Ruth E. Schwarz
Friedhelm Schwarz
SELFINFLUENCING
Trainieren Sie Ihre Wahrnehmung
und entscheiden Sie über Ihre Zukunft
Campus Verlag
Frankfurt/New York
Über das Buch
Werden Sie Gestalter Ihres Lebenglücks!
Wenn Sie die psychologischen Grundlagen der Beziehung aus Wahrnehmung und Befinden
verstehen, können Sie Ihre eigene Wahrnehmung steuern und sich selbst beeinflussen.
Ruth und Friedhelm Schwarz vereinen in ihrem Buch die nützlichsten Erkenntnisse zur
menschlichen Wahrnehmung. Ihr Ansatz des Selfinfluencing ist besonders gut geeignet
für Menschen
• die sich selbst ändern möchten
• die fremde Einflüsse erkennen und entmachten möchten
• die auf Veränderungen der Umwelt reagieren und ihre Zukunft aktiv gestalten möchten.
Wohin Ihre persönliche Entwicklung geht, hängt davon ab, durch welche Wahrnehmungen
Sie sich beeinflussen lassen. Wählen Sie selbst aus, wer oder was Sie beeinflussen
darf und wer oder was nicht.
Selfinfluencer gestalten ihre Umgebung so, dass sie über ihre Wahrnehmungen des Außen
Entwicklungsprozesse in ihrem Inneren in Gang setzen und so den für sie richtigen
Weg in eine glückliche Zukunft gehen.
Vita
Ruth E. Schwarz ist Diplomvolkswirt. Nach mehreren Jahren in der Wirtschaftsforschung wechselte sie in den Journalismus. Eines ihrer Themen ist die Ökonomie des Glücklichseins. Ihr Mann Friedhelm Schwarz hat zwei interdisziplinäre Diplomstudiengänge in Soziologie, Psychologie, Wirtschaftswissenschaften und Recht abgeschlossen. Gemeinsam haben sie als Autoren und Ghostwriter 63 Sachbücher und Ratgeber geschrieben. Ihr Schwerpunkt liegt im Bereich der angewandten Neurowissenschaften und der Verhaltensökonomie.
Einleitung: Wir sind, was uns umgibt
Drei gute Gründe für Selfinfluencing
Sie wollen sich selbst ändern
Sie wollen fremde Einflüsse erkennen und entmachten
Sie wollen auf Veränderungen in Ihrer Umwelt erfolgreich reagieren und Ihre Zukunft selbst gestalten
Kapitel 1
Wahrnehmung ist der Schlüssel zur Welt und zu uns selbst
Embodiment – Body und Mind sind eine Einheit
Alles, was wir sind, entsteht durch Wahrnehmung
Alles, was wir wollen, wird durch unsere Wahrnehmung bestimmt
Alles, was wir werden, beruht auf neuen oder veränderten Wahrnehmungen
Kapitel 2
Die Sinne – was der Körper dem Geist mitteilt
Die Hierarchie der Sinne in unterschiedlichen Kulturen
Die Sinne der Umgebungswahrnehmung – Bausteine der äußeren Wirklichkeit
Die Sinne der Körperwahrnehmung – Bausteine der inneren Wirklichkeit
Die Sinne der Inhaltswahrnehmung – Bausteine der sozialen Wirklichkeit
Der Sprach- und Wortsinn erschließt uns die Welt
Alle Sinneswahrnehmungen arbeiten zusammen
Auch Gefühle gehören zu den Wahrnehmungen
Wenn Wahrnehmungen uns in die Irre führen
Kapitel 3
Im Netzwerk der Wahrnehmungen
Die Impulse kommen von außen
Was uns unbewusst verändert und beeinflusst
Erlebtes hat den größten Einfluss auf unser Leben
Die Bedeutung von Symbolen und symbolischen Handlungen
Die unbekannte Macht der Farben
Gerüche wirken direkt auf das Unbewusste
Situatives Verhalten und Neuroplastizität
Autorität als Quelle von Vorurteilen
Meme – Gedanken, die ansteckend sind
Wie Worte unsere Motorik beeinflussen
Kapitel 4
Ihr Leben gestalten durch Selfinfluencing
Wie der Placeboeffekt funktioniert
Affirmationen öffnen verschlossene Türen
