conTEMPart-Edition
Michael Holst: LANDSCHAFT
photographien
Herausgegeben von Marcellus M. Menke
conTEMPart-Edition. Köln.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation
in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische
Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.
© 2021 Marcellus M. Menke
Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN: 9783755789710
Inhaltsverzeichnis
hängungsplan
02.007
saal 1
01.098
eingang
02.021
saal 2
02.031
saal 3
saal 4
gesamtansicht general view
02.041
saal 4a
02.049
saal 4b
02.048
saal 4c
„eigentlich ist alles landschaft“
Transkript des Podiumsgesprächs, das Katrin Schubert am 11. Oktober 2021 bei der Finissage mit Michael Holst führte.
“actually everything is landscape”
Transcript of the panel discussion Katrin Schubert had with Michael Holst at the finissage on October 11, 2021.
Katrin Schubert: Lassen Sie mich mal mit einer Provokation anfangen, auch wenn Sie vielleicht sagen mögen, dass der Künstler für die Provokation zuständig ist (lächelt). Ich versuche einfach einmal die Rollen zu tauschen: Landschaft, also, wenn ich die Ausstellung nicht gesehen hätte, die Faszination dieser wunderbaren Bilder, die ja manchmal fast eine magische Wirkung haben, vielleicht auch durch die Art wie sie in den Räumen präsentiert werden, also dann hätte ich wahrscheinlich gesagt: Landschaft? Was soll das? Ist das ein aktuelles Thema heute: Landschaftsphotographie?
Katrin Schubert: Let me start with a provoca-tion, even if you might say that the artist is responsible for the provocation (smiles). I'll just try to swap roles for once: Landscape, well, if I hadn't seen the exhibition, the fas-cination of these wonderful pictures, which sometimes have an almost magical effect, perhaps also because of the way they are presented in the rooms, well, then I probably would have said: Landscape? What's that about? Is that a current topic today: landscape photography?
landschaft
landscape
Michael Holst: Ich finde das eine gute Frage und gar keine Provokation (lacht). Kunstgeschichtlich ist Landschaft oder Landschaftsmalerei, Landschaftsphotographie, ja ein ganz klassisches Thema. Und klassische Themen sind wichtig, deshalb sind sie ja klassische Themen. Da habe ich gar keine Angst mich dem zu stellen. Und dann ist es einfach ein sehr vielfältiges Thema. Was um uns herum ist, ist Landschaft. Eigentlich ist alles Landschaft könnte man sagen, auch wenn das natürlich falsch ist, oder einfach eine unsinnige Definition. Aber es ist ja zum Beispiel auch immer die Frage, wann es Landschaft ist, das was ich da photogra-phiere, und wann es zum Beispiel das Por-trait eines Baumes ist, wie er da steht, in der Landschaft.
Katrin Schubert: Ja gut, das verstehe ich. Aber es gibt viele klassische Themen, deshalb noch einmal meine Frage: Warum Landschaft?
Michael Holst: Also wenn Sie eine ganz persönliche Antwort wollen, dann einfach weil ich in ihr bin und weil sie mich inspiriert. Auch weil ich mich mit ihr auseinandersetze, auseinandersetzen muss und auch will, und das mache ich eben mit der Photographie, mit der Malerei natürlich auch, aber in dieser Ausstellung, in diesem Projekt eben mit der Photographie.
Michael Holst: I think that's a good question and not at all provocative (laughs). In terms of art history, landscape or landscape paint-ing, landscape photography, is a very classi-cal subject. And classical subjects are impor-tant, that's why they are classical subjects. I'm not at all afraid to face that. And then it's just a very diverse subject. What is around us is landscape. Actually, everything is landscape, you could say, even if that's wrong, of course, or simply a nonsensical definition. But it's always a question, for example, whether it's landscape, what I'm photograph-ing there, or whether it's the portrait of a tree, for example, standing there in the landscape.
Katrin Schubert: Yes, okay, I understand that. But there are many classic subjects, so once again my question: why landscape?
Michael Holst: Well, if you want a very personal answer, then simply because I am in it and because it inspires me. Also because I deal with it, have to deal with it, and also want to deal with it, and that's what I do with photography, with painting, too, of course, but in this exhibition, in this project, I do it with photography.
ganz persönlich
very personal
Katrin Schubert: Es gibt auch Zeichnungen von Ihnen in der Ausstellung, auch wenn diese so auf den ersten Blick gar nicht als Zeichnungen ins Auge fallen.
Katrin Schubert: There are also drawings by you in the exhibition, even if they don't strike you as drawings at fi rst glance.
„wie kratzer oder eine Verunreinigung“
“like Scratches or impurities”
Michael Holst: Sie meinen die Gestaltung der Wände.
Katrin Schubert: Ja. Das sieht ja manchmal
- entschuldigen Sie, dass ich das so sage -aus wie Kratzer oder eine Verunreinigung, diese schwarzen Linien, die sich erst einmal gar nicht zuordnen lassen.
Michael Holst: Ja. Aber es ist ja schön, dass Sie diese Linien als Zeichnungen identifiziert haben. Und es sind in der Tat Zeichnungen.
