Provokative Denkanstöße für eine Rede von Gott, die in das 21. Jahrhundert passt.
Das Reden von Gott ist problematisch geworden. Alte Gottesbilder tragen nicht mehr und viele Menschen wenden sich vom Christentum ab. Dem setzt dieses Buch Neues entgegen. Auf der Grundlage der integralen Theorie von Ken Wilber u. a. sowie des Buches »Gott 9.0. Wohin unsere Gesellschaft spirituell wachsen wird« beschreibt Tilmann Haberer die zentralen Inhalte und Begriffe der christlichen Theologie wie Gott, Christus, Mensch, Sünde, Erlösung, Auferstehung so, dass sie auch den Menschen des 21. Jahrhunderts etwas zu sagen haben.
Tilmann Haberer, geboren 1955, evangelischer Pfarrer, Gestaltseelsorger und systemischer Berater. Nach langjähriger Tätigkeit als Gemeindepfarrer in einer Münchner Citykirche sieben Jahre lang freiberuflicher Seelsorger, Journalist, Übersetzer und Autor. Von 2006 bis 2021 evangelischer Leiter der ökumenischen Krisen- und Lebensberatungsstelle »Münchner Insel«.
Tilmann Haberer
VON DER
Anmut
DER WELT
Entwurf einer integralen Theologie
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Copyright © 2021 Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh,
in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,
Neumarkter Str. 28, 81673 München
Umsetzung eBook: Greiner & Reichel, Köln
Umschlagmotiv: © Francesco83 – shutterstock.com
ISBN 978-3-641-27337-8
V001
www.gtvh.de
Manchmal ist mir,
also hörte ich Gott leise und vergnügt lachen
angesichts meiner tapsigen Versuche,
Gott zu beschreiben.
Inhalt
Vorwort
Einleitung: Warum und für wen ich dieses Buch schreibe
Kapitel 1: Theologie, ein unmögliches Geschäft – wie können wir überhaupt von Gott reden?
Was ist Gott?
Entwickelt sich Gott? oder: Immer weitere Bewusstseinsräume
Gott 1.0 – BEIGE
Gott 2.0 – PURPUR
Gott 3.0 – ROT
Gott 4.0 – BLAU
Gott 5.0 – ORANGE
Gott 6.0 – GRÜN
Die zweite Etage
Gott 7.0 – GELB
Gott 8.0 – TÜRKIS
Gott 9.0 – KORALLE
Vier Perspektiven auf die Wirklichkeit
Woher wissen wir von Gott?
Das Konzert der Religionen
Kapitel 2: Von Gott und der Welt
Schöpfung 7.0 – die Evolution Gottes, Quantenmechanik und schwarze Löcher
Mehr als alles
Gott wird Fleisch
Alles ist (fast) nichts
Meine persönliche Schöpfungsgeschichte
Dreins – Gott als Schöpfer, Gott als Schöpfung, Gott als Kommunikation
Die ewige Wahrheit …
… ist konkret
Der Atem Gottes
Die Rede des toten Christus und die Mündigkeit der erwachsenen Kinder Gottes
Ist Gott gerecht?
Kapitel 3: Jesus Christus
Der Mann aus Nazareth
Der große Unbekannte
Noch einmal: Der Mann aus Nazareth
Die historische Frage
Christus, der Sohn Gottes
Mensch oder Gott?
Die Göttlichkeit des Menschen Jesus
Paulus, der Mystiker
Der leidende Gott
Kapitel 4: Sich selbst ein Rätsel – der Mensch
Das sprechende Säugetier
Gottes Ebenbild
Inkarnation – Gott wird Welt
Theosis – der Mensch wird Gott
Ich bin
Unbewusst bewusst
… und wenn ja, wie viele?
Bin ich wirklich?
Macht das Gehirn die Seele?
