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Titelbild: ©Kzenon - stock.adobe.com
Stand: März 2021
DATEV-Artikelnummer: 12477
Auch als Print-Ausgabe erhältlich (Art.-Nr.: 35473): ISBN 978-3-96276-042-7
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Dipl.-Finanzwirt Rainer Fuchs

Dipl.-Finanzwirt Rainer Fuchs


Diplom-Finanzwirt Rainer Fuchs lernte das Steuerrecht von der Pieke auf in der Finanzverwaltung, die er 1985 verließ. Seit 1990 arbeitet er als selbstständiger Steuerberater, seit 2001 in eigener kleiner Praxis im badischen Achern.

Ferner ist er Fachautor (zahlreiche Publikationen) und als Hochschullehrer an verschiedenen Hochschulen in Baden-Württemberg tätig.

Für mehrere Fachverlage fertigt er Fachgutachten und hält für die DATEV Online-Seminare.

Editorial

Editorial

Jedes Jahr suchen zahlreiche Inhaber von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) in Deutschland nach einem Nachfolger oder einer Nachfolgerin. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) geht von etwa 2 Prozent aller KMU aus. Das sind rund 76.000 Unternehmen pro Jahr. 2018/19 waren es übrigens noch insgesamt 6 Prozent, das entspricht 227.000 – 240.000 Unternehmen.

Den Rückgang erklären sich die Spezialisten der KfW mit der aktuellen Dynamik bei Existenzgründungen: Die Gründungen durch Übernahmen sind von 2017 zu 2018 signifikant um 24 Prozent gewachsen, und zwar von 58.000 auf 72.000. Einerseits verstärktes Interesse auf Gründerseite – andererseits dadurch bedingt überdurchschnittlich viele erfolgreiche Übergaben.

Diese Entspannung wird aber nicht lange vorhalten, denn die Gründerzahlen sind seit Jahren rückläufig, in den Familien finden sich immer weniger Nachfolge-Interessenten und der demographische Wandel verschärft die Problematik weiter. Viele Schwierigkeiten sind allerdings hausgemacht, weil Unternehmerinnen und Unternehmer viel zu spät mit der Nachfolgeplanung beginnen, manchmal überhöhte Preisvorstellungen haben und oft von den Prozessen insgesamt überfordert sind.

Es ist fast schon wie bei der englischen Königin, Prinz Charles wird wohl nicht mehr Nachfolger werden, weil er zu alt ist, d. h. der Titel wird wohl auf die nächste Generation übergehen.

So war es vor einiger Zeit auch in meiner Kanzlei: Die Tochter einer Mandantin, angestellte Konditormeisterin, rief an und bat mich, ob ich nicht mit ihrer Mutter mal reden könnte, da sie bald ins Rentenalter käme und wohl gerne noch ein paar Jahre den mütterlichen Betrieb geführt hätte. Die dachte aber gar nicht daran und gab den Betrieb erst mit weit über 80 an die Enkeltochter, die auch vom Fach war, ab.

Nun, in diesem Buch möchte ich mich mit den einzelnen Herausforderungen einer „Nachfolge im elterlichen Betrieb“ näher beschäftigen, wobei der Schwerpunkt nicht auf dem Steuerrecht, sondern auf andere Aspekte im Zusammenhang mit diesem vielseitigen Thema gelegt werden soll.

Zum Schluss meiner Ausführungen gehe ich aus gegebenem Anlass auch noch auf zu beachtende Besonderheiten in Zeiten einer Pandemie ein.

Achern, im Winter 2020

Rainer Fuchs

1 Einführung: Der Idealfall – Unternehmensnachfolge innerhalb der Familie

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Einführung: Der Idealfall – Unternehmensnachfolge innerhalb der Familie

Fast alle, nämlich 95 % der ca. 3 Millionen Firmen in der Bundesrepublik Deutschland (BRD) sind Familienunternehmen, bei denen die Kinder als nachfolgende Generation als Wunschkandidat und Idealfall für die Übernahme des Unternehmens gilt.