- Ich habe als Kind, schon als sehr kleines Kind, immer gerne in den Bücherschränken meiner Eltern gestöbert. - Die Neugierde ist ja etwas ganz wichtiges, und ich möchte jeden dazu ermutigen sich das beizubehalten. - Wir hatten im Wohnzimmer einen großen Schrank, so klassisch aus Eiche und im unteren Bereich des Schrankes waren vor den Fächern Türen, die ich als Kind schon gut öffnen konnte. Und da waren alles Bücher, meist größere und schwerere Bücher, Bildbände zum Beispiel. Die hatten meine Eltern da hingestellt, weil sie da auf dem Sockel des Schrankes standen und dort die Schrankböden nicht durchbiegen konnten. Schwere Bücher können ja auch recht stabile Regalbretter oder die Einlegeböden von Schränken durchbiegen. Und da gab es auch einen Bildband über steinzeitliche Höhlen, über die von den ersten Menschen bewohnten Höhlen, und da waren auch diese wunderbaren Höhlenmalereien abgebildet. Teilweise als großformatige farbige Photographien, aber auch als Zeichnungen. Ich denke das waren Zeichnungen, schwarz-weiße Strichzeichnungen, die die Archäologen zur Dokumentation angefertigt hatten. Und diese Zeichnungen sind ja sehr abstrakt. Und das hat mich als Kind schon sehr angesprochen. Und auf den Innenseiten des Buchdeckels waren auch einige Linien dieser Zeichnungen, einfach als grafisches Motiv, einige Striche, recht grob und in Rot auf dem weißen Papier, mit dem die Innenseite des Buchdeckels vorne und hinten ausgekleidet war.
Viel später, da war ich schon im Gymnasium, hat meine Mutter einmal an einem Abend in dem Buch geblättert und zu mir, als ich in den Raum kam gesagt: „Schau mal, das ist eines der Bücher in die du als Kind gemalt hast." Und ich war ganz erstaunt, denn ich war mir sicher, dass diese Zeichnungen da nicht von mir waren. Und ich habe mir die Seiten genau angeschaut und das war gedruckt. Man konnte gut das Raster des Drucks sehen. Aber meine Mutter wollte das nicht glauben, selbst als ich ihr mit einer Lupe das Raster des Druckes zeigte, hat sie es nicht geglaubt. Sie war sich ganz sicher, dass diese Linien von mir waren. Seitdem habe ich immer ab und zu einmal solche Linien gezeichnet, nicht in Bücher und nicht auf Wände, so wie das ja eigentlich bei der Höhlenmalerei ist, aber es sind daraus ganze Hefte entstanden. Ich mag ja diese kleinen Hefte, die ich immer mit mir herumtrage und in die ich immer schnell mal etwas zeichne, wenn mir etwas einfällt.
Und als ich jetzt für die Ausstellungskonzeption mir Gedanken gemacht habe, wie man die Wände gestalten könnte, die wir in die Ausstellungsräume eingebaut haben, um alle Bilder platzieren zu können, da kam mir
- als das Team schon gegangen war, und ich mir noch einmal alles angeschaut habe, so um zu wissen, wie weit wir gekommen sind und was noch zu tun ist am folgenden Tag
- da kam mir irgendwie der Gedanke, dass ich dachte, das ist jetzt deine Chance, hier hast du einmal so viele wunderbare Wände, auf die du diese Linien zeichnen kannst. Die Höhlenmalereien sind ja auch Landschaftsmalereien, Tiere in einer Landschaft, teilweise auch Himmel und Sterne. Einige lassen sich ja sogar einem ganz konkreten Datum, einer konkreten astronomischen Konstellation, zuordnen. Das ist schon spannend. Und jetzt, als ich so in dem Rohbau der gerade frisch gestrichenen Ausstellungswände stand, da war da dieser große Impuls in mir, da Linien einzufügen, diese Linien der Landschaften, da wo eine Linie die Geschichte einer ganzen Landschaft erzählt, so wie die Höhlenmalereien es tun, und dann habe ich wirklich angefangen diese Linien zu zeichnen, auf die frisch gestrichenen Wände. Und das war ein Akt der Genese und das hatte auch etwas Befreiendes und etwas von Heimkommen, von Ankommen nach langer Zeit oder Reise. Und erst habe ich das nur so für mich gemacht, und gedacht, morgen nimmst du einen Eimer Farbe und überstreichst das Ganze wieder und wenn die Maler kommen, am Nachmittag, um ihre Arbeit weiter zu machen - wir haben ja einen sehr engen Zeitplan beim Aufbau der Ausstellung gehabt -, dann ist das alles schon wieder vergessen, abgewischt, überstrichen. Es war einfach nur so für mich. Aber dann habe ich es gelassen und so sind diese Linien in die Ausstellung gekommen.
Michael Holst: You mean the design of the walls.
Katrin Schubert: Yes. Sometimes it looks — excuse me for saying so — like scratches or impurities, these black lines that at first can't be assigned at all.
Michael Holst: