nun mit ebenjenem legendären Vater der Philosophie beginnt. Als Naturforscher, der Sokrates zugleich war, hatte er sich nämlich auch so seine Gedanken über den Schlaf gemacht.
Die Erkenntnisse des Ur-Philosophen kann man als eine Art Wärmetheorie auffassen. Sokrates ging von einer Lebenswärme aus, die Ausdünstungen der Nahrung über die Adern ins Gehirn transportiert, wo sie dann für Schläfrigkeit sorgt. Die Dauer unseres Schlafs, so lehrte er, wird dabei durch das Ende zweier elementarer Prozesse bestimmt: der Verdauung und der Reinigung unseres Blutes.
Sokrates hat keine eigenen Schriften hinterlassen; vieles, was wir über ihn wissen, verdanken wir seinem Schüler Platon, der sich selbstverständlich auch über unsere Nachtruhe den Kopf zerbrach: In der Dunkelheit, fasst der Professor den alten Platon mal kurz für mich zusammen, finde das aus unseren Augen strömende Feuer des Lichts, das uns sehen lässt, keinen Gegenpol mehr, mit dem es verschmelzen könne. Logisch also, dass sich das »Sehfeuer« nach innen richte, dort die Regungen des Leibes beruhige und zur Schläfrigkeit und schließlich zum Schlaf führe.
Die prägendste Bedeutung für unser Bild von der Nachtruhe misst Osten jedoch dem Platon-Schüler Aristoteles bei. Sein Essay Über Schlafen und Wachen ist ein echter Klassiker, den der Medizinhistoriker im Original zitieren kann. In seiner Abhandlung unterscheidet Aristoteles zwischen Wesen, die über Wahrnehmung verfügen, wie Mensch und Tier, sowie Pflanzen, denen er diese Fähigkeit abspricht. Mit der Wahrnehmung verbunden ist die Unterscheidung zwischen Wachsein und Schlaf und damit unserer Funktionstüchtigkeit oder eben -untüchtigkeit. Hat etwa das Auge die Zeit seiner täglichen Sehleistung überschritten, erklärte Aristoteles, schließt es sich, und uns überkommt der Schlaf.
Gesteuert wird der ganze Prozess, so die Lehre, über unser zentrales Wahrnehmungsorgan, das in unserem Herzen, in unserer Seele, sitzt. Erschlafft dieses Organ, kommt es zum Schlaf. Und womit begründet Aristoteles die angebliche Lähmung dieser zentralen Schaltstelle? Mit dem Verdauungsprozess – damit greift er auf die Lehre des Altmeisters Sokrates zurück.
Natürlich kann man die Antike nicht verlassen, ohne Hippokrates von Kos zu erwähnen, den Aristoteles als großen Arzt rühmte. Mit seiner Vier-Säfte-Lehre von der schwarzen und der gelben Galle sowie von Blut und Schleim, die unser Temperament bestimmten, sollte Hippokrates das Bild der Medizin für 2000 Jahre prägen. Der Schlaf war für ihn besonders in der »Krisis« wichtig, in jener Phase einer Krankheit, in der sich entscheidet, ob eine Besserung eintritt.
Schon Hippokrates empfahl zudem eine Ausgewogenheit zwischen Wachheit und Schlaf. Blieben die Zustände nicht in ihrem »Maß«, seien sie »beide böse« und machten uns krank.
Die bedeutende Schriftensammlung zum Stand der damaligen Medizin, das Corpus Hippocraticum, trägt den Namen des Begründers der Medizinwissenschaft, obgleich die meisten Texte gar nicht von ihm sind, sondern über vier Jahrhunderte von vielen Ärzten verfasst wurden. Uns ist allerdings wichtiger, dass der Schlaf und dessen Leistungen in den Beiträgen einen nicht unwesentlichen Teil einnehmen. Während des Schlafs, heißt es da lange vor Sigmund Freuds Traumdeutung, »ordnet die Psyche ihr Haus«. Ausführlich werden auch Schlafstörungen durch Schnarchen beschrieben.
Als ich später im Internet bei »Researchgate« den Satz finde, der Arzt aus Kos gelte »als Erstbeschreiber schlafbezogener obstruktiver Atmungsstörungen«, beschließe ich, dazu später in Marburg Professor Stuck zu befragen, der das wissen sollte wie kaum ein Zweiter.