Der Idealmeinung von Eltern entspricht es durchaus, dass sie arbeiten, um den Lebensunterhalt für sich und die Familie zu bestreiten und vor allem in der Nachkriegsgeneration hört man oft den Satz „Du sollst es einmal besser haben als wir“. Ob das auch in der heutigen nachfolgenden Generation noch so gesehen wird, ist eine andere Frage, ich denke eher nicht, zumindest nicht so stark. Trotzdem ist es folgerichtig, dass Eltern es gerne sehen, wenn Kinder das, was sie geschaffen haben auch fortsetzen.

Damit es dazu kommen kann, müssen die Kinder aber dazu auch die Voraussetzungen mitbringen, was schwierig ist, d. h. die Einschätzungen der Eltern müssen so weit objektiviert werden, dass sich eine ausreichende Sicherheit für die folgenreiche Entscheidung wie die Nachfolge im eigenen Betrieb im Idealfall aussieht gewinnen lässt.

Worum geht es genau?

Es geht zum einen um die Alterssicherung des jetzigen Inhabers und zum anderen um den Fortbestand des Lebenswerks als solches, aber auch um die Lebensperspektiven der übernehmenden Kinder.

Eine absolut messbare Qualifikation für die Kinder, die künftig die Führung im elterlichen Unternehmen übernehmen sollen, gibt es nicht.

Allerdings findet man in der Literatur drei Schlüsselqualifikationen, die man bei der Beurteilung der Geeignetheit heranziehen kann:

Potential

Wille zur Weiterentwicklung sowie die Fähigkeit, sich der Verantwortung zu stellen sowie notwendige Entscheidungen im Sinne des Unternehmenserfolges zu treffen.

Motivation

Meint ausgeprägte Willenskraft und Energie, Drang zur Selbstständigkeit und Unternehmergeist sowie die Eignung zum Unternehmer.

Leistung

Hohes Fach-Knowhow in der jeweiligen Branche/Gewerk/Unternehmung, hohe Belastbarkeit, soziale Kompetenz und Kommunikationsgeschick.

Auf einen Nenner gebracht sollte man bei der Beurteilung der potenziellen Familienmitglieder als neue Führungskräfte diese Tatsache einfach ausschalten und die gleichen Maßstäbe wie bei fremden Dritten (z. B. Fremdgeschäftsführer) anlegen. Ein Kinderbonus wäre kontraproduktiv.

Falls man das nicht hinbekommt, kann man sich auch der Einschätzung und Beratung durch professionelle und erfahrene Berater bedienen.

Selbstredend muss natürlich auch bei den Kindern der Wunsch nach der Übernahme nachhaltig da sein. Eine Übernahme aus Gründen wie die Fortsetzung der Familientradition oder „nur den Eltern zu liebe“ wäre fatal.

Ich selbst habe erlebt, dass ein alter Schulkamerad von mir Metzger wurde und den wirklich gut florierenden Laden seiner Eltern in dritter Generation übernommen hatte, was aber nicht lange gut ging. Schon nach kurzer Zeit verkaufte er das Geschäft und widmete sich seinem Traumberufswunsch und wurde Krankenpfleger.

Hat man dann diesen ersten Schritt der Prüfung der Geeignetheit erfolgreich hinter sich gebracht, so gibt es grundsätzlich vier Modelle des Firmenübergangs innerhalb der Familie, bei denen immer ein Vollübergang gegeben ist.

Diese vier Modelle möchte ich nun kurz vorstellen

1.1 Vier Modelle des Firmenübergangs

1.1.1 Verkauf des Unternehmens gegen Einmalzahlung

Für den Übernehmer hat der Kauf durch eine Einmalzahlung vor allem den Vorteil, dass er über das Eigentum frei verfügen kann (z. B. zur Bestellung von Kreditsicherheiten). Der Unternehmenskaufvertrag wird bestimmt durch die rechtlichen Verhältnisse (Rechtsform, etc.) und die steuerlichen Erfordernisse und Ziele.

Der Verkauf eines Unternehmens gegen Zahlung eines angemessenen Kaufpreises an Familienangehörige ist in der Praxis jedoch die Ausnahme.

