Lars-Johan Åge
Happy Happy
Wie Du Dich in nur fünf Schritten
mit (fast) jedem einigst
Aus dem Schwedischen von Elna Lindgens
Campus Verlag
Frankfurt/New York
Über das Buch
Wer Bananen isst, verhandelt besser Lars-Johan Åge zeigt, wie man in nur fünf Schritten Konflikte löst und erfolgreich verhandelt – beruflich wie privat. Und am Ende sind auch noch alle glücklich! 1. Verhandele nur, wenn du gut drauf bist! Iss die Banane für den optimalen Blutzuckerspiegel. 2. Mach dir vorher klar, was du willst! Du bist nicht du, wenn du dich aufregst. 3. Versteh dein Gegenüber! Nicht akustisch, sondern empathisch, meide Heuchelei. 4. Wähl deine Worte weise! Führ das Gespräch konstruktiv und feilsch nicht: Kompromisse sind doof. 5. Hab einen Plan B. Für den Notfall, wenn du gerade echt nicht weiter kommst. Happy Happy enthält das Beste aus Wirtschaftswissenschaft und Psychologie, gehirngerecht aufbereitet für den schnellen Lernerfolg. Åge schickt das alte Win-win in Rente, denn Happy Happy funktioniert immer und hält länger!
Vita
Lars-Johan Åge Åge ist Professor an der Universität Gävle (Schweden) und hat unter anderem an der Harvard Law School das Verhandeln gelernt. Außerdem hat er mit Geiselunterhändlern des FBI und der schwedischen Polizei zusammengearbeitet. Mit »Happy Happy« präsentiert er einen neuen Ansatz für nachhaltige Verhandlungserfolge.
Einleitung
In fünf Schritten zu Happy-happy
Die Eigenschaften hinter dem Erfolg
Drei große Nachteile des Scheiterns
Der Vorteil des Erfolgs: eine höhere Lebensqualität
Von unbewusst kompetent zu bewusst kompetent
TEIL I
Was heißt hier Happy-happy?
Wofür Happy-happy steht
Happy-happy und Zufriedenheit
Happy-happy und Beziehungen
Happy-happy und Zusammenarbeit
Happy-happy und die Zukunft
Ist Happy-happy dasselbe wie Win-win?
Die Kraft von Happy-happy
Kleiner Hirn-Check
Das vernünftige Gehirn – der Chef
Das weniger vernünftige Gehirn – das Reptiliengehirn
Spiegelneuronen
Perspektivenübernahme und Empathie
Perspektivenübernahme
Empathie
Ein persönliches Erlebnis
Die fünf Schritte und der Gehirn-Check
Schritt eins: ein gutes Gefühl!
Wir verhandeln viel besser, wenn wir gut drauf sind.
Ein Fernseher, ein Staubsauger und eine Schreibmaschine
Die Nachteile des schlecht gelaunt Seins
Nachteil 1: Wir erkennen weniger Möglichkeiten
Nachteil 2: Wir beurteilen Situationen falsch
Nachteil 3: Wir werden engstirnig
Nachteil 4: Wir wollen gewinnen
Nachteil 5: Schlechte Laune ist ansteckend
Das Gute am guten Gefühl
Ein paar Fähigkeiten, die wir nicht missen wollen
Wie man ein gutes Gefühl bekommt
Tipp 1 – Kümmere Dich um Deinen Blutzuckerspiegel
Tipp 2 – Kreiere eine positive Gefühlsformel: »Ja, danke, wunderbar, fantastisch, gut«
Tipp 3 – Das Fröhliche-Augen-Lächeln
Ein aufgesetztes Lächeln
Wie Dir ein Fröhliche-Augen-Lächeln jederzeit gelingt
Wie du das gute Gefühl behältst
S.T.O.P.
Deshalb funktioniert S.T.O.P.
Schritt zwei: Denk nach!
Mein Lieblingsexperiment
Richtig nachdenken
Frage 1 – Was wollen wir?
Die Ein-Satz-Methode
Ein paar Beispiele aus dem Alltag
Die 60-Sekunden-Methode
Wenn wir nachdenken müssen – die Prioritätenliste
Wie man eine Prioritätenliste macht
Die Prioritätenliste in der Praxis – das Beispiel Schule
Die Vorteile der Prioritätenliste
Vorteil 1: Die Prioritätenliste lässt Dich Deine Interessen überdenken und ausformulieren
Vorteil 2: Die Prioritätenliste ermöglicht ein Gesamtbild der Lage und zeigt Eure Gemeinsamkeiten auf
Vorteil 3: Die Prioritätenliste sorgt für ein gutes Gefühl
Vorteil 4: Die Prioritätenliste macht es uns leichter, kreativ zu werden und eine Lösung zu finden
Vorteil 5: Die Prioritätenliste hilft uns dabei, die Situation aus einer anderen Perspektive zu betrachten
Vorteil 6: Die Prioritätenliste macht Dich empathischer
Vorteil 7: Die Prioritätenliste weckt Dein Interesse für den anderen
Frage 2 – Welche Alternativen gibt es?
Der bockige Teenager
Schritt drei: Bau eine Beziehung auf!
Die Lösung des FBI
Grund 1: Wir müssen uns »das Recht, Recht zu haben verdienen«
Grund 2: Es geht um Information
Grund 3: Es geht um die Zukunft
Wie bauen wir eine Beziehung auf?
Interesse zeigen
So zeigen wir Interesse
Die zwei großen Entdecker – »Was?« und »Wie?«
Entdecker Nr. 1 – »Was?«
Entdecker Nr. 2 – »Wie?«
Wenn Du noch mehr wissen musst
Verständnis zeigen
Schwarze Schwäne
Eine einfache Methode, um richtig zuzuhören
Bestätigen und zustimmen sind nicht dasselbe
Ein paar Worte zu unserem Ego
Worin äußert sich ein zu großes Ego?