Inspirationen sind mehr als künstlerisch arbeiten
Bringen Sie Freude in Ihr Leben
Empirisches Wissen als Grundlage
Anregungen für das Training positiver Wahrnehmungen
So trainieren Sie Ihre Wahrnehmungen
Fünf Verhaltensweisen, die Ihr Leben ändern können
Sie wollen sich selbst ändern
Raus aus der Einflussfalle – fremde Einflüsse erkennen und entmachten
Verhalten vom Unbewussten ins Bewusstsein heben
Kapitel 5
Trainieren Sie Ihre Sinne
Fragen und Anregungen zu den Sinnen der Umgebungswahrnehmung
Fragen und Anregungen zu den Sinnen der Körperwahrnehmung
Fragen und Anregungen zu den Sinnen der Inhaltswahrnehmung
Von der Rückschau zur Vorschau
Glossar
Dank
Literaturverzeichnis und weiterführende Literatur
Register
Wir sind untrennbar mit unserer Außenwelt verbunden. Das Denken, was uns so wichtig erscheint und uns erst zu Menschen macht, war nicht zuerst da. Es sind die aktuellen und die im Gedächtnis gespeicherten Wahrnehmungen, aus denen heraus Denken, Entscheiden und Handeln entsteht. Alles, was unser Gehirn weiß, kam und kommt von außen. Nichts hat seinen Ursprung in unserem Inneren, auch wenn wir das gern glauben.
Von Geburt an sind wir Teil unserer Umwelt. Von dort kommen die ersten und alle späteren Eindrücke und Erfahrungen. Wir nehmen mit allen Sinnen wahr, was uns umgibt, und werden von anderen Menschen durch das, was wir tun, wahrgenommen. Wir sind durch unsere Gene soziale Wesen und darauf programmiert, mit anderen Menschen zu interagieren und auf unsere Umgebung zu reagieren.
Die britischen Kognitionsforscher Chris Frith und Karl J. Friston gingen schon 2007 davon aus, dass in unserem Kopf ein Modell der physischen Welt und der Gedankenwelt anderer Menschen existiert. Unser Gehirn vergleicht dieses Modell kontinuierlich in Sekundenbruchteilen mit den eingehenden Sinneseindrücken und konstruiert so unsere subjektive Realität. Wir treffen unbewusst permanent Aussagen, was ist und was sein wird. Stellen sich diese als falsch heraus, wirkt sich das sofort auf unser Fühlen, Denken und Verhalten aus.
Wir konstruieren uns unsere Wirklichkeit also selbst aus dem, was wir wahrnehmen. Unsere Wahrnehmung dient immer einem Zweck, entweder der Orientierung, dem Handeln, der Veränderung oder der Anpassung. Deshalb versuchen wir, Überraschungen zu vermeiden, indem wir das innere Bild der Welt mit den eingehenden Informationen vergleichen und gegebenenfalls korrigieren.
Wohin Ihre persönliche Entwicklung geht, hängt davon ab, durch welche Wahrnehmungen Sie sich beeinflussen lassen. Wählen Sie selbst aus, wer oder was Sie beeinflussen darf und wer oder was nicht. Trainieren Sie Ihre Wahrnehmung und entscheiden Sie selbst über Ihre Zukunft. Selfinfluencer gestalten ihre Umgebung so, dass sie über ihre Wahrnehmungen von außen Entwicklungsprozesse in ihrem Inneren in Gange setzen, um ihre Vorstellungen von der Welt selbst zu modellieren, damit sie den für sie richtigen Weg in eine glückliche Zukunft gehen können.
Sparen Sie sich also ruhig das Geld für teure Vorträge, Seminare und andere Veranstaltungen, in denen Trainer oder Coaches versuchen, Ihnen eine neue Vorstellung von der Welt und ihren Möglichkeiten einzupflanzen, indem sie Sie manipulieren und fremdbestimmen. Gestalten Sie Ihre Zukunft einfach selbst. Wie das funktioniert, erklärt dieses Buch.