Wie es sich anfühlt
Oben links
Kein Ich, nirgends …
Panpsychismus
Kapitel 5: Sünde und Erlösung – ein kosmisches Drama in mehreren Akten
Betriebssystem und Arbeitsprogramme
1. Akt: Geschaffen als Gottes Ebenbild
2. Akt: Der »Sündenfall«
3. Akt: Die Erlösung
Das kosmische Drama reloaded: Sünde 7.0
Geboren in die Zweiheit
Liebe oder Angst
Ziel verfehlt
Erlösung – wovon eigentlich?
Schlafes Bruder
Die endlose Wiederkehr
Reinkarnation in der Bibel?
Auferstehung der Toten
Ein neues Bild: Rückkehr ins Große Ganze
Erlösung 7.0
Eine anmutige Freundin
Ochs und Esel
Die Liebe
Kapitel 6: Das Letzte und das Vorletzte
Noch einmal: die Liebe
Freiheit und Verantwortung
Den Glauben leben
Ehrenrettung der Translation
Gemeinsam statt einsam
»Schafft eine, zwei … viele Inseln!«
Epilog
Danksagung
Anmerkungen
Vorwort
Zugegeben: Es ist verwegen, von der Anmut der Welt zu sprechen, und das im Jahr zwei der Corona-Pandemie. Krankheit, Hunger, Krieg, Folter, Gewalt gegen Kinder, Frauen und Männer, dazu Hurricanes, Erdbeben, Vulkanausbrüche, das Fressen-und-gefressen-Werden in der Natur und so vieles mehr scheint eine krass andere Sprache zu sprechen.
Und doch: Die Rede von der Anmut der Welt berührt eine Sehnsucht in uns, den Traum, dass es anders sein könnte. Diesen Traum, der Menschen immer wieder dazu beflügelt, hinauszuwachsen über sich selbst, über Angst, Gier und Selbstbespiegelung. Ach, könnte das wahr sein: eine Welt der Anmut, der Poesie und der Liebe!
Und das ist ja auch wahr. Es gibt nicht nur das Grauen, es gibt nicht nur Tod und Verderben. Und es kommt wesentlich auf unsere Perspektive an, was wir in der Welt sehen. Ob es uns gelingt, in all dem Schrecklichen das Herrliche zu sehen – oder zumindest zu erahnen. Es braucht den Blick der Liebe und das Vertrauen, dass das nicht alles ist, was wir mit unseren physischen Augen erblicken.
Dieses Buch ist eine Einladung, die Perspektive zu wechseln. Den anderen Blick einzuüben. Sich einzulassen auf die Tiefe des Seins, von dem die Religionen seit jeher erzählen und singen. Ohne die Augen zu verschließen vor dem, was schrecklich ist, lade ich Sie ein, anders auf Gott und die Welt zu schauen, und meine Hoffnung ist es, dass die Anmut der Welt immer wieder aufscheint. Bruchstückhaft, wie in einem dunklen Spiegel. Und doch wirklich. Mehr als wirklich.
München, im Advent 2020
Tilmann Haberer
Einleitung: Warum und für wen ich dieses Buch schreibe
Sie war Ende zwanzig, stammte aus einem evangelischen Pfarrhaus und hatte gerade ihre Promotion abgeschlossen. Nun saß sie mir gegenüber in der Krisenberatungsstelle und war den Tränen nahe. Ein naher Verwandter, kaum älter als sie selbst, war vor Kurzem an Krebs gestorben, und das war nicht der einzige tragische Todesfall in der Familie. »Und wo ist da Gott?«, fragte sie mich und sah mich mit hoffnungslosem Blick an. Im weiteren Gespräch wurde deutlich: Im Grunde hatte sie nie ihren Kinderglauben abgelegt – diesen Gauben an den »lieben Gott«, der im Himmel wohnt, auf seine Kinder aufpasst und sie vor Unheil bewahrt. Obwohl sie in ihrem geisteswissenschaftlichen Studium gelernt hatte, alles kritisch zu hinterfragen, hatte sie ihr Gottesbild nie einer Revision unterzogen. Gott, das war für sie der beschützende Vater, der auch schon mal ein Wunder tut, wenn ihn seine Kinder nur inbrünstig genug darum bitten.
