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Übersetzung aus dem Amerikanischen von Michaela Link
© Shelly Laurenston 2020
Titel der amerikanischen Originalausgabe:
»Badger to the Bone« bei Kensington, New York 2020
© Piper Verlag GmbH, München 2021
Covergestaltung: Guter Punkt, München
Covermotiv: Guter Punkt, Anke Koopmann unter Verwendung von Motiven von Shutterstock.com
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Mein Dank gilt meiner kalifornischen Familie,
weil sie mich zu meinen Honigdachs-Schwestern inspiriert und
mich gelehrt hat, was wahre Loyalität ist. Ich liebe euch!
Die Bilanz: eine Nase, beide Wangenknochen und der Oberkiefer durch die Wucht eines Balls gebrochen. Ein Arm verrenkt und zertrümmert, eine Schulter ausgekugelt. Eine durch einen gezielten Tritt zerstörte Kniescheibe. Ein von einer Faust gebrochener Unterkiefer. Eine von einer anderen Faust eingedrückte Luftröhre.
Um die Opfer hatte sich ein Kreis gebildet, der sie daran hinderte wegzulaufen.
Charles Taylor wusste, dass er eingreifen musste, aber er war einfach zu fasziniert, wenn auch nicht unbedingt überrascht. Schließlich hatte ihre Mannschaft gerade die nationale Basketballmeisterschaft der Highschool-Mädchenteams gewonnen. Und wenn es eines gab, auf das die Mädels sich verstanden, dann wie man als Team agierte.
Endlich trat er von dem Baum weg. Eins der Opfer streckte die Hände nach ihm aus und flehte ihn mit Augen voller Tränen um Hilfe an.
Charles jedoch sah zu den Raubtieren hinüber, und alle erwiderten seinen Blick und warteten darauf, dass er rumbrüllte oder sie tadelte. Bis eine von ihnen ihm fröhlich zuwinkte.
»Hey, Pop-Pop«, begrüßte ihn seine Enkelin mit einem breiten Grinsen und einem blauen Auge, das dabei war, anzuschwellen. Das Gleiche galt für ihre Lippen und ihren Kiefer. Male an ihrer Kehle ließen darauf schließen, dass sie außerdem gewürgt worden war. Er schaute auf die Männer hinab, manche davon so schlimm zugerichtet, dass sie nicht mehr aufstehen konnten. Mehrere versuchten jedoch, sich wegzuschleppen. Einer war schneller als die anderen, aber bevor er besonders weit kommen konnte, stellte sich ihm eine der Spielerinnen in den Weg.
Wie seine Enkelin war sie ein kleines Ding. Trügerisch winzig und unschuldig wirkend … bis auf die breiten Schultern und die kräftigen Oberschenkel. Und die Augen. Ihre Augen verrieten, was sie war, nämlich dasselbe wie seine Enkelin. In Max floss nicht sein Blut. Er hatte sie genauso adoptiert wie ihre jüngere Schwester – ohne jegliche Beteiligung des Staates oder des Bundesstaates und ohne juristische Formalitäten. Aber seinesgleichen handhabte die Dinge ohnehin meistens anders als die Vollmenschen um sie herum. Als seine blutsverwandte Enkelin ins Rudelhaus gekommen war, hatte sie ihre Halbschwestern mitgebracht, und alle drei waren zu seiner Angelegenheit geworden. Seiner Verantwortung. Seinem Problem.
Und, um ehrlich zu sein … zu seinem Vergnügen. Denn wo immer die drei hingingen – sei es gemeinsam oder getrennt –, folgten ihnen die Schwierigkeiten nicht bloß. Sie nisteten in ihnen wie Parasiten. Die drei waren die Typhus-Marys der Schwierigkeiten.
Zwar hatte er keine Ahnung, wie diese Männer es sich mit seiner Enkelin Max und ihren Mannschaftskameradinnen verscherzt hatten, allerdings wusste er, dass Max Yang nicht ohne Grund angriff. Das taten Honigdachse nie. Aber Gott bewahre, wenn man sie angriff, denn sie gaben niemals Ruhe. Ganz gleich, wie viel größer ihr Gegner war, wie viel stärker, wie viel schneller. Dachse hörten niemals auf.
Es sei denn, man bot ihnen etwas Besseres an.
»Deine Schwester macht gerade Frühstück. Ihr solltet besser nach Hause kommen.«
»Frühstück?« Sie sah auf ihre Armbanduhr. »Ein wenig spät dafür, oder?«
»Sie bezeichnet es als Brunch, aber wenn Waffeln im Spiel sind, ist es Frühstück. Oder Abendessen. Aber auf keinen Fall Brunch.«
Sie zuckte die muskulösen Schultern und sah ihre Mannschaftskameradinnen an. Es war zwar Samstag, doch die Basketballmannschaft der Jungs hatte einen Festumzug zu ihrem Meisterschaftssieg veranstaltet. Die Mädchen dagegen, die die Bundesmeisterschaft gerockt hatten, wie nur eine Gruppe von Dachsen das konnte, waren nicht mit so viel Enthusiasmus belohnt worden. Also waren die Ladys in ihren Mannschaftstrikots zu dem Umzug gegangen, und so, wie er sie kannte, hatten sie wahrscheinlich jede Menge Mist angestellt, weil man ihnen an der eigenen Schule keinen Respekt zollte. Die Schule, für die sie gespielt und gewonnen hatten.
Die ganze Mannschaft war großartig, doch es waren diese fünf gewesen, die sie zum Ruhm geführt und die bestimmt die meiste Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatten. Also höchstwahrscheinlich auch die Aufmerksamkeit dieser Männer.
Charles kannte die Verletzten auf dem Boden. Sie kamen nicht aus seiner kleinen Stadt, aber sie fuhren hier durch, wenn sie als Drogenkuriere unterwegs waren, und das Brummen ihrer amerikanischen Motorräder ärgerte sein Rudel.
Diese Männer gaben sich gewöhnlich nicht mit den Anwohnern ab, doch fünf junge Frauen, die in identischen knallgelben Basketballtrikots und Shorts die Straße entlanggingen, waren wohl unwiderstehlich gewesen. Vielleicht hatte das die Typen gestört oder gereizt, und als nicht die gewünschte Reaktion gekommen war, hatten sie Charles’ Enkelin verletzt.
Und deshalb waren sie keine zwei Meter von der Grenze zu Charles’ Territorium in einen schreienden Haufen verwandelt worden.
»Lust auf Waffeln?«, fragte Max, und die vier anderen Mädchen nickten.
»Wir sollten allerdings erst noch aufräumen«, sagte eine von ihnen, einen Basketball unterm Arm, den Blick ihrer Honigdachs-Augen auf ihre fluchenden und schluchzenden Opfer gerichtet. »Es ist immer gut, Ordnung zu machen.«
»Kommt nicht infrage«, antwortete Charles, dem klar war, dass diese Mädchen nicht davon sprachen, sich die Hände zu waschen. »Ihr fünf werdet hier überhaupt nichts aufräumen.«
»Na ja, du solltest es aber auch nicht«, hielt Max dagegen. »Du wirst langsam alt.«
»Anscheinend sehnst du dich nach einem Pfotenhieb.«
Eine andere hob die Hand, um sie alle zum Schweigen zu bringen, drehte den Kopf und schloss die Augen. Sie hob die Nase und schnupperte.