Dabei stützt es sich auf aktuelle psychologische und neurowissenschaftliche Theorien, Erkenntnisse und Experimente, die sich alle mit Veränderungen durch Wahrnehmungen und deren kognitiver Verarbeitung befassen. Manches mag spekulativ oder spektakulär sein, aber es folgt der von John Brockman, dem Gründer der Internetseite edge.org und weltweit bekanntesten Agenten für Wissenschaftsliteratur, vorgeschlagenen Denkweise. Er sagt, wir müssen uns mehr auf die Ränder der Erkenntnis konzentrieren, statt dem Mainstream zu folgen. Deshalb finden sich in diesem Buch auch keine anatomischen und physiologischen Abhandlungen über den Aufbau des Gehirns. Was wir damit machen und warum, erscheint uns hilfreicher.
Um wahrnehmen zu können, brauchen Sie Ihre Sinne. Die müssen gut funktionieren und deshalb immer wieder trainiert werden. So können Sie das Bild von der Welt in Ihrem Kopf, Ihr Mindset, verändern und verbessern.
Wir haben im Schlusskapitel eine Reihe von Fragen und Anregungen zusammengestellt, die Ihnen helfen sollen, zu ganz eigenen Erkenntnissen über sich selbst zu kommen. Daraus können Sie dann Ihren zukünftigen Handlungsbedarf ableiten. Wir wünschen Ihnen viel Erfolg!
Zusammenfassung
Kernaussagen dieses Buches:
Alles, was wir sind, entsteht durch Wahrnehmungen.
Alles, was wir wollen, orientiert sich an dem, was uns umgibt.
Alles, was wir werden, entscheidet sich durch äußere Einflüsse, die wir selbst gestalten sollten, um uns wohlzufühlen.
Jede neue Wahrnehmung wird mit unseren Erfahrungen, unseren Erinnerungen, dem Erlernten und dem Erlebten verglichen, bewertet und in Erwartungen an die Zukunft umgesetzt.
Den eigenen Weg in unsere Zukunft finden wir nicht durch den Blick nach innen oder in die Vergangenheit, sondern nur durch die aktive Wahrnehmung der Gegenwart.
Selfinfluencer gestalten ihre Umgebung so, dass sie über ihre Wahrnehmungen von außen Entwicklungsprozesse in ihrem Inneren in Gang setzen, um den für sie richtigen Weg in eine glückliche Zukunft zu gehen.
Es gibt drei gute Gründe für Sie, sich mit Selfinfluencing zu befassen:
Sie sind mit sich selbst nicht zufrieden.
Sie sind mit dem, was Sie umgibt, und der Situation, in der Sie sich befinden, nicht zufrieden.
Sie sind mit den Veränderungen, die Sie erleben, nicht zufrieden.
Es geht also sowohl um die beiden eher kurzfristigen Aspekte des Glücklichseins und des Erfolgreichseins als auch um den langfristigen Aspekt der Lebenszufriedenheit. Dabei kommt es entscheidend darauf an, wie Sie sich, andere und die Welt wahrnehmen. Das, was scheinbar nicht zu ändern ist, ist keine dauerhaft konstante Größe im Leben. Konstant sind nur ständige Veränderungen, die immer wieder passieren. Wenn diese von Ihnen selbst ausgehen, ist es gut. Wenn sie von außen auf Sie zukommen, suchen Sie nach einer Möglichkeit, so zu reagieren, dass Sie anschließend das gute Gefühl haben, Ihr Bestes getan zu haben.
Ob sich dann der gewünschte Erfolg Ihres Handelns einstellt, lässt sich nicht mit Sicherheit vorhersagen. Wenn wir versuchen, etwas neu, anders oder besser zu machen, ist es für uns immer vorteilhaft, denn wir haben so die Chance dazuzulernen. Jeder Gewinn von neuen Erkenntnissen wird von unserem Belohnungs- und Motivationssystem positiv registriert und wir werden ermutigt, es einfach noch einmal anders zu versuchen. Wer es einmal geschafft hat, aus seinem inneren Käfig auszubrechen, wird diese Erfahrung nicht vergessen und sie auch in anderen Situationen anwenden.
