Buch
Tom Buk-Swienty zeichnet das vielschichtige Bild einer Frau, die mit wahrer Leidenschaft ihren Traum lebt, im kolonialen Kenia mit der Karen Coffee Company das erste weiblich geführte afrikanische Großunternehmen gründet, als wahre »Löwin«, wie sie bald genannt wird, Dürren, Krankheiten und Kriegen trotzt und dann, nach Dänemark zurückgekehrt, zu einer der bedeutendsten Schriftstellerinnen des 20. Jahrhunderts avanciert. Die wahre und höchst abenteuerliche Lebensgeschichte von Tania Blixen, deren mit Meryl Streep in der Hauptrolle verfilmtes Memoir Jenseits von Afrika ein Weltbestseller als Buch wie als Film wurde, ist zugleich die erste große Biografie seit Jahrzehnten.
Durchgängig illustriert mit teils exklusivem Bildmaterial.
Autor
Tom Buk-Swienty, 1966 in Eutin geboren und im dänischen Sønderborg aufgewachsen, arbeitet als Historiker und lehrt Journalismus an der Syddansk Universitet. Er war zehn Jahre lang USA-Korrespondent der Wochenzeitung Weekendavisen. Seit 2006 veröffentlicht er Sachbücher mit Schwerpunkt deutsch-dänische Geschichte. Seine Werke wurden vielfach ausgezeichnet. Er hat schon vier Bücher publiziert, in denen er sich mit der Dinesen/Blixen-Familie beschäftigt. Mit »Die Löwin« legt Buk-Swienty die erste große Biografie von Tania Blixen seit gut 20 Jahren vor. Dafür hat er neue Quellen ausgewertet und viele Interviews in Kenia geführt. Das Buch wurde in Dänemark zum Nr.-1-Bestseller und wird als Biopic verfilmt.
Tom Buk-Swienty
Die Löwin
Tania Blixen in Afrika
Aus dem Dänischen von Ulrich Sonnenberg
Tania Blixen auf Safari, Juni 1914.
© Karen Blixens Archiv, Königlichen Bibliothek Kopenhagen.
Die Originalausgabe erschien 2019 unter dem Titel »Løvinden. Karen Blixen i Afrika« bei Gyldendal, Kopenhagen. Die deutsche Fassung wurde geringfügig gekürzt.
Die Übersetzung wurde von der Danish Arts Foundation (Statens Kunstfond), Kopenhagen, finanziell unterstützt.
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© 2019 Tom Buk-Swienty & Gyldendal
© 2021 für die deutschsprachige Ausgabe by Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,
Neumarkter Straße 28, 81673 München
Umschlaggestaltung: Designbüro Lübbeke, Naumann, Thoben, Köln
Satz: Andrea Mogwitz
Repro: Helio Repro, München
Satz: GGP Media GmbH, Pößneck
E-Book-Konvertierung: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 978-3-641-26604-2
V001
www.penguin-verlag.de
Ein besonderer Dank an meine kenianischen Freunde Zoe, Andrew, Paddy und Bruce Nightingale, Hanne Lindemann (ganz Kenias »Mama Safari«), Stephen Kynego, Elin Herd und Tove und Akbar Hussein, ohne deren Hilfe – und die vielen inspirierenden Gespräche unter dem großen afrikanischen Himmel – dieses Buch nicht hätte geschrieben werden können. Ein herzlicher Dank auch an Nigel Pavitt in Nairobi, der so großzügig mit Fotos aus seiner einzigartigen historischen Fotosammlung beigetragen hat, und an Elisabeth und Ian Gregory in Malindi nördlich von Mombasa (Ian ist ein Nachfahre von Åke Bursell, Bror und Tania Blixens erstem Farmverwalter), dass ich ihr privates Familienalbum einsehen durfte.
Honourable Lioness
Ich bringe Dir aus England ein Grammofon mit. Ich habe ein paar schöne Platten, die Dir, wie ich hoffe, gefallen werden.
Denys Finch Hatton an Tania Blixen
Mombasa, 14. November 1926
Habe ich Dir übrigens jemals – vermutlich war es aber an Tommy – einen Brief von einem alten Gun-Bearer geschickt, adressiert an: Lioness von Blixen – der mit den Worten Honourable Lioness begann? So werde ich jetzt üblicherweise bezeichnet und finde es schick.
Tania Blixen an ihre Mutter Ingeborg Dinesen,
Ngong, 3. Juni 1928
Der Löwe war für Tanne das Symbol Afrikas. Um den Gläubigern gegenüber all ihre Versprechen zu halten, hatte sie selbst um die Zukunft der Farm wie eine Löwin gekämpft – und um eine gute Ehe. Aber selbst eine Löwin kann scheitern.
Thomas Dinesen über seine große Schwester in: Tanne. Min søster Karen Blixen (Tanne. Meine Schwester Karen Blixen)
Da es auf einem verhältnismäßig begrenzten Gebiet so große Variationen des Klimas, der geographischen Verhältnisse, der menschlichen Bewohner, der Flora und des Reichtums an Möglichkeiten gibt, ist Britisch-Ostafrika das eigentümlichste Herrschaftsgebiet Seiner Majestät … Mit absoluter Sicherheit lässt sich sagen, dass jeder, der dorthin kommt, sein frisch adoptiertes Land lieben wird. Und ob er nun Glück hat oder nicht, ob sein Erfolg klein, moderat oder groß ist, so wird er doch niemals den Schritt bereuen, den er tat, als er in Mombasa an Land ging.
Lord Cranworth, A Colony in the Making, 1912
Eine große Welt der Poesie hat sich mir eröffnet und mich hier draußen in sich hineingezogen, und ich habe sie geliebt. Ich habe Löwen in die Augen gesehen und unter dem Kreuz des Südens geschlafen, ich habe die großen Savannen während der Grasbrände gesehen und nach dem Regen mit feinem grünem Gras überzogen, ich war mit Somalis, Kikuyu und Massai befreundet, ich bin über die Ngong-Berge geflogen … Ich glaube, mein Haus war eine Art Zufluchtsstätte für Reisende und Kranke und für die Schwarzen das Zentrum hinsichtlich eines friendly spirit.
Tania Blixen an ihre Mutter, Ngong, 17. März 1931
Frühe Siedler auf dem beschwerlichen Weg zum Uasin-Gishu-Plateau im nördlichen Kenia.
© Edward Rodwell
Great Rift Valley.
© Nigel Pavitt
Massai-Krieger, sogenannte Morani.
© Edward Rodwell
Junge Kikuyu.
© Akbar Hussein
Denys Finch Hatton zu Pferde.
© Rungstedlundsammlung der Königlichen Bibliothek Kopenhagen.
Tania Blixen zu Pferde.
