Über das Buch

Wo liegen die Ursprünge von COVID-19, HIV, Pocken, Grippe und anderen Viren? Wie kann ich mich selbst vor Erkrankungen durch Viren schützen? Woher werden die Killer-Viren der nächsten Jahre und Jahrzehnte kommen? Entwickeln Terroristen gerade ein Super-Virus, und was könnten wir dagegen unternehmen? Welche Impfungen sind sicher und sinnvoll? Und nicht zuletzt: kann es überhaupt eine Welt ohne Viren geben?

Diese und viele weitere Fragen werden auf einer Reise durch vergangene Jahrtausende beantwortet. Bis in die heutige Zeit beleuchten wir frühere und aktuelle Ausbrüche, von Ebola über Grippe, bis hin zu SARS und COVID-19. Am Ende steht die ermutigende Erkenntnis, dass wir selbst viel tun können und müssen, um zukünftige Epidemien zu verhindern oder deren Auswirkungen abzumildern.

Über den Autor

Karl Ehrlich ist das Pseudonym eines Virologen mit über 20 Jahren Erfahrung auf dem Gebiet der molekularen und klinischen Virologie. Einen großen Teil dieser Zeit verbrachte er in virologischen Hochsicherheitslabors oder in entlegenen Gebieten der Welt. Er ist Autor von mehreren Dutzend virologischen Fachartikeln und Beiträgen in Lehrbüchern, unter anderem zu neuen diagnostischen Verfahren und Therapiemöglichkeiten für Viruserkrankungen. Daneben konnte er auf zahlreichen Forschungsreisen in tropische Regionen auch sehr persönliche Erfahrungen mit Virus- und Parasiteninfektionen sammeln. Dr. Ehrlich erforscht außerdem intensiv die Möglichkeiten, moderne Medizin und Wissenschaft mit alternativen und traditionellen Heilverfahren zu bereichern.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar

Copyright © 2021 Dr. Karl Ehrlich

Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt.

Covergestaltung: AC-Design und Shutterstock

1774738589

ISBN: 978-3-7557-1993-9

Für R

Hinweis: Die in diesem Buch präsentierten Inhalte dienen ausschließlich der Information und der Unterhaltung, keinesfalls als medizinischer Rat! Der Autor übernimmt keinerlei Haftung für etwaige Schäden oder Nachteile, die sich aus der praktischen Umsetzung, der in diesem Buch vorgestellten Informationen ergeben.

Büchern, das Internet oder gar Informationen aus den sozialen Netzwerken, ersetzen nicht den Arzt, Heilpraktiker oder Apotheker. Entscheidungen, die die eigene Gesundheit, oder die von Angehörigen und Freunden betreffen, sollten immer individuell und zusammen mit einer erfahrenen Ärztin, Therapeutin oder Heilpraktikerin getroffen werden.

Sachbüchern erfordern in erhöhtem Maß Lesbarkeit, weshalb beim Verfassen des Buches weitgehend auf geschlechtsneutrale Formulierungen verzichtet wurde. Soweit aus dem Kontext nichts anderes hervorgeht, sind stets sowohl weibliche als auch männliche und diverse Form gemeint.

Inhalt

Vorwort

Seit Anfang 2020 haben wir in Deutschland stürmische Zeiten erlebt, wie sie die westliche Welt seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs nicht mehr gesehen haben. In vielen Regionen der Welt, wie beispielsweise in weiten Teilen Asiens, Südamerikas und Afrikas, gehören schwerwiegende gesundheitliche Probleme und Bedrohungen durch Infektionskrankheiten leider seit langem zum Alltag. Noch bis vor zwanzig Jahren erschienen Epidemien wie SARS, Grippe und COVID-19, die sich zu Pandemien ausgeweitet haben, aus europäischer Sicht undenkbar und unendlich weit weg. Die weltumspannenden Ströme an Menschen und Waren machen unsere Gesellschaften anfällig für globale Viruserkrankungen und deren medizinische, soziale und wirtschaftliche Konsequenzen. Das wirkt auf die allermeisten von uns einschüchternd, wenn nicht gar beängstigend und es besteht die Gefahr, dass man in einen Teufelskreis aus Panikattacken, Hamsterkäufen und Depressionen gerät. Von realen Beeinträchtigungen des Lebens durch Ausgangssperren, Überforderung und Quarantäne einmal ganz abgesehen. Es ist in diesen Zeiten ungemein schwierig, an zielführende Informationen zu kommen, die den Aufbau einer vorsichtig positiven Grundhaltung unterstützen. In den Nachrichten verkaufen sich Katastrophen und immer neue Höhepunkte der Bedrohung eben am besten. Mit der Angst lassen sich gute Geschäfte machen. Die von uns, die eigentlich vernünftig sind, haben leider oft das Nachsehen, weil sie beispielsweise nicht »gehamstert« haben oder sich zum Wohl aller an Regeln halten, die die Lebensqualität reduzieren.

Umso wichtiger ist es daher, dass sich möglichst viele Menschen dem Thema Viren annähern, um zu verstehen, wie die Welt der Viren »tickt« und welche Wege, Epidemien und Pandemien in der Vergangenheit genommen haben, und in Zukunft nehmen könnten. Denn dass es auch in Zukunft wieder Epidemien und Pandemien geben wird, ist nahezu sicher. Diese Bedrohungen zu kennen, ist die wichtigste Voraussetzung, um sie zu besiegen.

Obwohl viele Schilderungen in diesem Buch auf den ersten Blick erschreckend erscheinen, ist es nicht das Ziel dieses Werks, Panik zu schüren! Ganz im Gegenteil. Die Menschheit hat in ihrer Geschichte viele Gefahren durch Viren erfolgreich überstanden und dadurch einiges gelernt. Wir wissen heute viel mehr als noch vor 500 Jahren, als wir der unsichtbaren Bedrohung durch Viren ahnungs- und schutzlos ausgeliefert waren. Wir besitzen inzwischen ein breites Repertoire aus antiviralen und immunmodulierenden Medikamenten, diagnostischen Instrumenten und Heilverfahren. Dazu kommen Impfungen, hervorragender Intensiv- und Notfallmedizin und Zugang zu besserer Ernährung und Hygiene als noch vor 50 Jahren. Wenn wir all dies und die Möglichkeit zum Austausch und zur Analyse von globalen Informationen nutzen, dann sind wir in einer sehr aussichtsreichen Position gegen jede Bedrohung.

Andererseits gibt es auch heute noch Herausforderungen zu bewältigen, die wir gerade erst zu verstehen beginnen. Neben der gesteigerten Mobilität und manchen virologischen Zusammenhängen, die wir noch nicht gut begreifen, sind unabsichtliche oder absichtliche Fehlinformationen in sozialen Netzwerken und dem Internet durchaus ein großes Problem beim Überwinden der Bedrohungen durch Viren.

