Härter, schärfer und gefährlicher als Buffy, die Vampirjägerin – Lesen auf eigene Gefahr!
Vampire, Werwölfe und andere Wesen mit übernatürlichen Fähigkeiten leben als anerkannte, legale Bürger in den USA und haben die gleichen Rechte wie Menschen. In dieser Parallelwelt arbeitet die junge Anita Blake als Animator, Totenbeschwörerin, in St. Louis: Sie erweckt Tote zum Leben, sei es für Gerichtsbefragungen oder trauernde Angehörige. Nebenbei ist sie lizensierte Vampirhenkerin und Beraterin der Polizei in übernatürlichen Kriminalfällen. Die knallharte Arbeit, ihr Sarkasmus und ihre Kaltschnäuzigkeit haben ihr den Spitznamen »Scharfrichterin« eingebracht. Auf der Jagd nach Kriminellen lernt die toughe Anita nicht nur, ihre paranormalen Fähigkeiten auszubauen – durch ihre Arbeit kommt sie den Untoten auch oftmals näher als geplant. Viel näher. Hautnah …
Bei der »Anita Blake«-Reihe handelt es sich um einen gekonnten Mix aus Krimi mit heißer Shapeshifter-Romance, gepaart mit übernatürlichen, mythologischen Elementen sowie Horror und Mystery. Eine einzigartige Mischung in einer alternativen Welt, ähnlich den USA der Gegenwart – dem »Anitaverse«.
Paranormale Wesen in dieser Reihe sind u.a. Vampire, Zombies, Geister und diverse Gestaltwandler (Werwölfe, Werleoparden, Werlöwen, Wertiger, …).
Die Serie besteht aus folgenden Bänden:
Bittersüße Tode
Blutroter Mond
Zirkus der Verdammten
Gierige Schatten
Bleiche Stille
Tanz der Toten
Dunkle Glut
Ruf des Blutes
Göttin der Dunkelheit (Band 1 von 2)
Herrscher der Finsternis (Band 2 von 2)
Jägerin des Zwielichts (Band 1 von 2)
Nacht der Schatten (Band 2 von 2)
Finsteres Verlangen
Schwarze Träume (Band 1 von 2)
Blinder Hunger (Band 2 von 2)
Im Bann der Dunkelheit
Vampirjägerin Anita Blake wird vom FBI zu einer Zombiebeschwörung nach Philadelphia gerufen. Der König des Werleopardenrudels Micah begleitet sie, um während der Reise ihr nahezu unstillbares leidenschaftliches Verlangen, die Ardeur, zu befriedigen. Doch vor Ort will jemand verhindern, dass die Toten befragt werden. Und um das zu erreichen, muss Anita ausgeschaltet werden …
Laurell K. Hamilton (*1963 in Arkansas, USA) hat sich mit ihren paranormalen Romanserien um starke Frauenfiguren weltweit eine große Fangemeinde erschrieben, besonders mit ihrer Reihe um die toughe Vampirjägerin Anita Blake. In den USA sind die Anita-Blake-Romane stets auf den obersten Plätzen der Bestsellerlisten zu finden, die weltweite Gesamtauflage liegt im Millionenbereich.
Die New-York-Times-Bestsellerautorin lebt mit ihrem Ehemann und ihrer Tochter in St. Louis, dem Schauplatz ihrer Romane.
Website der Autorin: https://www.laurellkhamilton.com/.
Die Bücher der »Anita Blake – Vampire Hunter«-Serie enthalten neben expliziten Szenen und derber Wortwahl potentiell triggernde und für manche Leserinnen und Leser verstörende Elemente. Es handelt sich dabei unter anderem um:
brutale und blutige Verbrechen, körperliche und psychische Gewalt und Folter, Missbrauch und Vergewaltigung, BDSM sowie extreme sexuelle Praktiken.