© Karen Blixens Archiv, Königlichen Bibliothek Kopenhagen (Viggo Kjær Petersens Koffer)
Karte gezeichnet von Chris Robitaille
Wilhelm und Ingeborg Dinesen in Rungstedlund mit ihren drei Töchtern, circa 1887. Ea sitzt auf dem Schoß des Vaters, Elle bei der Mutter und in der Mitte Tanne. Im Vordergrund der Hund Osceola. Die Söhne Thomas und Anders sind noch nicht geboren.
© Rungstedlundsammlung der Königlichen Bibliothek Kopenhagen.
Wilhelm Dinesens Stammbaum mütterlicherseits
Wilhelm Dinesens Stammbaum väterlicherseits
Hansen-Westenholz-Dinesens Stammbaum
Fräulein Karen Christentze Dinesen 1913. Das Foto ist Teil einer Porträtserie, die kurz vor ihrer Abreise nach Mombasa gemacht wurde.
© Rungstedlundsammlung der Königlichen Bibliothek Kopenhagen
Aage Westenholz (Onkel Aage), Tania Blixens Onkel mütterlicherseits. Diplomingenieur und Geschäftsmann, verdiente ein Vermögen während seines langjährigen Aufenthalts in Siam und auf der Malakka-Halbinsel. Er wohnte mit seiner Frau und seiner Cousine Ellen, die er Koosje nannte, von 1908 bei Birkerød auf seinem Landsitz Magleaas. Hauptaktionär und Vorstandsvorsitzender der Karen Coffee Company Ltd.
Abdullahi, somalischer Junge, Tania Blixens Diener während ihrer Europareise und des Dänemarkbesuchs 1919/20.
Abdullahi, Ahmed, Bruder oder Vetter Farahs (die Aussagen widersprechen sich) und einige Jahre Hausdiener von Tania Blixen. Er besaß ein ungewöhnliches mathematisches Talent. Auf Tania Blixens Kosten besuchte er die Schule in Mombasa.
A.W. Dinesen, Hauptmann Dinesens Vater und Tania Blixens Großvater. Der Familienpatriarch der Familie Dinesen, Kriegsheld, ehemaliger Artilleriemajor, Kommandeur der Batterie Dinesen während der Schleswig-Holsteinischen Erhebung 1848–51 und freiwilliger Artilleriehauptmann im französischen Heer in Algerien 1837. Der erste Schriftsteller der Familie.
Åke Bursell, schwedischer Farmverwalter und assistierender Manager der Karen Coffee Company von 1913 bis 1917. Er kündigte, um sich als Farmer in Kenia selbstständig zu machen.
Ali bin Salem, Sultan von Sansibar, Großwesir in Mombasa und geistliches islamisches Oberhaupt der Stadt. Guter Freund von Tania Blixen und Denys Finch Hatton.
Anders Dinesen, Tania Blixens jüngster Bruder.
Berkeley Cole, irisch-englischer Adeliger, Sohn von Sir Lowry Egerton Cole, dem 4. Earl of Enniskillen, Lord Delameres Schwager, Siedler in Britisch-Ostafrika/Kenia, lebte auf der Farm Naro Moru.
Beryl Markham (geborene Clutterbuck, verheiratete Purves in der ersten Ehe, heiratete 1927 Mansfield Markham), wohnte zeitweise bei Tania Blixen auf MBogani. Kenias erste Trainerin für Rennpferde und erste Pilotin der Kolonie. Überflog 1936 als erste Frau allein den Atlantik von Ost nach West. Autorin der Autobiografie Westwärts mit der Nacht. Tania Blixen bezeichnete die siebzehn Jahre jüngere Freundin häufig als »das kleine Mädchen«.
Boganis, siehe unter Hauptmann Dinesen.
Bror von Blixen-Finecke, dänisch-schwedischer Baron, geboren und aufgewachsen auf dem Herrenhof Næsbyholm in Schonen. Tania Blixens Großvetter und Ehemann von 1914 bis 1924. Das Ehepaar trennte sich 1922. Bis 1919 war er Direktor der Karen Coffee Company. Lebte seit Anfang der 1920er Jahre als Großwildjäger und Jagdführer. Heiratete 1928 seine langjährige Geliebte Jacqueline Harriet Alexander, genannt Cockie. Zwillingsbruder von Hans Blixen.
Carl Søgaard, dänischer Farmverwalter, wurde 1930 als Verwalter der Karen Coffee Company angestellt.
Clara von Blixen-Finecke (geborene Krag-Juel-Vind-Frijs), dänisch-schwedische Baronin, Bror Blixens Mutter, Tania Blixens Großtante und Schwiegermutter, jüngere Schwester von Mogens Frijs, Cousine von Hauptmann Dinesen. Sie war verheiratet mit Baron Frederik von Blixen-Finecke, mit dem sie fünf Kinder bekam. Bror war das jüngste.
Charles Bulpett (der »alte Bulpett« oder »Uncle Bulpett«), ein geschwätziger, geselliger, älterer englischer Abenteurer und Gentleman, der in seiner Jugend in den 1870er Jahren die Dardanellen durchschwommen und das Matterhorn bestiegen hatte und ein legendärer Cricketspieler war. Er wohnte bei den McMillans, wo er Tania Blixen häufig begegnete. Er besuchte sie auch regelmäßig auf der Farm.
Cockie, Jacqueline Harriet Alexander, Engländerin, in der ersten Ehe mit Ben Birkbeck verheiratet, begegnete Bror Blixen 1919 in London und 1920 in Kenia. Sie wurde seine Geliebte. 1928 heirateten sie, und sie wurde damit ebenfalls Baronin Blixen. Der Spitzname Cockie – frech, naseweis – spielte auf ihren stets sprudelnden Humor und ihr eher schlichtes Gemüt an.
Daisy (Anne Margrethe Grevenkop-Castenskiold, geborene Krag-Juel-Vind-Frijs), Tochter von Lehnsgraf Mogens Krag-Juel-Vind-Frijs. Tania Blixens Großcousine und enge Freundin. Heiratete den Diplomaten und Kammerherrn Henrik Grevenkop-Castenskiold 1910.
Delamere, Lord, mit vollem Name Hugh Cholmondeley 3. Baron Delamere, englischer Baron, unter Freunden »D« genannt (Tania Blixen gehörte zu ihnen), einer der ersten englischen Siedler in Britisch-Ostafrika.
Denys Finch Hatton, englischer Adeliger, Sohn von Henry Stormont Finch Hatton, 13. Earl of Winchilsea und 8. Earl of Nottingham, ließ sich 1910 als Kaufmann in Britisch-Ostafrika nieder. Dekorierter Offizier (Hauptmann) der britischen Armee im östlichen Afrika und später in Mesopotamien während des Ersten Weltkriegs, bevor er in der letzten Phase des Krieges in Kairo eine Ausbildung als Pilot begann. Wurde Mitte der 1920er Jahre in Kenia Großwildjäger und Jagdführer. Flog seit 1930 in Kenia sein eigenes kleines Flugzeug, eine Gypsi Moth. Tania Blixens Geliebter und die große Liebe ihres Lebens.
