Remington Queens
Deforming
All become realized 2
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Inhaltsverzeichnis
Titel
Kapitel 1: Vergabe der Schuld
Kapitel 2: Angeblich begabt
Kapitel 3: Zwei, die sich begegnen sollten…
Kapitel 4: Normen akzeptieren keine Sonderfälle
Kapitel 5: Erster Eintrag.
Kapitel 6: Im Innenhof des Internats.
Kapitel 7: Bei den Goldsmith zuhause.
Kapitel 8: Lieber naiv, als sich durch Unerklärliches weniger schlau zu fühlen.
Kapitel 9: Wer liebt wen wirklich?
Kapitel 10: Zwei Wochen später.
Kapitel 11: Wenn man glaubt, dass man es besser haben könnte…
Kapitel 12: Was wäre, würde man die Welt neu formen können?
Kapitel 13: Die Erde als Illustriertes
Kapitel 14: Poseidons Königin
Kapitel 15: Henker der Gedankenfreiheit
Kapitel 16: Unterwasserrundführung
Kapitel 17: Ein Garten.
Kapitel 18: Wiedertreffen zweier nun prominenter Persönlichkeiten
Kapitel 19: Einer, dem Freundschaft nichts zu bedeuten scheint.
Kapitel 20: Eine Genugtuung fürs Auge
Kapitel 21: „Farbenspiel“
Kapitel 22: Wirkung höherer Macht
Kapitel 23: Lila Einfluss
Kapitel 24: Die Königin Opfer eines Rätsel aufgebenden Phänomens
Kapitel 25: Vernunft über Loyalität
Kapitel 26: Keine Verfechterin einer Diktatur
Kapitel 27: Aktuelles.
Kapitel 28: Im violetten Grauen befindlich
Kapitel 29: Macht als Basis für Alleinherrschaft
Kapitel 30: Werte, für die man sterben würde
Kapitel 31: Keinem allein soll alles gehören
Kapitel 32: Dann eben Krieg!
Kapitel 33: Darum gestalteten sie den Planeten neu…
Kapitel 34: Im Krieg ist Frieden keine Option
Kapitel 35: Das Gewissen als etwas Unantastbares
Kapitel 36: So ziemlich nichts…
Kapitel 37: Gehört einem die Welt, kann man alles damit machen.
Kapitel 38: Einsicht bei Mondlicht…
Kapitel 39: Der nächste Tag.
Kapitel 40: Gegner der Barmherzigkeit
Kapitel 41: Alles, was einen nicht erfüllt.
Kapitel 42: Ein Menschenkenner…
Kapitel 43: Neuer Eintrag…
Kapitel 44: Lieber Fehler anderer hinnehmen, als an den eigenen zu scheitern.
Kapitel 45: Menschen, denen man vergeben sollte…
Impressum neobooks
Es ist schon erstaunlich, wie viel Zeit nun schon vergangen sein mag. Ich kann mich nicht einmal mehr daran erinnern, wann es gewesen sein soll. Nun ist`s bloß noch eine Frage der Geduld, dann werde ich endlich von dieser Welt Abschied nehmen dürfen. Auch wenn es mich kränkt, mir eingestehen zu müssen, als Vater versagt zu haben. Konnte ich meiner Tochter doch nie die Liebe geben, nach der sie sich zutiefst sehnte. Drum mag ich auch nicht um Vergebung bitten. Ein flüchtiger Blick in die Vergangenheit lässt trotz all der schmerzhaften Erinnerungen in düsterer Abgeschiedenheit zu Freuden und der Glückseligkeit den ein oder anderen schönen Moment aufblitzen. Doch--- Halt! Was war das? Auf einmal habe ich wieder ein klares Bild vor Augen. –Begonnen hat alles mit diesem Jungen. Was vorher war, gehört bloß dem Lebenszyklus, aber nicht mehr meiner Geschichte an. In einem fremden Tal bei den dort gelegenen Wäldern…
Sieht sich mit einem Wanderstock, zerfledderten Schuhen, zerrissener Kleidung und einer verdreckten Wolldecke durch die Wildnis streifen. Ein schmaler Pfad führt direkt der Sonne entgegen. Zu jener Zeit war es windstill. Geräusche sind nur von fern her wahrzunehmen.