Wenn wir jedoch ernsthaft daran arbeiten, gibt es einerseits vieles, das wir für unsere persönliche Gesundheit tun können. Andererseits können wir sogar alle dazu beitragen, dass in Zukunft die Bedrohung durch Viren eine deutlich geringere Rolle spielt als heute.

Dieses Buch ist über einen Zeitraum von vielen Jahren entstanden und alle Informationen wurden nach bestem Wissen und Gewissen recherchiert und fachlich aufbereitet. Der Inhalt wurde bis zur Drucklegung aktualisiert. Die Kapitel basieren auf Fakten, die in der Fachwelt im Kern meist nicht umstritten sind. Es gibt jedoch auch Aspekte, über die bisher nur wenig gesicherte Informationen vorliegen. In diesem Fällen repräsentieren die dargelegten Szenarien meine persönliche Meinung, ohne den Anspruch auf Vollständigkeit und Korrektheit.

Insbesondere bei den noch jungen Themen wie SARS-CoV-2 beziehungsweise COVID-19 werden jeden Monat und jedes Jahr, in der die Wissenschaft mehr Daten und Fakten sammelt, neue Erkenntnisse gewonnen, die über das hinausgehen, was wir heute wissen können. Hinterher ist man immer schlauer.

Alles Gute und bleibt gesund und optimistisch!

Dr. Karl Ehrlich, November 2021

Viren sind die einzigen Rivalen um die Herrschaft über unseren Planeten. Wir müssen auf Draht sein, um mit ihnen Schritt zu halten.

Joshua Lederberg

Einleitung

Viren haben es im Jahr 2020 zweifelsohne zu einer traurigen Popularität gebracht. Bereits im Kindergarten und der Grundschule lernen unsere Jüngsten heute, was ein Coronavirus ist. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich in der Schule zum ersten Mal von Viren gehört habe, vermutlich erst auf dem Gymnasium.

Viren sind aber natürlich viel mehr als nur das Coronavirus. Bis heute sind der Wissenschaft etwa 4500 verschiedene Arten von Viren bekannt. Darunter befinden sich einige mit beinahe lustigen Namen, wie das Gerstengelbverzwergungs-Virus, solche mit eigenartigem Namen, wie das Pseudowut-Virus und einige mit furchterregendem Ruf, wie das Ebola-Virus. Viele Erkrankungen, die von Viren ausgelöst werden, sind den meisten von uns geläufig: Grippe, Masern, Röteln, Herpes, AIDS, Windpocken, SARS oder auch Tollwut sind durch Viren verursachte Krankheiten. Das ist aber längst nicht alles, denn die oben genannten Erkrankungen und Seuchen stellen nur einen winzigen Bruchteil der bekannten Viren und Viruserkrankungen dar.

Dass Viren, obwohl sie winzig klein und für das bloße Auge unsichtbar sind, einen Riesenwirbel auslösen können, zeigte der Frühling des Jahres 2009, als sich die Meldungen aus Mexiko überschlugen, um über eine neue unheimliche Schweingrippe zu berichten, die auch für Menschen gefährlich ist. Nicht nur in Mexiko ging die Angst um, sondern weltweit waren Behörenden und Bevölkerung verunsichert, denn die Ausbreitung der neuen Grippe erwies sich als unaufhaltsam. Niemand wusste damals, wie sie sich entwickeln würde, aber bereits kurze Zeit nach dem Ausbruch in Mexiko war klar, dass diese Variante der Grippe noch eine lange Zeit unseren Alltag beeinflussen würde. Berichte über Massenimpfaktionen und staatlich georderte Medikamentenvorräte dominierten die Medien über Monate hinweg. Doch bereits im Herbst desselben Jahres sah alles danach aus, als wäre die gefährliche Schweingrippe eher ein müder Ferkelhusten. Genau das ist es, was Viren auszumachen scheint. Sie tauchen auf, ohne dass wir Menschen es zuvor auch nur vermuten konnten, und entwickeln sich garantiert nicht so, wie wir es erwarten würden.

Und das passierte bereits viele Male in unserer Geschichte. Viren bedrohen seit Urzeiten die Menschheit. Die Pocken beispielsweise versetzen die Menschen schon seit Jahrtausenden in Angst und Schrecken, die Grippe tut dies seit hunderten von Jahren, in den letzten Jahrzehnten gesellten sich dazu AIDS und Ebola. SARS und MERS überraschten uns vor knapp zwanzig, beziehungsweise, zehn, Jahren. Und COVID-19 rollt seit 2019 über den Erdball hinweg und ein Ende der Wellen ist derzeit noch nicht in Sicht.

Im Verlauf des 20. Jahrhunderts wurden fast 300 Millionen Menschen von den Pocken getötet. In den Jahren 1918 und 1919 kostete eine tödliche Variante der Grippe über 20 Millionen Menschen das Leben.

Bisher sind die Anstrengungen der Menschheit, Seuchen wie AIDS und Grippe (und auch Vogel- und Schweinegrippe) einzudämmen, mit wenigen Ausnahmen, nicht von Erfolg gekrönt gewesen. Denn egal wie viele Erreger bisher erfolgreich bekämpft werden konnten, immer stellten bald darauf neue Varianten oder gänzlich neue Viren die Medizin vor noch größere Herausforderungen.

Beinahe täglich werden, von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt, neue und manchmal auch für den Menschen gefährliche Virusarten entdeckt. Nur selten dringt davon etwas an die Bevölkerung. Häufig erfährt die Mehrheit der Bürger davon erst, wenn die Wissenschaftler eine akute Gefährdung der Menschheit vermuten. Dass dieser Fall im bisher noch jungen 21. Jahrhundert zunehmend häufiger eintreten wird, ist hochwahrscheinlich. Die virale Bedrohung, die wir bisher wahrnehmen, ist vielleicht nur die Spitze des Eisberges.

Doch wie konnte es überhaupt so weit kommen, dass Viren eine solche Gefährlichkeit entwickelten? Können Viren, deren einziger Zweck scheinbar allein das Töten von Leben ist, der Wille der Natur sein? Könnten wir nicht auch friedlich mit ihnen zusammenleben? Warum töten Viren ihren Wirt oftmals, obwohl sie sich damit ihre eigene Lebensgrundlage entziehen? Wissenschaftliche Erkenntnisse legen seit etwa 15 Jahren eine Erklärung für die Existenz tödlicher Viren und den daraus resultierenden Epidemien nahe: Zoonosen, Krankheiten, die von Tieren auf Menschen überspringen, sind das Problem. Aber sind es wirklich die Zoonosen oder die Übersprünge der Viren von einem tierischen Wirt auf den Menschen, die die Ursache allen Übels darstellen? Die Antwort ist Nein. Das wäre zu kurz gesprungen und wir zögen uns dabei aus der Verantwortung. In Wahrheit sind es nicht die Zoonosen, sondern wir selbst, die die Viren zu den Killern machen, die sie sind! Unsere Gesellschaft liefert den Viren, unter anderem mit der fortschreitenden Zerstörung von Ökosystemen, der allgemeinen Reiselust, Impfmüdigkeit, aber auch blindem und einseitigem Vertrauen der Politik auf vermeintlich wundersame Impfungen und Medikamente, mächtige Verbündete gegen uns Menschen. Die Bedingungen, die wir den Viren damit geschaffen haben und noch schaffen, müssen immer wieder zu epidemischen Katastrophen führen. Ein sozial- und umweltverträgliches Verhalten der Menschheit kann das Risiko zukünftiger großer Virus-Epidemien tatsächlich verringern. Viren helfen uns in dieser Hinsicht, die Gesetze der Natur mit bisher ungekannter Tiefe zu verstehen.

