Klaus Wengst

Wie das

Christentum

entstand

Eine Geschichte mit Brüchen im 1. und 2. Jahrhundert

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Umsetzung eBook: Greiner & Reichel, Köln

Umschlagmotiv: Joshua Koffman »Synagoga and Ecclesia in Our Time«,

Standort: Saint Joseph’s University in Philadelphia, © Joshua Koffman

ISBN 978-3-641-27342-2
V001

www.gtvh.de

Der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum

Vorwort

Das Umschlagbild dieses Buches ist keine symbolische Entsprechung zu dem in ihm Dargestellten. Wohl aber steht es für ein Ziel, zu dessen Erreichen es beitragen möchte. Seit mehr als zwei Jahrzehnten beschäftigt mich die Frage, seit wann es Christentum gibt. Ausgangspunkt waren und sind dabei zwei gegensätzliche Beobachtungen, die einen äußerst spannungsvollen Zusammenhang aufzeigen. Das Christentum führt sich auf Jesus und dessen Anhängerschaft zurück. Er und sie, sie alle, waren jüdisch. Als einige von seiner Anhängerschaft nach seinem Tod zu dem Glauben kamen, Gott habe ihn von den Toten aufgeweckt, haben sie das nicht als eine Konversion vom Judentum zum Christentum verstanden. Der Anfang war jüdisch und nur jüdisch – und das recht lange. Wie lange? In Texten des 1. Jahrhunderts gibt es keinen einzigen Beleg dafür, dass sich Menschen in der auf Jesus bezogenen Gemeinschaft als »Christinnen und Christen« bezeichnet hätten. Das ist erst in Texten aus der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts der Fall. Dort taucht auch erstmals der Begriff »Christentum« auf – und er wird sofort in einem ausschließenden Gegensatz zum Judentum bestimmt. Wie kam es von dem jüdischen Anfang zu dieser antijüdischen Fortsetzung? Das ist das Thema dieses Buches.

Ich habe dabei kein nur historisches Interesse. Zum einen bin ich davon überzeugt, dass die Wahrnehmung der Jüdischkeit neutestamentlicher Texte wie auch die Wahrnehmung der Abwesenheit von Jüdischem in anderen dem besseren Verstehen und Auslegen dieser Texte heute dienen. Und zum anderen: Die Beschreibung der eigenen christlichen Identität in Schriften des frühen 2. Jahrhunderts erfolgt nicht nur im Gegensatz zum Judentum, sondern ist zugleich mit einem Gestus der Überlegenheit verbunden, mit der Vorstellung der Ablösung Israels durch die Kirche, mit verzerrenden Darstellungen von Jüdischem. Es gab andererseits noch lange – bis weit in das 4. Jahrhundert hinein – Christinnen und Christen, die den Zusammenhang mit dem Judentum festhielten, indem sie z. B. am Schabbat in die Synagoge gingen und am Sonntag in die Kirche. Aber für sehr viele Jahrhunderte dominant wurde die judenfeindliche Ausrichtung, deren Erben wir sind. Seit etwa sechzig Jahren hat in Teilen der Christenheit ein Umdenken im Verhältnis und im Verhalten zum Judentum begonnen. Dazu möchte mein Betrachten der etwa 100 Jahre von Jesus bis in die erste Hälfte des 2. Jahrhunderts einen Beitrag leisten. Im Verfolg der gekennzeichneten Fragestellung erstrebe ich keine Vollständigkeit. Weitere Schriften des Neuen Testaments und außerhalb seiner könnten herangezogen werden. Ich hoffe jedoch, dass die gewählte Textbasis groß genug ist für eine nachvollziehbare Darstellung.

Ich widme dieses Buch, das vielleicht mein letztes ist, der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum, deren Mitglied ich 53 Semester lang von 1981 bis 2007 war. Es waren gute Jahre; ich habe Bochum für mich als einen Glücksfall empfunden. Ich denke an die offene Atmosphäre und den direkten Umgang miteinander, nicht nur unter den Kollegen, sondern auch mit dem »Mittelbau«, den Studierenden, den Sekretärinnen und den Mitarbeiterinnen in der Bibliothek. Es gab damals noch einmal jährlich eine gemeinsame Unternehmung. Ich denke an die beherzte Mitarbeit der Studierenden in den Gremien und besonders an diejenigen unter ihnen, die mich in meiner frühen Bochumer Zeit nach Vorlesungsstunden in Diskussionen verwickelten, wenn ich Unzutreffendes über Jüdisches von mir gegeben hatte. Sie trugen dazu bei, dass ich mich ernsthaft mit jüdischen Texten befasste. Ich denke bei den älteren Kollegen besonders an Hans-Ekkehard Bahr (†), Günter Brakelmann und Dieter Vetter (†), bei den etwa gleichaltrigen an Horst Balz, Konrad Raiser, Christian Link, Erich Geldbach und Jürgen Ebach, bei den jüngeren an Traugott Jähnichen und Peter Wick. An Bochum denke ich gerne zurück. Dass meine Frau und ich jetzt in Braunschweig wohnen und auch hier gerne leben, ist eine andere Sache.

