Daniel Stelter
EIN TRAUM VON EINEM LAND
Deutschland 2040
Campus Verlag
Frankfurt/New York
Über das Buch
Es geht um Deutschlands Zukunft!
Die Ära der Krisenkanzlerin Angela Merkel geht zu Ende. Mit einer Krise, die allen
alles abverlangt. Doch nicht erst seit Corona steht Deutschland vor unbewältigten
Herausforderungen und großen Lasten für die Zukunft. Wie kann es unserem Land gelingen,
in den entscheidenden Fragen unserer Zeit endlich voranzukommen?
Dieses Buch gibt Wählerinnen und Wählern Orientierung und listet die Aufgaben in den
einzelnen Handlungsfeldern auf. Politiker werden zeigen müssen, ob sie erfolgreich
die Weichen für eine prosperierende Zukunft unseres Landes stellen können, oder ob
es bei einem Kurs des Verzagens bleibt. Top-Ökonom und Vordenker Daniel Stelter skizziert
die wichtigsten Punkte, an denen sich jedes Wahlversprechen messen lassen muss. Deutschland
muss endlich
• professionell und intelligenter gemanagt werden,
• den Klimaschutz neu denken,
• Digitalisierung und Infrastruktur priorisieren,
• die kommende Generation mit einem Bildungspakt absichern,
• sein Vermögen besser anlegen,
• mehr investieren statt konsumieren und
• seine Rolle in der Welt selbstbewusst einnehmen
Jetzt nicht nur träumen, sondern handeln!
Vita
Dr. Daniel Stelter ist Bestseller-Autor und Gründer des auf Strategie und Makroökonomie spezialisierten Forums beyond the obvious. Er ist Experte für Wirtschafts- und Finanzkrisen und berät internationale Unternehmen und Investoren zu den Herausforderungen der sich stetig wandelnden globalen Märkte.Dr. Daniel Stelter ist Bestseller-Autor und Gründer des auf Strategie und Makroökonomie spezialisierten Forums beyond the obvious. Er ist Experte für Wirtschafts- und Finanzkrisen und berät internationale Unternehmen und Investoren zu den Herausforderungen der sich stetig wandelnden globalen Märkte.
Vom Träumen zum Handeln
Deutschland 2020 – kein glückliches Land
In den 2020er-Jahren kippt die Entwicklung
Politikwende unerlässlich
Was Sie in diesem Buch erwartet
1.Das Ziel: Mehrung des Wohlstands
Auf der Suche nach dem Glück
Wohlstand ist nicht alles
Wohlstand ist kein Zufall
2.Ordentliche Buchführung
Das Märchen von der »schwarzen Null«
Gewinnen wir jeden Monat im Lotto?
Rentenversicherung als Ponzi-Schema
Die Lösung: Erstellen einer Bilanz
Entscheidungen transparent machen
Sauber rechnen
3.Denken in Zusammenhängen
Mietenpolitik zugunsten von Reichen, Besitzenden und Alten
Kohleausstieg – 80 Milliarden Euro für nichts?
Systemisches Denken ist Pflicht
4.Von anderen lernen
Mehr Ikea wagen
Das Beste der Welt nutzen
5.Sauber rechnen – jemand muss es machen
Qualitätsprüfung für Gesetze
Weniger ist mehr
Das Instrumentarium steht fest
6.Das ungenutzte Jahrzehnt
Zehn tolle Jahre
Boom dank externer Faktoren
Die Fitness leidet
Die Strukturkrise ist da
Corona als Brandbeschleuniger
Armes Volk, reicher Staat?
Massive versteckte Lasten
Private Vorsorge gefährdet
Vertane Chancen
7.Mehr Menschen in Arbeit bringen
Deutschlands globaler Abstieg scheint ausgemacht
Die Erwerbsbevölkerung schrumpft
Szenarien für eine größere Erwerbstätigenzahl
2030 machbar – 2040 schwer
8.Der Weg zum Produktivitäts-Champion
Ein Kraftakt
Mehr Investitionen sind unerlässlich
Bereinigung der Corona-Folgen
Staatliche Investitionen
Energieversorgung und Energiekosten
Erhalt der Regionalbanken
Bildung und Qualifikation
Automatisierung als Chance
Mehr Innovationen
Priorität für produktive Sektoren
Wirtschaftsfreundliche Rahmenbedingungen
Deutschland – Produktivitäts-Champion
9.Investitionen sind Pflicht
Investitionen statt Konsum
Wie hoch soll die Staatsquote sein?
Prioritäten bei den Staatsausgaben neu ordnen
Es wird Zeit, dass wir ein reiches Land werden
10.Neustart im Klimaschutz
Energie ist eine Grundlage des Wohlstands
Die Bekämpfung des Klimawandels ist teuer
Der spezielle deutsche Weg
Der wirtschaftliche Blick
Wenn Innovation die Lösung ist, warum geben wir so wenig dafür aus?