Die folgenden Kapitel erzählen exemplarisch von Viren, von den Krankheiten und Seuchen, die sie verursachen und davon wie Wissenschaft und Medizin versuchen, sie zu entschlüsseln und gegen sie anzukämpfen. Wer sich in Grundlagen einlesen will, findet am Ende des Buches Kapitel zu den Grundlagen der Virologie, der Epidemiologie, der Immunologie, sowie über Impfungen und Heilmittel.

Fluch der Karibik – Dengue und Gelbfieber

In den Jahren nach 1584 machte der englische Freibeuter Sir Francis Drake das Karibische Meer unsicher. Der Seewolf überfiel die schwer beladenen Handelsschiffe und luchste den spanischen Eroberern so manche mit Gold, Silber und anderen Kostbarkeiten beladene Galeone, ab. Kein Hafen der karibischen Inseln und Küsten des Festlandes war vor seiner Tollkühnheit und seinem strategischen Geschick sicher.

Aber wie hauchte eigentlich der berühmte Kapitän Drake sein Leben aus? Ertrunken beim Untergang seines Schiffes? Von einer Kanonenkugel getroffen? Vom Degen durchbohrt? Oder wurde er von den Spaniern gefangen genommen und nach Tagen der Folter geköpft oder gehängt? Alles falsch! Was ihm zum Verhängnis wurde, erfahren wir im Lauf dieses Kapitels. Doch vorher wenden wir uns zuerst meinen persönlichen Erfahrungen zu.

Laborfieber

Meine Muskeln und Gelenke schmerzen und die zitternden Hände können die Pipette kaum mehr zielgerichtet in die Kulturgefäße steuern. Das Sitzen an der Steril-Werkbank im Labor fällt mir schwer und unzählige Schweißperlen rollen unter dem Laborkittel mein Rücken hinab. Die Stirn glüht, seit einigen Minuten sind die Kopfschmerzen fast unerträglich. Ich hatte einem Kollegen versprochen, noch einige mikroskopische Präparate von menschlichen Zellen für eine Demonstration anzufertigen. Andernfalls wäre ich wahrscheinlich gar nicht erst an meinem Arbeitsplatz in einem Institut für Virologie aufgetaucht. Es ist mein erster Arbeitstag nach einem dreiwöchigen Aufenthalt im Regenwald Südamerikas und langsam keimt in mir der Verdacht, dass die schönen Erinnerungen an die faszinierende Tier- und Pflanzenwelt nicht das Einzige sind, was ich von dort mit nach Deutschland gebracht habe.

Ich beschließe, meinen wissenschaftlichen Arbeitstag heute ausnahmsweise mittags enden zu lassen. Ein konzentriertes Arbeiten mit den teuren und empfindlichen Reagenzien und Geräten wäre mir ohnehin nicht mehr möglich. Also packe ich meine Sachen und schleppe mich zum Auto. Dem Heimweg fühle ich mich trotz der grippeähnlichen Symptome noch gewachsen. Allerdings glaube ich instinktiv nicht daran, dass es sich um eine Grippe handelt. Das liegt unter anderem daran, dass Ende Juni in Deutschland nicht unbedingt Hochsaison für Erkältungskrankheiten ist und auch gerade niemand in meinem Bekannten- oder Kollegenkreis mit einer Sommergrippe zu kämpfen hat. Meine Ahnung erweist sich als richtig und die letzten Minuten im Auto werden zur Qual. Muskelkrämpfe setzen ein, die meinen Oberkörper beinahe völlig steif werden lassen. Meine Nackenmuskeln verkrampfen sich zunehmend und mein Kopf kennt auf meinem Hals nur noch eine einzige Richtung: geradeaus. Das wiederum stellt ein nicht zu unterschätzendes Problem im lebhaften Straßenverkehr dar, da kein Blick über die Schulter mehr möglich ist. Ich stelle das Auto früher als gewöhnlich am Straßenrand ab und schleiche die letzten Meter zur Wohnung und dort direkt ins Bett. Dort steigt in den darauffolgenden zwei Stunden meine Körpertemperatur auf beinahe 41 Grad Celsius. Ein Wert, den ich, soweit ich mich erinnern konnte, bis dahin nie zuvor erreicht hatte. Umso weniger ich meine verkrampften Muskeln bewegen kann, umso mehr kreisen meine Gedanken um die möglichen Ursachen, dieser für mich ungewohnt verlaufenden Erkrankung. Immer mehr drängt sich mir der Gedanke auf, dass das, was ich gerade erlebe, vielleicht das so genannten breakbone fever (zu Deutsch: Knochenbruch-Fieber) sein könnte. Um dies abzuklären, lasse ich mich zu einem Tropenmediziner bringen. Malaria kann mit Hilfe einer Blutuntersuchung in der Abteilung für Tropenmedizin der Ludwig-Maximilians-Universität München schnell ausgeschlossen werden. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, dass ich einige Jahre später noch die Gelegenheit bekommen würde, die Krankheitszeichen mit denen einer Malaria-Infektion am eigenen Leib zu vergleichen. Tatsächlich bestätigte sich in diesem Fall nach einigen Tagen mein anfänglicher Verdacht durch einen speziellen Antikörper-Nachweis: breakbone fever, bei uns besser bekannt als Denguefieber. Ausgelöst durch Viren, die durch einen Mückenstich, wahrscheinlich irgendwo an der Karibikküste Venezuelas, übertragen wurden. Heute muss ich schmunzeln, wenn ich an die wörtliche Übersetzung des Wortes dengue denke. Es kommt aus dem Spanischen und bedeutet Mätzchen oder Ziererei und bezieht sich wohl auf das Stöhnen und Jammern der Erkrankten, das durch die Kopf-, Muskel- und Knochenschmerzen - daher auch die Bezeichnung Knochenbruch-Fieber - ausgelöst wird.

Eine Komplikation, die beim Denguefieber gelegentlich - mit weltweit zunehmender Tendenz - auftritt, ist das hämorrhagische Denguefieber. Dabei kommt es wahrscheinlich durch ungewollt starke Reaktionen des Immunsystems zu inneren und äußeren Blutungen. Eine weitere Steigerung des Schweregrades ist dann das Dengue-Schocksyndrom, bei dem es zum Kreislaufversagen kommt, verursacht durch Blutungen und zu großen Flüssigkeitsverlust. Diese Komplikationen zeichnen sich beide durch eine relative hohe Sterblichkeit der Patienten aus, wie man sich gut vorstellen kann [1].