ANITA BLAKE
Im Bann der Dunkelheit
Aus dem amerikanischen Englisch
von Angela Koonen
beHEARTBEAT
Deutsche Erstausgabe
»be« – Das eBook-Imprint der Bastei Lübbe AG
Für die Originalausgabe:
Copyright © 2006 by Laurell K. Hamilton
Published by Arrangement with Laurell K. Hamilton
c/o WRITERS HOUSE LLC, 21 West 26 Street, NEW YORK, NY 10010 USA
Titel der amerikanischen Originalausgabe: »Micah«
Originalverlag: Jove Books, New York
Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover.
Für diese Ausgabe:
Copyright © 2021 by Bastei Lübbe AG, Köln
Textredaktion: Mona Gabriel
Covergestaltung: Guter Punkt, München unter Verwendung von Motiven von © iStock/BojanMirkovic; Adobe Stock/LIGHTFIELD STUDIOS
eBook-Erstellung: Jilzov Digital Publishing, Düsseldorf
ISBN 978-3-7517-1742-7
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Meine Idee von Liebe ist
nicht jedermanns Ideal.
Manche sind unter dem Druck zerbrochen.
Dieses Buch hier ist für Jon,
der die Liebe nicht als Last sieht,
sondern als Geschenk.
Kurz vor Morgengrauen klingelte das Telefon. Mein erster Traum der Nacht zerplatzte in tausend Stücke und ließ keine Erinnerung daran zurück. Verwirrt schreckte ich hoch. Mein Schlaf war so kurz gewesen, dass ich mich nicht ausgeruht, sondern wie erschlagen fühlte.
Neben mir stöhnte Nathaniel und murmelte: »Wie spät ist es?«
Von der anderen Seite kam Micahs tiefe, knurrende Stimme. Sie klang belegt. »Früher Morgen.«
Ich wollte mich zwischen den beiden aufsetzen, steckte aber fest. In verwickeltem Bettzeug und mit einem Arm in Nathaniels Haaren. Gewöhnlich flocht er sich vor dem Schlafengehen einen Zopf, aber gestern Abend war es für uns alle spät geworden, selbst für unsere Verhältnisse, und wir hatten uns nur noch ins Bett fallen lassen.
»Ich hänge fest.« Ich versuchte, den Arm unter ihm wegzuziehen, ohne ihm wehzutun oder mich noch mehr zu verheddern. Er hatte dichtes Haar, das ihm bis an die Knöchel reichte. Eine Menge Haar zum Verheddern.
»Lass den AB anspringen.« Micah hob sich auf einen Ellbogen, um auf die Uhr zu sehen. »Wir haben gerade mal eine Stunde geschlafen.« Seine schulterlange Lockenpracht hing zerzaust um sein Gesicht. Die Verdunklungsvorhänge waren zugezogen, sodass es kaum zu erkennen war.
Endlich konnte ich die Hand aus Nathaniels warmen, nach Vanille duftenden Strähnen befreien. Ich drehte mich auf die Seite und stützte mich auf, um die Ansage des ABs abzuwarten und zu hören, ob der Anrufer von der Polizei war oder ob jemand über die Lykanthropen-Hotline mit Micah sprechen wollte. Da Nathaniel Stripper war, bekam er selten Notrufe. Meinetwegen konnte das so bleiben. Ich wollte nicht unbedingt wissen, wie sich ein Strippernotruf anhörte. Was ich mir spontan dabei vorstellte, war entweder albern oder gemein. Nach dem zehnten Klingeln sprang der AB endlich an. Micah redete gleichzeitig über seine AB-Ansage. »Wer hat den AB an der zweiten Leitung auf zehnmal Klingeln eingestellt?«
»Ich«, antwortete Nathaniel. »In dem Moment kam mir das sinnvoll vor.«
Wir hatten uns einen zweiten Anschluss zugelegt, weil Micah der Haupthelfer bei einer Hotline für frisch gebackene Lykanthropen war, die dringend Rat brauchten oder gerettet werden mussten. Sie wissen schon: Ich bin in einer Bar und kann mich gleich nicht mehr beherrschen, kommt mich holen, bevor ich in aller Öffentlichkeit ein Fell kriege. Wertiere waren eigentlich nicht illegal, aber bei den ganz neuen war die Selbstbeherrschung noch schwach, und manche fraßen jemanden, bevor sie zur Besinnung kamen. Dann liefen sie Gefahr, von Streifenpolizisten erschossen, anstatt verhaftet und angeklagt zu werden. Sofern die Polizisten Silbermunition hatten. Wenn nicht … konnte es sehr, sehr schlimm werden.