11.Reform der Europäischen Union
Machen wir uns ehrlich
Schulden- und Transferunion – kein Konzept zur Lösung der Probleme
EU-Zerfall führt zu hohen Kosten
Der Euro muss reformiert werden
Altschuldenfonds und Parallelwährungen
Ein Programm zur Stabilisierung der EU
Deutschland muss auf Wandel dringen
12.Wehrhaft und hilfsbereit
Verteidigung ist auch unsere Aufgabe
Effizient und effektiv in der humanitären Hilfe
13.Mehr Vermögen für alle
Das fehlende Vermögen der Mitte
Ahnung von Geld macht glücklich
Nur 25 Prozent haben Immobilien
Staatsfonds zur Diversifikation des Vermögens
Reiches Volk statt reichem Staat
Target2 mobilisieren
14.Die öffentlichen Aufgaben gerecht finanzieren
Wer trägt den Staat?
CO2-Steuern wirken regressiv
Grundeinkommen mit falschem Anreiz
Chancen- statt Ergebnisgleichheit
Ideen zum Umbau der Staatsfinanzierung
Spielraum zur Abgabensenkung nutzen
Ein Traum, den wir gemeinsam realisieren können – und müssen!
Reformen der Politik
Ein neues Narrativ
Wir Bürgerinnen und Bürger sind gefordert
Anhang
Verzeichnis der Abbildungen
Tabellenverzeichnis
Anmerkungen
Vom Träumen zum Handeln
1.Das Ziel: Mehrung des Wohlstands
2.Ordentliche Buchführung
3.Denken in Zusammenhängen
4.Von anderen lernen
5.Sauber rechnen – jemand muss es machen
6.Das ungenutzte Jahrzehnt
7.Mehr Menschen in Arbeit bringen
8.Der Weg zum Produktivitäts-Champion
9.Investitionen sind Pflicht
10.Neustart im Klimaschutz
11.Reform der Europäischen Union
12.Wehrhaft und hilfsbereit
13.Mehr Vermögen für alle
14.Die öffentlichen Aufgaben gerecht finanzieren
Ein Traum, den wir gemeinsam realisieren können – und müssen!
Register
»Trotz der materiellen Zufriedenheit ist die Generation Mitte durch die weltweiten Krisen, den Verlust an politischer Stabilität in Deutschland und die Veränderung des gesellschaftlichen Klimas zutiefst verunsichert.«
Renate Köcher, Institut für Demoskopie Allensbach
»Keiner darf für sich den Besitz der Wahrheit beanspruchen, sonst wäre er unfähig
zum Kompromiss und überhaupt zum Zusammenleben; er würde kein Mitbürger, sondern ein
Tyrann. Wer das Mehrheitsprinzip auflösen und durch die Herrschaft der absoluten Wahrheit
ersetzen will,
der löst die freiheitliche Demokratie auf.«
Richard von Weizsäcker (1920 bis 2015),
von 1984 bis 1994 Bundespräsident Deutschlands
Warum will ich mit Ihnen träumen? Warum von Deutschland im Jahr 2040? Weil ich Sie auf eine Reise mitnehmen möchte – eine Reise, die vom Träumen hinführt zum Handeln.
Der Traum ist schnell formuliert: Deutschland soll auch im Jahr 2040 ein glückliches und wohlhabendes Land sein, in dem sozialer Friede herrscht und der Wohlstand gerecht verteilt wird. Es soll ein Land sein, das seinen Verpflichtungen in Europa und der Welt nachkommt.
Wer würde sich diesem Traum nicht anschließen wollen?
Mit dem Träumen ist es nicht getan. Wir müssen prüfen, ob wir heute die Weichen richtig stellen, damit der Traum auch eine Chance hat, Realität zu werden. Diese Prüfung fällt in vielerlei Hinsicht ernüchternd aus. Die Voraussetzungen fehlen oft – und vor allem fehlt die Bereitschaft, heute das zu tun, was erforderlich ist. Noch können wir das ändern, und das sollten wir auch tun. Viel Zeit bleibt nicht mehr. Für viele Maßnahmen, die ergriffen werden müssen, bleiben nur wenige Jahre Zeit.
Nicht erst mit Corona wird immer deutlicher, dass vieles entschieden falsch läuft mit der Wirtschaftspolitik in Deutschland. Die Unzufriedenheit in weiten Teilen der Bevölkerung trotz eines fast zehnjährigen Aufschwungs und eines deutlichen Rückgangs der Arbeitslosigkeit war schon 2019 nicht zu übersehen.1 Ein Weiter-so wie vor Corona wird es nicht geben, und es wäre auch grundlegend falsch. Deutschland braucht eine massive Kehrtwende hin zu einer intelligenten Wirtschaftspolitik, denn nur so können wir die Zukunft sichern.
Obwohl Deutschland sich deutlich besser als andere Länder von der Finanz- und Eurokrise erholt hatte, lag das Wachstum auch hierzulande bis zum Ausbruch der Corona-Pandemie unter dem Vorkrisentrend von 2007. Eine wichtige Ursache dafür ist der deutliche Rückgang der Produktivitätszuwächse. Diese Entwicklung ist nicht allein auf Deutschland beschränkt. Dennoch ist ein Nullwachstum der Produktivität ein schlechtes Omen für ein Land, das vor einem erheblichen Rückgang der Zahl der Menschen zählt, die die Erwerbsbevölkerung bilden.
Zugleich hat Deutschland sich immer abhängiger vom Export gemacht. Während die Binnennachfrage zurückblieb, wurden die Exporte zur entscheidenden Stütze der Wirtschaft. Wesentliche Ursache für die geringe Binnennachfrage sind die seit Jahren langsam steigenden Löhne, die immer höhere Abgaben- und Steuerlast und die unzureichenden Investitionen des Staates in Infrastruktur, Innovation und Digitalisierung.