Es gibt für Sie also die drei folgenden Herausforderungen:
Wünschen Sie sich, dass Ihr Leben anders verlaufen sollte, als es gerade der Fall ist? Haben Sie das Gefühl, unglücklich zu sein? Möchten Sie etwas ändern oder sich verbessern, um heute und in Zukunft zufriedener zu werden und auch von den Mitmenschen anders wahrgenommen zu werden? Haben Sie schon die Erfahrung gemacht, dass Sie sich nicht aus sich selbst heraus weiterentwickeln oder verändern können, auch wenn Sie tief in sich hineinschauen?
Mit dieser Erfahrung stehen Sie nicht allein da. 85 bis 95 Prozent der Menschen haben laut Meinungsumfragen den Wunsch, Teile ihrer Persönlichkeit zu ändern. Doch die Absicht allein reicht nicht. Sie müssen die gewünschte Veränderung für möglich halten, sie wirklich wollen und dann mit dem Veränderungsprozess durch Selfinfluencing beginnen. Allerdings ist das bei körperlichen Erkrankungen oder psychischen Problemen kein Ersatz für ärztliche oder psychotherapeutische Diagnosen und Therapien. Erwarten Sie aber nicht, dass man Ihnen damit ohne Ihr eigenes Zutun zu einem neuen Leben verhelfen kann. Zweckmäßig und hilfreich ist es deshalb auf jeden Fall, sich aktiv durch Selfinfluencing an der Behandlung der Probleme zu beteiligen und notwendige Veränderungsprozesse zu unterstützen.
Haben Sie das Gefühl, dass Ihre Mitmenschen und die Medien Sie ständig beeinflussen wollen und Ihnen vorschreiben, was Sie brauchen, kaufen, tun oder lassen sollen? Und alle, die Ihnen Vorschriften oder Vorschläge machen, erwarten von Ihnen, dass Sie diese Beeinflussungen auch noch dankbar annehmen. Man meint es gut mit Ihnen und verspricht, Ihnen werde Ihr Leben besser gelingen, wenn Sie sich wie vorgegeben verhalten. Macht es Sie glücklich und zufrieden, wenn Sie diesen Einflüsterungen nachgeben? Die meisten Menschen wünschen sich mehr Authentizität und würden lieber den eigenen Mustern und Regeln folgen, statt das Leben anderer zu kopieren und nachzuahmen. Auch dabei hilft Selfinfluencing.
Der ständige Prozess der Interaktion mit dem, was uns umgibt, Menschen, Medien, Situationen und Dinge, ist für uns so selbstverständlich, dass er kaum noch ins Bewusstsein vordringt und beachtet wird. Unsere Umgebung beeinflusst uns ständig, indem sie sich wandelt. Das gilt auch für kleine, sukzessive und sublime Veränderungen. Gerade sie entscheiden, wie wir uns fühlen, denken und verhalten. Ihre Wirkungen entfalten sich für uns unbewusst und wir wissen oft gar nicht, warum wir traurig oder fröhlich, ängstlich oder wütend sind. Es braucht schon Paukenschläge wie die Corona-Pandemie, um uns für Veränderungen wach zu machen und diese direkt wahrzunehmen.
Wir bemerken es oft gar nicht mehr, wenn sich die Welt um uns herum ändert und wir uns auch ändern, weil wir uns an die Gegebenheiten der Außenwelt so schnell anpassen. Aber wäre es nicht besser, wir würden die Welt nach unseren Wünschen und Vorstellungen gestalten?
Wie wir handeln und alles, was wir fühlen, denken und planen, spiegelt unsere äußere Welt wider, wie wir sie zuvor erlebt haben und aktuell erleben. Wahrnehmungen aus der Vergangenheit und aus der Gegenwart sind die Bausteine unserer persönlichen, ganz individuellen Wirklichkeit. Jede neue Wahrnehmung wird mit unseren Erfahrungen, unseren Erinnerungen, dem Erlernten und dem Erlebten verglichen, bewertet und in Erwartungen an die Zukunft umgesetzt. Bewusst oder unbewusst. Doch die Fähigkeit, Sinneseindrücke zu verarbeiten, ist bei vielen Menschen verkümmert. Als Folge fällt es Ihnen schwer, schleichende Veränderungen und sublime Beeinflussungen zu bemerken.