In meinem Fall verlief die Krankheit mild. Nach zwei weiteren Tagen waren die Symptome wieder verschwunden. Was blieb, war ein deutlicher Leistungsknick, der beispielsweise Treppensteigen in den nächsten Wochen zu einer ungewohnt schweißtreibenden Angelegenheit werden ließ. Aber schließlich war nach zwei Monaten auch meine sonstige körperliche Leistungsfähigkeit wieder hergestellt.

Ein Flussufer im Regenwald Venezuelas. Die idyllische und faszinierende Natur tropischer Regionen birgt für uns unvorhersehbare Gefahren. Neben Malaria spielen auch Virus-Infektionen wie Gelbfieber und Dengue eine große Rolle. Dazu eine Vielzahl noch unbekannter, namenloser Viren.

Souvenir für Tropenreisende

Welche Bedeutung hat denn schon eine einzelne Dengue-Erkrankung eines deutschen Touristen? In Deutschland und auch ganz Nord- und Mitteleuropa wird es kurz- bis mittelfristig bei solchen importierten Fällen bleiben, letztlich also nur eine Art Souvenir für Tropenreisende. Nebenbei bemerkt: In dem Jahr, in dem mich das Knochenbruch-Fieber ereilte, wurde es noch bei 130 anderen Reisenden festgestellt, die die Erkrankung nach Deutschland mitbrachten. Im Jahr 2007 waren es 263 eingeschleppte Fälle und im Jahr darauf 273 registrierte Erkrankungen [2]. Obwohl es sicher noch eine gewisse Dunkelziffer an unentdeckten Fällen gibt, ist es also zahlenmäßig in Deutschland ein überschaubares Problem. Ob das langfristig auch so bleiben muss, sehen wir uns später in diesem Kapitel an aber es gibt durchaus auch kurzfristige Auswirkungen. Das Risiko während eines Urlaubs an einer solchen Infektion zu erkranken, beeinflusst Entscheidungen für oder gegen eine Fernreise. Besonders wenn man einmal eine einigermaßen unangenehme Erkrankung von einer Reise mitgebracht hat, regt einen das zum Nachdenken an. Allerdings ist meist in ein paar Monaten die Erinnerung an Schmerz und Schweiß verblasst und man plant die nächste große Fahrt mit dem Rucksack ins tropische Nirgendwo. Wir Menschen sind eben so. Trotzdem machte ich mir zumindest ernsthaft Gedanken, als es Anfang 2006 um die Planung einer Reise nach Madagaskar ging. Zu diesem Zeitpunkt grassierten dort das Chikungunya- und das Denguefieber [3]. Da ich ja früher schon eine Dengue-Infektion durchgemacht hatte, besteht für mich ein höheres Risiko, an einem Dengue-Schocksyndrom zu sterben, als für Menschen, die noch nie mit Dengue-Viren in Kontakt gekommen sind. In der Dengue-Forschung geht man nämlich davon aus, dass ein erneuter Kontakt, mit einem anderen der vier Subtypen, die Infektion noch verschlimmert, anstatt sie abzumildern oder gar zu verhindern. Das Risiko, ein Denguefieber mit starken Blutungen zu entwickeln, steigt dabei deutlich an. Wenn man, aus allen Körperöffnungen blutend, unterwegs zusammenbricht, verdirbt einem das selbst die schönste Madagaskar-Reise. Also bin ich damals nicht gefahren und die Reise wurde verschoben. Man muss sein Glück ja nicht überstrapazieren. Immerhin hatte ich die Wahl in Deutschland zu bleiben. Für den Großteil der Weltbevölkerung ist der Aufenthalt in einem Dengue-Risikogebiet nicht optional. In wärmeren Regionen der Erde als Deutschland finden die Dengue-übertragenden Mücken der Gattung Aedes (inzwischen umbenannt in Stegomyia) Lebensbedingungen vor, die ihre Vermehrung ermöglichen.

Übertragungszyklus des Denguefiebers. Im Wald verbreitet sich das Dengue-Virus von Affe zu Affe durch dort heimische Mücken. In ländlichen Gebieten werden dann vereinzelt Menschen von infizierten Mücken gestochen und ermöglichen dort einen Zyklus von Mensch zu Mensch. Dieser kann sich in Städten ganz ohne Beteiligung von Affen fortsetzen.

Das Dengue-Virus gehört nämlich zu den sogenannten Arboviren (nach engl. arthropod borne, von Gliedertieren übertragen) und benötigt zu seiner Übertragung auf Menschen oder auch Affen, zwingend solche Überträger. Dabei sind die Mücken, die dieses Virus übertragen anspruchslos, was ihren Lebensraum betrifft, das bedeutet, sie finden im Wald und in Dörfern und sogar in Städten, genug Lebensraum. So hat das Dengue-Virus die Möglichkeit, sich sowohl einzig und allein in bewaldeten Gebieten in der Affenpopulation zu verbreiten als auch ländliche Gegenden und sogar Städte zu erobern.

Zu den Verbreitungsgebieten der Mücken, und damit von Denguefieber, gehören weite Teile Asiens, Afrikas, Mittel- und Südamerikas, sowie auch die südöstlichen Teile der USA und sogar Australien. Immer wieder wurde gerade auch die karibische Region von Epidemien heimgesucht. Neben historisch belegten Epidemien trat das Denguefieber aber in den vergangenen 40 Jahren einen neuen, ungeheuren Siegeszug um die Welt an. Beinahe jedes Jahr werden neue Rekordzahlen bei den gemeldeten Dengue-Infektionen festgestellt [4].

Weltweite Verbreitung von Denguefieber im Jahr 2015. Von Denguefieber bedrohte Gebiete sind ebenfalls dargestellt. Dort sind alle Voraussetzungen, inklusive entsprechender Mücken-Populationen, vorhanden, dass es zu größeren Dengue-Epidemien kommen kann.

Oft sind beliebte deutsche Urlaubsziele wie Thailand und Brasilien besonders stark betroffen, zum Glück meist nur saisonal, je nachdem wann die Mückenpopulationen die besten Bedingungen vorfinden.

Im Sommer 2007 machte die Meldung aus Costa Rica Schlagzeilen, dass gar der Karneval von Limón wegen Denguefieber abgesagt werden muss. Der Karneval ist das wichtigste Fest an Costa Ricas Karibikküste und zieht jedes Jahr Tausende von Touristen an. Man fürchtete, dass sich diese ebenfalls anstecken könnten und die Epidemie sich ausweiten würde. In den Monaten zuvor waren bereits über fünftausend Costa Ricaner erkrankt und über zweihundert starben in jenem Jahr an schweren Verläufen des Denguefiebers.

