Möwe—Jahrgang 1949
Die Zeit fießt wie im Gezeitenstrom im rasanten Auf und Ab, in der Dünung des Schicksals und des täglichen Wechsels der Farben wie das Meer.
Am 29. März 1949 erblickte ich in Itzehoe das Licht der Welt. Das Salzwasser in meinen jungen Adern kam von meinen Vorfahren. Mit bereits 14 Jahren fuhr mein Vater zur See, damals noch als Kohlenschipper in den Kohlebunkern der Dampfschiffe. Er arbeitete sich hoch bis zum Chief (leitender Ingenieur).
Gebürtig kam mein Vater von der Insel Rügen und meine Mutter aus Brandenburg. Dorthin zogen wir wieder zurück, um Anfang der 50er vor dem neuen Staat und deren Politik zu flüchten.
Vom Flüchtlingslager im ausgebombten Berlin – über Hannover und Ulm mit Endstation Mannheim, wo mein Vater im Jugendsozialwerk eine Anstellung zum Lehrlingswart bekam. Später wurde er technischer Leiter in der Margarineunion Mannheim.
Ich hasste es in dieser Stadt zu leben, obwohl der Binnenhafen mein liebstes Spielrevier wurde. Ein altes angeschwemmte Holzboot war mein Schicksal. Ich dichtete es mit Pech ab und nun besaß ich mein erstes eigenes „Schiff“.
Mein Berufswunsch stand bereits in den ersten Volksschuljahren fest „ich will zur See“. Ich hatte mehr Spaß am Knoten und Spleißen, als die Hausaufgaben zu machen. Mit 12 Jahren hatte ich mein erstes Navigationsbuch gelesen und mich mit Standorten und Kursdreieck mehr beschäftigt als mit schnöden Gleichungen. Mit knapp 16 Jahren ging ich aus dem Haus, um Schiffszimmermann zu werden. So lernte ich alle Schiffstypen der herrlichen alten Frachter kennen. Leider mussten diese schönen Frachtschiffe den heutigen hässlichen Pötten weichen, da sie nicht mehr rentabel waren. Oft denke ich an die schönen Schwergutfrachter mit ihren ausgeprägten Ladegeschirren und V-Masten und als alter Seemann kommt man aus dem Schwärmen nicht heraus. Als dann der „Barras“ (Militär) nach mir rief, versuchte ich einen Deal zu machen. Marine und Gorch Fock! Es hat funktioniert und die schönste Zeit meines bisherigen Lebens begann.
Es ist viel noch in den drauffolgenden Jahren geschehen und jetzt im vorgerückten Alter erinnere ich mich oft an die „Schönste und erlebnisreichste Zeit meines Lebens“ und beschloss, sie in Reimen und Prosa festzuhalten. Zum einen für mich, für meine Kinder und Enkel sowie als Erbauung für Gleichgesinnte und Solche, die die Seefahrt lieben. Auch sollen meine Zeilen die Diskrepanz zwischen heute und früher zeigen. Das Leben auf dem Schiff mit all seinen Ritualen, wie Äquator- und Polartaufe, Deckscheuern mit „Gebetbuch“ sprich Sandstein und Sand. Alles tief verwurzelt in der Seefahrt, aber jetzt abgeschafft, weil falsch verstandene Humanität es angeblich nicht mehr zulässt. Aber falsche Humanität und Angst vor Autorität bewirken in der heutigen Zeit, dass der seemännische Nachwuchs nicht mehr in diese flexible Belastbarkeit erzogen wird und kaum noch plötzlichen Herausforderungen gewachsen ist. Autorität ist nun mal nötig, um führen zu können.
Die Autorität, die ich auf dem Segelschiff erlebt habe, war geprägt von Durchsetzungskraft, aber auch von Kameradschaftlichkeit und ohne Arroganz. Wir hatten Vertrauen zu unserer Schiffsführung und sie respektierten uns, ohne Überheblichkeit. Das hat mich geprägt und später als Vorgesetzter, meinen Führungsstil bestimmt. Was ein von der Seefahrt unbedarfter Leser wissen muss – es gibt eine Vergangenheit und ein Heute mit klaffenden Unterschieden.
In humorvoller Weise – gereimt und ungereimt zeigt dieses Büchlein inspiriert von den Erlebnissen mit und auf der Gorch Fock, Fahrensgeschichten und Gedichte auf. Seefahrt, wie sie früher einmal war und jetzt der Vergangenheit angehört.
Ein besonderes Dankeschön geht in diesem Sinne an meinen alten Kapitän Hans Freiherr von Stackelberg, der mir beratend zur Seite stand.
Volker Sturmat, genannt „Möwe“
So as dien Nom is,-kortt un stark,-
so wür dien Leben,wür dien Wark.
Du kämst ut,n Dok.Di kinn keeneen.
Nüms harr di vörher hört un seehn.
Du stündst up eenmol groot un free,
stündst as‵n Füertorn up See
un smeetst dien Licht un smeetst dien Wort
"Seefoahrt is noot!"no Süd un Nord,
in jeeden Hoben,jeeder Look:
Hier kummt Gorch Fock!