Wie kam es, dass ich von klein auf bereits eins mit der Natur werden konnte? Was geschah mit meiner Familie? -All das kann ich nicht beantworten. Eine Sache jedoch vergesse ich nie; hörte ich eines Morgens ein lautes Rascheln unmittelbar in meiner Näh, hatte ich im nächsten Augenblick einen langzeitlichen Begleiter an meiner Seite. Ein junges Reh; die Eltern galten nirgends aufzufinden. Zwei einsame Kreaturen, verlassen von so ziemlich jedem, der ihnen einst so nahestand. Auf Tritt und Schritt folgte mir das Tier. Wir wurden zu Brüdern fernerer Spezies. Doch die Freude sollte uns nicht lange bleiben. Jedes Glück zieht schwarze Wolken an. Auch wenn ich es nie wagte, zwischen Mensch und Tier zu unterscheiden, verharrte das Gesetz stets auf altem Brauch. Für einen Jäger die ideale Beute.
Lauf, mein Freund! Ziere Dich, nach mir zu schauen. Ich werde Dich finden. Und wenn auch nicht, bedenke wahre Freundschaft ewig hält!
So rief ich im Sekundentakt. Jedoch vergebens. Die Kugel fand einen schnelleren Weg, als es die Beine verhindern konnten. Da sah ich meinen Bruder am Boden liegen, im Todeskampf befindlich. Die Augen zuckten gehässig. Zorn und Rachegelüste stiegen in mir auf, während die Erde von meinen Tränen reichlich abbekam. So sollte es der bezahlen, wer glaubt, sich über Schwächere hinwegsetzen zu dürfen. Das einzige Überbleibsel meines Geburtstages: Ein Dolch. Immer trug ich ihn bei mir. Ich zögerte nicht lange. Und war er da, lag er da. Sein Gewehr fest umklammert, als befände er sich in einer Schockstarre. Ich blickte stur auf ihn herab. Mir kam kein Wort über die Lippen. Plötzlich spürte ich etwas in mich kehren. Eine Art dunkle Magie füllte meinen gesamten Körper. Die Klinge meiner Waffe leuchtete für einen kurzen Moment hell auf. Ich brauchte einige Sekunden, um mich wieder der Realität widmen zu können. Da fiel mein Blick erneut auf mein Reh. Ich realisierte ein drängelndes Bedürfnis tief in mir, so schnell es geht zu handeln. Es stellte sich eine Gabe über meinen Verstand. Jetzt war dem Tier geholfen. Ein ungewöhnlicher Heilungsprozess verlief in meiner Gegenwart. Zu jenem Zeitpunkt ahnte ich noch nicht, dass ein Mann aus ferner Vergangenheit mit solchem Phänomen in Zusammenhang stand.
Setzt sich in einen im Wohnzimmer platzierten Sessel. Sieht zum Fenster hinüber und auf die dahinterliegende Straße.
Ein seltsames Gefühl. Bis vor kurzem waren die Vorhänge noch zugezogen, schaute ich in diese Richtung. Völlig abgeschottet von der Außenwelt. So manch anderem ging es ähnlich. Doch zu heutigem Tage ist die Gefahr vorüber. Ich zog mich bereits früher aus der Affäre. Die Angst ließ unkontrolliert Dinge geschehen. So entstanden fünf Broschen, die sich eigenständig auf den Weg zu ihren neuen Besitzern machten. Wer sie sind?- Dies kann ich nicht sagen. Ich war so besessen, meine Gabe loszuwerden, dass ich sogar dazu fähig war, Unschuldige einem Wahnsinnigen zu überlassen, der zwar nicht mehr im Diesseits, jedoch in unseren Gedanken weiterlebte. Ein Glück, dass die neu Auserwählten bislang nicht erfuhren, welche Fähigkeiten diese Broschen mit sich bringen. Sonst hätte ich Steve nicht helfen können. Jetzt bin ich allerdings bereit, ein neues Kapitel angehen zu lassen. Dies wäre wohl das Ende meiner Geschichte. Bloß müssen die Unwissenden sich noch mit den Kräften der Illustrationen vertraut machen, dann werde ich diese ein für alle Mal los sein und mich rasch ins Ungewisse begeben. Drum sollte ich den Abschied planen. Für ein Lebewohl vielleicht noch zu früh, -das Testament habe ich hingegen schon aufgesetzt!