Micah hatte Verständnis für die Schwierigkeiten unserer pelzigen Mitbürger, weil er der örtliche Nimir-Raj war, der Leopardenkönig.
Zuerst hörten wir jemanden atmen, zu schnell, zu angestrengt. Ich fuhr vom Kissen hoch, das Laken rutschte mir auf die Oberschenkel. »Anita, Anita, hier ist Larry. Bist du da?« Er klang verstört.
Nathaniel griff nach dem Telefon, bevor ich heranreichen konnte, sagte aber nur: »Hallo, Larry, sie ist da.« Er gab es besorgt an mich weiter.
Larry Kirkland, mein Kollege, Federal Marshal, Animator und Vampirhenker, geriet nicht mehr so leicht in Panik. Seit er mit mir arbeitete, war er erwachsen geworden – oder älter.
»Larry, was ist los?«
»Anita, Gott sei Dank.« Da schwang mehr Erleichterung mit, als ich es bei jemandem hören wollte. Das hieß, ich sollte etwas Wichtiges für ihn tun. Etwas, das ihn von enormem Druck oder einem Riesenproblem befreite.
»Was ist denn los, Larry?« Ich war wirklich beunruhigt.
Er schluckte so mühsam, dass ich es hörte. »Mir geht’s gut, aber Tammy nicht.«
Ich schloss die Faust fester um den Hörer. Seine Frau war Detective Tammy Reynolds und arbeitete bei dem Regional Preternatural Investigation Squad. Deshalb war mein erster Gedanke, sie sei im Dienst verwundet worden. »Was ist passiert?«
Micah beugte sich zu mir. Nathaniel war neben mir ganz still geworden. Wir waren alle bei ihrer Hochzeit gewesen. Ich hatte sogar vor dem Altar an Larrys Seite gestanden.
»Das Baby, Anita. Sie hat Wehen.«
Das hätte ein Grund zur Freude sein können, war es aber nicht. »Sie ist erst im fünften Monat.«
»Genau. Sie versuchen, die Wehen zu stoppen, aber sie wissen nicht …« Er beendete den Satz nicht.
Tammy und Larry waren noch nicht allzu lange zusammen gewesen, als Tammy schwanger wurde. Bei der Hochzeit war sie im vierten Monat gewesen. Und nun würde das Baby, wegen dem sie ihre Lebensplanung geändert hatten, vielleicht nicht zur Welt kommen. Oder nicht lebendig zur Welt kommen. Scheiße.
»Larry, das … Himmel, Larry, das tut mir so leid. Sag mir, was ich tun kann.« Mir selbst fiel nichts ein, aber ich würde tun, worum er mich bat. Er war mein Freund, und wie er sich anhörte, litt er Qualen. Er hatte die gefühllose Copstimme nie gut hingekriegt.
»Ich sollte um acht Uhr ins Flugzeug steigen, um einen Zeugen für das FBI zu erwecken.«
»Der gestorben ist, bevor er aussagen konnte.«
»Ja. Der Animator, der ihn für die Zeugenaussage aus dem Grab holt, muss ein Federal Marshal sein, was auf mich zutrifft. Der Richter wollte nur unter dieser Bedingung eine Zombieaussage zulassen.«
»Ich erinnere mich.« Ich war nicht gerade glücklich darüber. Ich hatte nicht vor, ihn hängen zu lassen oder zu kneifen, nicht wenn Tammy im Krankenhaus lag, aber ich hasste das Fliegen. Nein, ich hasste es nicht, ich hatte Angst davor. Verdammt.
»Ich weiß, wie sehr du das Fliegen hasst«, sagte er.