Dabei sind Wahrnehmungen die zentralen Instrumente zur Gestaltung unseres Lebens. Wir sind ständig »under construction«, und es gibt, solange wir leben, keinen Endpunkt für die Weiterentwicklung unseres Selbst. Ohne dass es uns bewusst ist, erfinden wir uns ständig neu, indem wir unsere Vergangenheit anders deuten und andere Erwartungen formulieren.
Wenn wir in unserem Leben etwas ändern wollen, brauchen wir neue Wahrnehmungen. Denn was in unserem Inneren durch äußere Einflüsse entstanden ist, kann auch nur über den Weg von außen geändert werden. Die Steuerung unserer Wahrnehmungen durch Selfinfluencing gibt uns die Chance, unseren unbewussten kontinuierlichen Veränderungsprozess aktiv selbst zu gestalten, anstatt dies anderen zu überlassen. Durch selbstbestimmte Wahrnehmungen entscheiden wir über unsere Zukunft. So können wir die Weichen für ein glückliches, erfülltes und authentisches Leben stellen, auch wenn kollektive Ereignisse eine »neue Normalität« geschaffen haben.
Alles, was uns umgibt, wirkt sich auf unsere Stimmungen, unsere Entscheidungen und unser Verhalten aus. Wahrnehmung ist ein ständiger Lernprozess ohne Lehrer. Jede Information wird, wenn sie uns wichtig erscheint, im Gedächtnis gespeichert. Unwichtiges nehmen wir gar nicht wahr, es wird an der Eingangspforte zum Gehirn sofort aussortiert. Schafft eine Wahrnehmung trotzdem den Weg ins Unbewusste oder sogar ins Bewusstsein, vergessen wir sie bald wieder. Die Information existiert dann zwar noch in unserem Kopf, aber sie ist nur schwach mit anderen Wahrnehmungen verknüpft und deshalb nur schwer zu erinnern.
Embodiment befasst sich mit der Körperlichkeit des Denkens, also dem Zusammenhang zwischen Körper und Geist. Die Theorie des Embodiments der physischen Intelligenz beruht auf der Annahme, dass unsere Entscheidungen und unser Verhalten ebenso wie unser Denken und Fühlen untrennbar mit sinnlich-motorischen Erfahrungen verbunden sind. In der Vergangenheit hat sich die Psychologie fast ausschließlich auf die Betrachtung der kognitiven Prozesse unseres Gehirns beschränkt, um zu erforschen, warum wir bestimmte Entscheidungen treffen oder auch Fehler machen. Dabei konzentrierte man sich auf Ängste, Wünsche, Erinnerungen und Emotionen.
Erst die experimentelle Psychologie hat in zahlreichen Versuchen inzwischen bewiesen, dass unser Denkapparat keineswegs isoliert von der Umwelt funktioniert, sondern die Gefühle und Gedanken, die im Kopf entstehen, abhängig von den Körperwahrnehmungen sind. Bewusste und selbst unbewusste Bewegungen oder Haltungen lenken unsere Empfindungen und Urteile über uns selbst und andere Menschen.
Wie sehr die Umwelt über Erfolg und Misserfolg von Verhalten entscheidet, wurde bis dahin nicht berücksichtigt. Dabei können es schon ganz subliminale Einflüsse sein, die unser Verhalten in eine ganz andere und eventuell weniger erfolgreiche Verhaltensweise lenken. Die menschliche Psyche kann eben nicht losgelöst von der Umwelt betrachtet werden, weil unsere Sinne eine Brücke zwischen der Umwelt und unseren bewussten und unbewussten Denkprozessen schlagen. Die Bandbreite der Situationen, die durch die Verbindung zwischen Körper und Geist verändert werden, ist weitaus größer, als die meisten Menschen wahrscheinlich erwarten.