Dickens, W. H., Südafrikaner und Farmverwalter der Karen Coffee Company von 1922 bis 1929.
Ea (Inger Benedicte Neergaard, geborene Dinesen), Tania Blixens große Schwester; professionell klassisch ausgebildete Sängerin. Heiratete 1916 den Gutsbesitzer Viggo de Neergaard.
Elle (Ellen Dahl, geborene Dinesen), Tania Blixens jüngere Schwester. Zog 1911 kurzzeitig nach Moskau und versuchte vergeblich, während des Ersten Weltkriegs Frontkrankenschwester in der englischen Armee zu werden. Heiratete 1916 den Rechtsanwalt Knud Dahl, der als Anwalt am Obersten Gericht Dänemarks zugelassen war. Debütierte 1929 als Autorin unter dem Pseudonym Paracelsus mit dem Buch Parabler (Parabeln).
Emil und Olga Holmberg, schwedische Siedler. Emil war einer der Verwalter der Karen Coffee Company, bis er 1922 entlassen wurde, weil er sich auf Kosten der Farm persönlich bereichert haben soll. Olga gehörte zeitweilig zu Tania Blixens Umgangskreis.
Eric von Otter, schwedischer Baron, der nach Britisch-Ostafrika auswanderte und zum Islam konvertierte. Wurde während des Ersten Weltkriegs Hauptmann der King’s African Rifles in Ostafrika. Die Afrikaner nannten ihn »Risasi Moja«, »ein Schuss«. Der Spitzname bezog sich auf seine außergewöhnlichen Schießfähigkeiten. Er war ein enger Freund von Bror und Tania Blixen. Mit Tania führte er während einer langen Safari intensive Gespräche über den Islam.
Farah Aden, Tania Blixens persönlicher Diener (Haushofmeister) in all ihren Jahren in Afrika. Er war Somali und kam aus Aden in Somaliland. Er empfing sie in Aden während ihrer ersten Reise nach Afrika Anfang 1914.
Fatima, Farah Aden hatte drei Frauen, zwei hießen Fatima, beide stammten aus Aden. Die erste heiratete er 1918, die andere 1928. Die zweite Fatima, Farahs dritte Frau, eine junge, fröhliche Frau, war ein häufiger Gast bei Tania Blixen.
Felice Bruce-Smith, australische Farmersgattin, siedelte sich in den 1920er Jahren mit ihrem Mann in Kenia an. Das Ehepaar mietete Tania Blixens Farmhaus MBagathi, bevor es 1928 die Nachbarsfarm kaufte, die einem der allerersten Siedler gehörte, Johnnie van de Weyer. Tania Blixen und Felice Bruce-Smith trafen sich mehrfach in der Woche zum Tee und zu lebhaften Gesprächen.
Frank Greswolde-Williams, wohlhabender Engländer, Besitzer einer großen Farm im Kedong Valley und Alkoholiker. Wurde Ende der 1920er Jahre verdächtigt, Drogen für den sogenannten Happy-Valley-Kreis nach Kenia zu schmuggeln. Tania Blixen betrachtete ihn als guten Freund und verkehrte mit ihm vor allem in den letzten Jahren des Ersten Weltkriegs und Anfang der 1920er Jahre.
Galbraith Cole, irisch-englischer Adeliger, Sohn von Sir Lowry Egerton Cole, dem 4. Earl of Enniskillen, Lord Delameres Schwager und Siedler in Britisch-Ostafrika/Kenia. Lebte auf der Farm Kekopey am Lake Elementeita. Berkeley Coles älterer Bruder.
Gamle Knudsen, siehe Peter Aarup.
Gustav Mohr, Norweger, Farmverwalter in Kenia. Mohr, der belesen und wissbegierig war, gehörte in Tania Blixens letzten Jahren in Afrika zu ihren engsten Freunden und war ihr eine unentbehrliche Hilfe und Stütze.
Hans von Blixen-Finecke, dänisch-schwedischer Baron, Bror Blixens Zwillingsbruder. 1909 war Tania unglücklich in ihn verliebt. Er starb 1917 bei einem Flugzeugabsturz.
Hauptmann Dinesen (Wilhelm Dinesen), Tania Blixens Vater. Bei seinen Zeitgenossen war er bekannt als Hauptmann Dinesen, berühmt für seine zahlreichen Kriegserlebnisse im Dänisch-Deutschen Krieg 1864, im Französisch-Deutschen Krieg 1870/71 (als Hauptmann des französischen Heeres), in der Pariser Kommune 1871 und dem Russisch-Türkischen Krieg 1877/78. Nach einem Aufenthalt in Nordamerika, wo er unter Indianern lebte, wurde er in Dänemark ein bekannter Schriftsteller, dessen Jagtbreve (Jagdbriefe) und Nye Jagtbreve (Neue Jagdbriefe), die unter dem Pseudonym Boganis erschienen, besonders populär waren. Von 1892 bis zu seinem Tod 1895 war er Abgeordneter des dänischen Parlaments Folketing. Er beging am 27. März 1895 Selbstmord.
Hugh Martin, Chef des Landdistriktbüros in Nairobi. Teilte Ende der 1920er Jahre sein Haus in der Stadt mit Denys Finch Hatton.
Ingrid Lindström, schwedische Offizierstochter, seit 1920 Siedlerin in Kenia. Zusammen mit ihrem Mann Gillis Lindström betrieb sie eine gemischte Farm bei Njoro in Zentralkenia. War Tania Blixens beste Freundin in Kenia.
Johnnie van de Weyer, britischer Siedler und Tania Blixens Nachbar, bis er Ende der 1920er Jahre schließlich Konkurs anmelden musste. Er pachtete 1919/20 das Land der Karen Coffee Company.
Juma bin Muhammed, Hausdiener bei Tania Blixen in den Jahren auf MBogani.
Kamande Gatura, ein junger Kikuyu, Schafhirte und Einzelgänger, den Tania Blixen bei sich aufnahm. Zunächst sollte er sich um den Hund kümmern, später avancierte er vom Küchenjungen zum Koch, zeitweise war er auch ihr persönlicher Assistent. Er hatte ein unvergleichliches Talent in der Küche und wurde wegen seiner Kochkünste eine lokale Legende.
Kitty (Frances McCreery), Amerikanerin, Tanias Bruder Tommy lernte sie 1917 in New York kennen, 1919 verlobten sie sich, doch Tommy löste die Verlobung und sagte die Hochzeit ab.
Knud Dahl, Rechtsanwalt, Sohn des vermögenden Seidengroßhändlers Lauritz Dahl, heiratete 1916 Elle.
Lettow-Vorbeck, Paul von, deutscher Oberstleutnant, später General und während des Ersten Weltkriegs Oberkommandierender des deutsch-ostafrikanischen Heeres, der sogenannten Schutztruppe. Die Engländer bewunderten seine militärischen Fähigkeiten, da seine zahlenmäßig unterlegene Truppe unbesiegt blieb. Während des Herero-Aufstands war er mitverantwortlich für den Völkermord an den Hereros. Später wurde er Freikorpsmitglied, nahm am Kapp-Putsch teil, sympathisierte mit den Nationalsozialisten und war ein Verfechter der Rassenhygiene. Tania Blixen lernte ihn 1914 auf ihrer Reise nach Britisch-Ostafrika kennen, sie blieben in lebenslangem Kontakt.