Die Exportüberschüsse, die wir erzielen, führen bei unseren Handelspartnern – nicht nur in den USA eines Donald Trump – zu zunehmender Unzufriedenheit und dienen als wesentliches Argument, wenn es darum geht, Zahlungen von Deutschland zu fordern, wie zuletzt beim EU-Gipfel im Sommer 2020 zu beobachten war. Leisten wir dann Transfers – allein für den europäischen Wiederaufbaufonds im Umfang von mindestens 80 Milliarden Euro –, dann ist das ökonomisch so, als würden wir beispielsweise unsere Autos verschenken. Das kann man machen, nur muss man dann auch fragen, wer die Lasten dieser Geschenke zu tragen hat und wer davon profitiert. Konkret gesprochen nützen sie den Eigentümern deutscher exportorientierter Firmen; die Kosten hingegen tragen alle Bürgerinnen und Bürger.
Hinzu kommt, dass mit Exportüberschüssen entsprechende Kapitalexporte einhergehen. Studien zeigen indes, dass niemand seine Ersparnisse im Ausland so schlecht anlegt wie die Deutschen. Wo immer es etwas zu verlieren gibt – zum Beispiel am US-Immobilienmarkt –, ist Deutschland ganz vorne mit dabei. Mindestens 400 Milliarden US-Dollar gingen allein dort verloren.
So vollbringen die Deutschen das »Wunder«, gut zu verdienen, zugleich aber über deutlich weniger Vermögen zu verfügen als ihre Nachbarn, vor allem jene in den Ländern, denen Deutschland mit großzügigen Zahlungen hilft. Liegt das Privatvermögen in Deutschland beim 3,8-Fachen des Bruttoinlandsprodukts (BIP), so freuen sich die Italiener über ein Privatvermögen in Höhe des 5,5-Fachen des BIP. Auch die Rentenansprüche sind in den meisten Nachbarländern deutlich höher als bei uns.
Hinzu kommt, dass die Vermögen in Deutschland besonders ungleich verteilt sind. Dies liegt aber nicht daran, dass die Reichen in Deutschland über mehr verfügen als die Reichen in Italien, Frankreich oder Spanien, sondern dass der deutsche Mittelstand kaum vermögend ist. Da tröstet es wenig, dass die Vermögensverteilung in Deutschland sich dann, wenn man Renten- und Pensionsansprüche berücksichtigt (was man natürlich tun sollte), als deutlich weniger ungleich darstellt.
Derweil gilt der deutsche Staat als »reich«, zumindest im Vergleich mit seinen europäischen Nachbarn. Dies aber nur, weil Deutschland im Kreis der OECD-Staaten die zweithöchste Abgabenlast trägt und weil zugleich die Zinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) erhebliche Mittel, die im privaten Sektor erspart werden, zum Staat umverteilt.
Kurz gefasst: Deutschland ist ein Land mit enttäuschender realer Netto-Einkommensentwicklung, geringen Vermögen, die zudem auch noch ungleich verteilt sind, und einem Staat, der den Bürgerinnen und Bürgern viel Geld abnimmt, das er indes nur unzureichend investiert. Zugleich wird der vermeintliche Reichtum von der Politik ins Feld geführt, um zu begründen, dass das Land sich leisten kann, was politisch gewünscht wird: von einer großzügigen Migrationspolitik über eine teure Energiewende bis hin zur Rolle des europäischen Zahlmeisters.
Bis jetzt ging diese Politik noch einigermaßen gut. Das Wachstum vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie war ausreichend, die sozialen Ausgabenprogramme der Regierung – Mütterrente, Rente mit 63 – stellten die Bürgerinnen und Bürger zufrieden, und die hohen Abgaben hat ja ohnehin nur eine Minderheit der Bevölkerung zu schultern – lebt doch mehr als die Hälfte von Transfers.2
So gilt auch hier der alte Spruch der ehemaligen britischen Premierministerin Margaret Thatcher, »dass es so lange gut geht, wie einem das Geld anderer Leute nicht ausgeht«. Doch genau vor diesem Punkt steht Deutschland in den kommenden Jahren: dem Punkt der völligen wirtschaftlichen Überforderung. Verschiedene Faktoren kommen dabei zusammen:
Entscheidende Schlüsselindustrien – namentlich die Automobilbranche –, auf denen unser Wohlstand beruht, stehen vor einem existenzbedrohenden Umbruch, und wir können nur hoffen, dass dieser gelingt.
Die Erwerbsbevölkerung beginnt in diesem Jahrzehnt zu schrumpfen, während die Zahl derjenigen, die Renten beziehen, stark steigt.
Die unzureichende Integration der Eingewanderten in den Arbeitsmarkt – oft einer mangelnden Qualifikation geschuldet – wird in einer nicht mehr so stark wachsenden Wirtschaft zu einer zunehmenden Last.
Die unterlassenen Investitionen des Staates werden zu einem Problem. Bei der wichtigsten Infrastruktur des 21. Jahrhunderts, dem Internet und dem Mobilfunk, hinkt Deutschland weit hinterher.