Das ließ mich lächeln, denn er versuchte gerade, mir Mut zuzusprechen, obwohl er eine private Katastrophe fürchten musste. »Schon gut, Larry. Ich frage nach, ob noch Plätze frei sind, wenn nicht, nehme ich einen späteren Flug, aber ich werde dich vertreten.«
»Meine Unterlagen über den Fall liegen im Büro. Ich wollte auf dem Weg zum Flughafen dort vorbeifahren und sie mitnehmen, als Tammy anrief. Ich glaube, meine Aktentasche steht auf dem Boden neben dem Schreibtisch. Da steckt alles Nötige drin. Der zuständige Agent ist …« Er zögerte. »Es fällt mir nicht ein. Oh Mann, Anita, ich kann mich nicht erinnern.« Er klang wieder panisch.
»Schon gut, Larry. Ich werde es schon herausfinden. Ich rufe beim FBI an und gebe Bescheid, dass jemand anderes kommt.«
»Bert wird sauer sein«, meinte Larry. »Dein Honorar für Erweckungen ist viermal so hoch wie meins …«
»Und wir können die Höhe nach Vertragsschluss nicht mehr ändern.«
»Genau.« Fast hätte er gelacht. »Aber Bert wird sauer sein, dass wir es nicht wenigstens versucht haben.«
Ich lachte, weil er recht hatte. Bert war mal unser Boss gewesen, jetzt aber praktisch nur noch Geschäftsführer, weil sämtliche Animatoren von Animators Inc. sich zusammengetan und eine Palastrevolte angezettelt hatten. Wir hatten ihm die Pistole auf die Brust gesetzt: Geschäftsführer oder gar nichts. Er hatte akzeptiert, sobald er kapierte, dass sein Einkommen gleich bleiben würde.
»Ich hole die Unterlagen und steige ins Flugzeug. Ich übernehme den Job. Pass du nur gut auf dich und Tammy auf.«
»Danke, Anita. Ich weiß nicht, was ich … Ich muss Schluss machen, der Arzt ist da.« Und damit legte er auf.
Ich gab Nathaniel das Telefon, der es in die Ladeschale legte.
»Wie schlimm ist es?«, fragte Micah.
Ich zuckte mit den Schultern. »Das weiß ich nicht. Und Larry weiß wahrscheinlich auch nichts Genaues.« Ich befreite mich von dem Bettzeug und kroch aus dem warmen Nest, das die beiden bildeten.
»Wohin willst du?«, fragte Micah.
»Ich muss einen Flug buchen und Unterlagen abholen.«
»Willst du etwa allein mit dem Flugzeug weg?« Micah setzte sich auf und zog die Knie an die Brust.
Am Fuß des Bettes drehte ich den Kopf zu ihm. »Ja.«
»Wann kommst du zurück?«
»Morgen oder übermorgen.«
»Dann musst du mindestens zwei Plätze in der Maschine buchen.«
Es dauerte einen Moment, bis ich kapierte, was er meinte. Ich weckte Tote auf und war ein offizieller Vampirhenker. So viel wusste die Polizei mit Sicherheit. Ich war Federal Marshal, weil jeder Vampirhenker, der die Schusswaffenprüfung bestand, noch unter den alten Bestimmungen eingestellt worden war, damit die Henker sowohl größere Befugnisse erhielten als auch besser reguliert werden konnten. Zumindest war das der Gedanke dahinter. Aber ich war auch der menschliche Diener Jean-Claudes, des herrschenden Vampirs von St. Louis. Durch meine Bindung an ihn hatte ich einige Fähigkeiten von ihm abbekommen. Darunter auch die Ardeur. Mit der Ardeur brauchte man Sex wie Nahrung, und wenn ich davon nicht genug bekam, wurde ich krank.
Das war eigentlich nicht schlimm, aber ich konnte auch jemanden verletzen, mit dem ich metaphysisch verbunden war. Nicht nur verletzen, sondern ihm das Leben aussaugen. Oder die Ardeur konnte einfach jemanden zufällig auswählen, um sich an ihm zu sättigen. Das hieß, die Ardeur erwachte und wählte sich ein Opfer. Ich hatte nicht immer die Wahl. Igitt.
