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Das Buch

Eltern sind die wahren Helden unserer Zeit. Noch keine Generation musste so viel Veränderung bewältigen – und kommunizieren. Mit Kindern und Jugendlichen ins Gespräch zu kommen und im Gespräch zu bleiben ist die Lebensaufgabe, auf die uns niemand vorbereitet hat. Vom ersten Urschrei über die eskalierte Lappalie bis zur Grundsatzdiskussion: Hier gibt es Rat für alle Not-, Präzedenz- aber auch Lachanfälle der Eltern-Kind-Kommunikation.

Der Autor

René Borbonus ist Spezialist für Rhetorik und Kommunikation. Topmanager, Politiker und Spitzensportler lassen sich von ihm ausbilden und auf schwierige Gespräche vorbereiten. Bei Econ sind von ihm folgende Bücher erschienen: Respekt! (2011), Klarheit (2015) und Relevanz (2019).

René Borbonus

Ich zähle
jetzt
bis drei!

Wie Sie mit Kindern ins Gespräch
kommen, im Gespräch bleiben und
mit Fehlern umgehen

Verlagsqualität Ullsteinbuchverlage

Econ

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ISBN 978-3-8437-2736-5


© der deutschsprachigen Ausgabe

Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2022

Redaktion: Silke Pachal, Berlin

Umschlaggestaltung: total italic, Thierry Wijnberg

Covermotive: Shutterstock/photomaster (Ente),

Shutterstock/Tsekhmister (Küken)

E-Book: LVD GmbH, Berlin

Alle Rechte vorbehalten.

Für meine beiden Lehrer: Leo und Johann

Prolog

Redebedarf

Kommunikation als Schlüssel zu
einer guten Eltern-Kind-Beziehung





»Kinder großziehen ist ganz einfach. Nur das Ergebnis lieben ist schwer.«

Kommentar eines Vaters (nicht meines Vaters)

Vor Kurzem wurde ein guter Freund meiner Familie 50. Rolf ist dreifacher Vater. Aus diesem Anlass hatte Lili, seine Tochter im Teenagerinnen-Alter, sich eine besondere Überraschung ausgedacht. Sie berührte mich als Vater genauso tief, wie sie mich als Kommunikationstrainer beeindruckte. Das Mädchen überreichte Rolf zu seinem Geburtstag ein selbst hergestelltes Buch. Dafür hatte sie viele Jahre lang Highlights der Kommunikation zwischen ihr und ihrem Vater gesammelt. In dem liebevoll gestalteten Band kommentierte sie diese besonderen Momente ihrer Vater-Tochter-Beziehung. Zum Beispiel fand sich darin die Geschichte einer für sie besonders schwierigen Zeit, die einige Jahre zurücklag. Lili hatte nach der Rückkehr der Familie nach Deutschland von einem langen Auslandsaufenthalt in Kanada große Adaptionsschwierigkeiten. Darüber zu sprechen war ihr allerdings schwergefallen.

Just in dieser Zeit schien sich eine Fee namens Titania im Hause der Familie häuslich eingerichtet zu haben. Gutes Timing, denn Rolf hatte den umgekehrten Kulturschock seiner Tochter genauso bemerkt wie ihr Zögern, darüber zu sprechen. Er riet Lili, sich an Titania mit Zettelchen zu wenden, auf denen sie ihre Sorgen niederschreiben könne. Zwischen den beiden entspann sich ein Briefwechsel, in dem Rolfs Tochter sich endlich öffnen konnte. Stets erhielt sie einfühlsame Antworten und Ratschläge, und schon bald ging es ihr wieder viel besser in ihrer neuen, alten Heimat.