Lilian Gordon (geborene Bradburn), englische Suffragette, verheiratet mit dem Labour-Politiker und Hauptmann der britischen Armee Alban Gordon. Tanias Bruder Tommy lernte sie während seines Aufenthalts in einer Kadettenschule in England in Bexhill-on-Sea kennen. Sie hatten eine kurze Affäre, die sie beendete. Tommy war unglücklich in sie verliebt.
Mama (Mary Lucinde Westenholz, geborene Hansen), Tania Blixens Großmutter, die einflussreiche Patriarchin der Familie, großbürgerlich, gebildet und viktorianisch. Sie wurde stets Mama genannt.
McMillan, Lady, verheiratet mit dem amerikanischen Multimillionär William Northrup McMillan. Eine gute Freundin und Stütze in Tania Blixens Jahren in Afrika.
McMillan, Sir William Northrup, amerikanischer Siedler in Britisch-Ostafrika, Multimillionär und Geschäftsmann, der ursprünglich aus Ohio kam. Er wurde von den Engländern für seinen Einsatz bei der Entwicklung Ostafrikas und seine militärischen Dienste im Ersten Weltkrieg geadelt. Der ungewöhnlich korpulente Mann gehörte zu Tania Blixens ersten und besten Freunden in Afrika.
Mogens Krag-Juel-Vind-Frijs (Onkel Mogens), Lehnsgraf, Tania Blixens Großonkel, Vetter ihres Vaters. Dänemarks größter Grundbesitzer, residierte auf Frijsenborg bei Hammel in Mitteljütland. Seine Begeisterung für Ostafrika nach einer Safari 1911 inspirierte Tania und Bror Blixen, sich dort niederzulassen. Er investierte in ein Gebiet am Lake Naivasha, wo er ein Farmgebäude errichten ließ. Tania Blixen besuchte den Ort häufig, Frijs selbst kehrte jedoch nie nach Afrika zurück.
Mohder (Ingeborg Dinesen, geborene Westenholz), Tania Blixens Mutter. In der Familie wurde sie stets Mohder genannt.
Onkel Aage, siehe Aage Westenholz.
Onkel Mogens, siehe Mogens Krag-Juel-Vind-Frijs.
Onkel Rens (Laurentzius Dinesen), Hauptmann Dinesens großer Bruder und bis zu seinem Tod 1916 Kammerherr und Gutsbesitzer von Gut Katholm.
Otto Casparsson, schwedischer Wanderer und verkrachter Schauspieler, der Tania Blixen Anfang des Jahres 1928 auf dem Weg nach Tanganjika besuchte. Tritt in Jenseits von Afrika unter dem Namen Emmanuelson auf.
Peter Aarup, in Jenseits von Afrika der alte Knudsen genannt, war der erste dänische Siedler in Kenia. Abenteurer, Fischer, Bootsbauer, Erfinder und vieles mehr. Er war alt, beinahe blind und alkoholisiert, als er 1924 Tania Blixen besuchte und einige Monate bis zu seinem Tod im selben Jahr auf der Farm wohnte. Tania Blixen war fasziniert von seinem Erzähltalent.
Ragnar Westenholz, Tania Blixens Großvater. Verdiente ein Vermögen im Kornhandel in London, war später Etatrat, Folketing-Abgeordneter und für kurze Zeit dänischer Finanzminister. Er starb 1866.
Remy Martin, Bauherr, der auf einer Zwangsauktion 1930 das Land der Karen Coffee Company kaufte, um das Gebiet zu einem Stadtteil Nairobis für Wohlhabende auszubauen, den er »Karen« nennen wollte, nach Tania Blixens eigentlichem Vornamen Karen. Er bot Tania Blixen an, auf MBogani wohnen zu bleiben, obwohl die Kaffeefelder als Baugrund parzelliert wurden.
Saufe, siehe Sofe.
Sofe, Sohn von Farah und seiner dritten Frau Fatima, geboren 1928. Tania Blixen liebte ihn wie ihren eigenen Sohn.
Tante Bess (Mary Bess Westenholz), Tania Blixens Tante. Lebte mit Mama auf dem Gut Folehavegaard. Blieb ihr Leben lang unverheiratet. Frauenrechtlerin, Rednerin, Mitgründerin der Freien Kirchengemeinde (Unitarier) und Redakteurin des kirchlichen Gemeindeblatts. Sie und Tania Blixen waren häufig grundsätzlich unterschiedlicher Meinung, vor allem in Fragen der Sittlichkeit. Tante Bess war jedoch eine große Bewunderin von Tanias literarischem Talent und ermunterte sie, Schriftstellerin zu werden.
Thaxton, H., Amerikaner, Verwalter von Karen Coffee Company von 1922 bis 1929.
Thyra Krag-Juel-Vind-Frijs (Tante Thyra), Lehnsgräfin, Mutter von Mogens Frijs, Tania Blixens Großtante und Tante ihres Vaters Wilhelm Dinesen, für den sie eine Art Reservemutter gewesen war.
Tommy (Thomas Dinesen), Tania Blixens geliebter jüngerer Bruder. Er nahm 1918 freiwillig auf der englisch-kanadischen Seite am Krieg an der Westfront teil und bekam das Victoriakreuz für seinen Einsatz. Lebte als Tania Blixens rechte Hand und Ratgeber von 1920 bis 1922 auf der Farm in Afrika. Heiratete 1926 Jonna Marie Lindhardt. Debütierte als Autor 1929 mit Erinnerungen an seine Fronterlebnisse, No Man’s land.
Tumbo, Sohn des Hausdieners Juma, eines der Kinder auf der Farm, die Tania Blixen gleichsam als ihre eigenen ansah.
Viggo de Neergaard, Gutsbesitzer von Valdemarskilde in der Nähe von Sorø. Heiratete 1916 Ea. Wurde 1930 Vorstandsvorsitzender von Karen Coffee Company als Nachfolger von Aage Westenholz.
Vivienne de Watteville, Tochter eines bekannten Schweizer Botanikers und Entdeckungsreisenden. Auch sie hatte Abenteuerlust im Blut und war viel in Afrika umhergereist. Bekannte von Denys Finch Hatton und ein Gast auf MBogani während eines kleinen exklusiven Abendessens für den Prinzen von Wales 1928.
© Rungstedlundsammlung der Königlichen Bibliothek Kopenhagen
Französische Missionare der St. Austin’s Mission begannen Mitte der 1890er Jahre, in Kenia Kaffee anzubauen.