Der eigene Körper spielt eine ganz entscheidende Rolle bei der Wahrnehmung der Welt. Er vermittelt uns eine Vorstellung davon, was groß oder klein, nah oder fern ist. Aus den eingehenden Informationen konstruieren wir dann unsere Welt. Es ist der Körper, der dafür sorgt, dass wir uns ein Leben lang für ein konstantes Individuum halten.
Allerdings ist das Bild der Welt, das in unserem Kopf entsteht, kein originalgetreues Abbild dessen, was uns umgibt. Es ist weit mehr als die Summe der sensorischen Reize. Das, was wir wahrnehmen und wie wir es interpretieren, wird von sehr unterschiedlichen Faktoren beeinflusst, das sind unter anderem unsere Persönlichkeit, unsere Wünsche, Gefühle, Lebensumstände und Erwartungen. Aus all diesen individuellen Komponenten konstruieren wir dann auch das, was wir als unser Ich wahrnehmen.
Viele unserer Wahrnehmungen werden ganz eindeutig durch unseren Körper gesteuert. Kleine Menschen erleben die Welt anders als große, ohne dass sie sich darüber bewusst sind. Auch die körperliche Leistungsfähigkeit und unsere Geschicklichkeit beeinflussen uns. Körperlich schwache Menschen oder solche, die unter Schmerzen leiden, die älter oder erschöpft sind, schätzen Entfernungen größer ein und nehmen Hügel als steiler wahr als gesunde Menschen.
Diese Wahrnehmungsverzerrungen sollen uns vor Überlastungen schützen, vermuten die Forscher. Andererseits können Wunschvorstellungen auch ungeahnte Kräfte mobilisieren, sei es beim Bergsteigen oder beim Marathon. Was wir uns wünschen, erscheint uns in der räumlichen Wahrnehmung näher als das, was uns nicht interessiert. Das zeigten Experimente, bei denen Entfernungen geschätzt werden mussten.
Sowohl die Körperhaltung als auch die Mimik beeinflussen, wie wir uns fühlen und wie wir uns selbst sehen. Jemand in aufrechter Körperhaltung strahlt mehr Selbstbewusstsein aus und fühlt sich auch deutlich selbstbewusster als derjenige in gekrümmter Haltung. Menschen können sich besser an positive Ergebnisse erinnern, wenn sie lächeln, aufrecht sitzen, schwungvoll gehen oder ihre Arme nach oben strecken. Eine gekrümmte Haltung oder ein schlurfender Gang führen dagegen dazu, dass Menschen sich eher an negative Dinge erinnern, bei bestimmten Aufgaben schnell aufgeben und bei Erfolgen weniger stolz sind.
Testpersonen, die einen Stift zwischen den Zähnen hielten, der ihre Lachmuskeln aktivierte, fanden dieselben Cartoons deutlich lustiger als diejenigen, die den Stift mit ihren Lippen umstülpen sollten und deshalb nicht lächeln konnten. Psychologen haben aus ihren Experimenten geschlossen, dass Mimik nicht nur Ausdruck von Gefühlen ist, sondern diese auch verstärken oder erst hervorrufen kann. Das heißt, das Aktivieren von Muskeln kann Menschen in bestimmte Stimmungen versetzen und ihre Urteile beeinflussen. So waren Teilnehmer an Experimenten empfänglicher für positive Wörter, wenn sie mit dem Kopf nickten. Wer dagegen den Kopf schüttelte, speicherte eher negative Informationen ab.
Menschen, die ihre Arme beugten, um von unten gegen eine Tischplatte zu drücken, erinnerten sich an positivere Dinge als solche, die ihre Arme durchstrecken und von oben auf die Tischplatte drückten. Forscher schließen daraus, dass bestimmte Bewegungen mit positiven oder negativen Stimuli verknüpft werden, mit denen sie bereits gemeinsam aufgetreten sind. So werde das Beugen des Arms assoziativ verbunden mit Dingen, die man an sich heranzieht, weil man sie haben möchte, oder mit der Umarmung eines Menschen. Ein durchgestreckter Arm assoziiert, etwas Unerwünschtes von sich zu drücken.