Eine Erwähnung gebührt auch dem Kult um Asklepios, dem Gott der Heilkunst. Die Römer nannten ihn später auf Lateinisch Aesculap. Sein berühmter Stab, um den sich eine Schlange windet, ziert noch immer die Schilder vieler Arztpraxen und Apotheken. Auf diesen Sohn des Apollon gehen die Asklepien zurück, jene Heilbäder, von denen die Archäologen etwa 300 verortet haben und in denen eine frühe Form der Wellness gepflegt wurde, die aber zugleich die letzte Hoffnung für viele Schwerkranke waren.
Ob wohlhabender Kurgast oder armer Malader – ganz oben auf der Behandlungsverordnung in den Asklepien stand der »Heilschlaf«. Die Tempelärzte schrieben der ausgedehnten Ruhe nicht nur Genesungskraft zu; sie nutzten den Schlaf auch, um ihren Befund zu erstellen. Geradezu wissenschaftlich beobachteten sie das Verhalten der Schlafenden und befragten sie nach dem Aufwachen zu ihren Träumen. Aus beidem zogen sie dann ihre Schlüsse für die Rezeptur. Salopp gesagt standen in den Asklepien die ersten Schlaflabore.
Die Bücher über die Griechen und deren Lehre vom Schlaf füllten Bibliotheken, sagt Osten und kann im Regal gegenüber seinem Schreibtisch auf eine ganze Reihe an entsprechenden Schriften verweisen. Wichtig sei festzuhalten, diktiert mir Osten in meinen dicken Block, dass Aristoteles & Konsorten im Schlaf mehr sahen als einen Zustand der Bewusstlosigkeit. Sie erkannten darin eine unverzichtbare Phase der Regeneration. »In der Antike«, bilanziert Osten, »wurde das reine Mysterium auf seine Nutzbarkeit erforscht, bekam der Schlaf eine entscheidende Funktion für den Menschen, für den gesunden wie ganz besonders auch den kranken.«
Seit den Griechen gab es somit zwei Sichtweisen auf den Schlaf: Die Mystiker sahen ihn als Zeit der Unsicherheit, des Kontrollverlustes, als Raum des Ungewissen, des Bedrohlichen. In seiner Todesähnlichkeit galt er ihnen als Tor zur Ewigkeit – und zur Seele des Menschen, die sich im Schlaf offenbare. Die Rationalen hingegen betrachteten Schlaf als Untersuchungsobjekt, das es akribisch zu beobachten sowie zu vermessen galt und das ihnen wichtige Erkenntnisse lieferte für eine gute, gesunde Lebensführung oder zur Behandlung von Krankheiten. »Beide Sichtweisen«, sagt der Medizinhistoriker Osten, »ringen seit der Antike miteinander. Welche Schule dabei gerade dominierte, war auch eine Frage der gesellschaftlichen Verhältnisse.«
Während die Römer ohne größeren Einfluss bleiben auf unser Bild vom Schlaf, da sie die Erkenntnisse der Griechen mehr oder weniger übernahmen, bekommt er in den folgenden Jahrhunderten durch die Verbreitung von Judentum, Christentum und Islam einen neuen Stellenwert im Alltag der Menschen. Denn in den Schriften der drei monotheistischen Religionen spielt der Schlaf eine bemerkenswerte Doppelrolle: Er ist das verbindende Element zwischen Mensch und Gott, aber er entwickelt sich auch zu einem entscheidenden Band zwischen dessen Stellvertretern auf Erden – den Rabbinern, Priestern, Imamen – und den Gläubigen. Ob nun Knecht oder Kaiser – die Ur-Furcht vor der Nacht ist allen gleich. »Und ihnen allen«, so Osten, »bietet sich der Glaube als Beruhigung und Orientierung an.« Stimmt. Wer glaubt, schläft gut oder zumindest besser – das höre ich auch heute noch beim kirchlichen Wort zum Sonntag.
Schon im Alten Testament, dessen Erzählungen Juden wie Christen hörten, wird zwischen zwei – wie man heute sagen würde – Schlafqualitäten unterschieden: Zum einen gibt es da den »tiefen Schlaf«, über den allein der Schöpfer gebietet. In diese Art göttlicher Narkose wird gleich im 1. Buch Mose der einsam im Paradies herumlungernde Adam versetzt. So kann Gott ihm eine Rippe entnehmen, aus der er Eva erschafft. Im Verlauf der Bibel verfällt der eine oder andere Held in diesen Wunderschlaf, für den ich bislang vergeblich gebetet habe. In meinen schlimmsten Nächten hätte ich, Herr im Himmel, für tiefen Schlaf meine letzte Rippe gegeben – ohne dafür irgendeine Eva zu erwarten.