Deshalb stillte ich sie mit meinen beiden Gefährten und ein paar Freunden. Ich konnte das nicht immer mit demselben tun, weil ich ihn sonst zu Tode lieben würde. Jean-Claude hatte die Ardeur und hatte sie jahrhundertelang befriedigen müssen, aber meine war ein bisschen anders als seine, oder vielleicht hatte ich sie auch nur nicht so gut im Griff wie er. Ich arbeitete daran, aber meine Beherrschung war nicht die beste, und es wäre übel, wenn ich in einem Flugzeug voller fremder Leute die Kontrolle über mich verlor. Oder in einem Bus voller FBI-Agenten.
»Wie soll das gehen?«, fragte ich. »Ich kann nicht meinen Freund zu einem FBI-Fall mitnehmen.«
»Du fliegst nicht als Federal Marshal dorthin«, erwiderte Micah. »Sondern das FBI braucht deine Animator-Fähigkeiten. Also sag ihnen, ich wäre dein Assistent. Die werden nicht merken, dass ich das nicht bin.«
»Warum musst du sie begleiten?«, fragte Nathaniel. Er lag auf den Kissen, das Laken bedeckte kaum seine Blöße.
»Weil sie sich zuletzt an dir genährt hat«, sagte Micah. Er berührte Nathaniel an der Schulter. »Ich kann sie häufiger nähren als du, ohne dass mir schlecht wird und ohne ohnmächtig zu werden.«
»Weil du der Nimir-Raj bist und ich nur ein gewöhnlicher Werleopard.« Er klang ein wenig mürrisch, und dann seufzte er. »Ich will jetzt nicht schwierig werden, aber ich bleibe auf keinen Fall hier, während ihr weg seid.«
Micah und ich sahen uns an und hatten einen Moment stiller Verständigung. Wir lebten seit einem halben Jahr zusammen. Er und Nathaniel waren zur selben Zeit bei mir eingezogen. Ich war nie nur mit einem von beiden zusammen gewesen, eigentlich. Das heißt, wir waren durchaus auch mal zu zweit ausgegangen, und Sex war nicht immer eine Sache zu dritt, aber wir schliefen immer gemeinsam im selben Bett.
Micah und ich hatten das Bedürfnis, ab und zu allein zu sein, jeder für sich, aber Nathaniel nicht. Er war nicht gern allein.
»Möchtest du so lange bei Jean-Claude bleiben?«
»Wird er mich ohne dich dort haben wollen?«
Ich wusste, was hinter der Frage steckte, aber … »Jean-Claude mag dich.«
»Er wird nichts dagegen haben«, sagte Micah, »und Asher erst recht nicht.«
Letzteres sagte er in einem merkwürdigen Ton, sodass ich ihn prüfend ansah. Asher war Jean-Claudes Stellvertreter. Im Lauf ihres Lebens waren sie befreundet, verfeindet, liiert und wieder verfeindet gewesen und hatten in Jahrhunderten voller Unglück dieselbe Frau geliebt und mit ihr ein paar Jahrzehnte voller Glück erlebt.
»Warum sagst du das so?«, fragte ich.
»Asher steht mehr auf Männer als Jean-Claude.«
Ich sah ihn stirnrunzelnd an. »Soll das heißen, er hat dir oder Nathaniel gegenüber Annäherungsversuche unternommen?«
Micah lachte. »Nein, Asher ist bei uns beiden immer sehr, sehr, vorsichtig. Wenn man bedenkt, dass wir beide mit ihm, Jean-Claude und dir schon öfter nackt im Bett gelegen haben, würde ich sagen, Asher war immer ein perfekter Gentleman.«
»Warum dann die Bemerkung, dass Asher mehr auf Männer steht als Jean-Claude?«, fragte ich.