So as dien Beuker,-ganz vull Sünn,-
wür ook dien letzte groote Stünd`n,
wür ook de Obend vör dien`n Doot:
Du seetzt in‵n Mastkorf.Hill un root
stünd rund de Heben up de Kimm.
Harrst Blitz un Bleistern üm di rüm,
harrst hunnert dütsche Schep in Sicht.
Wür all een Blinkern un een Licht.
Dien Flagg weih hoochup an de Nock:
Hier steiht Gorch Fock!
So as du sülben wesen büst,
so still un steenern is de Küst,
so slicht un eenfach is dien Graff.
Wied,wied van Stadt un Minschen af
liggst du un slöppst.De Kluckerseen
spelt mit de Muscheln,mit de Steen.
De Meeben luert,de Seewind swigt.
Un steil ut‵t blanke Woter stigt
ohn Krüz un Kranz een Filsenblock:
Hier ligt Gorch Fock
von Rudolf Kinau.
Seefahrt ist Not
Möwe
Der einstige Obermaat der kaiserlichen Marine Wilhelm Lammers beantragte 1925 beim Bund Deutscher Marinevereine, eine für die im 1. Weltkrieg gebliebenen Kameraden ein würdiges Ehrenmal zu schaffen.
Am 3. Juli 1926 wurde dem stattgegeben.
Der Turm wurde vom 1. August bis zum 9. November 1929 in nur 101 Tagen gebaut. Er ist 85 m hoch und hat 2 Aussichtsplattformen.
Er ist ein Mahnmal für die auf See Gebliebenen aller Nationen und für eine friedliche Seefahrt auf allen Meeren.
Gruß Möwe
Wie der ausgestreckte Finger an der Hand-
Mahnend ? Drohend ? -So ragt er weit über See und Land.
Anklagend und gedenkend zugleich - an die Schlachtfelder auf See.
Ein Mahnmal für die Ewigkeit - die Erinnerung tut weh.
Gehst Du hinein in diesen stillen
Ortträgt es Dich in die Vergangenheit hinfort-
tausende Namen von Seeleuten - die gaben ihr Leben dahin-
in grausamen Kriegen - wo lag der Sinn ?
Qualvoll starben sie in U-Boot-Kriegen-
oder glaubten auf den Schlachtschiffen noch im Tod ans Siegen-
Torpedos töteten Matrosen auf Handelsschiffen-
hat je einer den Sinn begriffen ?
Steigst Du in die Gedenkhalle hinab -
so ist es, als steigst Du in ein Grab.
Entblöße Dein Haupt und schweige....
auf das Du Dich ehrfürchtig vor dem Tod verneige.
Namen auf Kränzen von Seeleuten sie starben in des Meeresweiten-
wie viele Mütter wohl um ihre Söhne weinten?
Matrosen - die nie wieder kamen....
Frauen, die um ihre Männer weinten - der Krieg kannte kein Erbarmen.
Dafür stehst du da - du Ehrenmal von Laboe
als Mahnung an die Menschen reckst du dich in des Himmels Höh-
mögen nie wieder Schlachtfelder auf See entstehen -
vielleicht werden die Völker sich durch deine Mahnung endlich besser verstehen.
Seefahrt ist Not
Möwe
(Melodie nach dem Lied: Wir lieben die Stürme)
Wir lieben die "Gorch Fock" - unsere "alte, weiße Lady" -
den schlanken Bug und den gold'nen Albatross-
wir standen auf den Masten und setzten die Segel-
und fühlten uns frei-wie ein Reiter auf seinem Roß -
Heijo-heijo-heijo- ho-heijo- ho-heijo-ho -
Wir ritten auf Dir durch die haushohen Wogen -
durchpflügten das Meer und trotzten dem Sturm -
so sind wir mit dir hinausgezogen -
den Blick weit voraus-an Land war es uns zu dumm -
Heijo-------
Du Gorch Fock bist noch immer unsere Liebe -
wir bleiben dir immer- immer Treu -
unser Herz segelt mit und wünscht sich, dass es so bliebe -
doch wir sind nun an Land und alles ist nun für uns vorbei.
Heijo---------
Gorch Fock-segel weiter- und gute Reise-
viel Wind- und immer eine Handbreit Wasser unter'm Kiel -
zieh durch die Meere und Segel nach alter Weise -
wir sind im Herzen dabei- und komm DU gut an Dein Ziel.
Heijo---------
Seefahrt ist Not
Möwe
Gorch Fock, Du stolze alte Dame-
Du trägst Deinen Namen in die weite Welt-
bist unterwegs so viele Tage-
jedes Land heißt Dich willkommen und Du hast die Verbindung hergestellt-
Du bringst den Menschen die Hoffnung auf den Frieden-
überall jubeln sie Dir zu-
damit Völker sich nicht mehr bekriegen-
der Hoffnungsträger-der bist Du-
mit Deinem schlanken Rumpf unter weißen Segeln-
ziehst Du Deine lange Bahn-
verbinde weiter Völker an allen Meeren-
und komme überall gut an.
Seefahrt ist Not
Möwe
Bald heißt es wieder "Leinen los"-
und die "Alten" zieht es hinaus-