Die Grundform des Unternehmenskaufvertrages ist:

  • Bei Einzelunternehmen (= sog. „Asset-Kauf“, d. h. das Unternehmen geht durch die einzelgegenständliche Übertragung auf den Käufer über; hierzu gründet der Käufer ein neues Unternehmen.
  • Bei einer GmbH (= sog. „Share-Kauf), d. h. es werden die Gesellschaftsanteile an der GmbH übertragen; das Unternehmen geht mit allen Rechten und Pflichten auf den neuen Eigentümer über.

1.1.2 Übertragung des Unternehmens gegen Rente, Raten oder dauernde Last

Für den Übernehmer hat dieser Weg den großen Vorteil, dass er den Kaufpreis nicht sofort aufbringen, bzw. finanzieren muss und er dadurch Liquiditätsspielraum hat für eventuelle Neuinvestitionen zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit des übernommenen Betriebes.

An Stelle der Einmalzahlung des Kaufpreises treten Versorgungs-/Unterhaltsleistungen, also wiederkehrende Leistungen auf Lebenszeit des Empfängers (Rente), bzw. Ratenzahlungen (wiederkehrende Leistungen auf eine bestimmte Zeit).

Risiken für den Übergeber bestehen, wenn der Kaufpreis an die Person des Übernehmers oder an den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens geknüpft ist. Dieses Risiko lässt sich minimieren, indem ein Teil des Kaufpreises bei Übernahme bezahlt, das Unternehmen unter Eigentumsvorbehalt übertragen oder die Kaufpreisforderung dinglich gesichert wird.

1.1.3 Unternehmensnachfolge im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge

Will ein Unternehmer bereits zu Lebzeiten das Unternehmen an einen Erben übertragen sollte dies unbedingt in einem Übergabevertrag geregelt werden. Diese Zuwendungen werden auf spätere Erb- und Pflichtteilansprüche angerechnet. Sind mehrere Erben vorhanden und soll der Betrieb nur einem der Erben übertragen werden, ist ein Erbausgleich erforderlich.

Beim Pflichtteil sind die gesetzlichen Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) zu beachten.

1.1.4 Schrittweise Übertragung durch Umfirmierung in Personen- oder Kapitalgesellschaft

Eine frühzeitige Einbindung eines Familienmitgliedes in das Unternehmen bietet allen Beteiligten die Chance zu prüfen, ob der auserwählte Nachfolger über die erforderlichen Unternehmerqualifikationen verfügt. Sie ermöglicht die Übertragung von Verantwortung, ohne die Unternehmensführung aus der Hand zu geben. Die gesellschaftsrechtliche Beteiligung am Familienunternehmen ist der klassische Weg einer schrittweisen Übertragung des Unternehmens auf den Nachfolger.

Es kommen die üblichen Gesellschaftsformen in Frage, von der

  • stillen Beteiligung über
  • die Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GdbR),
  • KG und
  • GmbH bis zur
  • GmbH & Co KG.

Welche gesellschaftsrechtliche Regelung im Einzelfall die richtige ist, kann nur beantwortet werden, wenn der Zweck der Übertragung, die steuerlichen und haftungsrechtlichen Fragen und die denkbare Nachfolgeregelung geklärt ist. Es müssen sich die Familienmitglieder über die konkrete Ausgestaltung des Unternehmens, über die Verteilung der Verantwortung und die finanziellen Risiken einer Beteiligung im klaren werden.

1.2 Alternativen zur Unternehmensfortführung mit Kindern

Darüber hinaus gibt es jedoch noch andere Alternativen zur Unternehmensfortführung mit Kindern:

1.2.1 Fremdgeschäftsführung

Die Familie bestellt einen externen Geschäftsführer – Kapital/ Vermögen und Aufsicht bleiben aber in der Hand der Familie.

Dies kann in der Weise erfolgen, dass ein 2. Geschäftsführer bestellt wird, welcher hauptsächlich das operative Geschäft betreibt, oder aber der Eigentümer überträgt die Unternehmensführung komplett an einen externen Manager und konzentriert sich als Eigentümer auf die Wahrnehmung der finanziellen Interessen.

1.2.2 Firmenunabhängigkeit

Die Familie sichert die Firmenunabhängigkeit – das Kapital/Vermögen bleibt aber in der Hand der Familie.