Der Einstieg in eine Transfer- und Schuldenunion, der in Brüssel beschlossen wurde, bedeutet erhebliche Lasten für die hiesigen Steuerpflichtigen. Die Regierungen von Paris, Rom, Madrid und den anderen Empfängerstaaten sehen nun ein neues Instrument, um Geld aus Deutschland zu erhalten, und es ist unzweifelhaft, dass die EU in Zukunft Kredite in Billionenhöhe aufnehmen wird, für deren Tilgung Deutschland mindestens mit seinem Anteil am EU-Haushalt (rund 25 Prozent) haftet – und dies nur unter der Annahme, dass nicht andere Staaten dem britischen Beispiel folgen.
Die Inflation wird infolge der immer offeneren Finanzierung der Staaten und der EU durch die EZB zurückkehren. Dies trifft keine Bevölkerung so hart wie die deutsche, die im Unterschied zu denen der anderen Euroländer einen Großteil ihrer Ersparnisse auf Bankkonten und in Lebensversicherungen hält, die von Inflation besonders hart getroffen werden.
Vor diesen Herausforderungen hätte Deutschland auch ohne Corona gestanden. Nun droht zum zweiten Mal in diesem Jahrhundert eine nachhaltige Verlangsamung des weltweiten Wirtschaftswachstums. Bereits seit 2009 gelingt es der westlichen Welt nicht, zum Vorkrisentrend zurückzukehren. Corona dürfte nach neuesten Studien ähnlich wirken. Das weltweite Wachstum wird noch geringer ausfallen. Dies trifft gerade Deutschland mit seiner exportabhängigen Wirtschaft besonders und macht die Anpassung noch schwerer.
Gut möglich, dass wir mit dem Ende der Corona-Krise zunächst einen kleinen Boom erleben werden. Optimisten sprechen gar von den neuen »goldenen 20er-Jahren«. Ursächlich für einen solchen Boom könnten die Maßnahmen von Staaten und Notenbanken zur Belebung der Wirtschaft sein. Konjunkturprogramme, Investitionen in Infrastruktur und Klimaschutz, flankiert von einer großzügigen Finanzierung durch die Notenbanken, werden schon seit Jahren von Organisationen wie dem Internationen Währungsfonds (IWF) und der Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD) gefordert, um die wirtschaftliche Stagnation zu überwinden. Der Corona-Schock hilft auch hier, wie beim Einstieg in die Schulden- und Transferunion auf europäischer Ebene, Widerstände zu überwinden. War die offene Finanzierung der Staaten durch die Notenbanken bislang tabu, so wird sie nun schnell zur Regel.
Gerade der von der Politik verschärfte Kampf gegen den Klimawandel wird zunächst wie ein Konjunkturprogramm wirken. Die Ausgaben der Staaten werden deutlich steigen, die Klimaauflagen werden die privaten Haushalte und die Unternehmen dazu veranlassen, neue Technologien anzuschaffen, und die Notenbanken werden diese Maßnahmen finanziell begleiten. Die Wirtschaft könnte dann durchaus ein paar Jahre lang kräftig wachsen.
So erfreulich dies wäre, so gefährlich wäre es für Deutschland. Zum einen wachsen damit, wie angesprochen, die Inflationsrisiken – Inflation ist sogar ausdrücklich erwünscht. Zum anderen würde es die Erosion der Wirtschaftskraft Deutschlands weiter kaschieren. Die vordergründig gute Entwicklung würde von der Politik als Beweis dafür genommen werden, dass Reformen nicht notwendig sind und man weitermachen kann wie bisher. Mit dem unweigerlichen Ende des künstlich erzeugten Booms käme dann das schmerzliche Erwachen.
Dann wäre es zu spät zum Gegensteuern. Handeln müssen wir jetzt. Die Maßnahmen, die wir ergreifen müssen und die ich in diesem Buch umreiße, unterscheiden sich grundlegend von jenen der Agenda 2010. Damals ging es darum, die Lohnkosten in Deutschland zu drücken, um die infolge der Euroeinführung verloren gegangene Wettbewerbsfähigkeit wiederherzustellen. Das war nicht populär, aber aus ökonomischer Sicht simpel. Die Herausforderungen, vor denen Deutschland in den kommenden 20 Jahren steht, verlangen nach differenzierteren Antworten.
Deutschland braucht eine komplette Neuorientierung in der Wirtschaftspolitik. Und dies ab jetzt. Nach den Reformen der Agenda 2010 – und sicherlich nicht unverständlich angesichts ihrer politischen Folgen – haben die Regierungen der letzten Jahre als unpopulär eingestufte Themen ausgeklammert. Man konzentrierte sich auf die Verwaltung des Status quo und den Ausbau des Sozialstaats.
Damit nicht genug. Zunehmend gebärden sich Politiker als die Manager der Wirtschaft. Sie beschränken sich nicht darauf, so wie in den Jahrzehnten des Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg Rahmenbedingungen zu schaffen und Leitplanken zu setzen. Stattdessen nimmt die Intensität der Eingriffe immer mehr zu. Die Politik findet ständig weitere Themen und Projekte, bei denen sie glaubt, durch Vorgaben, Regulierung und Planung gewünschte Ergebnisse erreichen zu können. Sie begnügt sich nicht damit, Ziele zu setzen. Nein, sie glaubt außerdem zu wissen, wie sich diese Ziele am besten erreichen lassen. Offensichtliches Versagen – vom Bau von Flughäfen bis zur Digitalisierung – wirkt indes nicht abschreckend. Im Gegenteil: Es sieht so aus, als würde die Politik sich immer weiter von der Lebensrealität entfernen und – getragen von lautstarken gesellschaftlichen Gruppen, die nicht unbedingt die Mehrheit der Gesellschaft repräsentieren – immer mehr auf staatliche Lenkung setzen.