»Wegen der Art, wie er Nathaniel beobachtet, wenn du nicht hinsiehst.«
Ich drehte mich zu dem anderen Mann in meinem Bett um. Er schien sich halb nackt auf meinem Laken vollkommen zu Hause zu fühlen. »Hat Asher dich belästigt?«
Nathaniel schüttelte den Kopf. »Nein.«
»Ist dir aufgefallen, dass er dich so beobachtet, wie Micah sagt?«
»Ja«, sagte Nathaniel und wirkte nicht im Mindesten beunruhigt.
»Und das stört dich nicht?«
Er lächelte. »Ich bin Stripper, Anita. Mich sehen viele Leute so an.«
»Aber du liegst nicht nackt bei ihnen im Bett.«
»Ich liege auch mit Asher nicht nackt im Bett. Er trinkt mein Blut, damit er dich ficken kann. Das mag für ihn lustvoll sein, aber dabei geht es nicht um Sex, sondern um Blut.«
Ich zog die Brauen zusammen und versuchte, in meinem Liebesleben durchzublicken, das inzwischen reichlich kompliziert geworden war. »Aber Micah hat angedeutet, dass Asher nicht nur an deinem Blut interessiert ist.«
»Ich deute nichts an«, sagte Micah. »Ich behaupte, dass er Nathaniel schon gefragt hätte, ob er mehr sein will als nur ein Freund, wenn er nicht glauben würde, dass du und Jean-Claude dann sauer wärt.«
Überrascht schaute ich die beiden an. »Im Ernst?«
Beide nickten gleichzeitig. Es sah aus wie einstudiert.
»Und das wusstet ihr die ganze Zeit?«
Sie nickten wieder.
»Warum habt ihr mir das nicht erzählt?«
»Weil immer mindestens einer von uns dabei war und Nathaniel beschützen konnte«, sagte Micah. »Jetzt werden wir beide weg sein.«
Ich seufzte.
»Ich werde schon klarkommen«, meinte Nathaniel. »Falls ich mich doch um meine Tugend sorgen muss, schlafe ich bei Jason.« Er lächelte breit.
»Was ist so lustig?«, fragte ich. Ich ärgerte mich, weil es mir völlig entgangen war, dass Asher auf Nathaniel stand. Manchmal wunderte ich mich über meine eigene Blindheit, und manchmal fühlte ich mich unfähig, mit den Männern in meinem Leben klarzukommen.
»Was für ein Gesicht du machst, so besorgt, so überrascht!« Er sprang auf und ließ das Laken hinter sich. Nackt und schön kroch er auf mich zu. Ich saß am Fußende des Bettes und konnte nirgendwohin. Aber er kam so schnell auf mich zu, dass ich doch zurückwich und dadurch vom Bett fiel. Ich saß nackt auf dem Boden und fragte mich, ob ich noch einen Rest Würde retten könnte.
Nathaniel beugte sich über den Bettrand und grinste mich an. »Wenn ich sage, wie niedlich das aussah, bist du mir dann böse?«
»Ja«, antwortete ich, musste mir aber ein Lächeln verkneifen.
Er neigte sich näher zu mir. »Dann sage ich es nicht. Ich liebe dich, Anita.« Er schob sich noch weiter über den Rand, aber wenn wir uns küssen wollten, würde ich mich auf die Knie drehen und ihm entgegenkommen müssen.
Ich näherte mich, um mir den angebotenen Kuss zu holen, und flüsterte an seinen Lippen: »Ich liebe dich auch.«
»Sag mir, wohin wir fliegen, damit ich buchen kann«, sagte Micah vom Bett.