Im Oktober 2009 wurden die Kapverden, eine kleine Inselrepublik vor der Westküste Afrikas, von der größten Dengue-Epidemie ihrer Geschichte heimgesucht [5]. Von den 450.000 Einwohnern waren innerhalb eines Monates bereits über 15.000 erkrankt. Besonders auf einigen der sehr abgelegenen Inseln war die Lage aufgrund der schlechten medizinischen Versorgung teils sehr dramatisch. Erst nachdem Hundertschaften von städtischen Arbeitern, Soldaten und freiwilligen Helfern allerorts die Brutstätten der Mücken beseitigten und Insektenvernichtung betrieben, gingen die Fallzahlen langsam zurück.

Eine zweijährige Phase deutlich erhöhter Fallzahlen trat im Süden des US-Bundesstaates Florida von 2009 bis 2011 auf, was zeigt, dass Dengue auch vor westlichen Industrienationen nicht Halt macht. Und auch asiatische Großstädte, wie Singapur, eine der bedeutendsten Handelsmetropolen in Asien, werden nicht verschont. Im wirtschaftlich pulsierenden Singapur stellt Dengue eine Bedrohung für das Gesundheitssystem und die notwendige Arbeitskraft im Land dar, die ohnehin schon zu einem guten Teil durch Arbeiter aus dem angrenzenden Malaysia abgedeckt werden muss. Daher versucht die Regierung mit allen Mitteln, die Bevölkerung zu sensibilisieren, um speziell die Brutstätten der übertragenden Mücken zu beseitigen. Plakate mit Slogans wie »If they breed, you will bleed«, »Wenn sie [die Mücken] brüten, dann wirst Du bluten!«, wird der Zusammenhang zwischen Mücken und Denguefieber in Erinnerung gerufen. Konsequenterweise werden die Mücken auf allen öffentlichen Grundstücken vehement bekämpft, was trotz tropischen Klimas zu auffallend geringer Präsenz von Stechmücken in der Stadt führt.

Plakat an einem Bauzaun in Singapur. Mücken werden auf staatseigenen Flächen so weit wie möglich bekämpft. Der Betreiber der Baustelle verpflichtet sich, den Ort frei von Mücken zu halten.

In den letzten Jahren zeichnete sich aber eine unerwünschte Auswirkung dieser großflächigen Pestizid-Sprühaktionen ab. Da die Brutstätten der Mücken am Boden jahrelang erbarmungslos bekämpft wurden, weichen diese zunehmend auf alternative Orte aus. Obwohl eigentlich untypisch für die dortigen Mückenarten, brüten sie plötzlich in Baumkronen, kleinen Wassertümpeln in Hochhausfassaden und anderen, weit über dem Boden befindlichen, Wasserreservoirs. Dort sind sie weit schwieriger durch Insektenvernichtungsmittel zu erreichen und der Anstieg von Dengue-Infektionen im Jahr 2011 und 2012 in Singapur deutet darauf hin, dass das Problem der Mückenplage nur vorübergehend verschwunden war. Der Sieg des Menschen über die Natur war möglicherweise auch in diesem Fall nur von kurzer Dauer.

Ein weltweites Problem

Dengue ist heute vielleicht die wichtigste von Mücken übertragene Viruserkrankung, mit vielen Millionen Erkrankungsfällen weltweit pro Jahr. Etwa 500.000 Infektionen pro Jahr zeigen einen schweren Verlauf, ein sogenanntes hämorrhagisches Fieber oder gar ein Schock-Syndrom. Hierbei kommt es zu bedrohlichen Blutungen und Organversagen, das von etwa 30 Prozent der Betroffenen, meist Säuglingen oder Kleinkinder, nicht überlebt wird. Insgesamt schätzt die WHO, dass derzeit jedes Jahr etwa 22.000 bis 25.000 Menschen Dengue zum Opfer fallen [6, 19].

Eine bedeutende und besorgniserregende Entwicklung der Dengue-Epidemien kann man im Verlauf der letzten 50 Jahre beobachten. Während früher in einer Region etwa alle zehn bis zwanzig Jahre eine Epidemie auftrat und in den Jahren dazwischen deutlich geringere Fallzahlen auftraten, hat sich inzwischen das Epidemie-Intervall vielerorts auf etwa zwei bis drei Jahre eingependelt. Die genauen Gründe sind immer noch umstritten, aber klimatische Veränderungen sind naheliegend. Den Zusammenhängen zwischen Klimaveränderungen und Virusinfektionen wenden wir uns später noch zu, zuvor müssen wir uns aber noch mit einem gefährlichen Verwandten des Dengue-Virus beschäftigen. Das Dengue-Virus, von dem es mindestens vier Subtypen gibt, gehört in die Familie der so genannten Flaviviren. Das Wort Flavivirus bedeutet so viel wie »gelbes Virus«, was nichts mit der Farbe des Virus an sich zu tun hat, sondern damit, dass viele der Erkrankungen mit einer Lebererkrankung einhergehen. Und Probleme mit der Leber können beim Menschen unter anderem auch eine Gelbsucht auslösen. Zu den Flaviviren gehören beispielsweise auch die Erreger des Gelbfiebers, des West Nil Fiebers, der Japan-Enzephalitis, sowie der von Zecken übertragenen Frühsommer-Meningo-Enzephalitis (FSME). Man nimmt an, dass die heutigen Flaviviren alle auf ein einziges Virus zurückgehen, das vor etwa 15.000 Jahren entstand. Dagegen haben wir es heute mit einer deutlich größeren Vielfalt dieser Viren zu tun, da sich der Urvater aller Flaviviren offensichtlich rasant und vielfältig entwickelt hat [7].