Corona hat hier wie ein Brandbeschleuniger gewirkt. Getragen von der unstrittigen Notwendigkeit staatlicher Notmaßnahmen zur Verhinderung eines Zusammenbruchs der Wirtschaft, leitet die Politik daraus eine Legitimation für noch mehr staatliche Eingriffe ab. Dies, obwohl es offensichtlich ist, dass sie keineswegs das Geld »des Staates« ausgibt, sondern dasjenige seiner Bürgerinnen und Bürger. Und das, obwohl die Corona-Krise eine gesundheitliche Krise ist, die keineswegs als Beweis dafür taugt, dass staatliche Lenkung besser ist als privatwirtschaftliche Initiative.
In diesem Buch zeige ich an vielen Beispielen, dass der Staat in Deutschland dort handelt, wo er nicht handeln sollte, und dort versagt, wo er handeln sollte. Hier müssen wir die Weichen neu stellen, indem wir der Politik einen neuen Rahmen geben: klare Ziele, neue Instrumente und Aufgaben, die zu erfüllen sind, um unser Wohlergehen auch im Jahr 2040 zu sichern.
Wir können nicht davon ausgehen, dass die Politik ihre Agenda von allein ändert. Wir müssen sie dazu drängen. Das Wahljahr 2021 bietet die Chance dazu. Wir müssen sie nutzen, denn die entscheidenden Weichenstellungen müssen in den nächsten vier Jahren erfolgen.
Das Buch orientiert sich an vier Grundideen.
Zunächst geht es um die Frage, wie wir unser Land professioneller managen können. In den Kapiteln 1 bis 5 stehen die Instrumente im Vordergrund, mit denen es besser als bisher gelingen kann, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Es geht um klarere Zielsetzungen, mehr Transparenz über die Folgen politischen Handelns und eine saubere Buchführung. Ich bin überzeugt, dass nur so die richtigen Weichenstellungen überhaupt möglich sind.
Nach einer Standortbestimmung in Kapitel 6 wende ich mich in den Kapiteln 7 bis 9 der langen, keineswegs vollständigen Liste an Maßnahmen zu, die die Politik in Deutschland ergreifen sollte, um ein reiches Land zu sein und zu bleiben. Dabei geht es um eine Antwort auf den absehbaren Rückgang der Zahlen der Erwerbsbevölkerung in den kommenden Jahren und der daraus erwachsenden Herausforderung, die Lasten einer alternden Gesellschaft zu schultern. Die schlechte Nachricht ist, dass dies erheblicher Anstrengungen bedarf – die gute demgegenüber, dass es genügend Ansatzpunkte gibt, um zu handeln.
Nicht nur der Erhalt von Wohlstand wird definieren, ob Deutschland im Jahr 2040 ein glückliches Land sein wird. Ebenso wichtig ist es, dass wir unseren Wohlstand intelligent nutzen, um unserer Verantwortung in der Welt nachzukommen. In Kapitel 10 diskutiere ich die Notwendigkeit, auch im Klimaschutz die Grundsätze von Effizienz und Effektivität zu beachten. Thema des elften Kapitels ist die Notwendigkeit, die Europäische Union und den Euro zu reformieren, und in Kapitel 12 erinnere ich an Deutschlands Rolle in der Welt.
Natürlich dreht sich dieses Buch nicht allein um die Wahrung und Verwendung von Wohlstand, sondern auch um dessen Verteilung. Neben der Frage der Finanzierung des Staates (Kapitel 14) geht es in Kapitel 13 vor allem auch um die Frage, wie wir die Vermögensbildung in Deutschland fördern und Vermögen breiter verteilen können. Vermögen trägt schließlich zum Wohlbefinden und damit zum Wohlstand eines Landes entscheidend bei.
Immer wieder werden die Kernaussagen als »Hausaufgaben« für die Politik definiert. Sie sind gedacht als Zusammenfassungen der jeweils wichtigsten Punkte der vorangegangenen Ausführungen, aber auch als Instrumentarium und Gedankenstütze, wenn es um das Spiegeln der politischen Vorschläge der Parteien im Wahlkampf 2021 geht.
Eilige Leserinnen und Leser mögen sich auf diese Aufgaben konzentrieren, sollten sich aber durchaus die Zeit nehmen, deren Herleitungen und Begründungen nachzuvollziehen – vor allem auch dann, wenn sie den Vorschlägen und Forderungen kritisch gegenüberstehen. Letzteres dürfte an vielen Stellen der Fall sein. Auch das ist allerdings ein Ziel dieses Buches: zum Widerspruch anzuregen, denn letztlich gilt es, die Zusammenhänge zu ergründen, anstatt sich vorschnelle Meinungen zu bilden.
»Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes
widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze
des Bundes wahren und verteidigen,
meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen
jedermann üben werde.«
Amtseid deutscher Minister
»Life, liberty and the pursuit of Happiness«
Unabhängigkeitserklärung der USA
»Wenn die Regierung kein Glück für ihr Volk schaffen kann,
dann gibt es keinen Grund für die Existenz der Regierung.«
Bhutan
Ziel jeglichen politischen Handels sollte es sein, den Wohlstand zu mehren. Deutsche Minister und Bundeskanzler schwören bei ihrem Amtseid nicht zufällig, dass sie danach trachten werden, den Nutzen des Volkes zu mehren und Schaden von ihm abzuwenden. Das ist nicht ungewöhnlich. In anderen Ländern der Welt werden ähnliche Amtseide abgelegt.
»Wohlstand« ist dabei viel mehr als nur der materielle Wohlstand. Es geht nicht nur um möglichst hohe Einkommen oder um möglichst viel Konsum. Es geht auch um eine intakte Umwelt, ein soziales Gleichgewicht und um innere wie äußere Sicherheit. Es geht auch darum, für künftige Generationen vorzusorgen und ihnen das Land und die Welt besser zu übergeben, als wir sie übernommen haben. »Wohlstand« ist also ein sehr weiter Begriff, weshalb in der Ökonomie auch von »Wohlfahrt« gesprochen wird. Es ist ein Zustand, der ein Balancieren von Interessen erfordert. Interessen im Hier und Jetzt – Verteilung von Einkommen beispielsweise – und Interessen zwischen dem Heute und der Zukunft – also Konsum jetzt versus Investitionen für eine bessere Welt morgen. Es ist ein ständiger Interessenausgleich, den die Politik vorzunehmen hat, bei dem sie allerdings – wie ich zeigen werde – bewusst oder unbewusst mit unzureichenden Instrumentarien und fehlender Transparenz agiert, kurzfristigen Nutzen tendenziell deutlich über den mittel- und langfristigen Nutzen stellt – und damit auch versagt.
Ein anderer Begriff für diesen Wohlstand ist »Glück«. Die amerikanische Unabhängigkeitserklärung spricht ausdrücklich vom Recht der Bürgerinnen und Bürger, nach Glück zu streben (»pursuit of happiness«). Das kleine Königreich Bhutan hat das Glück des Volkes zum Staatsziel erklärt und gilt seitdem für viele Menschen auf der Suche nach dem Glück als Sehnsuchtsort schlechthin. Was zu der Frage führt, ob das Land am Ende wirklich das Glück der Menschen, die es bewohnen, wird mehren können.1
Glück ist sicherlich schwer zu messen. Wissen wir doch aus eigener Erfahrung, dass das Glücksgefühl schwankt – im Verlauf des Tages, über längere Zeiträume und auch mit dem Alter. Modelle zeigen, dass das Glücksgefühl mit dem Eintritt in die Arbeitswelt kontinuierlich sinkt und im Alter von rund 55 Jahren den Tiefpunkt erreicht, bis es wieder nach oben geht.2 Glück hat viel mit dem Umfeld zu tun, mit den eigenen Erwartungen an das Leben und individuellen Erlebnissen. Wie medizinische Studien zeigen, spielen neben psychischen Faktoren auch Hormone eine Rolle. Glück ist also kompliziert.
Es gibt neben dem individuellen Glücksgefühl auch das kollektive Glück einer Nation. Studien belegen beispielsweise, dass der Erfolg bei den Olympischen Spielen oder bei Fußballweltmeisterschaften eine deutliche Wirkung auf die Stimmung – also das Glücksgefühl – einer Nation hat und die Wirtschaft daraufhin schneller wächst.3 Politiker freuen sich sehr über solche Erfolge, steigen doch ihre Wiederwahlchancen deutlich. Denn je glücklicher die Menschen sind, desto größer die Unterstützung für die Regierenden, unabhängig davon, ob diese etwas für das Glücksgefühl getan haben oder nicht.
Kein Wunder also, dass es Untersuchungen gibt, die versuchen, das kollektive Glücksgefühl von Nationen zu messen. Ein einfaches Unterfangen ist das sicherlich nicht, denn schließlich gibt es zwischen den Nationen auch strukturelle Unterschiede: die kollektive Psyche, zu verstehen als Summe der Charaktereigenschaften und der Historie einer Nation.
Diese Einschränkungen vorausgeschickt, sollten wir uns an dem orientieren, was verfügbar ist – etwa an den Studien, die regelmäßig messen, wie glücklich die Menschen in verschiedenen Nationen sind. Diese Studien zeigen für Deutschland ein gemischtes Bild. Laut World Happiness Report (Weltglücksreport) geht es den Menschen in den nordeuropäischen Ländern am besten. Finnland belegt Platz 1 vor Dänemark, Norwegen und Island. Deutschland belegt einen guten 17. Platz vor den USA (Platz 19). Am unglücklichsten sind Menschen im Südsudan, in der Zentralafrikanischen Republik und in Afghanistan.
Doch was steht hinter diesem »Glück«? Die Menschen werden gefragt, wie glücklich sie sich selbst fühlen. Außerdem werden Faktoren wie das Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf, die Lebenserwartung sowie das Maß der Korruption in Regierung und Wirtschaft berücksichtigt.4 Neben den Ergebnissen von Umfragen fließen also durchaus auch »harte« Fakten in die Berechnung des Glücksgefühls der Bevölkerungen ein. Dies leuchtet ein. Denn wo Krieg und Armut herrschen, dürften nur die wenigsten glücklich sein.