Dieser Gott hatte, so schien es, versagt. Und so saß sie da, diese kluge junge Frau, und fragte: Hat es überhaupt Sinn zu leben, wenn unser Leben ständig so gefährdet ist, wenn sich Leid und Krankheit und Tod selbst in einer Familie, deren Mitglieder doch so intensiv an Gott glauben und so integer leben, so ballen? Ich konnte zunächst nichts anderes tun, als ihr einen Raum für ihre Trauer zu öffnen. Nach einiger Zeit begann ich dann vorsichtig, ihr Gottesbild zu hinterfragen. Konnte es nicht sein, dass Gott vielleicht anders sei, als wir das als Kinder gelernt hatten, und dass Gott dennoch nicht aufhört, Gott zu sein?
Was ich in der Begegnung mit dieser jungen Frau beobachtete, ist etwas sehr Typisches: Ich erlebe oft Menschen, die in existenziellen Krisen ihren Glauben grundsätzlich infrage stellen, weil die religiösen Vorstellungen, denen zu vertrauen sie gelernt haben, nicht mehr tragen. Sie würden gerne glauben, können es aber nicht mehr. Damit gesellen sie sich zu denen, die auch ohne existenzielle Not mit den hergebrachten religiösen Vorstellungen des Christentums nichts mehr anfangen können. Auch wenn sie sich nach einer erfüllenden religiösen Form sehnen, können sie mit den alten religiösen Bildern und Normen nichts mehr anfangen. Entstammen diese nicht allzu fernen Zeiten? Kann man heute noch glauben wie im Mittelalter und der Reformationszeit?
Für diese Menschen schreibe ich dieses Buch. Es plädiert für ein Christentum und ein christlich geprägtes Denken, das der geistigen Wirklichkeit der Gegenwart nicht mehr nur hinterherhinkt (oder sich ängstlich dagegen abschottet), sondern das Gespräch mit dieser Wirklichkeit aufnimmt und mehr noch: diese weiter- und vorwärtsdenkt. Wie wäre es, wenn Christen ihre alten, bewährten Inhalte in die neuen Kontexte stellten und sie so ganz überraschend und spannend neu sprechen ließen? Wenn die alten Inhalte anfingen, in neuem, unerhörtem Glanz zu strahlen, weil die Krusten des traditionell- mythischen Denkens abgeputzt wurden und ein integrales Denken in ihnen eine aufregende Bewegung entdeckt?
Dieses Buch unternimmt einen Versuch in diese Richtung und nimmt auf, was ich in dem Buch »Gott 9.0 – wohin unsere Gesellschaft spirituell wachsen wird« gemeinsam mit Marion und Tiki Küstenmacher begonnen habe.1 In Gott 9.0 geht es um die Entwicklung des menschlichen Bewusstseins und damit einhergehend um die Entwicklung der Bilder und Vorstellungen, die Menschen von Gott haben. Seit das Buch im Herbst 2010 erschienen ist, lässt mich die Idee nicht los, die zentralen Begriffe und Ideen der christlichen Lehre – Gott, Schöpfung, Jesus Christus, Erlösung, Auferstehung und so weiter – auf der Basis des post-postmodernen, integralen Bewusstseins, das wir im Kapitel 7 von Gott 9.0 skizziert haben, in der Perspektive unseres Ansatzes neu zu deuten. Ich versuche, den Kern der christlichen Botschaft so zu formulieren, dass ein Mensch von heute verstehen kann, worum es geht, ohne sich deswegen auf ein antiquiertes Weltbild einlassen zu müssen. Und ich bin der Überzeugung, dass wir bei diesem Versuch eine Menge aufregende Entdeckungen machen und spannende Einsichten gewinnen werden. Machen Sie sich mit mir auf den Weg!