»Sie kommen«, verkündete sie schließlich mit Unheil verkündender Stimme.
Charles wusste sofort, dass damit nicht sein Rudel gemeint war. Ebenso wenig weitere Menschen. Sondern ein Clan. Natürlich nicht der Klan mit K. Der Klan war damals, zu seines Vaters Zeiten, in ihr Territorium eingedrungen, um der »gemischtrassigen Utopie dort« Einhalt zu gebieten … und man hatte sie nie wiedergesehen. Nein, es ging um einen Clan mit großem C.
Hyänen. Sie waren vor einigen Jahren auf die Farm direkt neben Charles’ Rudel gezogen. Zum Glück machte gewöhnlich keine Seite der anderen Ärger, aber ein Kampf so nah an den territorialen Grenzen konnte alle möglichen Probleme verursachen, wenn man es falsch anpackte. Vor allem, da eine der Basketballspielerinnen die Halbschwester einiger der erwachsenen Hyänen war. Obwohl ihre Dachs-Gene alles andere in ihr überdeckten und sie alle Honigdachs-Eigenschaften in sich vereinte, glaubte der Clan immer noch, sie sei sein »Besitz«. So wie auch alle männlichen Hyänen sein Besitz waren. Zumindest bis sie achtzehn wurde. Wenn sie nicht gerade zum Basketball ging, nahmen die Hyänen es nicht besonders freundlich auf, wenn sie außerhalb der Schule mit ihren Honigdachs-Mannschaftskameradinnen rumhing.
Charles zögerte nicht. »Ihr geht alle sofort ins Rudelhaus.«
»Wir lassen dich hier nicht allein zurück«, informierte Max ihn.
Charles machte sich keine Sorgen. Nicht wenn er die perfekten Ablenkungen direkt vor sich hatte, die immer noch versuchten, sich mit ihren gebrochenen Gliedmaßen fortzuschleppen. Einige hatten bereits die Territorialgrenzen überquert, und wenn es eines gab, das dieser spezielle Clan mehr hasste als heulende Wölfe, dann waren es menschliche Männer.
»Du wirst tun, was ich dir sage«, beharrte Charles.
»Aber …«
»Solange du unter meinem Dach wohnst, Max MacKilligan …«
»O Gott.« Dramatisch verdrehte sie ihre braunen Augen. »Nicht schon wieder diese Leier.«
»Bewegt eure Ärsche«, befahl er den Mädchen, bevor er hinzufügte: »Oder ich hole deine Schwester, Max, und sie kann …«
Vier der Mädchen rannten sofort in Richtung Rudelhaus, bevor Charles die Chance hatte, seine Drohung ganz auszusprechen, aber Max blieb stehen und grinste ihn an.
»Das war unter deiner Würde«, sagte sie.
»Ach wirklich?«
Lachend ging Max. Aber bevor sie im umliegenden Wald verschwinden konnte, rief Charles ihr nach: »Das neue Alphaweibchen zerreißt sich schon das Maul über dich und deine Schwestern.«
Max blieb stehen, drehte sich jedoch nicht um. Er konnte sehen, wie ihre Schultern sich anspannten. Nur ein wenig, doch das reichte.
»Ich will nicht, dass Charlie davon erfährt«, fuhr er fort. »Sie hat im Moment schon genug um die Ohren. Die Universitäten überbieten sich gegenseitig, um deine kleine Schwester für sich zu gewinnen. Charlie versucht, das alles ohne Anwalt zu regeln. Das würde sie nur noch mehr stressen …«
»Schon klar«, sagte Max und war auch schon zwischen den Bäumen verschwunden.
»Hallo, Betsey.«
Betsey erstarrte, als ihr ausgerechnet diese Stimme ins Ohr flüsterte. Zwar lebte sie seit Jahren nicht mehr im Rudelhaus. Sie kam nur noch zu bedeutenden Feiertagen und für eine Woche in den Sommerferien heim. Davon abgesehen hielt sie sich so weit entfernt vom Rudel wie möglich. Nicht weil man dort grausam zu ihr war. Das war wirklich keiner je gewesen. Aber als Hybride hatte man sie auch nicht ganz akzeptiert. Geduldet? Ja. Akzeptiert? Nein.
Also kam sie lediglich her, wenn es nötig war. Wie an diesem Wochenende. Am Sonntag hatte ihre Mutter Geburtstag. Und Betsey tat, was sie immer tat, wenn sie herkam … Sie sah zu, dass sie niemandem in die Quere kam, und hielt sich im Schatten. Das war nicht schwer. Bis auf ihre Mutter beachtete sie ohnehin niemand, und keiner würde sich darum scheren, wenn sie am Montagmorgen wieder verschwand.
Doch alles war anders gewesen, als sie an diesem Freitagabend ankam. Sie wusste auch, warum. Es lag an ihnen. Den MacKilligan-Schwestern. Betsey erinnerte sich noch, wie sie das erste Mal hier aufgetaucht waren. Allein und schmutzig hatten sie es geschafft, sich einen Platz im Haus zu sichern, trotz des starken Alphamännchens, das immer klargemacht hatte, dass es Hybriden jedweder Art verabscheute. Aber sie hatten ihn verjagt und er war Betsey nie wieder unter die Augen gekommen. Früher hatte sie gedacht, das sei das Werk ihres Großvaters gewesen. Er war an jenem Tag so aufgebracht gewesen …
Aber einige Jahre später war ihr Ex-Alpha aus dem Nichts und sehr lebendig wieder aufgetaucht. Ihrer Mutter zufolge hatte er sofort begonnen, Andeutungen zu machen und Probleme zu verursachen, und er hatte einige einsame Wölfe um sich geschart, um ein improvisiertes Rudel zu gründen. In der Hoffnung zurückzugewinnen, was er immer noch als sein Eigentum betrachtete. Es war so schlimm geworden, dass Charles mit dem Beta-Männchen nach Milwaukee gereist war und das Smith-Rudel um Hilfe gebeten hatte, ihrem viel kleineren Rudel Rückendeckung zu geben, etwas, das er wirklich nicht hatte tun wollen. Aber Charles war immer bereit gewesen, Opfer zu bringen, um sein Rudel zu beschützen; insbesondere, da zwei seiner adoptierten Enkelinnen noch unter achtzehn waren.
Betsey war zufällig an dem Wochenende da gewesen, an dem er sich auf den Weg zu diesem Treffen gemacht hatte, und ungefähr dreißig Minuten nach Charles’ Aufbruch waren seine älteste und seine mittlere Enkeltochter ohne ein Wort zu irgendjemandem zur Haustür hinausspaziert. Am nächsten Tag waren sie zurückgekehrt, mit blauen Flecken und blutverschmiert, und mit einem Hundewelpen, den sie auf der Straße gefunden hatten. Wortlos waren sie nach oben gegangen, hatten geduscht und den Rest des Tages damit verbracht, ihren neuen Welpen zu erziehen. Seltsamerweise hatten sie ihm den Namen Karris gegeben; erst viel später hatte sie herausgefunden, dass das eine Figur aus dem Film Der Exorzist war.