Der große Bruder Gelbfieber

Man könnte sagen, dass das Gelbfieber der große Bruder des Denguefiebers ist. Die Symptome beider Erkrankungen sind sich durchaus ähnlich, jedoch ist die Schwere der Erkrankung beim Gelbfieber deutlich betont. Derzeit sterben etwa jedes Jahr 40.000 Menschen am Gelbfieber, die meisten davon in Afrika [8]. Die Verbreitung des Gelbfiebers war wahrscheinlich bis vor wenigen hundert Jahren auf den afrikanischen Kontinent beschränkt. Wie so oft hat sich der Mensch die virale Suppe selbst eingebrockt. Die menschenunwürdige Verschleppung von Millionen von Afrikanern als Sklaven in die Neue Welt, führte dort zu einer Ausbreitung des Gelbfiebers von vorher ungeahntem Ausmaß. Die afrikanischen Ureinwohner kamen gesundheitlich relativ gut mit dem Virus zurecht. Sie lebten seit Generationen im selben Gebiet zusammen mit Gelbfieber und kamen bereits früh mit ihm in Kontakt. Ihr Immunsystem hatte im Verlauf der Generationen gelernt, das Gelbfieber besser zu beherrschen. Diejenigen, die das junge Erwachsenenalter erlebten und als Sklaven verschleppt wurden, trugen also zum Teil das Virus in sich, ohne immer deutliche Krankheitszeichen zeigen zu müssen. Wenn sie doch krank wurden, verlief das Gelbfieber oft nur unter mäßigen Kopfschmerzen und Fieber und gelegentlichem Erbrechen, wonach sie sich innerhalb weniger Tage erholten. Als sie in Amerika ankamen, verbreiteten die dortigen Mücken das Virus unter den amerikanischen Ureinwohnern. Das Gelbfieber schlug schnell und unbarmherzig zu. Das Virus traf auf eine Bevölkerung, die zum ersten Mal mit diesem Erreger in Kontakt kam und ihm kaum etwas entgegensetzen konnte. Bei dieser empfänglichen Bevölkerung verlief das Gelbfieber in drei Stadien. In der ersten Phase, die einige Tage dauert, tritt hohes Fieber mit starken Kopf- und Muskelschmerzen auf. Danach kann sich eine mehr oder weniger ausgeprägte Erholungsphase anschließen, in der das Fieber fällt und die Schmerzen nachlassen. Obwohl sich der Patient besser fühlt, ist dies nur die Ruhe vor dem Sturm. Der bricht unvermittelt und mit unglaublicher Stärke los. Das Fieber schnellt nach oben und die Symptome der ersten Phase kehren mit deutlicher Steigerung zurück. In dieser dritten Phase kann es nach vier bis fünf Tagen zu Nieren-, Herz- und Leberversagen kommen. Durch das Versagen der Leber und der Nieren kommt es zur Gelbsucht und Delirium. Innere Blutungen in den Magen führen zu Erbrechen von Blut, dieses wird durch die Magensäure verändert und sieht dadurch kaffeesatzartig und schwarz verfärbt aus. Aus diesem Grund trägt das Gelbfieber auch den spanischen Namen vomito negro (deutsch: schwarzes Erbrechen). Dieser Zustand führt häufig nach weiteren drei bis vier Tagen zum Tod des Infizierten. Dieser Anblick ist, Berichten von Augenzeugen zufolge, grauenhaft und verbreitete verständlicherweise Angst und Schrecken. Wenn sich der Patient erholt, dauert dies mindestens zwei bis vier Wochen und selbst die Zeit danach ist durch eine ausgeprägte Leistungsschwäche und Müdigkeit gekennzeichnet.

Sir Francis Drake

Auch die europäischen Eroberer litten unter dem Gelbfieber. Aber eine direkte Auswirkung der Dezimierung der indianischen Einwohner war, dass immer weitere Sklaven aus Afrika eingeführt wurden, um die fehlenden Arbeiter zu ersetzen. Damit war der Siegeszug des Gelbfiebers unaufhaltsam geworden. Dieser Zusammenhang wurde damals noch nicht hergestellt. Aber auch wenn es so gewesen wäre, hätte es wohl nichts geändert.

Eines der frühesten prominenten Opfer des Gelbfiebers war der Pirat Francis Drake. Der englische Seeheld umrundete als zweiter Mensch zwischen 1577 und 1580 die Welt mit dem Schiff. Er war im wahrsten Sinn des Wortes mit allen Wassern gewaschen und gewann so manche Seeschlacht. Für seine Leistungen als Freibeuter, im Dienst der englischen Krone, wurde er sogar von Königin Elisabeth I. zum Ritter geschlagen. Allerdings wendete sich in späteren Jahren das Blatt und es folgten immer mehr militärische Misserfolge. Nachdem er noch dazu im Verlauf der Beutezüge durch die Karibik bereits einen großen Teil seiner Männer durch Gelbfieber und andere Krankheiten verloren hatte, erwischte es wahrscheinlich am 28. Januar 1596 auch ihn selbst. Ganz sicher lassen sich die Vorfälle von damals wohl nie klären, da auch eine Magen-Darm-Erkrankung nicht gänzlich als Todesursache auszuschließen ist. Überliefert ist aber, dass er sich an seinem Todestag in voller Rüstung auf das Deck seines Schiffes tragen ließ, um einem unrühmlichen Tod im Bett zu entgehen. Trotzdem ein wenig glanzvolles Ende für einen großen Abenteurer. Gelbfieber und andere infektiöse Krankheiten machten die Karibik, sowohl für Handelsschiffe als auch für die Piraten, zu einem heißen Pflaster. Nicht selten mussten mühsam errichtete Hafenstädte verlassen und an anderer Stelle wieder aufgebaut werden, da sie zu stark von Infektionskrankheiten heimgesucht wurden. Einen der wichtigsten Zusammenhänge, nämlich dass die Verbreitung so mancher Krankheit mit der Anwesenheit von Mückenschwärmen zusammenhing, sah damals vermutlich noch niemand.

Selbst Präsidenten kapitulieren

Das Gelbfieber-Virus fand im Lauf von 200 Jahren seine Verbreitung in der gesamten Karibik und sogar in weiten Bereichen Nordamerikas. 1793, als Philadelphia noch die Hauptstadt Amerikas war, wurde die damalige Bevölkerung von etwa 40.000 um etwa zehn Prozent durch eine Gelbfieber-Epidemie reduziert. Innerhalb einer Woche erkrankten Tausende und über sieben bis zehn Monaten ließ das Gelbfieber den Bürgern keine Ruhe. Panik breitete sich in der Stadt aus, das öffentliche Leben kam zum Erliegen. Die Versuche, das Gelbfieber durch Quarantäne einzudämmen, fruchteten nicht. Da nicht bekannt war, dass Mücken die übertragenden Vektoren darstellen, waren solche Maßnahmen natürlich hoffnungslos. George Washington und Thomas Jefferson wurden 1793 hilflos Zeuge, wie die Gelbfieber-Epidemie die Regierungsgeschäfte der Vereinigten Staaten vorübergehend beendete.

Die Geschicke der USA wurden noch mindestens ein zweites Mal durch das Gelbfieber entscheidend mitbestimmt. Als Napoleon um 1800 eine Neuerrichtung des Französischen Weltkultur in Amerika plante, lief dies natürlich den Interessen der Amerikaner in den jungen Vereinigten Staaten entgegen. Napoleon hatte seinen Anspruch auf das Territorium Louisiana mit Erfolg gegenüber dem früheren Besitzer Spanien eingefordert. Die diplomatischen Bemühungen der amerikanischen Regierung wenigstens die wichtige Region New Orleans zu kontrollieren, die das Eingangstor zum wirtschaftlich und militärisch bedeutenden Mississippi darstellt, schlugen zunächst fehl. Umso erstaunter waren die Diplomaten, als ihnen 1803 in Paris, nicht nur wie von ihnen gehofft, New Orleans zum Kauf angeboten wurde, sondern gleich ganz Louisiana. Was bedingte den plötzlichen Richtungswechsel Napoleons? Entscheidend waren sicher die Debakel, die der französischen Kolonialmacht in den Jahren 1800 bis 1803 in der Karibik widerfuhren. Napoleons Armeen erlitten herbe Verluste, vom Soldaten bis hinauf zum General, durch die dort immer wieder grassierenden Epidemien. Nur ein geringer Teil der Soldaten starb im Kampf, die meisten an Infektionen. Auf Haiti starb zum Beispiel im Jahr 1802 der größte Teil der polnisch-französischen Legion am Gelbfieber. Von 5300 Soldaten kehrten nur 300 nach Frankreich zurück. Sicher werden Krankheiten nicht der einzige Grund gewesen sein, die Gebiete in der Neuen Welt aufzugeben, aber es beeinflusste sicher Frankreichs Einstellung gegenüber diesen Ländereien.