Ganz herzlich danke ich Pfarrer Dr. Jürgen Seim. Er hat das ursprünglich umfangreichere Manuskript sorgfältig durchgesehen und mir zahlreiche Vorschläge zur Verbesserung gemacht. Ich habe sie gerne angenommen und bedacht. Diedrich Steen vom Gütersloher Verlagshaus danke ich sehr dafür, dass er mich zu kräftigen Kürzungen veranlasst hat. Sie haben das Buch strukturierter und damit lesbarer gemacht. Mein herzlicher Dank gegenüber dem Verlag gilt namentlich auch Beate Nottbrock für die ansprechende Umschlaggestaltung und Gudrun Krieger, die das Manuskript kompetent und zügig zur Druckfassung gebracht und die Korrekturarbeit sorgfältig und freundlich mitgetragen hat. Einmal mehr danke ich meiner Frau Helga, die alle Durchgänge des Manuskripts kritisch gelesen und wesentlich zu dessen Verbesserung beigetragen hat.

Braunschweig, im Januar 2021

Klaus Wengst

Inhalt

Vorwort

Einleitung: »Die ersten Christen waren Juden!«?

I. Der Anfang ist jüdisch

Von Jesus bis zum ersten jüdisch-römischen Krieg

1. Jesus – ein Jude

a) Das Wenige, was historisch über Jesus festgestellt werden kann – und das ist jüdisch

b) Der Jesus der Evangelien – ein Jude unter Juden

2. Jesu Schülerschaft: alle jüdisch – auch nach »Ostern«

a) Der Anfang: »Gott hat Jesus von den Toten aufgeweckt«

b) »Pfingsten« – »Geburtstag der Kirche«?

c) Taufe und Erinnerungs-Mahl als rituelle Identitätsmerkmale

3. Der Fall Stephanus – »der erste christliche Märtyrer«?

4. Hinzugekommen: Menschen aus den Völkern stoßen zur messiasgläubigen Gemeinde

a) Wo die Botschafter Jesu in der nichtjüdischen Welt auftraten

b) »Gottesfürchtige«/»Gottesverehrende« im Umfeld der Synagogen

c) »Gottesfürchtige«/»Gottesverehrende« als Adressaten der messianischen Verkündigung

d) Die Gruppe aus Juden und Nichtjuden: noch nicht der Beginn des Christentums

e) Die messiasgläubigen Gruppen: Judentum zu billigem Eintrittspreis?

f) Christianoí/Chrestiani (»Christen und Christinnen«) – lange keine Selbstbezeichnung

5. Paulus: ein Jude, vor und nach »Damaskus«

a) »Vom Saulus zum Paulus«?

b) Der »Eiferer« – Paulus vor seiner Berufung

c) »Apostel für die Völker« – die Berufung des Paulus und ihre Folgen

d) Wie Paulus nach seiner Berufung von Jesus redet

6. Der Streit um die Beschneidung: Keine Ablehnung des Bundeszeichens Israels!

a) Wie es zum Streit kam und worum es ging

b) Das Treffen in Jerusalem und seine Ergebnisse

7. Eine offen gebliebene Frage: Zusammenleben unter jüdischen oder nichtjüdischen Bedingungen?

8. Noch einmal: Die messiasgläubige Gruppe in Jerusalem

Rückblick auf den ersten Teil

II. Bruchstellen

Vom jüdisch-römischen Krieg bis ca. 100 d. Z.

1. Die Situation nach dem Ende des Krieges

a) Was zum Krieg führte und wie er verlief

b) Das Ergebnis des Krieges: ein verheertes Land

c) Wer die Katastrophe bestehen und überstehen konnte und wer nicht

d) Der Neubeginn mit dem Lehrhaus in Javne – zur Entstehung des rabbinischen Judentums

2. Zunehmende Auseinandersetzungen zwischen dem sich herausbildenden rabbinischen Judentum und den Jesusgläubigen

a) Die Abfassung der Evangelien als Antwort auf die Situation nach dem Krieg

b) Auseinandersetzungen im Spiegel des Matthäusevangeliums

c) Auseinandersetzungen im Spiegel des Johannesevangeliums

3. Auseinandersetzungen im politischen Kontext des Imperium Romanum

a) Mögliche Folgen des fiscus iudaicus – auch für »Gottesfürchtige«

b) Das lukanische Werk im Verhältnis zu Israel und zum Imperium

c) Das Festhalten an einem jüdischen Identitätsmerkmal als Widerstand gegen Rom Zur Offenbarung des Johannes

d) Wie die Fremdbezeichnung christiani zur Eigenbezeichnung wurde

4. Israelbezug und Israelvergessenheit Zu den Briefen nach Ephesus und Kolossae

a) Die Imagination einer Gemeinde aus jüdischen Menschen und Menschen aus den Völkern Zum Brief nach Ephesus

b) Ein Stück Hellenisierung Zum Brief nach Kolossae

Rückblick auf den zweiten Teil

III. Im und nach dem Bruch

Von der Zeit um 100 bis zur Zeit um 150 d. Z.