Im Alter von sechzehn und fünfzehn war es nicht ungewöhnlich, dass Kids, wenn ihre einzige Bezugsperson nicht zu Hause war, über Nacht verschwanden. Man konnte davon ausgehen, dass sie losgezogen waren, um mit ihren Freunden Bier zu trinken. Aber Betsey vermutete etwas anderes, und als sie herausgefunden hatte, dass ihr Ex-Alpha und sein kleines Wolfsrudel plötzlich verschwunden waren, war sie sich sicher. Niemand hatte eine Ahnung, wo sie sich aufhielten oder wann sie zurückkehren würden, doch Betsey wusste, dass sie niemals »zurückkehren« würden. Was immer Charlie und Max getan hatten, sie hatten dafür gesorgt, dass ihr Ex-Alpha nie wieder auftauchen würde, um ihrem Großvater Scherereien zu machen. Das Verschwinden dieses Mannes beunruhigte Betsey nicht so sehr wie der Mangel an Betroffenheit der Mädchen darüber. Sollten sie nicht Anzeichen einer posttraumatischen Belastungsstörung aufweisen oder Reue für das, was sie zu tun gezwungen gewesen waren? Aber nein. Stattdessen konzentrierten sie sich auf ihren entzückenden Welpen mit dem beunruhigenden Namen und lebten ihr Leben weiter, als wäre nichts geschehen. Was bewies, was Betsey wusste, seit die Mädchen das erste Mal im Rudelhaus aufgetaucht waren: Sie waren Killerinnen. Nicht einfach Raubtiere. Alle Gestaltwandler waren Raubtiere. Zumindest die beiden älteren waren jedoch Hardcore-Killerinnen. Gestaltwandler, die tun konnten, was getan werden musste, ohne deshalb schlaflose Nächte zu haben oder sich davon erholen zu müssen.
Deshalb machte Betsey sich fast in die Hose, als ausgerechnet Max ihr etwas ins Ohr flüsterte. Sie machte sich nicht wirklich in die Hose, aber viel fehlte nicht.
Was es noch schlimmer machte: Betsey war beim Lauschen erwischt worden, was sie gern tat, wenn sie nach Hause kam. Da man sie sowieso nie beachtete, war das ein Kinderspiel.
Max beugte sich ein wenig vor und schaute ins Wohnzimmer, das ein paar Stufen tiefer lag. Betsey wollte sich gerade davonstehlen, aber Max legte ihr eine Hand auf den Unterarm. Es wirkte unschuldig. Als suche sie lediglich Halt, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Doch Betsey wusste auch das besser. Wusste, dass die Dächsin sie nur festhielt, damit sie niemanden warnen konnte.
»Wenn wir jetzt versuchen, sie zu verjagen«, erklärte gerade das Betaweibchen dem neuen Alphaweibchen des Rudels in diesem tiefer liegenden Wohnzimmer, »wirst du definitiv ein Problem mit der Ältesten kriegen.«
»Das ist Charlie, richtig? Charles’ Enkelin.«
»Charles betrachtet sie alle drei als seine Enkelinnen.«
»Natürlich, natürlich. Das weiß ich.«
Das neue Alphaweibchen war nicht Charles’ Gefährtin. Seine Gefährtin hatte er vor langer Zeit verloren und sie nie ersetzt. Die Frauen brauchten trotzdem jemanden, der sie führte, und dieser Jemand war vor weniger als drei Monaten aus Ohio gekommen. Sie war erträglich, schien es Betsey, doch sie machte den gleichen Fehler wie alle anderen Alphaweibchen, die in den letzten Jahren zum Rudel gestoßen waren: Sie versuchte, die MacKilligan-Mädchen zu verjagen.
Nicht dass Betsey ihr einen Vorwurf gemacht hätte, aber trotzdem. Die drei waren nicht wie Betsey und ihre Hybriden-Freunde. Selbst halb Wolf und halb Schwarzbär, vertrieb sich Betsey die Zeit mit Fußbällen und mit für Pitbulls gedachtem, hartem Gummispielzeug; sie stellte sicher, dass all ihre Fleisch- und Gemüsemahlzeiten mit hochwertigem Honig getränkt waren, und wenn sie nicht aufpasste, neigte sie dazu, mit Krankenwagensirenen mitzuheulen. Normalerweise kein großes Problem …
Nur dass sie gerade ein Medizinstudium begonnen hatte und irgendwann als Assistenzärztin in einem Krankenhaus arbeiten würde. Mit Krankenwagen. Die Sirenen hatten.
Peinlich.
Aber die MacKilligan-Mädchen? Die waren einfach anders. Selbst die Mittlere, deren Eltern beide Honigdachse waren.
So wie jetzt. Statt wütend in den Raum zu funkeln, wie Charlie es getan hätte, stinksauer darüber, dass diese Weibchen sich hinter ihrem Rücken über sie unterhielten, sah Max Betsey mit diesem für sie so typischen gruseligen Grinsen an. Betsey wusste nie, wie sie dieses Lächeln deuten sollte. War es Freude? Wahn? Ein neurologischer Tick? Sie wusste es nicht. Sie wünschte sich nur sehr weit weg davon.
Das Gespräch im Wohnzimmer kam langsam an sein Ende, und Betsey hörte das Alphaweibchen den anderen Frauen sagen, sie sollten sich etwas zu essen holen. Charlie bereitete gerade Frühstück zu und es roch köstlich. Aber Betsey hatte nicht die Absicht, irgendwelche plötzlichen Bewegungen zu machen. Noch nicht.
»Komm rein, Max«, sagte das Alphaweibchen aus dem Nebenzimmer.
Immer noch lächelnd zwinkerte Max Betsey zu, bevor sie vor den großen Durchgang zum Wohnzimmer trat. Die Hände hinter dem Rücken verschränkt, einen in einem Sneaker steckenden Fuß auf dem anderen gestützt, stand sie auf der obersten Treppenstufe. Sie sah entzückend aus. Geradezu unschuldig. Doch wie gesagt … Betsey wusste es besser.
»Komm nur«, sagte das Alphaweibchen. Ihre Stimme klang freundlich. Und es war auch keine verlogene, sondern echte Freundlichkeit. Das hatte jedoch nicht wirklich etwas zu bedeuten. Betsey war einmal von einer Bibliothekarin verprügelt worden. Einer ein Meter neunzig großen Grizzlybärin, die sie versehentlich im Magazin erschreckt hatte. Also bedeutete »freundlich« für ihresgleichen nicht dasselbe wie für die Vollmenschen.
»Ich schätze, du hast es gehört, was, Max?«
»Ich habe ein wenig gehört. Ja.«
Außerstande, sich zu bremsen – Neugier war schließlich ihre Hauptschwäche, was sie ihren verdammten Bärengenen verdankte –, beugte Betsey sich vor, damit sie um die Ecke spähen konnte. Max stand jetzt vor dem imposanten Alphaweibchen. Mit ihren massigen Schultern, den schmalen Hüften und dem graubraunen Haar ragte sie vor der winzigen Dächsin auf.
»Du verstehst das doch, oder? Warum du nicht bleiben kannst? Ich schwöre dir, es ist nichts Persönliches. Wir müssen einfach unsere Jungen beschützen, und deine jüngere Schwester bringt mit ihren Stimmungsschwankungen, die sie in der letzten Zeit hat, unsere Jungen in Gefahr. Das verstehst du, nicht wahr?«
»Doch, das verstehe ich«, gab Max zurück … und lächelte immer noch.