Das Gelbfieber wurde die kommenden 100 Jahre zu einem guten, aber sehr ungern gesehenen, Bekannten vor allem im südlichen Nordamerika. In dieser Zeit lernten die Ärzte, dass Quarantäne nicht half, die Ausbreitung des Gelbfiebers zu verhindern, denn es schien nicht von Mensch zu Mensch übertragen zu werden. Es wurde ebenso offensichtlich nicht durch kontaminiertes Wasser oder Nahrung übertragen. Aber die Ärzte bemerkten auch, dass Infizierte oder Erkrankte die Krankheit trotzdem in eine andere, bisher nicht betroffene Region, transportieren konnten. Ein damals ungeklärtes Phänomen.

Die Entdeckung, dass das Gelbfieber eine durch Mücken übertragene Krankheit ist, wurde erst Anfang des 20. Jahrhunderts gemacht und ist eine Geschichte von geradezu militärischem Forschergeist, der sogar vor Selbstexperimenten nicht zurückschreckte.

Die Gelbfieber-Kommission

In den letzten Jahren des neunzehnten Jahrhunderts führte Walter Reed eine Kommission von Forschern an, deren Ziel es war, die Ursache des Gelbfiebers zu identifizieren. Diese Gelbfieber-Kommission der Armee der Vereinigten Staaten, bestand unter anderem aus Jesse Lazear, James Carroll und Aristides Agramonte. Die Kommission führte um das Jahr 1900 Experimente mit Freiwilligen im kubanischen Havanna durch. Noch 1900, als die Gelbfieber-Kommission ihre Arbeit in Havanna aufnahm, war die verbreitete Meinung, dass es sich um ein Bakterium handelt, dass das Gelbfieber verbreitet. Carlos Finlay hingegen, der auf Kuba geboren war, entwickelte bereits 1881 seine Theorie, dass Moskitos die Überträger des Gelbfiebers sein könnten. Nachdem die Forschung der Kommission Bakterien als Ursache ausgeschlossen hatte, wandte man sich der Theorie Finlays zu. Sowohl Finlay als auch andere Forscher, hatten zwischen 1850 und 1870 mehrmals versucht, zu zeigen, dass Moskitos die tödliche Krankheit übertragen können. Die Experimente waren aber entweder schlecht durchgeführt oder die erhaltenen Ergebnisse zweideutig. Einige einflussreiche medizinische Persönlichkeiten der damaligen Zeit, darunter William Sternberg, nutzten ihre Macht, um die Meinung durchzusetzen, dass Moskitos ganz sicher nichts anderes übertragen könnten als Blut von Menschen in ihren eigenen Darm. Wir wissen heute, dass Sternberg damit komplett falsch lag. Mücken übertragen über 50 gefährliche Krankheiten, darunter Malaria, die jedes Jahr weltweit unzählige Opfer fordert. Die meisten Angehörigen der Gelbfieber-Kommission glaubten anfangs auch nicht unbedingt an die Moskito-Hypothese, außer Lazear, der fest davon überzeugt war. Für die Experimente wurden frisch aufgezogene Moskitos benutzt, die zuvor keinen Kontakt zu Menschen hatten, um andere Infektionen so gut wie möglich auszuschließen. Die Moskitos durften schließlich an Gelbfieber erkrankte Personen stechen und danach Freiwillige, die von der Kommission ausgewählt wurden. Im ersten Versuch erkrankte allerdings keine einzige Versuchsperson.

Danach stellte sich ein Mitglied der Kommission, James Carroll, für einen Versuch zur Verfügung. Er ließ sich von einem Moskito stechen, der zwölf Tage zuvor einen schwer an Gelbfieber Erkrankten gestochen hatte. Zwei Tage später zeigten sich leichte Symptome bei Carroll. Er selbst vermutete zuerst eine leichte Erkältung, aber Agramonte war sich einen Tag später beim Anblick Carrolls absolut sicher, dass es Gelbfieber war. Die blutunterlaufenen, gelben Augen, die Schwäche und das steigende Fieber. Eine Untersuchung von Carrolls Blut schloss Malaria aus und so war die beste Erklärung für den schlechten Zustand von James Carroll das Gelbfieber. Carrolls Leben hing am seidenen Faden, sein Fieber stieg weiter und er wurde immer schwächer. Glücklicherweise waren die Blutungen bei ihm nicht so ausgeprägt und nach einigen Tagen war er wieder auf dem Weg der Besserung. Es dauerte aber noch mehrere Wochen, bis er sich ohne fremde Hilfe auch nur im Bett umdrehen konnte. Leider hatte Carroll einige Tage vor dem Experiment einen Gelbfieber-Kranken besucht und so konnte wieder nicht der eindeutige Schluss gezogen werden, dass es allein der Mückenstich war, der ihn krank machte. Man startete also zu einer weiteren Runde an Experimenten. Mit Jesse Lazear ließ sich das nächste Kommissionsmitglied stechen, ebenfalls wieder von einem Moskito, der 14 Tage zuvor einen Gelbfieber-Patienten stechen durfte. Wenige Tage nach dem Stich fühlte er sich schlecht, entwickelte eine Gelbsucht und erbrach Blut. Zwölf Tage nach Beginn des Experiments war er tot. Die Experimente hatten in Lazear ein grausames Opfer gefordert. Es war dadurch aber immerhin die notwendige Indizienlast zusammengekommen, um veröffentlichen zu können, dass Gelbfieber durch Moskitos übertragen werden kann. Außerdem wurde klar, dass nach dem Stich einer infizierten Person einige Zeit vergehen muss, bis der Moskito einen anderen Menschen infizieren kann. Sticht er diesen zu früh, bleibt die Erkrankung aus. Diese Tatsache wurde in frühen Experimenten irrtümlich als Beweis gegen die Moskito-Theorie gedeutet.

Die Experimente hatten ein Mitglied der Kommission das Leben gekostet und ein weiteres war dem Tod nur knapp entgangen, trotzdem benötigte es noch einige Zeit und weitere Experimente, bis die Moskito-Hypothese allgemein akzeptiert wurde. Immerhin konnten durch massive anti-Moskito Maßnahmen die Fallzahlen von Gelbfieber in Havanna von 1400 im Jahre 1900 auf keinen einzigen Fall im Jahr 1902 reduziert werden. Trotzdem starben noch 1906 beim Bau des Panama-Kanals Tausende von Arbeitern am Gelbfieber. Aber der erste wichtige Schritt zur Verringerung der Zahl der Gelbfieber-Opfer war gemacht. Noch heute erinnert ein Denkmal in einem kleinen Park im kubischen Havanna an Carlos Finlay, dessen wissenschaftliche Leistung und Intuition die Insel von einer karibischen Plage befreien half.

Als verstanden war, dass das Gelbfieber von Mücken übertragen wird und nicht direkt von Mensch zu Mensch, wurde auch klar, warum es so lange gedauert hatte, bis das Gelbfieber Amerika erreichte. Trotz intensiver Sklaventransporte über mehr als 50 Jahre von Afrika nach Amerika, tauchte das Gelbfieber erst etwa 1580 in der Karibik auf. Die acht bis zwölf Wochen dauernde Überfahrt über den Atlantik machte mehrere komplette Erregerzyklen notwendig. Mücken mussten nichtimmune Sklaven stechen, die daraufhin innerhalb weniger Tage Gelbfieber entwickelten, um wiederum von neuen mitreisenden Mücken gestochen zu werden, die dann wieder neue Individuen stechen und infizieren konnten, und immer so weiter. Weder durften alle an Bord befindlichen Personen während der Überfahrt immun gegen Gelbfieber werden, noch durften alle Infizierten sterben. In beiden Fällen bricht die Infektionskette ab und es kommen keine infektiösen Personen oder Mücken in der Neuen Welt an.

Auf einem Schiff, das in Barbados anlegte, scheint der Kontinental-Sprung dem Gelbfieber aber spätestens gelungen zu sein. Von dort breitete es sich über die großen karibischen Hafenstädte aus, bis in praktisch jeden Winkel der Karibik.

Impfschutz

Obwohl der Übertragungsweg des Gelbfiebers nun aufgeklärt war, gab es, außer sich vor Mücken zu schützen oder alle Mücken zu vernichten, keine Waffen gegen das Gelbfieber. Es dauerte etwa weitere 30 Jahre, bis erneut ein entscheidender Beitrag zur Bekämpfung des Gelbfiebers geleistet wurde. 1928 gelang es Adrian Stokes, Paul Hudson und Johannes Bauer ein Tiermodell für die Erkrankung zu finden. Sie entdeckten, dass Rhesus-Affen für Gelbfieber ähnlich empfänglich sind, wie Menschen. Damit war man für zukünftige Experimente nicht mehr auf Selbstversuche von Menschen angewiesen. Trotzdem erwischte das Gelbfieber noch viele weitere Wissenschaftler im Laufe ihrer Versuche und auch Adrian Stokes wurde leider einige Zeit nach seinen Entdeckungen davon dahingerafft.

1937 endlich, gelang Max Theiler, einem gebürtigen Südafrikaner, in New York an der Rockefeller Foundation der entscheidende Durchbruch. Er und Kollegen hatte entdeckt, dass Antikörper, gewonnen aus Serum von Menschen, die eine Gelbfieber-Infektion überlebt hatten, Affen vor einem tödlichen Verlauf des Gelbfiebers schützen konnten. Nachdem aus einem afrikanischen Gelbfieber-Patienten namens Asibi, das Gelbfieber-Virus isoliert wurde, hielt es Max Theiler solange im Labor in Kultur, bis es sich entscheidend verändert hatte. Es war mutiert, und zwar in einer Art, dass es bei Affen nur noch eine leichte Erkrankung hervorrief. Diese Variante des Gelbfieber-Virus wurde im Labor 17D genannt. Obwohl die Affen kaum erkrankten, produzierten sie nach der Infektion mit 17D Antikörper und die schützten sie gut vor Infektionen mit normalen Gelbfieber-Viren. Nach diesen Versuchen wurde auch das Laborpersonal mit 17D geimpft und es zeigten sich ähnlich gute Ergebnisse wie bei den Affen. Eine große Studie, die damals mit 59.000 Menschen durchgeführt wurde, ergab keine Impfopfer und etwa einen Schutz von 95 Prozent der Geimpften gegen Gelbfieber. Seitdem wurde der Impfstoff vielen Millionen Menschen - unter anderem auch dem Autor dieses Buches - verabreicht. Diese Erfolge, beziehungsweise die Entwicklung des 17D Impfstoffes, brachten Max Theiler 1951 den Nobelpreis ein.

Untersuchungen, die wesentlich später stattfanden, belegten, dass das 17D Impfvirus sich nur an etwa 30 Positionen seines Erbguts vom gefährlichen Gelbfieber-Virus der freien Wildbahn unterscheidet, trotzdem sind schwere Nebenwirkungen sehr selten [9, 10].

Hier sei noch ein interessanter Aspekt erwähnt, den Wissenschaftler an der Universität Padua vor kurzem zur Diskussion stellten: Sie halten es für möglich, dass eine Gelbfieber-Impfung möglicherweise auch gegen den schwarzen Hautkrebs, das maligne Melanom, schützen könnte. Sie schlussfolgern in ihrer Studie, dass die Ähnlichkeit bestimmter Bestandteile von Melanomzellen mit Bestandteilen des Gelbfieber-Virus zu einem möglichen Erfolg der Impfung gegen eine Krebsentstehung führen könnte [11] [18]. Allerdings zeigen Untersuchungen des amerikanischen Militärs, innerhalb eines Zeitraums von zehn Jahren nach der Impfung, nur leichte Hinweise auf eine verringerte Hautkrebs-Häufigkeit. Aber auch ohne diesen Effekt hätte die Entdeckung von Max Theiler bereits genug Menschenleben gerettet.

Eine Impfung, die tötet

Der Erfolg, den Max Theiler Mitte des letzten Jahrhunderts mit der Entwicklung einer Gelbfieber-Schutzimpfung hatte, machte Hoffnung darauf, dass auch bald eine Schutzimpfung gegen Denguefieber verfügbar sein würde, wenn man nur mit großem Einsatz daran arbeitete. Dies stellte sich als fataler Irrtum heraus. Unzählige Anläufe wurden unternommen eine Dengue-Schutzimpfung herzustellen, aber alle Versuche schlugen fehl und es gelang einfach nicht eine wirksame und sichere Impfung zu entwickeln [12]. Einige der Versuche, Affen mit einem Impfstoff zu immunisieren, schlugen besonders dramatisch fehl. Die Affen wurden nach der Immunisierung dem Dengue-Virus ausgesetzt und anstatt dagegen geschützt zu sein, entwickelte die Mehrzahl der vorher geimpften Affen eine schwere Verlaufsform des Denguefiebers mit Blutungen, an denen sie schließlich starben. Das war ein schlimmer Rückschlag, der die Hoffnungen zunichtemachte, bald auch diese Plage in den Griff zu bekommen. Was war passiert? Man hatte offensichtlich eine Kleinigkeit übersehen und deutlich unterschätzt. Weiter vorne in diesem Kapitel war bereits die Rede davon, dass es vier verschiedene Subtypen von Dengue-Viren gibt. Wird man gegen nur einen Subtyp geimpft, kann eine Infektion mit einem der drei anderen Subtypen sogar noch schwerere Symptome auslösen, als das bei ungeimpften Menschen der Fall gewesen wäre. Man könnte 1317