1. Eine römisch gewordene Gemeinde
Zum 1. Clemensbrief

a) Clemens: ein Römer, kein Jude

b) Die von Rom gesetzte politische Ordnung als Muster für die Wahrnehmung

c) Das militärische Vorbild: Hierarchisierung der Gemeinde

d) Gott, die Schrift und Israel

e) Überformung des Jüdischen vom Römischen: ein stillschweigend vollzogener Bruch

2. Im Streit um die Schrift
Der Barnabasbrief

a) Wer dieses Schreiben wann verfasste

b) Wogegen der Verfasser sich wendet

c) Wie mit der »Schrift« umgegangen wird

d) Identitätsbildung durch schärfste Abgrenzung im Gemeinsamen

3. Wie im Versuch, sich in die römisch-hellenistische Welt einzufinden, Israel vergessen wird
Die Pastoralbriefe

a) Die Situation, von der sich der Verfasser herausgefordert sieht

b) »Das Wort Gottes«, »die Schriften« und »die heilsame Lehre«

c) Reden in der Sprache des kulturellen Kontextes – unter Vergessen Israels und des Jüdischen

4. Nicht jüdisch, sondern christlich leben als Identitätsmerkmal des entstehenden Christentums

a) Ignatius aus Antiochia: Person, Situation, Stellung und Einstellung

b) Die geringe Bedeutung dessen, was »geschrieben steht«

c) »Jesus Christus« in der Perspektive griechischen Denkens

d) »Christentum« statt »Judentum« – nicht nur bei Ignatius

Rückblick auf den dritten Teil

Schluss: Was nun?

Stellenregister (Auswahl)

Einleitung: »Die ersten Christen waren Juden!«?

Der Satz »Die ersten Christen waren Juden« hat unmittelbare Überzeugungskraft. Er bewirkt ein Aha-Erlebnis: Ja klar, das waren Juden! Bei weiterem Nachdenken stellt sich jedoch die Frage: Aber wieso »Christen«? Von welchen Menschen kann man als »den ersten Christen« reden, von wem als »der ersten Christin« oder »dem ersten Christen«? Noch in den 80er-Jahren des vorigen Jahrhunderts schrieb eine evangelische Religionslehrerin an die Tafel in der Klasse eines westdeutschen Gymnasiums: »Jesus war der erste Christ«. Das dürfte im allgemeinen Bewusstsein immer noch eine verbreitete Meinung sein. Jesus galt – und gilt manchmal noch immer – als »Stifter des Christentums«. Das zeigte und zeigt Wirkung. Es ist noch nicht so lange her, dass man im wissenschaftlichen Bereich das besondere Profil Jesu im Gegensatz zu dem ihm zeitgenössischen Judentum bestimmte. Heute ist weithin klar erkannt, dass Jesus Jude war und es geblieben ist bis zu seinem Tod. Dennoch gibt es immer wieder Versuche, bei ihm etwas zu finden, das aus dem Judentum heraus- und zum entstehenden Christentum hinführt. Daher ist im ersten Teil zunächst auf Jesus einzugehen – auf das Wenige, was sich in historischer Hinsicht als mit hoher Wahrscheinlichkeit gesichert über ihn sagen lässt. Und dieses Wenige erweist sich als jüdisch.

Es gilt aber auch zu betrachten, wie die vier kanonischen Evangelien als die einzig relevanten Quellen Jesus darstellen. Die Evangelisten schreiben über ihn aus dem Glauben heraus, dass Gott ihn von den Toten aufgeweckt hat. Und so stellen sie seine Geschichte als eine Geschichte des Mitseins Gottes dar. Sie tun das auf der Grundlage der heiligen Schriften Israels ihrer Zeit und mit ihnen – in legendarischer Erzählung. Sie wollen damit zeigen, dass in dem, was Jesus redet, tut und erleidet, Gott zu Wort und Wirkung kommt. Ich werde hier ihre unterschiedlichen Jesusdarstellungen nicht je für sich betrachten, sondern thematische Zusammenhänge in den Blick nehmen in Verbindung mit anderen jüdischen Quellen. Dabei zeigt sich: Auch der Jesus der Evangelien ist jüdisch.