Das Alphaweibchen beugte sich vor und tätschelte Max die Schulter. »Keine Sorge. Ich werde es Charlie selbst sagen. Und wir schicken euch nicht allein in die Welt hinaus, versprochen. Wir werden etwas für euch arrangieren. Etwas Sicheres. Okay?« Mit einem sanften, aufrichtigen Lächeln wandte sie sich zum Gehen, doch Max’ Stimme hielt sie auf.
»Oh, tut mir leid. Aber ich habe dir nicht die Erlaubnis gegeben, meiner großen Schwester zu sagen, dass unsere kleine Schwester ein zu großer Freak ist, um hier bei euren langweiligen, nichtsnutzigen, stabilen Jungen zu bleiben.« Max lächelte immer noch, und Betsey wusste, dass das kein gutes Zeichen war. Überhaupt kein gutes Zeichen. »Sie hat genug Stress, den will ich nicht noch vermehren. Und abgesehen davon, dass sie eure Jungen ab und zu anknurrt, stellt Stevie für keinen hier eine Bedrohung dar. Sie braucht lediglich manchmal Ruhe. Das Heulen geht ihr auf die Nerven, was nicht überraschend ist, wenn man versteht, dass sie sich fast sicher ist, wann die Welt enden wird – nämlich noch zu unseren Lebzeiten aufgrund des Klimawandels und eines Bündnisses von Diktatoren, die sich gegeneinanderwenden.«
Das Alphaweibchen wandte sich ihr wieder zu und versuchte, ruhig zu bleiben. »Ich kann nicht erkennen, wie das unser …«
»Meine Schwestern sind im Moment beide darauf angewiesen, hier zu sein. Es beruhigt sie. Es sorgt dafür, dass sie … ich will nicht sagen, dass sie ›glücklich‹ sind, da auf keine von ihnen zutrifft, was du glücklich nennen würdest. Aber sie sind auch nicht hysterisch, was großartig ist. Ich meine, Fakt ist, dass wir drei nicht mehr sehr lange hier sein werden. Ich rechne jetzt jeden Tag damit, dass Stevie einen Anruf von einer der großen Universitäten bekommt und eingeladen wird, in irgendeinem schicken Labor zu arbeiten, wo sie weitere akademische Abschlüsse machen und das Ende der Erde, so wie wir sie kennen, hoffentlich verhindern kann. Du musst einfach noch etwas länger warten.«
»Es tut mir leid, Max« – und das Alphaweibchen wirkte aufrichtig traurig –, »aber das wird für unser Rudel nicht gehen. Ich bin mir sicher, du und Charlie werdet das verstehen.«
Immer noch grinsend und mit einem süßen Lachen sagte Max: »Oh, du missverstehst mich schon wieder. Das hier ist keine Diskussion. Tatsächlich teile ich dir gerade mit, dass ich dich und dazu wahrscheinlich alles, was du auch nur ein bisschen liebst, töten werde, falls du eine oder beide meiner Schwestern aufregen solltest.«
Und sie lächelte immer noch.
Wie bei den meisten Wölfen, die bedroht werden, verschwand die Sanftheit des Alphaweibchens binnen eines Wimpernschlags, und an ihre Stelle trat harter, animalischer Zorn. »Was zum Teufel hast du gerade zu mir gesagt?«
»Ich weiß, dass ich mich klar und präzise ausgedrückt habe. Denn ich muss nicht um den heißen Brei herumreden. Verstehst du, ich bin ausgebildet. Ausgebildet, um zu töten. Nicht zu verstümmeln. Nicht zu schaden. Nicht, um jemanden hinreichend kampfunfähig zu machen, damit ich Zeit habe zu fliehen. Sondern um zu töten. Und ganz ehrlich … Ich bin wirklich verdammt gut darin. Das muss ich auch sein, denn es ist meine und Charlies Aufgabe, Stevie zu beschützen. Auf sie wartet ein schweres Stück Arbeit. Sie muss die Welt retten, und das kann sie nicht, wenn sie für einen peruanischen Drogenboss Meth herstellt. Und Charlie …« Max stieß einen langen Seufzer aus, bevor ihr Lächeln zurückkehrte. »Sie trägt die Last der Welt auf ihren Schultern. Alles, was sie interessiert, ist zu verhindern, dass Stevie von der Regierung oder von Drogenbossen – oder für wen auch immer mein Vater sie zu verkaufen versucht – gefangen genommen und ausgenutzt wird. Sie hat in ihrem jungen Leben schon so viel Stress gehabt, dass es mich wirklich wundert, dass sie noch kein Magengeschwür hat. Also haben wir trainiert, Charlie und ich. Um unsere Schwester zu beschützen – unsere Familie. Weil wir drei zusammen mit unserem Großvater alles sind, was wir haben. Darum konnten wir natürlich auch nicht zum Militär gehen. Das Training dort ist großartig, aber ein wenig zu begrenzt und restriktiv für unsere Bedürfnisse. Und wenn ich jeden Tag um fünf Uhr morgens aufstehe und irgendein Blödmann mich anbrüllt? Ja genau. Das würde nicht lange gut gehen. Also hat unser Nachbar ein paar Farmen von hier entfernt, ehemaliger Marine, ehemaliger Navy Seal und Teilnehmer an Sonderkommandos, uns alles beigebracht, was er weiß. Wir mussten uns nur um seine Katzen kümmern, während er mal wieder für einen seiner Söldnerjobs unterwegs war. Und ich hasse Katzen. Aber ich habe es getan.« Sie trat näher an das Alphaweibchen heran, und gemessen am Gesichtsausdruck der Gestaltwandler-Wölfin verstand sie endlich, womit sie es wirklich zu tun hatte. Nicht mit irgendwelchen armen Mädchen, die niemanden hatten, der für sie sorgte. Nein, sie hatte es mit etwas anderem zu tun. Mit etwas Brutalem und Ungezähmten, ohne Gefühl für irgendjemanden, der nicht zur »Familie« gezählt wurde.
»Also, lass mich klarstellen, dass ich, wenn ich sage, ich würde dich töten … es ernst meine.« Ihr Grinsen wurde breiter. »Ich würde dich töten und unter die Erde bringen, bevor die Sonne aufgeht. Als hättest du nie existiert«, fügte sie mit einem Lachen hinzu. »Also, ganz genau. Du wirst uns hierbleiben lassen. Du wirst Charlie nicht behelligen. Du wirst definitiv nichts zu Stevie sagen. Und wenn du meiner kleinen Schwester gegenüber auch nur andeutest, sie sei in irgendeiner Weise labil oder psychisch krank, werde ich dir bei lebendigem Leib die Gliedmaßen abreißen. Und falls du dir Sorgen machst, denn es wirkt so, als würdest du dir Sorgen machen – du bist offensichtlich eine sehr fürsorgliche Person –, ich würde darüber weder eine Minute Schlaf verlieren noch eine posttraumatische Belastungsstörung davontragen. Deine Schreie würden mir nichts bedeuten, denn es wäre mir scheißegal. Warum? Weil ich eine Fotze bin. Ich bin eine rasende, tobende Fotze. Zumindest hat mein letzter Freund mich so beschrieben, als die Rettungssanitäter ihn in den Krankenwagen geschoben haben.« Sie klatschte in die Hände. »Also, wir verstehen uns, nicht wahr? Wir brauchen dieses Gespräch nie wieder zu führen?«
Ohne Max in die Augen zu sehen, schüttelte das Alphaweibchen den Kopf. »Nein. Wir werden nicht noch einmal darüber sprechen müssen.«
Max stieß einen erleichterten Seufzer aus. »Das ist großartig. Wirklich. Aber keine Sorge. Ich verspreche dir, in ein oder zwei Monaten verschwinden wir von hier. Sobald wir von einer der vielen Universitäten gehört haben, die versuchen, Stevie für ihren Campus zu gewinnen, aber definitiv erst, wenn ich mit der Schule fertig bin, da es Charlies persönliches Ziel ist, dass ich die Highschool abschließe. Du glaubst nicht, um was sie sich alles Sorgen macht!«
Betsey stolperte hastig zurück zu ihrem Platz an der Wand. Sie hörte nicht, dass Max sich bewegte, aber ihr Duft wurde stärker, als sie sich der Treppe näherte, die in den Flur führte.
