Wilhelm Poppe

Atomphysik für Laien

 

 

 

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Atomphysik für Laien.

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Atomphysik für Laien.


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Dr.sc.med.Wilhelm Poppe




Die Festlegung von W. Einstein: "Erst die Theorie entscheidet darüber, was man beobachten kann" gilt nicht zuletzt auch für die Erforschung des Atoms.


1. die Naturphilosophie: Bis in das 19. Jahrhundert hinein waren die Vorstellungen vom Aufbau der Welt an die Namen Thales von Milet (625-545 v.Chr.) und Demokrit (460-370 v.Chr.) gebunden. Sie glaubten an materielle Partikel, die unteilbar wären und an "Leere" als Grundbestandteile unserer Welt.


Isaac Newton (1643-1727) gab dazu ein Glaubensbekenntnis ab: "Ich glaube, dass Gott am Anfang den Stoff in Form fester, undurchdringlicher und beweglicher Partikel schuf und das er diesen Partikeln jene Größe, jene Form und jene übrigen Eigenschaften verlieh und sie in jenen Relativverhältnissen schuf, wie es zu dem Zweck nötig war, für den er sie geschaffen hat“.


Einen anderen Zugangsweg zum Atom wählte R. Boskovichs (1711 - 1778). Er lebte in Dubrovnik (damals Ragusa) ich habe sein Wohnhaus mit Gedenktafel gesehen, später in Rom. Es war ihm nicht möglich, sich das Atom als starres Kügelchen vorstellen. Für ihn war es ein Kräftezentrum!

Die Kräfte veränderten sich in seiner Vorstellung mit dem Abstand vom Zentrum. Seine Atome erstrecken sich ins Unendliche und verfügen dabei über wechselnde anziehende und abstoßende Kräfte. Sein Dilemma blieb, er lebte weit weg von den anderen Zentren. Irgendwie haben seine Vorstellungen mehr mit dem heutigen Bild des Atoms zu tun als die Mehrzahl der Anderen.


Link: https://www.e-periodica.ch/cntmng?pid=hpa-001:1968:41::1516



2. Die Experimente: Zu ersten experimentellen Untersuchungen dieser Anschauungen kam es erstmals im 19. Jahrhundert!

In unzähligen, langwierigen Experimenten, bei denen es um das Gewicht von Stoffmengen vor ihrer Reaktion mit anderen Stoffmengen ging, und der zu messenden Stoffmenge nach der Reaktion, bemerkt John Dalton (1766-1844), dass sich jeder chemische Stoff nur in einem bestimmten Verhältnis mit einem anderen Stoff verbindet.

Mit dieser Erkenntnis ausgestattet, bemühten sich zahlreiche Chemiker, durch erhitzen oder anderweitige Behandlung von chemischen Verbindungen, deren "Bruchstücke" herzustellen, die mit keinem verfügbaren Verfahren weiter zerteilt werden konnten. Die Vermutung, so hätte man die Atome Demokrits hergestellt, lag nahe.


Die Gewichte dieser Atome benutzte D. I. Mendelejew (1834-1905), verbunden mit einer einmaligen Intuition, das periodische System der Elemente zu schaffen. Es hat heute noch Bestand.

Mendelejew selbst wurde ein unbehagliches Gefühl gegenüber seinem System nicht los. Er kannte die Naturgesetze, die diese Periodizität verursachen nicht.

Neue Messtechniken machten neuartige Experimente möglich. So kam es zu einer Reihe unterschiedlicher Atommodelle.


Auch Werner Heisenberg (1901-1976) stellte noch fest: "Freilich bleibt eine einheitliche Theorie der Mikro- und Makrowelt bis zum heutigen Tage nach wie vor in erheblichen Maße eine Zukunftsmusik".


In der Physik des 19. Jahrhunderts gab es bereits die Gasentladungsröhre. Man untersuchte damit elektrische Entladungen von Gasen bei vermindertem Druck. Keinem kam zunächst der Gedanke, dass sich in dieser Röhre die Materie in einem bis dahin unbekannten Zustand befindet, nämlich aufgespalten in negativ und positiv geladene Partikel (Plasma).

Die in der Mitte des 19. Jahrhunderts von dem Physiker W. Crookes (1832 - 1919) getroffene Feststellung: "Wir haben die unserer Kontrolle gehorchenden, unteilbaren Partikeln gewissermaßen bereits in der Hand, von denen man mit hinreichendem Grund annehmen darf, dass sie die physikalische Grundlage des Alls bilden", nahm kein Physiker ernst oder zur Kenntnis. So blieb es noch 30 Jahre.


J. J. Thomson (1856 - 1937) beschrieb erstmals, dass die Kathodenstrahlen der Gasentladungsröhre einen Strom von Elektronen darstellen, Partikel also, die eine negative Ladungseinheit tragen. Im Anschluss daran ermittelte er das Verhältnis zwischen ihrer Ladung und Masse, schließlich die Masse eines Elektrons.


Es wurde von ihm in weiteren Versuchsreihen aufgeklärt, dass alle Elektronen, ganz gleich aus welchen Element sie stammen, untereinander gleich sind. Das bedeutete zugleich für ihn, die Eigenschaften der Elemente konnten nicht allein von Elektronen abhängig sein. Es mussten weitere Bestandteile in dem Atom enthalten sein.