Sommer.
Vor einem riesigen Gebäude eine Reihe an Autos parkend.
Sämtliche Kinder in Begleitung von Erwachsenen begeben sich zu einem mit Ausschilderungen gekennzeichneten Eingang, wo sie von dienstlich gekleidetem Personal empfangen werden.
Willkommen an unserem „Internat der kleinen Genies“. Bitte seien Sie so freundlich und berücksichtigen Sie die vor dem Tore beschriebenen Anweisungen. Betreten Sie bitte geordnet das Gebäude und behalten Sie Ihre Kinder so gut es geht im Auge. Wenn Sie die von uns zu Verfügung gestellten Parkplätze benutzen, bitten wir Sie, darauf zu achten, dass Sie Ihre Mitbürger keinesfalls behindern und so wenig Fläche wie möglich in Gebrauch nehmen. Weitere Hinweise erhalten Sie von unserem Personal oder am Haupteingang gleich rechts hinter der Glastür. Vielen Dank!
Ertönt es durch auf dem Campus verteilte Lautsprecher.
Ein dunkelhäutiges Mädchen steigt aus einem Kleinwagen. Dessen Eltern bereits am Kofferraum. Entnehmen hieraus eine Schultasche, auf welcher eine Weltraumatmosphäre abgebildet ist.
Also, mein Schatz: Bereit, ein großes, unabhängiges, selbstbewusstes Mädchen zu werden?
Die Mutter ermutigend. Kniet sich mit breitem Lächeln vor ihre Tochter.
Ich verstehe nicht ganz, warum sie ausgerechnet mich wollen. Ich habe zwei linke Hände. Noch dazu glaube ich nicht, wirklich begabt zu sein.
Die Stadt wollte es so. Du kannst denen vollkommen vertrauen. Sie testen die Schüler, ohne dass die es mitkriegen. Du bist etwas Besonderes.
Dad. Du magst jemand Besonderes sein. Du bist ja auch schon mal im Weltall gewesen. Aber mich kennt man bloß, weil ich Deine Tochter bin.
Nein, mein Herz. Man kennt Dich, weil man ahnt, dass man vor Dir Respekt haben sollte.
Legt seine Hand auf ihre Schulter.
Eines Tages wirst Du mit mir gemeinsam den Sternen ganz nahe sein. Das weiß ich. Und kannst Du Dir denken, warum ich das so genau weiß?
Schweigen.
Weil meine Tochter das klügste, hübscheste und liebenswerteste Geschöpf ist, das ich kenne. Nichts in diesem Universum wird sich Dir und Deinen Träumen in den Weg stellen können.
Und Zola…
Lächelt.
Wir werden immer an Deiner Seite sein. Dein Vater und ich, wir sind sehr stolz auf Dich. Auf Deine Leistungen, Deinen Mut und vor allem darauf, dass Du unser Mädchen bist. Schon bald werden dies auch alle anderen erkennen. Ok?
Ok!
Ausdrucksstark.
Super! Dann nichts wie los.
Im Internat in einem kleinen Büro. Hier eine Frau der Familie an einem Schreibtisch gegenübersitzend.
Zola wird also ab heute offizielles Mitglied unserer Förderschule für begabte Kids?
So ist es.
Die Eltern voller Stolz.
Ah ja. Ich habe die Papiere vor mir liegen. Nun… ein paar Kleinigkeiten gilt es noch zu regeln. Da wäre einmal die Zuteilung des Fachgebiets, mit welchem Du Dich ab sofort ausgiebig beschäftigen wirst, liebe Zola. Dein Sternzeichen ist Schütze. Folgen wir Deinem Geburtstag- und Jahr, so wirst Du Dich mit der Astrophysik beschäftigen. Dein Vater sagte Dir das sicherlich schon. Er war ja so begeistert, dass der Zufall Aussichten auf das Berufsleben aufkommen ließ, die dem seinigen sehr ähnlich sind.
Besonders weil unsere Kleine ja auch ein starkes Interesse für die Geschehnisse im All aufbringt.