Wie das Lili in ihrem Geschenkband nun Jahre später berichtete, hatte sie damals zwar durchaus eine Ahnung gehabt, dass Titania in Wahrheit Rolf hieß. Doch wen kümmerte das schon? Die Verbindung war geknüpft, die Kommunikation zeigte Wirkung. Die Absenderin oder der Absender der zauberhaften Antwortbriefe, wer auch immer sie oder er sein mochte, nahm großen Einfluss auf ihr Leben in dieser für sie prägenden Zeit. So groß, dass sie als fast erwachsene Teenagerin das Bedürfnis verspürte, Danke zu sagen für das, was ihr Vater, die Fee, mit seinen Worten bewegt hatte. In ihrem Geburtstagsbuch für Rolf schrieb Lili unter anderem Folgendes:

»Falls irgendwann jemand mal gesagt hat, dass Väter keine Feen sein können, dann liegt diese Person falsch. […] Das erste Mal, dass ich etwas über meine liebe Titania erfuhr, war ich sieben Jahre alt. Ich lernte sie durch mein Feenbuch kennen. […] Ich glaube, ich wusste sogar, dass du die Person warst, die sich hinter Titania verbarg, habe mich aber unterbewusst dagegen entschieden, es zu glauben, bis ich sie nicht mehr brauchte. Als ich dann einmal einen Brief von ihr oben auf deinem Schreibtisch gefunden habe, war ich nicht enttäuscht oder überrascht, sondern einfach glücklich, dass ich eine Fee hatte, die mir so sehr geholfen hat, mich an mein neues Leben in Deutschland zu gewöhnen. Du wirst immer meine Fee bleiben, ob du dich nun Tata, Titania oder was ganz anderes nennst.«

Wie es in dieser Erzählung anklingt, war Rolf nicht nur in dieser besonderen Phase der Eingewöhnung als Gesprächspartner für Lili da, sondern ihr ganzes Kinderleben lang, was auch immer ihr Redebedarf gerade war. Das ist auch der Grund, warum ich Ihnen von Rolf und Lili erzähle. Denn das ist es, was Kommunikation in der Familie bewirkt: Die Gespräche mit Kindern prägen ihr Leben. Mit unseren Worten entscheiden wir Eltern darüber, wie diese Prägung aussieht. Vielleicht bekommt nicht jede oder jeder von uns am 50. Geburtstag ein Best-of-Album des eigenen Eltern-Werks geschenkt. Respekt, lieber Rolf! Doch der Einfluss, den die Eltern-Kind-Kommunikation auf ein Kind und sein späteres Leben hat, kann gar nicht überschätzt werden.

Gelingende Kommunikation ist nichts weniger als das Fundament eines funktionierenden Zusammenlebens. Das ist sie immer und für jeden von uns, aber ganz besonders in Familien mit Kindern. Kommunikation formt Beziehungen, und Beziehungen formen Lebensqualität. Wenn die Gespräche zwischen Eltern und Kindern gelingen, ist das nicht nur eine gute Basis für die Entwicklung der Kinder. Es geht auch uns Eltern wesentlich besser damit, und zwar an jedem einzelnen Tag unseres Lebens.

Leider, und da erzähle ich Ihnen bestimmt nichts Neues, gelingen Gespräche nur eben nicht jedes Mal. Das weiß ich als Trainer genauso sicher, wie ich es schon viele Male als Vater schmerzlich am eigenen Leib gespürt habe. Ganz bestimmt weiß selbst Rolf aus eigener Erfahrung, wie sich eine misslingende Kommunikation mit den eigenen Kindern anfühlt. Manchmal höre ich einen meiner Söhne mit dem anderen reden und erkenne den Tonfall meiner Frau oder meinen eigenen wieder. Das kann ein fröhliches Erwachen sein oder ein schmerzhaftes. Wahrscheinlich gelingt mir auch vieles. Doch auffallen werden uns immer eher die Verbalunfälle: Im Umgang mit Kindern spürt man bis ins Mark, wenn die Verbindung nicht gelingt. Weichen Sie dem Schmerz nicht aus. Nehmen Sie ihn an. Er zeigt das tiefe emotionale Potenzial, das in jedem Gespräch steckt.