Die dann zu stellende Frage lautet: Haben die Schüler und Schülerinnen Jesu aufgrund ihres Glaubens an ihn als den auferweckten Gekreuzigten, aufgrund des Glaubens, dass er der Messias sei, ein anderes als jüdisches Selbstverständnis gewonnen? Damit im Zusammenhang steht die weitere Frage, ob ihre nicht an Jesus glaubenden Landsleute sie als außerhalb des Judentums stehend betrachteten.

Hinsichtlich zweier Einzelpersonen, Stephanus und Paulus, wissen wir über den einen sehr wenig, über den anderen aufgrund der von ihm erhaltenen Briefe und der Berichte über ihn in der Apostelgeschichte etwas mehr. Auch sie hatten ein jüdisches Selbstverständnis, bezeichneten sich nicht als »Christen« und wurden von ihren jüdischen Landsleuten als Juden angesehen und behandelt.

Die Auseinandersetzungen innerhalb der auf Jesus bezogenen messianischen Gruppe vollzogen sich im jüdischen Kontext. Das gilt auch für das Phänomen, dass sich die messianische Verkündigung alsbald als attraktiv für »Gottesfürchtige« erwies, für bereits mit dem Judentum verbundene nichtjüdische Menschen, die aber nicht konvertiert waren. Es gab einen Streit darüber, wie mit ihnen zu verfahren sei, ob sie – die Männer durch Beschneidung, die Frauen durch ein Tauchbad – ins Volk Israel zu integrieren seien oder nicht. Dieser Streit wurde aller Wahrscheinlichkeit nach auf der Grundlage von Israels heiligen Schriften entschieden. Die Frage ist, welches Selbstverständnis diese zu der messianischen Gemeinde hinzugekommenen, nichtjüdischen Menschen hatten. Dass es ein »christliches« gewesen sei, ist durch nichts angedeutet.

Das Zusammenkommen von jüdischen und nichtjüdischen Menschen in den messianischen Versammlungen führte im politischen Kontext dazu, dass die römische Provinzverwaltung diese Gruppe wahrnahm und als chrestiani/christianoí (»Christen«) bezeichnete. Diese Fremdbezeichnung wurde zunächst nicht zur Eigenbezeichnung. Das geschieht unter sehr bestimmten Bedingungen anfangshaft frühestens gegen Ende des ersten Jahrhunderts. Der Begriff »Christentum« begegnet – und das als Selbstbezeichnung – erstmals im zweiten Jahrhundert. Und das geschieht sofort im Gegensatz zum Begriff »Judentum«. Dieser Gegensatz manifestiert sich vor allem in bestimmten Riten in antithetischer Abgrenzung zu jüdischen Riten. Das jetzt entstehende und sich so bezeichnende Christentum gewinnt seine Identität als eine antijüdische. Darüber wird im dritten Hauptteil zu handeln sein.

Wie kommt es, dass aus der ganz und gar jüdisch bestimmten Gemeinschaft, die sich auf Jesus als Messias bezieht, in der ersten Hälfte des zweiten Jahrhunderts die christliche Kirche entsteht, die ihre Identität sofort antijüdisch bestimmt? Welche Weichenstellungen lassen sich dafür in der Zeit nach dem Ende des jüdisch-römischen Krieges im Jahr 70 bis etwa zum Ende des ersten Jahrhunderts erkennen? Diese Zeit ist im Judentum vor allem dadurch geprägt, dass es pharisäische Lehrer sind, die vom Lehrhaus in Javne aus nach dem katastrophalen Ende des Krieges Möglichkeiten jüdischen Überlebens und Weiterlebens finden. Hier beginnt das rabbinische Judentum als ein die jüdische Mehrheit prägendes, normatives Judentum. Auch die jüdische Minderheit der Messiasgläubigen erweist sich in dieser Situation als überlebensfähig. Es kommt zu sich verstärkenden Auseinandersetzungen zwischen Mehrheit und Minderheit. In ihnen nimmt die Mehrheit handfeste Distanzierungen vor, während die Minderheit in schärfster Weise gegen die Mehrheit polemisiert. Dabei handelt es sich aber immer noch um einen innerjüdischen Streit. In ihm spielen auch Konflikte eine Rolle, die sich im politischen Kontext des Imperium Romanum ergeben. Dieser Streit ist im zweiten Hauptteil nachzuzeichnen und dabei herauszustellen, was sich in ihm als derart konfliktverschärfend erweist, dass es zu einer Tendenz auf Abgrenzung und Trennung führt, sodass sich Bruchstellen andeuten.

Im Schlussteil wird zu fragen sein, welche Folgerungen aus dieser Betrachtung der Anfangszeit für unser Christsein im Verhältnis zum Judentum zu ziehen sind.

I.
Der Anfang ist jüdisch

Von Jesus bis zum ersten jüdisch-römischen Krieg