Dies kann durch Übertragung des Unternehmens in eine

  • Stiftung geschehen – Stiftungszweck kann der Erhalt des Unternehmens und die Versorgung der Familie sein; dieses Modell ist eigentlich nur bei größeren Unternehmen sinnvoll.

Eine andere Möglichkeit, insbesondere für kleinere Unternehmen, ist die Verpachtung des Betriebes. Für den bisherigen Unternehmer hat diese Vorgehensweise den Vorteil, dass keine unwiderruflichen Fakten geschaffen werden, zugleich sichert sie der Familie laufende Pachtzinseinnahmen. Dem Pächter bleibt der erhebliche Kaufpreis als Einmalzahlung erspart.

Jedoch besteht hier grundsätzlich ein Interessenskonflikt zwischen Pächter und Verpächter.

Gestaltungshinweis

Bei dieser Variante ist ggf. zu überlegen bzw. zu beachten, ob man das Instrument der sog. „Betriebsaufspaltung“ haben möchte oder nicht.

 

Rein der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass natürlich auch ein Komplettverkauf an familienfremde Übernehmer möglich ist.

Dies wird hier aber nicht weiter dargestellt, weil es in diesem Buch ja ausschließlich um die Übertragung auf Kinder gehen soll.

Exkurs: Existenzgründung

Jede Firmenübernahme stellt für den Übernehmer zugleich auch eine Existenzgründung dar. Das bedeutet, dass der Übernehmer generell die staatlichen Existenzgründungs-­Finanzierungsprogramme in Anspruch nehmen kann.

Hierzu gibt es zahlreiche Portale im Internet. Einige hiervon sind:

www.existenzgruender.de/DE/Gruendung-vorbereiten/ Finanzierung/Foerderprogramme/inhalt.html

www.l-bank.de/produkte/wirtschaftsfoerderung/ gruendungsfinanzierung.html

www.kfw.de/inlandsfoerderung/Privatpersonen/ Gründen-Erweitern/

Generell sollte man sich bei der Wahl und der Abwicklung von einem Angehörigen der steuerberatenden Berufe etc. helfen lassen, da die meisten Fördermittel über die Hausbanken laufen. Grundsätzlich benötigt man dann auch einen sog. „Businessplan“

 

Anmerkung

Insgesamt ist eine rückläufige Übernahmequote festzustellen.

Vor über 10 Jahren wurden noch rund ¾ aller Familienbetriebe innerhalb der Familie übernommen und weiterbetrieben. Inzwischen wird nur noch ca. die Hälfte der Familienbetriebe von den Nachkommen weitergeführt mit auffallend weiter abnehmender Tendenz.

Die Gründe dafür sind:

  • die Nachkommen haben eine ganz andere Berufsausbildung und -tätigkeit
  • der Betrieb befindet sich in wirtschaftlichen Schwierigkeiten
  • fehlende unternehmerische Eignung der Nachkommen

Außerdem scheitern viele familieninterne Übernahmen; häufige Ursachen hierbei sind wiederum:

  • mangelndes Bewusstsein für die Nachfolgeregelung beim Unternehmer,
  • der Nachfolgeprozess wurde schlecht vorbereitet und unprofessionell gehandhabt,
  • der Senior kann nicht loslassen und „mischt sich ständig ein“ und
  • divergierende Zukunftsvorstellungen über die Fortführung des Unternehmens.

Die rückläufige Quote an familieninterner Nachfolge und die Scheiterungsgründe lassen erkennen, wie entscheidend es ist, diesen Nachfolgeprozess langfristig vorzubereiten und umsichtig durchzuführen.

Hinweis

Bei all diesen Entscheidungen sollte man frühzeitig Fachberater wie die Angehörigen der rechts- und steuerberatenden Berufe (Rechtsanwalt, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer) oder/und Unternehmensberater einschalten.

Mit Hilfe von Software, z. B. aus dem Hause DATEV, kann man auch die jeweilige Steuerbelastung der einzelnen Modelle simulieren, was nicht zuletzt ein Kriterium für die richtige Entscheidung sein kann.