Max kam die Treppe herauf, trat in den Flur und ging in Richtung Küche. Direkt bei Betsey blieb sie jedoch stehen. Langsam drehte Max den Kopf in Betseys Richtung, dann legte sie sich einen Zeigefinger an die Lippen. »Pssst«, sagte sie, wie sie es schon beim ersten Mal getan hatte, als Betsey sie kennengelernt hatte.
»Max!«, blaffte Charlie, die jetzt den Flur entlang auf sie zukam. »Wenn du noch etwas essen willst, siehst du besser zu, dass du in die Küche kommst. Deine gefräßige Horde verschlingt gerade alles, was ich gekocht habe.«
»Sprichst du von meiner Basketballmannschaft?«
»Wie immer du sie nennen willst«, antwortete Charlie über ihre Schulter, während sie zur Haupttreppe ins erste Stockwerk marschierte.
Lächelnd ging Max weiter, und Betsey konnte nur noch auf den Boden sinken, wo sie das Kinn auf die angewinkelten Knie bettete und blind auf die Wand vor sich starrte.
Einige Minuten später kam ihre Mutter zu ihr. »Schätzchen? Ist alles okay mit dir?«
»Ja«, log sie. »Alles bestens.« Sie befeuchtete sich die Lippen und fügte hinzu: »Aber an deinem nächsten Geburtstag kommst du nach Chicago, um mich zu besuchen.«
Max MacKilligan sah es ausnahmsweise einmal nicht kommen. Aber wie hätte sie das auch, wo sie derart auf den weißen Kidnapper-Van und ihr Eishörnchen konzentriert war? Erst als ihre psychotische Cousine sie von hinten packte und sie in die Gasse zerrte, wurde ihr klar, dass das Miststück hinter ihr gestanden haben musste.
Max, die zu Boden geschleudert wurde und deren Eishörnchen irgendwohin fiel, hatte nicht einmal Zeit, die Arme zu heben, um ihr Gesicht zu schützen, bevor wieder und wieder auf sie eingeschlagen wurde. Zuerst mit der Faust und dann …? Mit einer Brechstange?
Herrgott noch mal! Was war los mit dieser Frau? Warum hasste ihre Cousine sie dermaßen? Das hier war das zweite Mal, dass sie versuchte, Max zu töten. Das zweite Mal, dass sie es speziell auf Max abgesehen hatte. Sie hatte nicht einmal jemanden geschickt, der das für sie erledigte, sondern war selbst gekommen. Warum nur? Max kannte Mairi MacKilligan nicht einmal persönlich. Sie gehörte zur schottischen Seite ihrer Familie, und selbst die amerikanische Seite erkannte Max und ihre beiden Schwestern kaum als Familienmitglieder an. Bis vor Kurzem hatten die Schotten ihnen nicht die leiseste Beachtung geschenkt.
Vielleicht war das hier ein Hassverbrechen. Vielleicht hasste Mairi einfach Asiaten. Max war Halbchinesin. Ehrlich, sie wusste es wirklich nicht. Für gewöhnlich mussten die Leute Max MacKilligan erst kennenlernen, bevor sie anfingen, sie zu hassen.
Dann schrie Mairi jedoch auf, und Max schaute gerade noch rechtzeitig hoch, um zu sehen, wie ihrer Cousine mehrfach mit einem Gewehr in die Brust und den Bauch geschossen wurde. Sie beglückwünschte sich zu ihrer weisen Entscheidung, das hier nicht allein zu machen, rappelte sich hoch und ignorierte den Schmerz in ihrem Gesicht und an ihrem Schädel, wo ihre Cousine mit dem verdammten Brecheisen auf sie eingeprügelt hatte.
Natürlich war das Einschlagen einer Cousine auf die andere ziemlich sinnlos. Denn Mairi und Max waren Honigdachse. Schüsse in die Brust und den Bauch …? Das reichte nicht aus, um ihresgleichen zu töten. Ein Brecheisen über den Kopf ziehen? Fehlanzeige. Das würde jemanden von ihrer Art ebenfalls nicht töten. Es erforderte viel mehr als das, um einer MacKilligan tatsächlich ernsthaften Schaden zuzufügen.
Doch Max hatte hier eine Mission, also kroch sie zielstrebig über ihre Cousine hinweg, rannte quer über die belebte Leidener Straße und sprang direkt in den schlichten weißen Van mit den Männern, die dazu angeheuert worden waren, sie selbst zu entführen.
Im Wagen angekommen sah Max die Männer in der Erwartung an, dass sie in Bezug auf ihre Aufgabe eine gewisse Dringlichkeit empfanden. Aber sie starrten bloß. Wie Idioten. Was taten sie da? Hatten sie denn nicht eine Entführung durchzuziehen?
Sie wartete noch ein paar Sekunden, bis sie ihre Cousine sah, die aus ihren Schusswunden blutend aus der Gasse gestolpert kam. Max hatte keine Zeit, darauf zu warten, dass diese Männer ihren Scheiß auf die Reihe kriegten. »Los!«, befahl sie ihnen und zog sich die schwarze Kapuze über den Kopf. »Los! Los! Los!«
Mairi MacKilligan stand an der Ecke und sah dem davonschießenden weißen Van hinterher. Leute rannten auf sie zu, redeten in irgendeiner verdammten Sprache, die sie nicht verstand, auf sie ein und versuchten, ihr zu helfen. Als hätte sie für so etwas Zeit. Sie war nicht wie diese Leute. Langweilige, nichtsnutzige Vollmenschen. Schon mit der kleinsten Kugel in den Körper leicht zu zerstören. Also, nein. Mairi brauchte keinen Krankenwagen, und sie brauchte auch weiß Gott die bescheuerten Bullen nicht.
Daher wandte sie sich von all diesen panischen Menschen ab und ging die Straße entlang zu ihrem Auto. Ihr Handy vibrierte, und sie blieb lange genug stehen, um den Anruf entgegenzunehmen.
»Was?«, fragte sie scharf, während sie die Hände der die Menschen wegschlug, die immer noch versuchten, ihr zu helfen.