Auch bei der Bewertung von menschlichen Eigenschaften spielen körperliche Empfindungen eine Rolle. So sieht jemand, der eine Tasse mit warmem Kaffee in der Hand hält, seine Mitmenschen positiver, als wenn er ein Glas mit kalter Milch hält. Es besteht offenbar ein Zusammenhang zwischen der körperlich gefühlten Wärme und dem abstrakten Konzept davon.
Eine Erklärung für die enge Verknüpfung von Körperlichem und Abstraktem könnte sein, dass das Gehirn für die Wahrnehmung der Welt Konzepte und Vorstellungen von konkreten Gegenständen nutzt. Um diese erzeugen zu können, scheint es körperliche Rückmeldungen zu benötigen. Zum Beispiel lernt ein Kleinkind, was eine Tasse ist, dadurch, dass es eine Reihe von Tassen ansieht, anfasst und benutzt. Wenn es später an eine Tasse denkt, werden immer auch die Gebiete im Gehirn aktiv, die für das Greifen zuständig sind. Auch abstrakte Begriffe scheinen sich für das Gehirn aus solchen sensorischen Erfahrungen der frühen Kindheit abzuleiten.
In der Embodiment-Theorie geht man also davon aus, dass sich die Wahrnehmung einer Situation durch den Kontakt mit Gegenständen beeinflussen lässt. Ist das, was wir berühren, weich oder hart, glatt oder rau? Weiche Gegenstände bauen nicht nur bei Kindern Ängste ab und Sicherheit auf, sondern auch bei Erwachsenen. Eine erstaunlich große Bedeutung haben dabei Tiere, die einen Pelz oder ein Fell tragen. Allein das Streicheln von Tieren senkt den Puls und den Blutdruck. Der Mensch entspannt sich und Stress oder Ängste werden abgebaut.
Der Hildesheimer Psychologieprofessor Johannes Michalak erklärt das folgendermaßen: Erinnerungen werden auf verschiedenen Ebenen gespeichert. Emotionale Informationen werden verknüpft mit körperlichen Repräsentationen. So sind bestimmte Bewegungen oder Haltungen mit Gefühlszuständen assoziiert. Wird ein Knoten in diesem Gedächtnisnetzwerk aktiviert, etwa durch die Körperhaltung, dann werden automatisch auch die anderen Knoten aktiviert, wie die emotionale Information.
Das verzerrt die Aufmerksamkeit für neue Informationen. Eine körperliche Veränderung führt dazu, dass unser Informationsverarbeitungssystem anders konfiguriert wird. Bei einer positiven Haltung wird eher das System für die Verarbeitung von positiven Informationen konfiguriert, bei einer negativen Körperhaltung das System zur Verarbeitung von negativen Informationen.
Michalak schließt aus diesen Ergebnissen, dass ein spezielles Bewegungstraining gegen Depressionen helfen könnte. Depressive und auch Menschen, die die Depression schon überwunden haben, gehen langsamer und gebeugter als psychisch gesunde Menschen. Die Patienten müssten daher nicht nur ihre Denkweise verändern, sondern auch lernen, sich anders zu bewegen.
Stellen Sie sich vor, Sie gehen durch einen Garten voll blühender Pflanzen, sehen die unterschiedlichen Farben und Formen, riechen den Duft der Blüten und berühren die Blätter. Wie fühlen Sie sich in diesem Moment? Sind Sie entspannt und heiter?
Jetzt folgen Sie uns in einen Schottergarten. Graue, scharfkantige, spitze Steine liegen auf einer großen monotonen Fläche, dazwischen schnurgerade Gehwege aus Betonplatten. Kein Grün. Nichts wächst hier, nicht einmal Unkraut. Das Leben ist ausgesperrt. Können Sie hier noch fröhlich sein? Wahrscheinlich nicht. Aber ist Ihnen in diesem Moment auch bewusst, was den Stimmungswandel gerade ausgelöst hat?
