Corinna-Rosa Falkenberg, 1977 in Memmingen, Bayern, geboren, ist Aktivistin, Anwältin und Künstlerin. Zuletzt erschien ihr Erzählband ‚Crazy for Life: Verliebt ins Leben’, der ins Englische übersetzt und dessen Inhalt von der Autorin ebenfalls in einem Hörbuch eingesprochen wurde. Wenn sie nicht auf Reisen ist, lebt Corinna-Rosa Falkenberg in München, wo sie vor mehr als einem Jahrzehnt den gemeinnützigen Verein Stella Bildung Bewegt e.V. gründete.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie.
Lektorat: Gabriele Büttner
© 2021 Dr. Corinna-Rosa Falkenberg
www.corinna-rosa.com
BoD - Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN: 978-3-7557-1907-6
Für die leidenschaftlich Liebenden.
Für die, die sich trauen, denn Liebe ist nichts für Feiglinge.
Karl, jeweils per SMS
Ich vermisse uns.
Ich sitze im Wartezimmer beim Arzt.
Hexenschuss.
Ich werde heute Nachmittag für sieben Tage in die Dolomiten fahren. Nur mit mir allein.
In dieser Zeit will ich jedem verdammten inneren Ruf nachgeben. Besonders den Negativen. Das habe ich mir fest vorgenommen. Ich will jede einzelne Strömung in mir betrachten, jedem Dämon zuhören und ihn mit mir machen lassen, was auch immer er will. Für eine Woche entscheide ich mich für den Schmerz und den Kummer.
Warum ich das tue?
Um dich aus mir rauszubekommen. Es ist wie ausspucken, nur anders. Brücken abbrechen und Scherben hinterlassen. Das, was du letztlich auch mit mir gemacht hast. Selbst, wenn du es anders siehst, so ist es für mich.
Ich habe gerade nur noch Ablehnung für dich in mir. Hassgefühle. Auch gegen mich selbst. Was wusste ich schon von dem, was wirklich in mir steckt?
Ich verfluche dich für das, was du mir angetan hast.
Verdamme dich, dass ich so lange glauben musste, dass es dir nicht gut gehe und dafür, dass du mir Anlass zur Sorge gegeben hast, während du zeitgleich in deine Ehe zurückgegangen bist. Auch zu deinem Leben im Ehebett!
Und ich verwünsche dich für deine Ausflüchte, deine ständigen Entschuldigungen.
Aber am meisten verteufele ich wohl mich - weil ich das alles habe mit mir machen lassen. Die Abneigung gegen dich ist somit zugleich zu einer Ablehnung gegen meine eigene Person geworden.
Du hast in den letzten Monaten, seitdem du an Ostern vom Berg und von mir weggerannt bist, kein einziges Mal gefragt, wie es mir geht! Ist dir das bewusst?
Wie es für mich war, deinem monatelangen Schweigen und deiner Abstinenz - mit Ausnahme einer Handvoll vereinzelter Nachrichten - ausgesetzt gewesen zu sein?
Einfach ausgeknipst hast du mich! Ganz so, um im Dunkeln das Licht bewusst zu umgehen.
Ich spüre so viel Ablehnung in mir, dass ich mich gerade fassungslos frage, wie ich vor Kurzem noch von Liebe für dich habe sprechen können.
Wie dieses Wort hat auf dich überhaupt zutreffen können?
Ich möchte nur noch verbrannte Erde hinterlassen. Möchte zer-stören und fühle mich zugleich ausgenutzt.
Du liebst meine Leichtigkeit, hattest du einst gesagt. Du hättest dir immer die Frage gestellt, was Liebe bedeutet, bis ich in dein Leben gekommen sei.
Und ja, du würdest wieder heiraten.
„Dich!“, hattest du gesagt, „Weil ich es mir mit dir bis zum Ende der Welt gemeinsam vorstellen kann.“
Ich habe mir selbst bis kommenden Sonntag mit der Verarbeitung von dir in meinem Leben Zeit gegeben.
Sieben Tage. Solange hat mein dunkles ‚ich‘ Zeit, sich auszulassen, sich auszukotzen. Ich werde jedem Impuls stattgeben. Dabei werde ich diese weder bewerten, noch gar meine Zeilen vorab lesen, um sie dir erst dann, vielleicht sogar gezügelt und korrigiert, zukommen zu lassen.
Nein. Das werde ich nicht machen.
Ich will dir alles Innere von mir überreichen - pur und rein. Ohne Korrektiv und ohne meinen Kopf dafür einzuschalten.
Du bekommst die jeweilige Rohfassung. Damit du weißt, was du mir angetan hast und ich sehe, was ich dich mit mir habe machen lassen.
Ich will keine Last für meine Zukunft tragen.
Bereit, Karl?
Lass alles raus.
Adressiere mich.
Vor mir musst du dich sicher niemals schämen.
Und vor dir selbst schon gar nicht.
Es tut mir leid, dass ich dich derart in mein Chaos
hineingezogen habe.
Noch am gleichen Tag stellt Ada ihr Auto auf einem der großen Parkplätze am Fuß des Drei Zinnen Gebirges ab.
Sie schwingt ihren Rucksack auf ihre Schultern und beeilt sich, um noch vor Dunkelheit ihr Ziel zu erreichen. Ada hat sich eine anspruchsvolle Tour von Berghütte zu Berghütte herausgesucht.
In dieser Auswahl schwingt ihre Hoffnung mit, auch durch die körperliche Anstrengung das auszuschwitzen, was in ihr, schwer wie ein Anker auf Seegrund, lastet.
Ada erreicht die Berghütte später als gedacht, so dass ihr nur noch ein Notlagerplatz zugewiesen werden kann. Erst als der Restaurantbereich schließt, kann sie ihr Nachtlager dort vor dem noch warmen Kachelofen errichten.
Beinahe sofort fällt Ada in einen unruhigen Schlaf. Immer wieder unterbrochen von ihrem rasenden Gedankenkarussell, sodass sie sich am nächsten Morgen bereits um kurz vor fünf Uhr erhebt, ihre Sachen packt und auf leisen Sohlen vor die Hüttentür tritt.
Sie setzt dann ihren Wanderweg mit sich und ihrem Seelenballast fort.