»Die Bosse wollen, dass du zurückkommst«, befahl eine Männerstimme. »Unsere Leute werden dich an der Landebahn abholen.«
Dann war die Leitung tot. Sie hatten nicht einmal eine Uhrzeit genannt! Idioten!
»Scheiße, Scheiße, Scheiße!«, brüllte sie, als sie begriff, dass sie sofort nach Rom zurückmusste. Sie musste diesen verdammten Landestreifen erreichen, bevor ihre Zwillingstanten Männer engagierten, die nach ihr suchten. Mairi sollte eigentlich gar nicht hier sein. Dass sie ihrer Cousine nachstellte, war nicht vorgesehen.
Aber sie hasste dieses Miststück von ganzem Herzen, und nichts würde sie zufriedener machen mit dem Leben und der Welt im Allgemeinen, als wenn die kleine Fotze tot wäre.
Jemand zog ihr die schwarze Kapuze herunter und er sah die Frau zum ersten Mal.
Das war sie? Dieses winzige Mädchen mit violettem Haar und ein paar Blutergüssen im Gesicht? Sie war der Grund, warum eine ganze Einheit Ex-Soldaten engagiert worden war, um sie auf einer niederländischen Straße zu schnappen?
Er verstand nicht, warum sie hier waren. Warum sie dieses Mädchen in ihre Gewalt gebracht hatten. Vor allem da ihre Aufgabe normalerweise darin bestanden, auf Geheiß eiskalter Warlords ganze Dörfer dem Erdboden gleichzumachen. Aber der Mann, der sie engagiert hatte, wollte die junge Frau, und zwar lebend, obwohl es ihn nicht zu scheren schien, wie sie in der Zwischenzeit behandelt wurde. Also wirklich seltsam. Normalerweise hatten Leute, die diese Art von Befehlen gaben, sehr konkrete Anweisungen – ob sie das Opfer wie eine Prinzessin behandeln oder wegen irgendeiner schäbigen Racheaktion möglichst grob mit ihr umgehen sollten –, aber dieser Mann hatte sich sehr vage ausgedrückt. Das einzig Konkrete, das er gesagt hatte? Dass sie ihr nicht trauen durften. Dass sie Handschellen benutzen und sicherstellen sollten, dass sie stramm saßen. Und dass sie sie nicht »von der Leine« lassen sollten. Normalerweise waren Entführungsopfer so eingeschüchtert und panisch, dass man ihnen die Fesseln nach einigen Tagen abnehmen konnte. Sie versuchten nie, zu fliehen, gingen immer davon aus, dass ihre reichen Familien das geforderte Lösegeld bezahlen würden.
Doch dieses Mädchen … sie war buchstäblich ein Niemand.
Er hockte sich vor sie und strich ihr das Haar aus dem Gesicht und dunkelbraune Augen musterten ihn. Er sah jedoch keine Panik in diesen Augen. Sah keine Furcht; trotz der Tatsache, dass die Entführer alle schwarze Sturmhauben trugen, um ihre Gesichter zu verdecken.
Sie musterte die Gruppe mit einem sorglosen Blick, studierte sie geradezu. Patowski, der hinter ihm stand, sagte: »Wenn ich an deiner Stelle wäre, Kleine, würde ich einfach ruhig bleiben und abwarten, bis das hier vorbei ist. Wenn du uns keine Scherereien machst, wird dir nichts passieren.«
Einer der Männer schaltete weitere Lichter in dem privaten Flughangar an, und Zé betrachtete die Blutergüsse auf ihrem Gesicht. Das Blut, das von ihrer aufgeplatzten Lippe an ihrem geschwollenen Kinn heruntertropfte.
Zorn stieg in ihm auf. Ein Zorn, für den er in seiner Zeit als U. S. Marine berühmt gewesen war. Sein Zorn und, wie ein Marine-Kamerad es ausgedrückt hatte, »deine Wut über die bloße Anwesenheit der meisten menschlichen Wesen« hatten ihm einige Spitznamen eingetragen, die ihn mehr hätten kränken sollen, als es der Fall war. »Graf Unfroh« war sein persönlicher Favorit, und »Oberst Hummeln-im-Hintern« war ein weiterer, der ihm beinahe ein Lächeln entlockte. Aber der Spitzname, den seine ehemaligen Teamkameraden am häufigsten benutzt hatten, war »Hauptmann Destructo«.
Angesichts des Gesichts dieses Mädchens fühlte er sich sehr Hauptmann-Destructo-mäßig. In der Annahme, dass er wusste, wer das getan hatte, stand er auf und versetzte dem jungen Anderson einen Stoß. Obwohl Anderson ehrenhaft aus der Marine entlassen worden war, spürte Zé, dass das eine ziemlich knappe Sache gewesen sein musste. Er war sich sicher, dass der Junge hatte bleiben, die Marines ihn jedoch hatten loswerden wollen. Und wenn er sah, wie sehr der Junge es genoss, anderen wehzutun, war Zé nicht direkt überrascht. Warum Anderson vom Anführer des Teams für diesen Job ausgewählt worden war, würde Zé nie verstehen, aber er war mit niemandem dicke genug, um es in Erfahrung zu bringen. Vielleicht lag es einfach daran, dass der Junge alles tun würde, was man ihm befahl. Anderson war, was seinen moralischen Kompass anging, nicht unbedingt sattelfest.
Zé knurrte den Jungen an. »Was hast du mit ihr gemacht?«
Andersons Augen weiteten sich und er schüttelte den Kopf. »Gar nichts.«
»Lüg mich nicht an. Was hast du getan?«
»Nichts. In der einen Sekunde ist sie in einer Gasse verschwunden und im nächsten Moment ist sie in den Wagen gestürmt.«
Zé runzelte verwirrt die Stirn. »Sie hat was getan?«
»Ich sage dir nur, was passiert ist.«
»Er war es wirklich nicht«, verkündete eine Frauenstimme, und alle schauten zu ihr nach unten. Seit ihr die Kapuze vom Kopf gezogen worden war, hatte sie geknebelt und die Arme hinterm Rücken gefesselt auf ihrem Stuhl gesessen. Jetzt lagen die Handschellen und der Knebel neben ihr und sie kratzte sich mit ihren freien Händen kurz am Kopf.
Dann zeigte sie auf ihr Gesicht und fügte hinzu: »Das hier verdanke ich meiner Cousine. Ich schätze, sie ist mir hierher in die Niederlande gefolgt. Die Frau ist von mir besessen.«
Sie öffnete ihren anschwellenden Mund ein wenig weiter, zuckte aber sofort vor Schmerz zusammen und befühlte ihr Kinn.
»Es ist nicht so, als sei ich dafür verantwortlich, dass sie all die Jahre im Gefängnis gesessen hat«, murmelte sie. »Warum hat sie es auf mich abgesehen?«
»Hol mir einen Eisbeutel«, befahl Zé Anderson, bevor er vor ihr in die Hocke ging.
Sie sah ihn mit einer hochgezogenen Braue an. »Versuchst du etwa, mir ein Gefühl von Sicherheit zu geben, Grünauge?«
»Nicht unbedingt, nein.«
Sie lachte, hörte dann aber abrupt damit auf, runzelte die Stirn und beugte sich aus dem gottverdammten Nichts zu ihm vor und drückte die Nase an seinen Hals. Und Zé konnte sich irren, aber ihm war, als würde sie … ihn beschnuppern?