Ziemlich sicher spreche ich Ihnen aus der Seele, wenn ich behaupte: Eltern-Kind-Kommunikation ist die Lebensaufgabe, auf die uns niemand vorbereitet hat. Hinzu kommt, dass es nie schwieriger war als heute, mit Kindern ins Gespräch zu kommen und im Gespräch zu bleiben. Schließlich sind unser Alltag und unsere Kommunikation auch ohne die Elternrolle schon anspruchsvoll genug: Klimawandel, Digitalisierung, Wandel der Arbeitswelt. Noch keine Generation musste in so kurzer Zeit so viel Veränderung verstehen, bewältigen – und kommunizieren. All das verblasst im Vergleich zu der Verantwortung, in dieser komplexen und ungewissen Zeit Eltern zu sein. Nicht nur müssen wir die Welt für unsere Kinder irgendwie zusammenhalten, nein, wir müssen ihnen all das Durcheinander auch noch erklären können. Vom ganz normalen Familienwahnsinn mal ganz zu schweigen: Auch im 21. Jahrhundert lachen und weinen unsere Kinder, und oft verstehen wir als Erwachsene noch immer nicht, warum. Wie eh und je brauchen sie unsere volle Zuwendung, unsere Liebe und unsere Konsequenz, um von Mini-Menschen zu großen Persönlichkeiten heranzureifen. Aller Ablenkung und Überforderung zum Trotz verdienen sie unsere volle Aufmerksamkeit.

Ich selbst erlebe die Wachstumsschmerzen täglich. Nicht die meiner Kinder, nein: meine eigenen. Gestandene Politikerinnen und Politiker, Managerinnen und Manager habe ich auf schwierige Gespräche vorbereitet. Aber der Dialog als Vater mit meinen Kindern ist meine mit Abstand größte persönliche Herausforderung. Aus dieser doppelten Insider-Perspektive heraus habe ich dieses Buch geschrieben und hoffe, Ihnen als Experte und Lernender in eigener Sache zugleich eine helfende Hand zu reichen.

Im Grunde, da mache ich mir gar nichts vor, erzähle ich in diesem Buch die Geschichte meines eigenen Scheiterns. Besonders als Eltern tun wir uns alle einen großen Gefallen, wenn wir das von vornherein anerkennen: Jede Geschichte über Kommunikation ist immer im selben Maße eine Geschichte des Scheiterns, wie sie eine Geschichte des Wachstums ist. Und das ist völlig okay, denn daraus lernen wir lebenslang weiter – gemeinsam mit unseren Kindern. Eltern müssen eben nicht perfekt sein, um für ihre Kinder perfekt zu sein. Alles, was Sie tun müssen, ist, im Gespräch zu bleiben. Redebedarf gibt es immer.

Diese Haltung der Achtsamkeit gegenüber den eigenen Möglichkeiten und Grenzen ist das Thema des ersten Kapitels. Kommunikation ist immer auch eine Frage der persönlichen Ressourcen. Eltern laufen ständig Gefahr, die eigenen Grenzen zu überrennen. Doch wenn wir nicht auf uns selbst aufpassen, können wir auch nicht achtsam mit den Menschen kommunizieren, die darauf am meisten angewiesen sind: mit unseren Kindern.

Am besten geht es uns natürlich, wenn die ganze Familie an einem Strang zieht. Kinder zur Kooperation zu bewegen ist wahrscheinlich die größte Herausforderung in der Eltern-Kind-Kommunikation, weil sie sich rund um die Uhr stellt. Ihr ist das zweite Kapitel gewidmet. Die Tipps und Strategien für kooperatives Verhalten werden Ihren Alltag mit Kindern vielleicht nicht zu einem einzigen unbeschwerten Spaziergang machen, aber immerhin zu einer Mission Possible mit Spaßfaktor für alle.

Im dritten Kapitel geht es um die Rolle, die das Timing bei der Kommunikation mit Kindern spielt – und nicht nur mit ihnen. Viele Gespräche scheitern einfach daran, dass sie im falschen Moment und unter den falschen Voraussetzungen geführt werden. Vermeiden lässt sich das mit dem nötigen Hintergrundwissen darüber, wie Wahrnehmung in Gesprächen funktioniert.