Deshalb finden sich auch Korrelationen wie die folgende leicht: Die Menschen sind umso glücklicher, je größer ihr Wohlstand ist – gemessen am BIP pro Kopf. Die einfache Korrelation zwischen der in Umfragen geäußerten Zufriedenheit und dem BIP pro Kopf legt nahe, dass eine Verdoppelung des Wohlstands die Zufriedenheit um 0,7 Punkte steigert.
Doch ganz so einfach ist es nicht. So stieg das BIP pro Kopf in den USA zwischen 1946 und 1970 um 65 Prozent – ohne jegliche Wirkung auf das Glücksgefühl. In anderen Ländern gab es ähnliche Entwicklungen. Umgekehrt zeigen die Daten für Deutschland beispielsweise eine gleichläufige Entwicklung in den vergangenen zehn Jahren bis Corona: Die Deutschen erwirtschafteten pro Kopf mehr und wurden damit zugleich glücklicher.5 Anders erging es den Menschen in Venezuela. Einst das fünftglücklichste Land der Welt, führten Misswirtschaft, Korruption und ökonomischer Niedergang zu einem starken Rückgang des Glücksgefühls der Bevölkerung. Kein Wunder, dass viele Menschen aus Venezuela vor den Folgen sozialistischer Politik flüchten; ihre Zahl ist größer als die der Menschen aus Syrien, die vor dem Bürgerkrieg geflohen sind.
Der Economist, den ich hier zitiere, hat 125 Länder untersucht und darunter kein einziges gefunden, in dem ein sinkendes BIP pro Kopf mit einem steigenden Glücksgefühl einherging. In zwei Dritteln der Fälle wuchs das Glück mit dem BIP pro Kopf, in den übrigen blieb es auf unverändert hohem Niveau.6 Für die Zwecke der Politik ist die Schlussfolgerung klar: Es geht nicht allein darum, das Einkommen pro Kopf zu maximieren, um das Glück der Deutschen zu mehren. Höhere Einkommen wären vielmehr hilfreich, und die Einkommen sollten keinesfalls sinken.
Über die weiteren Faktoren, die das Glücksgefühl beeinflussen, lässt sich viel spekulieren. Ein Blick auf die Top 10 lässt zumindest einige Vermutungen zu:
Finnland
Dänemark
Norwegen
Island
Niederlande
Schweiz
Schweden
Neuseeland
Kanada
Österreich
Alle diese zehn Länder haben ein hohes Pro-Kopf-Einkommen, einen ausgebauten Sozialstaat, innere und äußere Sicherheit – Indikatoren für das Ziel, das wir setzen sollten.
Bhutan misst Glück übrigens an den folgenden acht Kriterien:7
Lebensstandard – gemessen an Einkommen, finanzieller Sicherheit, Wohnen und Besitz von Vermögenswerten;
körperliche und geistige Gesundheit;
Bildungsniveau;
Wahrnehmung des ökologischen Umfelds;
Work-Life-Balance beziehungsweise Aufteilung der Zeit auf Arbeit, Freizeit und Schlaf;
psychologisches Wohlgefühl, Zufriedenheit und Spiritualität;
Verankerung in kulturellen Traditionen;
Verankerung in der Gesellschaft, sozialer Zusammenhalt und gemeinnütziges Engagement.
Ein Blick auf diese Liste legt den Verdacht nahe, dass es genau diese Faktoren sind, die auch die zehn Länder an der Spitze dieser Liste kennzeichnen. Und man kann erahnen, woran es in Deutschland mangelt – wenngleich es mit Platz 17 nicht so schlecht rangiert. Die Herausforderung besteht darin, dieses Niveau zu halten und – so es in einem schwierigeren Umfeld möglich ist – zu verbessern.
Geld allein macht nicht glücklich. Das hat sich gezeigt. Dennoch ist klar, dass weniger Geld weniger glücklich macht. Deshalb möchte ich, bevor ich später in diesem Buch die Verteilung von Wohlstand thematisiere, seine Schaffung betrachten. Ohne finanzielle Leistungsfähigkeit kann ein Land nicht genug für die anderen wichtigen Themen tun, die im bhutanischen Glücksindex vertreten sind, weder für Bildung noch für Gesundheit und schon gar nicht für die Umwelt. Schauen wir uns also an, wie gut Deutschland sich beim Thema »Wohlstand« schlägt.
Gemessen am BIP pro Kopf liegt Deutschland stabil weltweit auf einem der vorderen Ränge. Nicht zu verwechseln mit »Spitze«. Gelingt es doch einer Reihe anderer Länder, ein noch höheres BIP pro Kopf zu erwirtschaften – unter anderem den USA, die trotz stabil höherem BIP pro Kopf gemessen am Glücksindex hinter Deutschland liegen.