Ja, das erzählten Sie mir. Da hatte sie mächtig Glück. Zurück zu Dir, Zola. Du wirst Dir Dein Zimmer selbstverständlich mit Studienkollegen teilen, die sich mit demselben Fachgebiet auseinandersetzen. Zukünftig wird es Dir während der Lernzeit und auch in Deiner Freizeit nur gestattet sein, mit Schülern aus Deiner Lerngruppe oder Angehörigen des Personals zu sprechen. Dies dient dem Lernfortschritt. Kinder aus anderen Themengebieten verführten Dich gerne immer mal wieder dazu, Dich von der Arbeit fernzuhalten und irgendwelchen Blödsinn anzustellen. Dem angeschlossen wirst Du Dich ausschließlich mit Wissen beschäftigen, welches Deinem Forschungsschwerpunkt gleichkommt. Alles andere hat Dich nicht weiter zu interessieren. Du wirst es nicht brauchen… Deine Alltagskleidung während der Studienzeit steht auf dem Regelbogen, den ich Dir gleich aushändigen werde. Anschließend wird es dann Zeit, Dich von Deinen Eltern zu verabschieden.
Eine Frage hätten wir da noch.
Bitte.
Wann werden wir Zola denn sehen können?
Gibt es so etwas wie Besuchszeiten?
Da muss ich Sie leider enttäuschen. Sie soll sich hier wie zu Hause fühlen. Ein Besuch der Eltern führte bloß zu verstärktem Heimweh. Du wirst sie in der Ferienzeit wiedersehen dürfen. Aber es gibt Telefonzeiten an den Wochenenden, zu welchen Du Deine Eltern gerne anrufen kannst, wenn Du dies möchtest… Eine Winzigkeit noch: Den hier wirst Du ab sofort nicht mehr benötigen.
Nimmt ihr den Rucksack ab. Überreicht diesen der Mutter.
Das ist Dein neues Transportmittel. Praktischer und um die Neutralität in diesem Hause zu erhalten.
Nimmt eine graue Aktentasche mit der Aufschrift „Astrophysik“ hervor.
Vor der Tür.
Die Eltern nehmen Zola in den Arm.
Wir werden Dich sehr vermissen.
Ich Euch auch.
Aber mach Dir keine Sorgen. Du wirst sehen: Die Zeit bis zu den Ferien geht rasch rum. Vor allem, weil Du so in den Lernstoff mit Begeisterung vertieft sein wirst, dass Dir gar nicht auffallen wird, wie lange Du schon da bist.
Zola nickt. Ihr Blick eher nach unten gerichtet.
Kopf hoch, Schätzchen.
Ich bin mir sicher, dass Du Dich wohlfühlen wirst.
Die Mutter zuversichtlich.
Mr. Goldsmith. Mrs. Goldsmith. Es hat mich sehr gefreut.
Uns auch.
Reichen sich die Hände.
Auf Wiedersehen, Ms. Porter. Bis bald, Zola!
Verlassen das Gelände.
Auf dem Flur Zola mit dem Regelbogen. Liest sich dessen Inhalt aufmerksam durch.
Deine Regeln:
Die nachfolgenden Regeln gilt es jederzeit und fast ohne Einschränkungen während der gesamten Aufenthaltszeit zu beachten. Bei Regelbruch kann es zu schwerwiegenden Konsequenzen kommen.
Während der Studienzeit sind die Studierenden dazu verpflichtet, eine blaue Robe zu tragen, sowie eine Brille, wenn auch kein Brillenträger(-in). (Kleidung, sowie Bettbezüge und zusätzlich vorgeschriebene „Accessoires“ werden Dir in den Waschräumen ausgehändigt)
Das Gelände darf nicht ohne Erlaubnis einer Professorin, eines Professors verlassen werden. (Verhalten in Ausnahmesituationen wie Brandfall werden Dir extra erklärt)
Der Kontakt zu Schülern, die sich nicht im selben Forschungsbereich befinden wie Du, wird Dir strengstens untersagt.
Die Essenszeiten gilt es einzuhalten. (Vor der Kantine zu finden)
Sachbeschädigung kann in der Regel zu einem langfristigen Verweis führen.
Bei den Vorlesungen und allgemeinen Lern- und Praxisphasen hast Du pünktlich zu erscheinen.