Drei Jahre vor dem Ende des 19. Jahrhunderts wurde die innere Barriere, die alle Physiker durch die allgemeine Akzeptanz der Newtonschen, klassischen Mechanik in sich trugen gebrochen. Sie war nicht mehr haltbar als 1896 H. Becquerel (1852 - 1908) die natürliche Radioaktivität entdeckt hatte, den spontanen Zerfall von Atomen. Es war zugleich der Nachweis einer besonderen Strahlung.

Diese Strahlung wurde von E. Rutherford im Labor von J. J. Thomson untersucht. Es gelang dabei der Nachweis, dass die radioaktive Strahlung aus zwei Komponenten besteht: aus leichten, negativ geladenen β - Partikeln (Elektronen). Dieser Strahlungsanteil, war übereinstimmend mit den Thomsonschen Elektronen - und aus schweren, positiv geladenen α- Partikeln (es waren bei diesem Experiment die Kerne der Heliumatome).

Rutherford arbeitete mit folgendem Versuchsaufbau: er benutzte eine Ampulle mit Radium als Quelle der α - Teilchen, eine Blende, die nur einen sehr kleinen, engen Strahl auf einen Zinksulfidschirm fallen lässt, und ein Mikroskop mit dem man das Aufleuchten der α - Teilchen beobachten konnte. Damit erkannte er weitere Eigenschaften des Atoms.

Er beschoss Atome mit schweren α - Teilchen. Das führte er durch, indem er zwischen seine

α - Teilchenquelle und die fotografische Platte dünne Folien aus unterschiedlichen Stoffen platzierte. Er konnte beobachten, dass seine Teilchen von den Atomen der Folien nur sehr geringfügig abgelenkt wurden. Mit diesem Ergebnis war er unzufrieden, weshalb, das konnte er nur schlecht begründen. Er beauftragte seinen Mitarbeiter, den Laboranten Marsden, in weiteren, gleichartigen Experimenten diesen Sachverhalt zu überprüfen.

Der bemerkte, dass einige α - Teilchen beim Eindringen in die Folien bis zu 90 Grad, vereinzelt sogar bis zu 180 Grad abgelenkt wurden.

Dieser Vorgang, so fasste es E. Rutherford später zusammen, war ungefähr so wahrscheinlich, "als hätte jemand mit einem 15 - Zoll - Geschoss auf ein Stück Zigarettenpapier geschossen und wäre dann vom zurückprallenden Geschoss selbst getroffen worden".

Die Erklärung für das Ergebnis der Experimente lag auf der Hand: die α - Teilchen waren mit einem massiv geladenen Körper, der schwerer als sie selbst sein musste, zusammengeprallt.

Das bedeutete aber: im Zentrum des praktisch leeren Atoms gab es einen positiv geladenen Kern, dessen Größe nur ein Hunderttausendstel des Atoms insgesamt betrug.

Ein Enkel von Charles Darwin, der gerade bei E. Rutherford arbeitete, schlug vor, man könnte vielleicht näher an den Kern des Atoms heran kommen, wenn man mit den Kernen der leichtesten Elemente experimentieren würde. Es wäre zu erwarten, dass deren Ladung und damit auch ihre Abstoßungskraft kleiner sei als die anderer Elemente.


Wieder war es Marsden, der die ersten Experimente durchführte. Er füllte eine Spezialkammer mit Wasserstoff, den beschoss er mit α - Teilchen. In stundenlangen Beobachtungen bemerkte er einzelne Lichtblitze mit hellen Sternchen auf dem Leuchtschirm der Kammer, die nicht von den α - Teilchen stammen konnten. Es war nicht möglich, dass diese bis zu dem Leuchtschirm hinreichten. Die Blitze mussten eine Folge davon sein, dass diese, noch unbekannten Teilchen, ihre Energie an die leichten Wasserstoffatome abgegeben hatten. Die veranlassten die Lichtblitze auf dem Leuchtschirm!

In der Folge tauchte Marsden den Wasserstoff in der Kammer gegen Stickstoff aus und beschoss auch den mit α - Teilchen. Wieder traten diese Lichtblitze auf.


E. Rutherford bezweifelte, dass Wasserstoffatome gezählt worden waren. Er wiederholte die Experimente. Er stellte schließlich fest: "Ich weise leichte Atome nach, die von den α - Teilchen in Bewegung versetzt werden, und zähle sie und sehe, wie diese Ergebnisse helles Licht auf den Charakter und die Verteilung der Kräfte in der Nähe des Kerns werfen. Mit diesem Mittel versuche ich, das Atom aufzubrechen."


Es war die erste experimentelle Kernreaktion der Welt, die er nachgewiesen, jedoch nicht erkannt und verstanden hatte.


Er hatte dem Stickstoffkern ein leichtes Wasserstoffatom entrissen. Damit hat er das positiv geladene Bauteil des Kerns nachgewiesen. Andere Wissenschaftler hatten praktisch zur gleichen Zeit versucht, in der Gasentladungsröhre dieses positiv geladene Teilchen zu finden. Sie bemerkten in der Tat einen Strom von Partikeln, der von der Anode zur Kathode hinzog. In diesem Strom war die leichteste Partikel der Kern des Wasserstoffatoms, das sein einziges Elektron verloren hatte. Auf diesem Weg wurde das zweite Elementarteil des Atoms, das Proton, entdeckt. Ein Proton ist 2000 mal so schwer wie ein Elektron. Nun hatte man einen zweiten, einen positiven Grundbaustein der Materie.