© Nigel Pavitt
Kaffee besteht aus den Samen der ewiggrünen Bäume der Sorte Coffea, die ursprünglich aus Abessinien (Äthiopien) stammt. Die Bäume wachsen in tropischem Klima und gedeihen typischerweise bei einer Durchschnittstemperatur von fünfzehn bis dreißig Grad, einem jährlichen Niederschlag zwischen tausendfünfhundert und zweitausendfünfhundert Millimetern und einer Höhe von tausend bis zweitausendfünfhundert Metern über dem Meeresspiegel. Drei, vier Jahre nach der Pflanzung eines Kaffeebaums, der seinem Aussehen nach umgangssprachlich auch als Busch bezeichnet wird, beginnt er, Beeren zu tragen. Die reifen Beeren sind dunkelrot und erinnern an kleine, feste Kirschen. Bevor sie Beeren entwickeln (in der Regel zweimal jährlich), blühen Kaffeebäume wie Kirschbäume und explodieren in einer Wolke aus hübschen weißen, jasminähnlichen Blüten.
Die Beeren hängen in traubenförmigen Gebinden an den Zweigen, müssen aber einzeln gepflückt werden. Eine Beere enthält in der Regel zwei Samen, die üblicherweise »Bohnen« genannt werden, wenngleich dieser Begriff nicht korrekt ist. Sind die Beeren gepflückt – die reifen Beeren können beinahe (aber nur beinahe) von den Ästen gestrichen werden –, wird in einem mechanischen Prozess das Fruchtfleisch von den Bohnen getrennt – das sogenannte pulping. Die Reste des Fruchtfleischs lösen sich in großen Wannen durch Fermentation. Anschließend werden die Bohnen auf großen Maschendrahtgestellen in der Sonne oder in einem Trockner getrocknet.
Die Bohnen durchlaufen nun einen Prozess, der grading genannt wird, das heißt die Sortierung nach Größe. Dies geschieht entweder von Hand oder mechanisch. Noch immer sind die Bohnen ganz hell und ähneln beinahe Erdnüssen. Dies liegt an der pergamentartigen Haut, von der die Bohnen umgeben sind. Sie muss entfernt werden. Dieses hulling geschieht ebenfalls mechanisch in einer Art Trockner. Nun hat man die sogenannte grüne Kaffeebohne. Sie muss entweder direkt vor Ort oder bei einem Großhändler geröstet werden. In jedem Fall werden die meisten Bohnen in Säcke gefüllt und verschifft. Über verschiedene Verkaufsstationen gelangen sie schließlich in den Einzelhandel.
Nach dem Mahlen sind die Bohnen bereit, den Geschmack abzugeben, den wir von einer Tasse Kaffee kennen.
Afrikaner sortieren die ganz hellen Kaffeebohnen, die noch immer mit einem Häutchen überzogen sind.
© Elisabeth Gregory
Im Jahr 1902 wurden die ersten reifen Kaffeebäume im ostafrikanischen Hochland abgeerntet, dem Teil des Landes, der später Kenia genannt wurde. Sie gehörten zu der Sorte Coffea Arabica und waren von katholischen Missionaren der St. Austin’s Mission Mitte der 1890er Jahre nahe des späteren Nairobi im Hochland gepflanzt worden. Die Missionare bekamen die Samen aus Aden – ursprünglich kamen die Samen jedoch von der Insel Bourbon (dem heutigen Réunion) im Indischen Ozean östlich von Madagaskar. Zu ihrer großen Freude entdeckten die Missionare, Vater Tom Burke und die Brüder Lucien, Timothy und Martial, dass das Klima im kenianischen Hochland ideal war, denn die Samen sprossen und wurden zu Bäumen. Seit dieser ersten Ernte versorgte die Mission sich selbst mit Kaffee.
Die Geschichte des Kaffees könnte hier schon zu Ende sein, wären nicht umtriebige Siedler in das 1895 übernommene britische Protektorat geströmt (seit 1920 hieß es offiziell Kronkolonie Kenia), die bereit waren, mit allen möglichen Früchten und Pflanzen zu experimentieren – in der Hoffnung auf eine neue und profitable Existenz. Inspiriert vom Erfolg der Missionare wurden 1902 die ersten Kaffeebäume zur kommerziellen Nutzung in Britisch-Ostafrika gepflanzt. Bereits zehn Jahre später konnte das Department of Agriculture, das britische Landwirtschaftsministerium, in seinem Jahresbericht 1912/13 mitteilen, dass »die Ursache des sehr raschen Anstiegs der Bodenpreise in großen Teilen des Hochlands in besonderem Maß auf den Erfolg des Kaffeeanbaus zurückzuführen ist … Erfreulicherweise haben die angebauten Sorten eine steigende Nachfrage auf den europäischen Märkten; die Preise, die für ostafrikanischen Kaffee erzielt werden, gehören zu den höchsten der Welt.«
Die Statistiken über den Kaffeebohnenexport aus Britisch-Ostafrika sind verblüffend. 1909 wurden noch bescheidene 8,6 Tonnen exportiert. Ein Jahr später war es bereits mehr als das Dreifache. Und in den folgenden Jahren verdoppelte sich die Zahl Jahr für Jahr (mit einem einzigen Ausnahmejahr, in dem die Steigerung lediglich fünfzig Prozent betrug), sodass 1914 zweihundertfünfundsiebzig Tonnen im Wert von achtzehntausendfünfhundert Pfund exportiert wurden, was einem heutigen Wert von rund sieben Millionen Euro entspricht. Am Umsatz gemessen war der Kaffeeanbau damit noch kein großer wirtschaftlicher Faktor. Aber gemessen am Wachstum und am Potenzial – nicht zuletzt, was die Bodenpreise betraf – waren es in den Augen eines Farmers oder Investors phänomenale Zahlen, denn der Durst nach Kaffee schien auf den globalen Märkten unstillbar zu sein. Ganz abgesehen vom Durst der Bodenspekulanten nach einem neuen Eldorado.
Träumte man also von schnellem und großem Reichtum und hatte das Geld, die Arbeitskraft und dazu noch den Mut, sich in ein Abenteuer zu stürzen, dann waren die Nachrichten und Statistiken aus Kenia mehr als faszinierend. Bei allem Eifer wurden jedoch gern die vielen eindeutigen Warnungen übersehen, die es seit den allerfrühesten Anfängen des Kaffeeanbaus auf dem afrikanischen Hochland gab. Denn häufig wurden die Farmer mit Problemen konfrontiert, die an die zehn biblischen Plagen erinnerten: das launische ostafrikanische Klima, die zahlreichen Tropenkrankheiten und die vielen verschiedenen Schädlinge. Insbesondere der Bohrkäfer konnte die Pflanzen angreifen und in Rekordzeit die Ernte von einem oder mehreren Jahren vernichten und auf diese Weise auch die am besten bewirtschaftete Farm ruinieren. Doch derart niederschmetternde Geschichten wurden von den Siedlern nicht ernst genommen, wenn sie sich erst einmal für das Wagnis entschieden hatten und fest an ihren Erfolg glaubten.