Es ist die Außenwelt, die permanent unser Erleben beeinflusst. Für die Menge und Vielfalt der alltäglichen Eindrücke spielen die Medien eine zunehmende Rolle, die sich im Laufe der Vergangenheit vom Buchdruck über Fotografie und Filme, Radio, Fernsehen und Internet immer schneller entwickelt haben. Sie alle konzentrieren sich heute im Smartphone, dem Alleskönner und ständigen Begleiter. Nach dem Motto »was auch immer, wo auch immer, wann auch immer« haben wir einen fast unbegrenzten Zugriff auf eine unendlich große Menge an Informationen.
Doch auch das Smartphone entwickelt sich immer noch weiter. Zum Beispiel sind wir durch True-Wireless-In-Ear-Kopfhörer als Zubehör zum Smartphone in der Lage, uns rund um die Uhr mit Musik, Hörbüchern oder Wortbeiträgen berieseln zu lassen. Es wird uns versprochen, dass wir so beim Joggen länger durchhalten und uns der Weg zur Arbeit mehr Spaß macht. Aber stimmt das wirklich? Oder ist das »Mehr-von-demselben« nicht eine Falle, in die wir blind hineintappen, weil die Entwicklung des menschlichen Gehirns wesentlich langsamer erfolgt als der technische Fortschritt?
Immer mehr wirtschaftliche und gesellschaftliche Aktivitäten verlagern sich ins Internet. Das gilt auch für unser Sozialleben. Wir begegnen uns nur noch auf Plattformen, Foren oder in geschriebenen Botschaften. Welche Einflüsse dabei ihre Wirkung entfalten, ist noch längst nicht ausreichend erforscht. Unsere virtuelle Umwelt könnte auch unser körperliches Verhalten verändern. Kinder, die schon sehr früh gelernt haben, mit Tablets umzugehen und darauf Bilder durch Fingerbewegungen zu vergrößern oder zu verkleinern, haben anschließend Probleme, ein Bilderbuch durchzublättern, in dem diese Handbewegungen keine Veränderung bringen.
Wir brauchen eine kritische Sensibilität für die Informationen unserer Sinne durch die neue physische Intelligenz. Nur wenn wir sie trainieren, können wir den unbewussten Einflüssen von Metaphern, Gesten, Oberflächen und anderen Wahrnehmungen entgehen. Achten Sie darauf, wie stark Sie durch Umwelteinflüsse wie Farbe, Temperatur oder Textur beeinflusst werden. Versuchen Sie Ihr Sprachvermögen, Ihre Haltung und Gestik zu verbessern. Denn Sie entscheiden über Ihre Zukunft.
Auch wenn es im Kopf spezielle Verarbeitungszentren für einzelne Wahrnehmungen gibt, ist es wichtig, das ganze Gehirn über alle Sinne zu trainieren, denn sie arbeiten stärker zusammen, als wir oft annehmen. Den beiden Hemisphären des Großhirns werden zum Teil unterschiedliche Eigenschaften zugeschrieben. Im Laufe der Evolution habe sich eine Art Arbeitsteilung entwickelt, die das Organ sehr effizient macht.
Die rechte Hemisphäre steuert die linke Hand und ist eher leise. Sie ist assoziativ, sieht das große Ganze, ist neugierig, erfasst Stimmungen, ist offen für Neues und sieht Dinge, die weit weg sind. Die linke Hirnhälfte steuert die rechte Hand und ist oft dominant. Sie ist akribisch, sieht Details, denkt logisch, erfasst Strukturen, arbeitet schematisch und sieht alles, was nahe dran ist.
Der Hirnforscher Onur Güntürkün an der Universität Bochum sagt: »In den Hemisphären mit ihren unterschiedlichen Komponenten und Fähigkeiten stecken unterschiedliche Persönlichkeitsschwerpunkte. Die Teilung in zwei selbstständige Einheiten ist funktional sinnvoll, weil sie Zeit spart. Wir können beispielsweise Gesichter innerhalb von sechs Millisekunden erkennen, während die Verbindungen zwischen den Gehirnhälften etwa 38 Millisekunden brauchen«.
Obgleich die beiden Hirnhälften zwei selbstständig bewusstseinsbegabte Einheiten sind, haben wir dennoch ein einheitliches Bewusstsein. Von der bestehenden Arbeitsteilung bemerken wir nichts. Warum das so ist, versuchen die Hirnforscher noch herauszufinden.