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Volker Ebersbach

Peter auf der Faxenburg

 

ISBN 978-3-96521-594-8 (E-Book)

 

Gestaltung des Titelbildes: Ernst Franta

 

Das Buch erschien 1982 in Der Kinderbuchverlag Berlin als Band 154 der Reihe „Die kleinen Trompeterbücher“.

 

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Für Andreas und Clelia

Peter auf der Faxenburg

An einem regnerischen Sonnabend konnte Peter nicht einschlafen. Sooft er darüber nachdachte, was er an diesem Tag erlebt hatte, ärgerte er sich. Dagegen behaupteten seine Eltern, seine Geschwister, seine Freunde und die Lehrerin, sie hätten sich über ihn geärgert. Mit allen hatte er es verdorben. Er wälzte sich hin und her. Es war schon dunkel geworden, und im Garten rauschte der Regen. Über dem ganzen Land lag eine einzige Regenwolke.

Peter erinnerte sich an Pfingsten, als die Eltern mit ihm und den Geschwistern im Auto in eine waldige Gegend gefahren waren. Sie hatten eine Burgruine besichtigt. Ach, dachte Peter und gähnte, wenn ich doch ein Ritter wäre und eine Burg hätte, auf die ich mich zurückziehen könnte.

Da klopfte es ans Fenster. Zuerst erschrak Peter und wollte seinen großen Bruder wecken. Aber ihm fiel ein, dass sie aufeinander wütend waren. Die kleine Schwester würde ihm auch nicht helfen können. Eine Zeit lang hatte er nur den Regen ins Gras rauschen hören. Jetzt klang es, als schlügen die Tropfen auf einen Blechtopf. Peter schlich zum Fenster und schob den Vorhang ein wenig zur Seite.

Der Garten lag im Schein einer Straßenlaterne. Peter erkannte einen Mann, der überall von Regentropfen glitzerte, als wäre er ganz aus Blech. Peter öffnete das Fenster. Der Regen rauschte stärker und klapperte lauter auf dem Mann aus Blech.

„Du bist ein Ritter!", entfuhr es Peter.

„Und du bist Peter, nicht wahr?"

„Ja. Aber wie heißt du?"

„Ich heiße Ritter Max."

„Wird dir bei dem Regen die Rüstung nicht rostig?", fragte Peter. „Soll ich dir einen Mantel holen?"

„Nein", der Ritter lachte, „ich habe Helm und Harnisch gut eingefettet. Doch könntest du mir vielleicht dein Betttuch leihen? Mein Pferd hatte einen kleinen Unfall, und ich möchte ihm das Bein verbinden."

Peter sah ein Pferd, das, angebunden am Wäschepfahl, im Regen graste.

Er raffte sein Betttuch zusammen und wollte es dem Ritter durchs Fenster reichen. Der aber bat: „Komm doch heraus, Peter, und halte dem Pferd das Bein, während ich es verbinde."

Peter kletterte über den Fenstersims und lief mit dem Ritter durchs kühle, nasse Gras. Als er vorsichtig das verletzte Hinterbein des Pferdes anhob, schnaufte das Tier, hielt aber doch dankbar still.

„Woher weißt du denn, wie ich heiße?“, fragte Peter.

„Das ist ganz einfach", erwiderte der Ritter. „Ich bin Nachtwächter des Märchenlandes. Dort habe ich von dir gehört, weil du dich so gut in den Märchen auskennst." Peter schwieg erstaunt.

„Aber es hat noch eine andere Bewandtnis, dass ich gerade zu dir gekommen bin, um deine Hilfe in Anspruch zu nehmen."

Peter versuchte neugierig, dem Ritter ins Gesicht zu schauen. Doch der Helm hüllte es in Schatten. Nur der Bart ragte aus dem Harnisch, und in den Barthaaren glitzerten Regentropfen. „Wenn ein Kind sich nachts allein fühlt", fuhr der Ritter fort, „und nicht einschlafen kann, dann komme ich manchmal und tröste es. Und wenn das gar nichts hilft, zeige ich ihm ein Stück vom Märchenland." Da Peter nun von einem Bein aufs andere trat, fragte der Ritter Max: „Was hast du denn für Sorgen?"

„Ach", antwortete Peter, „ich mache so gern Faxen. Aber niemand versteht sie, und alle schimpfen mich aus. Sie rufen mich sogar Faxenpeter. Heute habe ich es mit allen verdorben."

„Na so was", knurrte der Ritter in seinen Bart und kratzte sich mit den Blechfingern unterm Helm. „Was für Faxen sind es denn?"

„Heute hat es schon frühmorgens geregnet", begann Peter. „Darum habe ich im Badezimmer mit Zahnpaste eine Sonne auf den Spiegel gemalt, die ganz lange Strahlen hatte."

„Na und?", wunderte sich der Ritter. „Hat sich niemand darüber gefreut?"

„Nein", erzählte Peter, „meine Mutter hat geschimpft, ich soll nicht so bummeln, weil sie zur Arbeit muss. Mein Bruder Rolle hat über mich gespottet, und da habe ich in unserem Zimmer eine Kissenschlacht mit ihm angefangen."

„Prächtig!", rief der Ritter Max.

„Was meinst du, wie die Kissen flogen!", setzte Peter fort. „Aber dann habe ich Rolles Lesebuch erwischt, und es ist zwischen den Blumentöpfen am Fenster gelandet. Einer ging kaputt. Das Lesebuch hatte Eselsohren und Blumenerde zwischen den Seiten. Darum spricht Rolle nicht mehr mit mir."

„Und so geht das bei dir den ganzen Tag?", warf der Ritter ein.

Peter nickte. „In der Schule habe ich dauernd daran denken müssen und beim Mittagessen einen Tunnel in den Kartoffelbrei gebohrt und auf der Bockwurst Flöte gespielt und die Apfelstücke über den Tisch fahren lassen wie Schiffe übers Meer. Auf nichts hatte ich Appetit. Frau Zwirbel ist sehr böse geworden, weil alle auf mich warten mussten. Zu Hause habe ich auf meiner Triola Katzenmusik gemacht und meine kleine Schwester Heike aus dem Mittagsschlaf geweckt. Weil sie nun einmal wach war, habe ich ihr mit unseren Kasperpuppen etwas vorgespielt. Was meinst du, wie sie lachen musste! Aber mit dem Krokodil bin ich ihr zu nahe gekommen. Da weinte sie vor Schreck. Und wieder hat mich Mutti ausgeschimpft."

„Zugegeben", sagte der Ritter, „so besonders finde ich deine Faxen nicht."

„Das war noch gar nicht das Schlimmste", beeilte sich Peter. „Uwe will nicht mehr mein Freund sein. Er kam zu mir zum Spielen, weil es draußen regnete, und brachte sein ferngesteuertes Auto mit. Ich wollte es gleich ausprobieren, und Uwe hat mit meinen Bauklötzen eine Burg gebaut. Ich spiele mit Autos am liebsten Unfall. Also bin ich gegen die Burg gerast, sie ist eingestürzt, und Uwes Auto hat eine Beule. Nun will er nicht mehr mein Freund sein. Ich wäre ein Stänker, sagt er.“

„Soso, ein Stänker!"