Zé erstarrte und fragte sich, was zur Hölle eigentlich los war. In weniger als fünf Sekunden war es vorbei, aber in dieser kurzen Zeit hatte die winzige Frau es geschafft, ihn vollkommen aus dem Gleichgewicht zu bringen. Und es half nicht, dass sie, als sie sich wieder zurücklehnte, fragte: »Was machst du hier?«
Er hatte keine Ahnung, was das bedeutete, doch es spielte auch keine Rolle. Die anderen Männer hörten es und sofort richtete sich alle Aufmerksamkeit auf ihn.
Verwirrt gestand Zé: »Ich weiß nicht, wovon du sprichst.«
»Aber du musst wissen, wovon ich spreche. Was machst du hier« – ihr Blick wanderte für einen Moment von einem Mann zum nächsten – »bei denen?«
Herrgott, diese Idiotin würde es noch fertigbringen, dass man sie beide tötete.
Zé versuchte es noch einmal. »Lady, ich kenne dich nicht.«
»Nein. Aber ich kann dich riechen. Und natürlich kennst du mich nicht … aber du erkennst mich.«
Zé, der jetzt bloß noch verärgert war, blaffte: »Scheiße, was soll das heißen?«
»Du weißt ganz genau, was es heißt.« Sie runzelte verwirrt die Stirn und legte den Kopf schräg. »Oh, mein Gott«, sagte sie leise, und ihre Augen weiteten sich, »Du weißt es wirklich nicht.«
»Was weiß ich nicht?«
Zé spürte, wie sich die Mündung einer halb automatischen Pistole in seinen Nacken drückte.
»Ja genau«, knurrte Patowski, »was weiß er nicht?«
»Er weiß nicht, was er ist, und ich würde das an deiner Stelle nicht tun.«
»Was er ist?«
»Genau.« Sie nickte lächelnd. »Er ist eine Katze.«
Was seltsam genug war, aber um diese Bemerkung zu illustrieren, hob sie im nächsten Moment die Hände, krümmte die Finger, als seien sie Krallen, und gab einen Laut von sich, den man nur als Fauchen bezeichnen konnte.
Einen Moment vorher hatte sich der Lauf der Waffe noch fest in seinen Nacken gedrückt, jetzt verringerte sich der Druck jedoch ein wenig und Patowski fragte: »Was?«
»Du weißt schon. Kätzchen. Er ist ein Miezekätzchen.« Sie zuckte die Achseln. »Nun, tatsächlich ist er eine Dschungelkatze, denke ich. Katzen sind definitiv nicht mein Spezialgebiet, aber er ist kein Löwe oder Tiger. Mit deren Geruch bin ich bestens vertraut.«
Die Waffe verschwand aus seinem Nacken und Zé stand auf.
»O Mann«, seufzte Patowski und zog sich die Sturmhaube vom Kopf, womit er sein Gesicht entblößte. Eine Entscheidung, die nichts Gutes für diese Frau verhieß. Und als alle anderen das Gleiche taten …
Oh, oh.
Aber Zé verstand die Reaktion der Männer, denn diese Frau war offensichtlich wahnsinnig. Er musste sie retten, doch sie war wahnsinnig, was seinen Job umso schwerer machen würde. Er hatte gedacht, er würde es mit einem zu Tode erschrockenen, reichen Mädchen zu tun bekommen, das er herumkommandieren konnte, wie er es brauchte, während er sie hier herausholte und gleichzeitig Patowskis Operation hochgehen ließ. Das war sein aktueller Auftrag. Er wusste aus eigener Erfahrung, dass es nicht leicht war, das militärische Leben hinter sich zu lassen. Das Leben als Zivilist hielt viele Herausforderungen bereit und bot nichts von der Kameradschaft, an die die meisten dieser Männer gewöhnt waren. Aber die Gesetze des Landes einfach zu vergessen, damit man ein paar Dollar verdienen konnte, indem man entführte, mordete oder so ziemlich alles andere tat, das jemand mit genug Geld von einem verlangte, war Zés Einschätzung nach eine beschissene Lebensentscheidung.
Als ehemaliger Marine wusste Zé, dass man bessere Entscheidungen treffen konnte. Er hatte sie getroffen – warum konnten diese Männer nicht das Gleiche tun?
Aber diese Art von Mission war erheblich einfacher, wenn das Opfer, das man zu retten versuchte, ein wenig … fügsamer war. Diese winzige Frau war möglicherweise zu verrückt, um fügsam zu sein.
Zé zog sich die eigene Sturmhaube vom Kopf und schaute sie an. Und sie lächelte zurück. Es war ein breites, atemberaubendes Lächeln, das in der gegenwärtigen Situation absolut keinen Sinn ergab.
»Legen wir ihr die Fesseln wieder an«, schlug Patowski Zé leise vor, der das jedoch nicht zu tun beabsichtigte. Aber er bekam gar keine Gelegenheit, überhaupt etwas zu tun.
Sie knibbelte an ihrem Daumen und bemerkte: »Das wird nicht passieren.«
Patowski, der für seinen kurzen Geduldsfaden bekannt war, funkelte sie an. »Wie bitte?«
Zé hob schnell die Hand in der Hoffnung, den Zorn des Mannes besänftigen zu können, dann hockte er sich wieder vor sie. »Hör mal …«
Sie legte den Zeigefinger auf die Lippen. »Pssst.«
Zé hasste es, wenn Leute »Pst« zu ihm sagten, und fragte verärgert: »Warum sollte ich?«
»Weil wir beide wissen, dass du nicht hierhergehörst. Zuerst dachte ich: ›Warum hängt dieser Typ mit einem Haufen Vollmenschen rum?‹« Sie streckte die Zunge heraus und gab einen angewiderten Laut von sich. »Nichts für ungut …«, sagte sie zu den anderen Männern, bevor sie erneut die Zunge herausstreckte und den angewiderten Laut wiederholte. »Aber dann ist mir klar geworden, dass du überhaupt nicht zu ihnen gehörst.« Ihr Lächeln wurde breiter. »Du bist ein Maulwurf.«
Die Männer starrten ihn alle an, und obwohl sie vollkommen recht hatte, musste er diese Idioten trotzdem fragen: »Nehmt ihr das Mädchen, das mich für eine Katze hält, wirklich ernst? Wirklich?«
Sie wechselten verwirrte Blicke.
»Hört mal, Leute«, sagte sie und lächelte sie an. »Ich bin nur aus einem einzigen Grund hier. Ihr müsst mir sagen, wo Devon Martin ist.«
Zé sah Patowski an. »Unser Wohltäter«, antwortete Patowski.
»Ja. Euer Wohltäter, aber meine Nervensäge. Er hetzt ständig Leute auf mich, und das muss aufhören. Ich habe im Moment einfach zu viel am Laufen.« Sie zählte die einzelnen Punkte an den Fingern ab. »Ich muss mich um meine Schwestern kümmern, um die verrückte Cousine, die mein Gesicht bearbeitet hat, die Zwillingstanten, die versucht haben, meine Onkel in ihrem Flugzeug in die Luft zu sprengen, weshalb meine Onkel bei uns eingezogen sind, und das muss ich wirklich in Ordnung bringen.«
»Deine in die Luft gesprengten Onkel wohnen bei dir?«, hakte Zé nach.