Wenn dieser Glaube nämlich fehlte, konnte man schnell in eine Situation geraten, aus der es tatsächlich keinen Weg zurück mehr gab, selbst wenn man es gewollt hätte. Daher blieb den meisten Farmern keine andere Wahl, als alles auf ihren Traum zu setzen, auch wenn er sich in einen Albtraum verwandelte. Koste es, was es wolle.
MBOGANI, NGONG HILLS, KENIA, 1. APRIL 1926. Kühl weht der Wind aus der Athi-Ebene, ganz in der Nähe heulen Hyänen. In den letzten Tagen hat es geregnet, dieser lebenspendende Regen; der Duft des Tropenwaldes, des Kikuyu-Waldes, und der Maisfelder ist süßlich und kräftig. Hinter den langen, gleichmäßigen Reihen der Kaffeebüsche, die die Grenze zum Massai-Reservat am Fuß der Ngong Hills bilden, geht der Mond langsam und majestätisch auf. Schon bald wird er durch die großen weißen Wolken brechen, die über den ganzen Himmel verteilt sind. Es ist Nacht. Nacht in Afrika, und Tannes Finger tanzen über die Tastatur ihrer Corona.
»Mein lieber alter Tommy«, schreibt sie an ihren geliebten jüngeren Bruder und öffnet ihm wie so oft zuvor ihr Herz. »Schreiben muss ich, und ich weiß nicht, wem ich schreiben soll, wenn nicht Dir; mit wem könnte ich sonst aufrichtig sprechen?«
Es ist Nacht in Afrika, und es ist dunkel in ihrer Seele. Der Tanz der Finger ist angespannt. Zu schreiben erfordert all ihre Kraft. Sie läuft, wie sie es selbst formuliert, nur noch auf zwei Zylindern. Wochenlang ist sie kaum aus dem Bett gekommen, es war ihr bisher nicht möglich, Tommy zu schreiben, obwohl sie im Geist einen Brief nach dem anderen an ihn verfasst hat. Doch ihre Worte blieben im Geist hängen. Aber nun – in diesem Augenblick, beim Geheul der Hyänen – hat sie all ihre Kräfte mobilisiert. Hauptsache, es gelingt, den Brief zu beenden und abzusenden. Sie braucht dringend seine Hilfe. Ihr Schmerz ist so groß, dass es sich anfühlt, »als wäre ich lebendig begraben. Stell Dir vor, Du würdest mich in der Dunkelheit liegen sehen, mit dem Gewicht der Welt auf meiner Brust, Du musst mir diesen Schrei verzeihen.«
Es gibt viele Gründe, warum sie nicht mit sich zurechtkommt und einfach nur schreien möchte. Die Schulden der Farm werden immer größer, obwohl sie darum kämpft, die Farm profitabel zu führen. Durch ihre alles verschlingende Liebe zu Denys Finch Hatton hat sie das Gefühl, zwischen Himmel und Hölle hin- und hergerissen zu sein. Im Himmel ist sie, wenn er bei ihr ist, in der Hölle, wenn er unterwegs ist – und das ist er meist, auch jetzt. So kann es nicht weitergehen. Sie wird zerrissen. Aber was soll sie tun?
Ihr Schrei in der Dunkelheit stellt die quälende Frage, auf die sie endlich eine Antwort finden muss, wenn sie sich Hoffnung machen will, all dies aufrechtzuerhalten und den Kampf um das Überleben der Farm – und ihrer Liebe – zu gewinnen, ja, wenn ihre eigene Existenz überhaupt einen Sinn haben soll. Sie ist fast einundvierzig Jahre alt – und was war ihr Leben bisher? Ein einziges großes Fiasko? Ist es nicht zu spät, sich ein Leben zu schaffen? Ein wirklich unabhängiges Leben? Vielleicht ist eine Kugel in den Kopf inzwischen die beste – die einzige – Lösung? Es klingt melodramatisch, und doch ist es ernst gemeint. Eines hat Tania Blixen mit ihrem Bruder gemein, der sich auf britischer Seite am Großen Krieg, wie der Erste Weltkrieg dort genannt wurde, freiwillig beteiligte und für seinen Einsatz im Schützengraben mit dem Victoriakreuz, dem höchsten Tapferkeitsorden des Empire, ausgezeichnet wurde: Sie hat überhaupt keine Angst vor dem Tod. Und sie würde lieber sterben – das weiß sie tief im Inneren –, als ihrer Freiheit, ihrer Liebe, ihrer Tatkraft und ihrer Würde beraubt zu werden. Ja, sie würde hier draußen lieber sterben und zur ewigen Ruhe an den Ngong Hills bestattet werden als nach Dänemark zurückzukehren, um dort ein bürgerliches Leben zu führen. Es ist keine Option für sie. Es würde ihre Seele ersticken und sie einsperren wie einen Vogel in seinem Bauer.
Sie gehört hierher, schreibt sie an Tommy.
Aber wie konnte es zu dieser derart verzweifelten Situation kommen? Die Corona klappert. »Wann genau bin ich eigentlich aus der Spur geraten, die mich an diesen Punkt geführt hat, an dem ich nun, wie soll ich sagen: festgefahren bin? War es meine Verlobung mit Bror? – unser Entschluss, hierherzureisen? – oder irgendein Zeitpunkt hier draußen?«
Oder war es sehr viel früher, lange bevor sie nach Afrika ging?
Der Mond steht über den langen, geraden Reihen der Kaffeebüsche. Würden hellere Zeiten für sie anbrechen?
Tania Blixens Schreibmaschine.
© Rungstedlundsammlung der Königlichen Bibliothek Kopenhagen
Karen Dinesens Reise nach Britisch-Ostafrika vom 28. Dezember 1913 bis zum 15. Januar 1914.
© Møllers grafiske tegnestue
DREIZEHN JAHRE ZUVOR. Sie erregt Aufmerksamkeit unter den übrigen Passagieren der Ersten Klasse auf dem deutschen Dampfschiff S/S Admiral, das Neapel am 28. Dezember 1913 um 02.30 Uhr mit Kurs auf Mombasa verlässt. Der Blick ihrer tief liegenden, nachtschwarzen Augen ist ungewöhnlich intensiv, der Teint elfenbeinmatt, die Haare nussbraun, die Gestalt anmutig. Auf der Passagierliste wird sie als »Frau Karen Dinesen« geführt. Das ist ein Fehler. Denn trotz ihrer achtundzwanzig Jahre ist sie noch Fräulein. Ihr voller Name lautet Karen Christentze Dinesen.