Wirst Du aufgrund eines Zwischenfalls im Interesse der Wahrheitsfindung als Zeugin oder Zeuge zur Rektorin zitiert, um dort eine Aussage zu machen, so hast Du stets die Wahrheit zu sagen.
Ich stimme voll zu… Unterschrift:…
Zola schüttelt den Kopf.
Das wird ja immer irrsinniger. Ist das hier eine Art Strafanstalt oder wie?
Kommt bei einem der berüchtigten Waschräume an.
Hier bekommt sie Bettwäsche und eine frisch gebügelte und zusammengelegte Robe ausgehändigt. Oben drauf eine Brille, deren Gläser jedoch keine Änderung der Sichtverhältnisse hervorbringen.
Danke sehr.
Sucht ihr Zimmer auf.
Am nächsten Morgen.
Sämtliche Kinder in die vorgeschriebenen blauen Roben gekleidet im Innenhof versammelt. Suchen ihre jeweilige Gruppe auf.
Hier verteilt eine Vielzahl an Ständen. Sie alle werben durch ihr Äußeres für ein bestimmtes Forschungsgebiet, als sähe man sich gegenseitig als Konkurrenz, so sehr bemüht man sich um die optische Erscheinung. Derjenige, der die Astrophysik repräsentiert, wird durch kleine Modelle in Form von Himmelskörpern gekennzeichnet. Ein anderer wiederum stellt eine gewisse Wissenschaft dar, bei welcher daran gearbeitet werden soll, Dinosaurier wiederaufleben zu lassen und wird durch eine Leinwand deutlich hervorgehoben, auf welcher ein grüner Urzeitriese in der Gestalt eines Raubtieres abgebildet ist.
Hinter einem Baum ein Junge. Sieht nach einem Mädchen, welches schon seit Längerem auf einer Bank sitzt und dabei ist, eine Zeichnung anzufertigen. Wirklich zu kennen scheint er es nicht, wohl zeigt er jedoch durchaus Interesse an der Unbekannten. Völlig fokussiert, beobachtet er genau, wie der Wind die rotbraunen Haare des Kindes streift und dieses ab und zu seinen Blick zum Himmel richtet und die frische Luft auf die junge Haut einwirken lässt.
Das Zwitschern dort, -es klingt, als hätte ich einen Ruf aus Fernerem vernommen. Solch wunderbarer Klang; ich wünscht´, ach sei ich doch nur auch so schön, ich würde mich in meinem Antlitz tausendfach sonnen.
Spricht mit zarter Stimme, was nun die Neugierde des Jungen weckt.
Prompt springt dieser aus seinem Versteck. Tritt vor das Mädchen.
Verzeihung! Von Deinen Worten wollt´ ich nichts versäumen. Doch sag: Sprichst Du denn immer bloß in Reimen?
In meinen Augen ist das Reimen nicht nur eine Kunst, sondern auch eine Magie. Bleibst Du stets bemüht, verhältst Dich wortgewandt und bleibst ihm selbst im Traume treu, verlernst Du diese Gabe nie.
Lächelt.
Erst jetzt bemerkt ihr Gegenüber die Seltenheit in ihren Augen: Der Augapfel des rechten hat eine leichte grüne Färbung, während der ihres linken blau ist.
Warum so irritiert?
Oh, tut mir leid. Ich wollte nicht unfreundlich sein.
Ich wär nicht überrascht und würde es Dir nicht übel nehmen, liefest Du gleich davon. Das haben andere eher getan.
Was? Nein, so jemand bin ich nicht. Hört sich an, als hättest Du Grund, Dich zu schämen.
Das hatte ich nicht sagen wollen. Im Gegenteil: Ich bin meinesgleichen bloß immer einen Schritt voraus. Und neben bei bin ich viel reifer und raffinierter als die meisten. Das Problem ist nur, dass sie meine Sprache nicht verstehen. Ich befürchte, je mehr ich mich anstrenge, so wie die zu sein, desto schneller verliere ich das, was mich ausmacht.
Ich denke, so etwas kann man nicht verlieren. Wir werden immer wir selbst bleiben--- hier drin.
Deutet auf sein Herz.