Empathie ist die wohl wichtigste Kompetenz, um tiefgreifend auf die Bedürfnisse von Kindern eingehen zu können. Deshalb ist sie Gegenstand des vierten Kapitels. Während Kinder von Natur aus Meisterinnen und Meister der Empathie sind, haben sich viele Erwachsene im Laufe ihres Lebens Empathie recht effektiv abgewöhnt. Die Kommunikation mit Kindern ist das ideale Spielfeld, um sie zu trainieren und so der Eltern-Kind-Beziehung eine ganz neue Qualität zu verleihen.

Alle Eltern wünschen sich, besser zu ihren Kindern durchdringen zu können – gerade auch bei Themen, auf die sie zuverlässig keinen Bock haben. Dafür hält die Rhetorik ein riesiges Repertoire an Möglichkeiten bereit, von denen wir im hektischen Familienalltag die meisten einfach liegen lassen. Das fünfte Kapitel zeigt Ihnen, wie Sie mit sprachlichen Mitteln Brücken in die Welt Ihrer Kinder bauen können.

Auch die Wortwahl bestimmt maßgeblich darüber, ob Botschaften bei Kindern ankommen und wie es ihnen damit geht. Leider gehen wir unter Druck und Stress oft nicht sehr sorgsam mit unseren Worten um. In der Kommunikation mit Kindern ist das ein echter Verlust, denn sie nehmen Worte wörtlich. Deshalb kauen wir im sechsten Kapitel einmal gründlich darauf herum.

Ein Thema, das vielen Eltern Bauchschmerzen macht, ist der Umgang mit extremen Gefühlen bei ihren Sprösslingen. Wut, Angst, Scham und andere Empfindungen können bei Kindern so stark sein, dass sie uns überfordern und sogar das Familienleben dominieren. Deshalb ist es extrem hilfreich, zu wissen, wie man entspannter und konstruktiver damit umgehen kann. Genau darum geht es im siebten Kapitel.

Das achte Kapitel widmet sich der wichtigen Frage, wo in Gesprächen der Spaß aufhört und die Verletzungen beginnen. Leider ist Sprachgewalt auch in Familien viel verbreiteter, als uns lieb sein kann. Es gehört nicht viel dazu, einem empfindsamen Kind wehzutun. Gleichzeitig reicht schon ein bisschen mehr Achtsamkeit aus, um die meisten Verletzungen zu vermeiden.

In Kapitel neun schließlich steht zur Debatte, was wir Kindern in Gesprächen für die Zukunft mitgeben. Denn was in der Familie geschieht, wirkt sich auf den Rest ihres Lebens aus. Wenn Sie Ihren Sprösslingen also nur noch einen Gefallen mehr tun wollen, ersparen Sie ihnen den späteren Besuch bei der Motivationstrainerin oder dem Motivationstrainer. Dafür braucht es nicht mehr, aber auch nicht weniger als gelingende Gespräche über die besonders kniffligen Lebensthemen – und Ihr gutes Vorbild.

Wenn ich von gelingender Kommunikation spreche, meine ich damit zwei große Ziele, die ich mit Ihnen verfolgen möchte. Beide sind untrennbar miteinander verknüpft. Zum einen sorgen wirkungsvolle Gespräche mit Ihren Kindern dafür, dass das Zusammenleben als Familie funktioniert und alle Beteiligten sich wohlfühlen. Zum anderen sind Sie Ihrem Kind bei jedem Gespräch gleichzeitig immer auch Vorbild für gute Kommunikation im Allgemeinen. Kommunikation ist Leben, Eltern-Kind-Kommunikation ist Familienleben, Ihre gelebte Kommunikation ist Vorbild für das Leben Ihrer Kinder.

Wenn wir als Eltern unsere Sache in der Kommunikation so gut machen, wie wir eben können, erweisen wir unseren Kindern damit den größten Liebesdienst, dessen wir mächtig sind. Gelingende Kommunikation ist jede kleine und große Mühe, jeden aufgearbeiteten Streit, jeden Moment des Scheiterns, jede Träne und jeden Lacher wert, den wir uns unterwegs verdienen.

Kommen Sie gut an!

Ihr René Borbonus

Kapitel 1

Selbstfürsorge

Wie Sie Ihren Kindern helfen,
indem Sie auf sich selbst achten