Ich unterbrach den Kuss nur so weit, dass ich etwas murmeln konnte. »Philadelphia.«
Nathaniel hielt sich mit einer Hand am Bettpfosten fest, um nicht auf den Boden zu fallen, und kam noch näher. Seine Armmuskeln wölbten sich. Er strich mir mit der freien Hand die Haare aus dem Gesicht. »Ich werde dich vermissen.«
»Ich dich auch«, sagte ich und spürte schon, dass es so sein würde. Doch ein »Assistent« könnte dem FBI noch einleuchten, zwei dagegen nicht. Bei zweien würden sie sich vielleicht erkundigen, wer die waren und inwiefern sie mir assistieren mussten. Das war jedenfalls meine Überlegung. Als ich in Nathaniels verblüffend lavendelblaue Augen schaute, fragte ich mich, ob mir die Meinung des FBI so wichtig war, dass ich ihn deshalb zu Hause lassen wollte. Eigentlich nicht. Eigentlich.
Auf dem Weg zum Flughafen holten wir Larrys Unterlagen aus dem Büro. Micah fuhr, damit ich aus der Akte eine Telefonnummer heraussuchen und in Philly Bescheid sagen konnte, dass Larry eine Vertretung schickte. Auf der Visitenkarte stand: Special Agent Chester Fox.
Er meldete sich beim zweiten Klingeln. »Fox.« Nicht mal ein Hallo. Was hatte die Polizeiarbeit an sich, dass man am Telefon schlechte Manieren annahm?
»Hier ist Federal Marshal Anita Blake. Erwarten Sie Marshal Kirkland heute Vormittag?«
»Er kommt nicht«, schloss Fox daraus.
»Nein, aber ich.«
»Was ist mit Kirkland?«
»Seine Frau liegt im Krankenhaus.« Ich fragte mich, wie viel ich ihm am Telefon sagen musste. Nicht viel, entschied ich.
»Ich hoffe, sie kommt wieder auf die Beine.« Er klang nicht mehr ganz so hart. Schon fast freundlich. Ein wenig besserte sich meine Meinung von ihm.
»Sie wahrscheinlich schon, aber bei ihrem Baby ist man sich nicht so sicher.«
Darauf war es still. Ich hatte vermutlich zu viel erzählt. Meine weibliche Seite mal wieder. Die macht es mir schwer, knapp zu bleiben.
»Das wusste ich nicht. Ich bedauere, dass Marshal Kirkland nicht kommen kann, und noch mehr den Grund dafür. Ich hoffe, dass für die beiden alles gut wird.«
»Ich auch. Also springe ich ein.«
»Ich weiß, wer Sie sind, Marshal Blake.« Er klang schon fast wieder so abweisend wie zu Anfang. »Ihr Ruf eilt Ihnen voraus.« Und das war definitiv abweisend.
»Haben wir ein Problem, Agent Fox?«
»Special Agent Fox.«
»Schön. Haben wir ein Problem, Special Agent Fox?«
»Ist Ihnen bewusst, dass Sie von allen Vampirhenkern in diesem Land die höchste Anzahl an Tötungen haben?«
»Ja, das weiß ich.«
»Sie kommen hierher, um einen Toten zu erwecken, Marshal, nicht um jemanden hinzurichten. Ist das klar?«
Jetzt wurde ich allmählich sauer. »Ich töte Leute nicht zum Spaß, Special Agent Fox.«
»Da habe ich was anderes gehört«, sagte er leise.
»Glauben Sie nicht alle Gerüchte, die Ihnen zu Ohren kommen, Fox.«
»Wenn ich das täte, würde ich Sie keinen Fuß in meine Stadt setzen lassen, Blake.«
Micah legte eine Hand auf mein Bein, um mich zu beruhigen, und fuhr einhändig weiter. Wir waren schon auf der 70. Das hieß, wir würden jeden Moment am Flughafen sein.
»Wissen Sie, Fox, wenn es Ihnen solche Bauchschmerzen macht, dass ich komme, können wir einfach umkehren und hierbleiben. Dann wecken Sie Ihren verdammten Zeugen eben selbst.«
»Wir?«
»Ich bringe einen Assistenten mit«, sagte ich verärgert.
»Und wobei genau assistiert er Ihnen?« Jetzt hatte er genau den Ton drauf, den Männer gegen Frauen seit Jahrhunderten einsetzten. Den Ton, der zu verstehen gibt, dass wir Flittchen sind, ohne dass sie es aussprechen müssen.