So ein Unsinn. Dies mag zwar die Quelle Deiner Lebenskraft darstellen, um an diesem Ort jedoch Gefühle aufzubewahren, ist es gar zu bedeutungslos. Nur ein Symbol der Liebe, nichts weiter.
Warum so pessimistisch?
Gibt es denn einen Grund, optimistisch zu denken?
Kann ich mich kurz setzen?
Natürlich.
Rutscht zur Seite.
Ich zeige Dir jetzt etwas, -davon wissen nicht viele.
Krempelt die Ärmel seiner Weste hoch. Deutet auf sämtliche Narben an seinen Armen.
Die hatte ich mir selber zugefügt. Ich fühlte, dass mein Körper leer war. Verlassen. Kein Gewissen. Kein Gefühl. Nicht einmal Schmerzen konnte ich zu jener Zeit empfinden. Doch dann machte mir auf einmal etwas Angst: Was wäre, wenn das, was wir als Jenseits bezeichnen, viel schlimmer ist als unser Leben? Vielleicht ist der Tod, wie wir ihn kennen, bloß eine Überleitung zu etwas anderem, was total Grässlichem. Seitdem ist das Leben für mich eine Art Schutzschild geworden. Ein Schutz im Sinne der Bewahrung vor dem, was danach kommt.
Das macht Dich aber noch lange nicht zu einem Optimisten.
Na ja, dadurch begann ich das Leben mehr wertzuschätzen.
Aber wenn es soweit kommen sollte, dass der Tod, wenn auch nur für einen Augenblick, den einzigen Ausweg darstellt, der Dir als Erlösung erscheint…
... dann könnte ich mein Leben voll auskosten. Ich würde mich Dinge trauen, die ich selber einst nie gewagt hätte.
Da höre ich auf einmal doch den Optimisten!
Ja, weißt Du, was ich tun würde? Ich würde mir ein Bike stehlen und einfach losfahren. Immerzu fahren, fahren, fahren. Und sollte ich dabei die Kontrolle verlieren, dann mag der Tod mein Retter sein.
Du könntest natürlich auch mit einer Querschnittslähmung im Rollstuhl landen und Dir dann nicht mal mehr selbst die Spritze geben.
---Irgendwie ist doch jeder an sein Schicksal gebunden, was? –Genau deswegen habe ich damit begonnen, nach einem Sinn zu suchen.
Und hast Du diesen Sinn bereits gefunden?
Man kann ihn nicht ehrlich finden. Danach zu streben, ist im Prinzip der Sinn.
Du hast Recht. Meine Fehler lassen sich ohnehin nicht korrigieren.
Und was sollen das für Fehler sein?
Hast Du doch gesehen. Ein schreckliches Bild. Besonders wenn ich mich im Spiegel betrachte.
Du schämst Dich also doch dafür. Und nur weil Du Dich von anderen so unterscheidest, ist das auf einmal etwas Schlechtes? Weil laut der Mehrheit die Wissenschaft das Normalsein definiert, bist Du ein Ungeheuer, vor dem sich ein jeder in Acht nehmen sollte? Was ist, wenn alle anderen einen Fehler haben und Du diejenige bist, die vollkommen normal ist?
Wenn Du immer von solchen Situationen ausgehst, könnte jeder theoretisch nur ein Objekt sein. Und die Welt und ihr Geschehen stellte im Grunde genommen eine Prüfung gegen die Zeit dar.
Ja wie willst Du denn beweisen, dass dem nicht so ist?
Deswegen akzeptieren wir gewisse Dinge. Ansonsten würden uns das Grübeln und das Anstellen von Vermutungen so sehr in den Wahnsinn treiben, dass wir irgendwann an den Punkt kämen, an dem wir uns selbstzerstören wollten. Ich kenne dieses Gefühl, nur in anderem Zusammenhang. Immerzu blickte ich in die Sonne, in der Hoffnung dass meine Sehfähigkeit endlich nachlassen würde. Ich wollte mit meinen Augen nichts mehr wahrnehmen können, ---mich selbst nicht mehr wahrnehmen können.
Und wie ist es nun? Hat sich dies inzwischen geändert?
Schon möglich. Doch gerade wenn Du denkst, dass es vorüber ist, holt es Dich ein. Und beim nächsten Mal gibt es dann kein Entkommen mehr.