Nach Daten des IWF betrug das kaufkraftbereinigte Pro-Kopf-Einkommen vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie in Deutschland 52 559 US-Dollar. Vor Deutschland lagen neben einigen Ölförderländern unter anderem Singapur (100 345 US-Dollar), Irland (78 785 US-Dollar), Norwegen (74 356 US-Dollar), die Schweiz (64 645 US-Dollar) und die USA (62 606 US-Dollar). Von den zehn Ländern, die an der Spitze des Glücksrankings lagen, hatten nur Finnland, Österreich, Kanada und Neuseeland ein geringeres Pro-Kopf-Einkommen als Deutschland. Nimmt man das unbereinigte BIP pro Kopf, so schrumpft dieser Kreis sogar auf Kanada und Neuseeland.8 Dies spricht ebenfalls für die These, dass das Einkommen dabei hilft, Glück zu empfinden.
Doch Einkommen ist – wie gesagt – nicht alles. Auch das Vermögen eines Landes dürfte eine erhebliche Rolle spielen, wenn es um dauerhaftes Glück geht. Verhilft es doch, wie auch im Falle Bhutans definiert, zu finanzieller Sicherheit. Wie ich immer wieder aufgezeigt habe,9 ist Deutschland hinsichtlich des Vermögens nicht gut aufgestellt. Da sind zunächst die Zahlen des französischen Reichtumsforschers Thomas Piketty, der mit umfangreichem Datenmaterial der Entwicklung der Volksvermögen im Lauf der Zeit nachgegangen ist. Demnach lag die Vermögensquote – also das Vermögen relativ zum Volkseinkommen – im Jahr 201510
in Spanien bei 659 Prozent (2014),
in Frankreich bei 591 Prozent,
in Italien bei 587 Prozent,
in Holland bei 530 Prozent (2014),
in Griechenland bei 499 Prozent und
in Deutschland bei 446 Prozent.
Schauen wir uns noch eine weitere Quelle zu den Vermögen im Euroraum an. Die Europäische Zentralbank (EZB) erhebt regelmäßig Daten zum Medianvermögen im Euroraum. Das Ergebnis deckt sich mit den Daten Pikettys und zeigt, dass die Deutschen, obwohl sie viel verdienen, lediglich über ein geringes Vermögen verfügen.11
Sieht man von den Ländern ab, die infolge der EU-Erweiterung hinzugekommen sind, so bildet Deutschland zusammen mit den Niederlanden und Griechenland das Schlusslicht. Die privaten Haushalte in Portugal, Spanien, Italien und Frankreich liegen deutlich vor denen in Deutschland. Natürlich sind die Deutschen im weltweiten Maßstab »reich«. Im Umfeld der EU und der Eurozone kann man diese Aussage so allerdings nicht treffen. Wir schaffen das Wunder, hart zu arbeiten und gut zu verdienen und dennoch weniger Vermögen zu besitzen
Dass die Privatvermögen in Deutschland relativ zum BIP deutlich geringer sind, liegt vor allem daran, dass die Bevölkerung in Deutschland in der unteren Hälfte der Vermögensskala über deutlich weniger Vermögen verfügt als in den anderen Ländern der EU. Während die Reichen hierzulande mit den Nachbarn mithalten können, sieht es im Rest der Bevölkerung anders aus. So besitzen die ärmsten 20 Prozent der Deutschen nach Daten der EZB weniger als 4 000 Euro, weit weniger als in Spanien (48 800 Euro), Italien (34 000 Euro) und Frankreich (11 500 Euro). Hier offenbart sich ein Ansatzpunkt für eine Verbesserung der Wohlfahrt im Land, der später in diesem Buch genauer in den Blick genommen wird.
Land |
Medianvermögen pro Einwohner, in Euro |
Luxemburg |
498 500 |
Malta |
236 100 |
Belgien |
212 500 |
Zypern |
195 900 |
Irland |
185 000 |
Italien |
132 300 |
Spanien |
119 100 |
Frankreich |
117 600 |
Finnland |
107 200 |
Eurozone |
99 400 |
Österreich |
82 700 |
Portugal |
74 800 |
Deutschland |
70 800 |
Niederlande |
67 400 |
Kroatien |
61 500 |
Polen |
60 500 |
Griechenland |
60 000 |
Estland |
47 700 |
Litauen |
45 900 |
Ungarn |
35 900 |
Lettland |
20 500 |
Tabelle 1: Vermögen im Euroraum
Quelle: EZB, Umfrage zu Finanzen und Konsum der privaten Haushalte Seite 56, abrufbar unter: https://www.ecb.europa.eu/home/pdf/research/hfcn/HFCS_Statistical_Tables_Wave_2017.pdf?906e702b7b7dd3eb0f28ab558247efc5 S. 56
Was mich zum folgenden Fazit führt: Wohlstand ist mehr als materieller Wohlstand. Aber ohne materiellen Wohlstand ist es schwer, auf den anderen Gebieten, die zum Glücksgefühl der Gesellschaft beitragen, das Nötige und Wünschenswerte zu leisten. Deshalb ist es maßgebend, bei allen heutigen Entscheidungen auf ihre Wirkung bezüglich der Fähigkeit zur künftigen Wohlstandserzeugung zu achten.
Aufgaben für die nächste Bundesregierung
Erstellung eines Index zur Messung von Glück und Wohlstand in Deutschland
Verpflichtung der Politik, die Maximierung dieses Ziels als oberste Priorität zu verfolgen
Kommunikation und Beteiligung der Bevölkerung zur Erläuterung der Ziele im Sinne von »Was wir jetzt anders machen werden«