»Natürlich tun sie das. Sie wollen nicht nach Schottland zurück, bis sie herausgefunden haben, was eigentlich los ist, aber … eine Bombe in einem Flugzeug? Wessen schlaue Idee war das denn? Jeder weiß, dass man Honigdachse nicht töten kann, indem man einfach das Flugzeug in die Luft sprengt, in dem sie sich befinden«, sagte sie verächtlich.
»Deine Onkel sind Honigdachse?«
»Na ja, genau wie ich.«
»Ja klar, natürlich.« Zé seufzte.
»Okay, wir sind fertig«, sagte Patowski, und Zé wusste, dass er es ernst meinte. Doch bevor er auch nur einen Finger rühren konnte, gab Patowski Anderson ein Zeichen, und Anderson schlug der Frau mit dem Griff seiner Pistole gegen die Schläfe. Es war ein unnötig fester Schlag. Sie hätte sofort umfallen sollen. Tat sie aber nicht.
»Au!«, jammerte sie. Dann revanchierte sie sich bei Anderson, indem sie ihm in die Eier boxte.
Brüllend vor Schmerz und Zorn krümmte er sich. Dann legte er ihr eine Hand um die Kehle und machte sich daran, das Leben aus ihr herauszupressen.
Um Luft ringend und mit wild fuchtelnden Armen richtete sie ihren Blick auf Zé.
»Lass sie los!«, schrie Zé Anderson an. Als der Junge nicht gehorchte, schoss Zé hoch und drehte sich zu Patowski um. »Sofort! Er soll sie loslassen!«
»Sie hat recht, was dich betrifft«, vermutete Patowski und musterte den ihm größenmäßig überlegenen Mann von Kopf bis Fuß, »nicht wahr?«
Statt Anderson daran zu hindern, die Frau umzubringen, gingen die anderen Männer langsam auf Zé zu, doch dann erstarrten sie.
Als sie ihr Lachen hörten.
Zé schaute nach unten. Sie saß nicht länger auf dem Stuhl, sondern lag jetzt auf dem Boden, auf dem Rücken, mit Andersons Hand um ihre Kehle. Sie hatte allerdings keine Mühe mehr zu atmen. Sie lachte.
Frustriert und knurrend drückte Anderson noch fester zu und sie lachte bloß umso lauter.
Dann sah Zé es. Es war lediglich ein Aufblitzen. Nur ein Moment. Aber für eine flüchtige Sekunde bewegte sie den Kopf, sodass das grelle Licht auf ihre Augen traf – und sie veränderten sich, wurden glasklar und reflektierten das Licht. Wie die Augen eines Hundes, der unter einer Straßenlaterne stand.
»Scheiße«, war alles, was er herausbrachte, bevor das Messer, das sie unter ihrem langärmeligen Shirt versteckt hatte, aufblitzte. Sie packte es am Griff und rammte es Anderson in den Hals, wo es direkt auf eine Arterie traf.
Zitternd und kreischend pinkelte Anderson sich in die Hose, ließ die Frau los, taumelte rückwärts und versuchte, mit beiden Händen das aus der Wunde spritzende Blut zurückzuhalten.
Sie stand auf, den Blick immer noch fest auf Zé gerichtet. Ein anderer Mann aus dem Team wollte sie packen, aber ohne den Blick von Zé abzuwenden, hob sie ihre Klinge und schlitzte dem Mann von Ohr zu Ohr die Kehle auf.
Dann begriff er es plötzlich. Das hier war nicht irgendein verrücktes Mädchen, das zufällig ein Messer in die verzweifelten Finger bekommen hatte. Das hier … das hier war eine gut ausgebildete Killerin. Und diese gut ausgebildete Killerin sah ihn an, legte den blutverschmierten Zeigefinger auf die Lippen und sagte: »Pssst.«
Es war alles so einfach gewesen. Oder zumindest hatte sie das gedacht.
Sich von Devons Männern entführen und von ihnen zu einem anderen Ort bringen lassen – riskant, aber in diesem speziellen Fall notwendig –, Devon treffen oder, wenn er nicht bei den Söldnern war, herausfinden, wo er sich aufhielt, Devon aufspüren, Devon töten.
Das war wirklich kein komplizierter Plan. Und sie hätte im Nu wieder zu Hause sein sollen, ohne dass ihre ältere Schwester das Geringste davon mitbekam.
Aber die Katze … Die Katze hatte sie aus dem Konzept gebracht. Sie hatte nicht damit gerechnet, unter all diesen beschissenen Vollmenschen auf einen Gestaltwandler zu treffen. Dann war er, noch verwirrender, offensichtlich aus irgendeinem anderen Grund hier gewesen. Nicht nur, um schnelles Geld zu verdienen, und scheißegal, wer dabei getötet wurde.
Als ihr klar geworden war, dass sich in der Gruppe ein Gestaltwandler befand, hatte sie ihn eigentlich rasch aus dem Weg schaffen wollen. Im Gegensatz zu den Vollmenschen wusste eine Katze, wie sie ihresgleichen blitzschnell unschädlich machte, bevor Max etwas unternehmen konnte. Aber seine Reaktionen? Seine Verwirrung? Er glaubte ernsthaft, dass sie an Wahnvorstellungen litt.
Dann begriff sie es endlich: Er wollte ihr tatsächlich helfen.
Normalerweise war Max keine Katzenperson. Egal ob Raub- oder Hauskatze, sie war kein Fan von ihnen. Doch der Typ versuchte, ihr zu helfen. Er gehörte nicht zu diesen Vollmenschen: Ex-Soldaten, die sich nach einem Leben voller guter Taten und heroisch überstandenen Gefahren dem brutalen Söldnerleben und dem Morden um des Profits willens zugewandt hatten. Aber die Katze – die war hier, um sie aufzuhalten.
Woher wusste sie das? Er hatte diesen Blick. Ihre Mutter nannte es den »Blick eines guten Kerls«.
»Nach denen musst du die Augen aufhalten, Schätzchen. Nach diesen guten Kerlen«, hatte sie immer zu ihrer achtjährigen Max gesagt. »Hör auf dein Bauchgefühl, es wird dir verraten, wen du vor dir hast; schau ihnen einfach in die Augen. Du wirst es in ihren Augen sehen und in der Lage sein, sie aus einer Meile Entfernung zu erkennen. Das sind die Typen, die dem, was du dir nehmen willst, in die Quere kommen. Erlaub ihnen das nicht.«
Und die Katze hier hatte diesen Blick. Aber was Max an dem Typen wirklich beunruhigte, war die Tatsache, dass er nicht wusste, was er war. Genau wie ihre Zwillingstanten jahrzehntelang nicht gewusst hatten, dass sie Honigdachse waren, wusste er nicht, dass er eine Dschungelkatze war, und das brachte ihn unter diesen Killern mächtig ins Hintertreffen. Wenn er nicht wusste, was er war, wusste er auch nicht, welche Macht er hatte. Er wusste nicht, wozu er imstande war. Er wusste nicht, dass er Reißzähne und Krallen ausfahren und diese nichtsnutzigen Vollmenschen in Stücke reißen konnte. Er wusste nichts von alledem, was bedeutete, dass Max ihn beschützen musste.