Fräulein Dinesen ist verlobt und hat gerade die Reise ihres Lebens angetreten. In Mombasa in Britisch-Ostafrika wartet ihr zukünftiger Ehemann, unmittelbar nach ihrer Ankunft soll geheiratet werden. Dann wird ihr rechtmäßiger Titel Baronin lauten. Der Bräutigam ist ihr Großvetter, der siebenundzwanzigjährige schwedische Baron Bror Frederik von Blixen-Finecke, der normalerweise Bror Blixen und bei seinen Freunden in Afrika einfach Bror oder Blix genannt wird. Doch obwohl sie sich bald daran gewöhnen muss, als Baronin Blixen angesprochen zu werden – es wird nicht lange dauern –, hat sie in ihrer Familie und unter ihren engsten Bekannten seit ihrer Kindheit einen Kosenamen: Tanne. In Deutschland wird sie viele Jahre später als Tania Blixen berühmt werden.
Tanne und Bror planen, eine Kaffeefarm im ostafrikanischen Hochland zu betreiben, zwanzig Kilometer westlich von Nairobi. Bror soll die Farm leiten, Tanne die Buchhaltung übernehmen. Bror ist vorausgereist, um eine Farm zu kaufen und alles vorzubereiten. Insgesamt haben Tannes Mutter und ihr Bruder Aage für die neu gegründete Aktiengesellschaft Karen Coffee Company Ltd. Bror zwanzigtausend Pfund zur Verfügung gestellt, eine Summe, die einem heutigen Wert von rund 3,4 Millionen Euro entspricht. Der Aufenthalt in Afrika ist für unbestimmte Zeit geplant, und zum Schutz vor dem Fremden hat Tanne mehr oder weniger die komplette europäische Zivilisation mitgenommen. Schiffskisten voller Silber, Porzellan, Champagnergläser, einen Ganzkörperspiegel, Stühle, Tische und Schränke, Tischwäsche, Gemälde, Schmuck und Teppiche, eine Standuhr, die Bibliothek ihres Großvaters Regnar Westenholz mit dänischer Literatur, vor allem aus den 1830er und 1840er Jahren (unter anderem Autoren wie Paludan-Müller, Blicher, Oehlenschläger, Ingemann und Grundtvig), eine große französische Glocke, eine enorme Garderobe sowie ein besonders geschätztes Hochzeitsgeschenk: Dusk, einen mageren, rauhaarigen schottischen Hütehund.
Lange hat Tanne sich danach gesehnt, die Normen und das Selbstverständnis ihres großbürgerlichen Elternhauses abzustreifen – mit der immanenten Ironie, dass gerade diese Familie ihr afrikanisches Abenteuer finanziert, ihre Jagd nach »dem Großen im Leben«, wie sie es bezeichnet. Dem Grenzüberschreitenden, dem Gewagten. Tanne zeichnet und malt auf hohem Niveau und hat ein ungewöhnliches Erzähltalent. Seit ihrem achten oder neunten Lebensjahr hat sie Gedichte und fantasievolle Geschichten geschrieben, und obwohl sie bereits einige Jahre zuvor ihr literarisches Debüt hatte und drei ihrer Erzählungen in durchaus prestigeträchtigen Magazinen veröffentlichen konnte, hat sie ihre unzähligen Geschichten alle in der Schreibtischschublade versteckt – ebenso ein Gedicht, in dem sie als Achtzehnjährige ihre Sehnsucht beschreibt, ihre Kräfte zu entfesseln und sich selbst zu finden.
In meinem Gefängnis singt mein Herz
nur von Flügeln, nur von Flügeln,
kein anderes schönes Lied der Welt erklingt in seinen Ohren.
Selbst Vögel, die im Bauer schlüpfen, haben Träume,
in denen sie sich frei hinauf zum Himmel schwingen,
und in seinem Gefängnis singt mein Herz
nur von Flügeln, nur von Flügeln.
Obwohl sie es eilig hat, ihren Bauer zu verlassen, strahlt sie doch etwas Verlorenes aus, das ihre Mitreisenden fasziniert, die kaum die Augen von ihr abwenden können. Sie ist schön, ohne auffällig hübsch zu sein. Auffällig ist sie in ihrer Verlorenheit. Sie nimmt einen gewissen Raum ein, obwohl ihre Gestalt eher schmächtig ist. Ein Mitpassagier, der schwedische Graf Carl Gustaf Lewenhaupt til Aske i Håtuna og Håbotibble beschreibt sie in seinem Reisetagebuch als »arm, einsam und seit Italien malariakrank«.
Allerdings bemerkt er schon bald, dass ihre Persönlichkeit weitaus komplizierter ist. Alle, die sie kennen, wissen um ihre Stimmungsschwankungen: von exaltiert und unverhohlen begeistert – ist sie in ihrem Element, ist sie unwiderstehlich charmant und keck – bis hin zu Missmut, Depression und Selbstzweifeln. Zu Beginn der Reise ihres Lebens ist sie in dieser Gemütsverfassung.
»Alles bereitet mir Anstrengung, das Aufstehen, das Ankleiden, überhaupt zu leben, und oftmals … bin ich so verzweifelt und müde, dass ich nicht glaube, noch am Leben zu sein, wenn ich in Mombasa ankomme«, schreibt sie von Bord der S/S Admiral an ihre Mutter.
Die Tristesse liegt an ihrer Unentschlossenheit. Ist es richtig, nach Afrika zu reisen und dort ihren Vetter zweiten Grades zu heiraten? Sie ist ein wenig in ihn verliebt – beide sind Träumer und verstehen es, sich gegenseitig zu begeistern –, sie sind sich sympathisch, aber eine tiefe Liebe empfindet sie nicht. Die bevorstehende Ehe ist im Grunde eine fixe Idee. Eigentlich hatte sie sich unglücklich in Brors zwei Minuten älteren Zwillingsbruder Hans verliebt, der sie allerdings nicht beachtete. Außerdem ist es ihr peinlich, zu den wenigen Passagieren der Ersten Klasse zu gehören, die keinen persönlichen Diener haben.
Bei stürmischem Wind mit Hagel und Regen dampft die S/S Admiral vom Tyrrhenischen Meer ins Mittelmeer. Die Passagiere, darunter Tanne, leiden an Seekrankheit, wodurch sich ihr Gefühl verstärkt, dem Tode nahe zu sein. Der Doppelschraubendampfer Admiral, Stolz der Deutschen Ost-Afrika Linie, ist ein modernes Schiff von sechstausenddreihundert Bruttoregistertonnen und verfügt rund um die Uhr über Elektrizität und einen drahtlosen Telegrafen. Das Schiff hat keine Probleme mit dem hohen Seegang, doch erst als ruhigeres Fahrwasser erreicht wird, können die Passagiere der Ersten Klasse sich an dem gebotenen Komfort erfreuen. Kabinen mit Bad, Ankleideraum, Telefon am Bett und einem elektrischen Ventilator, der vor allem in tropischen Gewässern von großem Nutzen ist. Außer dem Promenadendeck gibt es ein Loungedeck, einen Rauchersalon und einen eleganten Speisesaal. Ein Blechbläsersextett spielt zweimal am Tag, und die einhundertzwölfköpfige Besatzung steht rund um die Uhr zur Verfügung, um für das Wohlbehagen der Herrschaften zu sorgen.
Jedoch reisen nur die wenigsten Erster Klasse. Die meisten Passagiere sind einfache Aussiedler aus Großbritannien, Deutschland und Skandinavien. An Bord sind junge britische Beamte, aber auch Großwildjäger, die selten müde werden, von ihren Taten zu erzählen. Einer von ihnen behauptet, auf seiner letzten Safari elf Löwen erlegt zu haben; er kehrt nach Afrika zurück, um weitere zu schießen.
Tanne mit ihrer Mutter und Schwester Elle (mit dem Rücken zum Betrachter) in Neapel vor ihrer Abreise nach Mombasa.
© Rungstedlundsammlung der Königlichen Bibliothek Kopenhagen
Die Kabinen der Ersten Klasse mit eigenem Telefon.
© Akbar Hussein
Die S/S Admiral.
© Akbar Hussein
Port Said.
© Rungstedlundsammlung der Königlichen Bibliothek Kopenhagen
Der Hafen von Neapel.
© Akbar Hussein
Allerdings gibt es durchaus auch vornehme Reisende. Darunter einige Adelige und einen hochrangigen Offizier, außerdem sind der neunundzwanzigjährige schwedische Prinz und Herzog von Södermanland Wilhelm und sein Gefolge an Bord: Kammerdiener André, der bereits erwähnte Graf Lewenhaupt und der Kabinettskammerherr Erland Broström. Der Prinz reist inkognito als »Count Stenhammar«. Er will auf Safari gehen, was heißt auf Großwildjagd. Ein junger Baron Goldschmidt-Rothschild mit Ehefrau und acht Dienern gehört ebenfalls zu den vornehmeren Passagieren. Auch er will auf Safari und hat zahlreiche großkalibrige Schusswaffen in seinem Gepäck.
An Bord trifft sie zudem einen berühmten deutschen Wissenschaftler, Maximilian Zupitza, einen Bakteriologen und Experten für Tropenkrankheiten, der für seine Studien über die Schlafkrankheit bekannt ist, die – so beweisen seine Forschungsergebnisse – von einem Parasiten in Uganda ausgelöst wird. Es ist seine dreiundzwanzigste Reise nach Afrika, im Gepäck hat er Hunderte von Ratten und Meerschweinchen als Versuchstiere. Seine Arbeit macht Fortschritte, so berichtet er Tanne unterwegs, obwohl die Behandlung der Afrikaner – die mutig sind und niemals über Schmerzen klagen – schwierig sei, da sie eine tiefe Abneigung gegen Regelmäßigkeit und Wiederholungen haben. Seiner Ansicht nach müsse man schon von einer Art Verrücktheit sprechen, da sie sich nicht seiner Systematik und Routine unterordnen wollten.
Ein anderer wissenschaftlich ausgebildeter Passagier ist Mr. Robson, ein Chirurg, Leibarzt des ehemaligen Königs Edward. Er reist jedoch nicht aus ärztlichem Interesse nach Afrika, sondern ebenfalls um Löwen zu schießen. Er wird später durch einen Schuss seines afrikanischen Waffenträgers sterben, der nervös am Gewehr herumfummelt, als sie einem Löwen direkt gegenüberstehen.
Schließlich gibt es noch einen deutschen Oberstleutnant auf dem Schiff, den dreiundvierzigjährigen Paul von Lettow-Vorbeck, der auf dem Weg nach Daressalam ist, der Hauptstadt Deutsch-Ostafrikas, um das Kommando über die dortigen deutschen Truppen zu übernehmen – eine kleine professionelle Einheit gut ausgebildeter afrikanischer Soldaten, sogenannter Askaris (Suaheli für Soldat, Polizist oder Wachmann), die Schutztruppe genannt wird. Obwohl Lettow-Vorbeck an einem Auge verletzt ist – das Resultat eines Gefechts – und er große Kriegserfahrungen hat, unter anderem aus Feldzügen in Deutsch-Südwestafrika (Namibia) gegen aufständische Hottentotten und Hereros, die heute als Völkermord gelten, tritt er als sanfter, höflicher, gebildeter und reservierter pommerscher Adeliger auf.1
Jedoch kann man sich bei einer dichten Kabinenbelegung und mehreren täglichen Mahlzeiten im Speisesaal kaum reserviert verhalten. Selbst das entkräftete und deprimierte Fräulein Dinesen fängt an, mit ihren Mitreisenden in Kontakt zu treten. Als Graf Lewenhaupt klar wird, dass sie Bror Blixens Verlobte ist – Lewenhaupt hat mit Bror die Landwirtschaftsschule besucht –, lädt er sie als festen Gast an den Tisch von Prinz Wilhelm ein. Lewenhaupts erster Eindruck von einer verzagten und einsamen Tanne ändert sich bei näherer Bekanntschaft.
»Sie ist ein eigentümliches Mädchen, emanzipiert und ohne Skrupel«, notiert er in seinem Tagebuch. Das Emanzipierte und Skrupellose besteht darin, dass sie ihm erzählt hat, sie werde heiraten, obwohl es in Britisch-Ostafrika keinen lutherischen Pastor gebe, mit anderen Worten, es werde keine kirchliche Heirat geben. Das kommt dem Grafen unerhört vor. Zudem schreibt er in sein Tagebuch, sie scheine ihm nicht sonderlich intelligent zu sein. Allerdings sind sämtliche junge Frauen, die er während der Reise beschreibt, seiner Ansicht nach ein wenig dumm. Dafür ist er ausgesprochen großzügig in seiner Einschätzung und Beschreibung ihrer körperlichen Reize.
Wenn Tanne nicht mit den Schweden isst, mit Dusk promeniert oder müde und allein in ihrer Kabine sitzt, versucht sie, ein Dienstmädchen zu engagieren. Sie hat die deutsche Haushälterin Martha kennengelernt, die sie anstellt, um ihre Kleider zu waschen. Sie plant, Martha auf die Kaffeefarm mitzunehmen.
»Das Schlimmste an dieser ansonsten herrlichen Person ist, dass sie so teuer ist«, vertraut Karen ihrer Mutter in einem schlecht verhohlenen Versuch an, den mütterlichen Segen zu bekommen, um Martha fest anzustellen.
Silvester erreicht die Admiral Alexandria, an Bord findet ein Fest mit Musik und Tanz statt. Am 2. Januar kommt das Schiff in Port Said an der Mündung des Suezkanals an. Die Admiral legt im Hafen an, um Kohle aufzunehmen. Ein endloser Strom schwitzender schwarzer Männer und Frauen leert die Körbe, die sie auf dem Kopf tragen, in den Laderaum, um sofort zurückzueilen und einen neuen Korb Kohle zu holen. Eine immer dichtere Wolke aus Kohlenstaub legt sich langsam über das Schiff. Tanne geht an Land und notiert in einem Brief, auf dem wimmelnden und lärmenden Kai des Hafens stehe alles zum Verkauf, »Seide und Krummschwerter, Opium, Whisky und kleine Kinder«.
Admiral