Ein großes Ego stellt keine Fragen
Ein großes Ego stellt nur halbherzige Fragen
Ein großes Ego stellt die falschen Fragen
Ein großes Ego hört nur, was gesagt wird
Ein großes Ego zieht voreilige Schlüsse
Schritt vier: Finde die richtigen Worte!
Feilsche nicht um Positionen
Deshalb feilschen wir
Nachteil Nr. 1 – Unkluge Entscheidungen
Nachteil Nr. 2 – Verlust von Zeit und Energie
Nachteil Nr. 3 – Schlechte Beziehungen
Nett sein ist keine Lösung
Wie ich mit einem Kühlschrank eine Einigung erzielt habe
Die Lösung: Konzentrier Dich auf Bedürfnisse und Alternativen
Richtig über Bedürfnisse und Alternativen sprechen
Tipp 1 – Interesse und Verständnis zeigen
Tipp 2 – Sprich über Deine Bedürfnisse
Tipp 3 – Zuerst die Details!
Tipp 4 – Sei tough!
Tipp 5 – Sprich über Alternativen
Die Lösung des Melonendilemmas
Warum es funktioniert
Abschließend
Schritt fünf: Hab einen Plan B!
Was Du bereits getan hast
Warum wir einen Plan B brauchen
Der beste Plan B der Welt – Fragen stellen und ZUHÖREN
Wenn wir einen Plan B brauchen
Wenn jemand auf seiner Position beharrt
Wenn jemand Dich oder Deinen Vorschlag attackiert
Wenn jemand wütend ist
TEIL II
Bevor wir anfangen
Die Schritte sollten immer der Situation angepasst werden
Happy-happy im Beruf
Eine nachhaltige Küchenkampagne
Wenn es nicht happy-happy läuft
Wenn es happy-happy läuft
Happy-happy zu Hause
Adam und Evas Balkon
Wenn es nicht happy-happy läuft
Wenn es happy-happy läuft
Ein unordentliches Zimmer
Schritt 1: Ein gutes Gefühl!
Schritt 2: Denk nach!
Schritt 3: Bau eine Beziehung auf!
Schritt vier: Finde die richtigen Worte!
Schritt fünf: Hab einen Plan B!
Happy-happy in der Freizeit
Fußball: ein Sport für alle – oder doch nicht?
Wenn es nicht happy-happy läuft
Wenn es happy-happy läuft
Was ist mit Schritt fünf passiert?
Ein Beispiel dafür, wie die Schritte angepasst werden
Schwierige Persönlichkeiten
Eine Methode mit Aussicht auf Erfolg: »Ich-Botschaften«
Die extrem bedürftige Persönlichkeit
Der Nehmer
Der Narzisst
Der Psychopath
Zehn Fragen zu Happy-happy
Zum Schluss
Anmerkungen
Quellen und Infokästen
Charles Darwin und Duchenne
Eine bequeme Beziehung
Das »As If«-Prinzip
Eine entscheidende Kombination
Lesetipps
Kapitel 1 – Was heißt hier Happy-happy?
Kapitel 2 – Kleiner Hirn-Check
Kapitel 3 – Schritt eins: Ein gutes Gefühl!
Kapitel 4 – Schritt zwei: Denk nach!
Kapitel 5 – Schritt drei: Bau eine Beziehung auf!
Kapitel 6 – Schritt vier: Finde die richtigen Worte!
Kapitel 7 – Schritt fünf: Hab einen Plan B!
Kapitel 12 – Schwierige Persönlichkeiten
Was wäre, wenn Deine Gedanken, Ansichten, Vorschläge und Ideen bei anderen besser ankämen? Wie würde das Dein Leben verändern?
Ich verrate es Dir: Du hättest eine höhere Lebensqualität und mehr Erfolg. Bei der Arbeit. Zu Hause. In Deiner Freizeit. Bei allem, was groß und wichtig ist, aber auch bei den kleinen Dingen.
Viele meinen, unser Erfolg hinge davon ab, dass wir wetteifern und gewinnen. Gelegentlich mag das auch stimmen. In der Regel aber suchen wir nach Übereinkünften mit Menschen, denen wir wiederbegegnen und die wir nicht vor den Kopf stoßen möchten: Uns ist an einer guten Beziehung gelegen – daran, dass letztendlich alle zufrieden sind.
Dieses Buch handelt davon, wie Du das in allen Lebenslagen erreichst. Es basiert auf Forschungsergebnissen und auf lebenslangem Interesse. Die Erfolgsfaktoren des Verhandelns haben mich schon während der Arbeit an meiner Dissertation beschäftigt. Nach der Promotion – meine Doktorarbeit befasste sich unter anderem mit Verhandlungen innerhalb der Telekommunikationsbranche – ging ich an die Handelshochschule Stockholm, um von dort aus erfolgreiche Verhandlungsführer zu studieren. Auf diese Gelegenheit hatte ich lange gewartet. Gut möglich, dass es auch meine Position als mittlerer von drei Brüdern war, die mein großes Interesse an allem rund ums Verhandeln geweckt hat.
Einige Jahre lang beobachtete ich die besten Verhandlungsführer, die ich finden konnte, und führte mit ihnen Experimente durch. Unter ihnen befanden sich nicht nur Geschäftsleute und Diplomaten, sondern auch Geiselunterhändler der schwedischen Polizei und des amerikanischen FBI. Nachdem ich meine wissenschaftlichen Untersuchungen eine Zeit lang durchgeführt hatte, sprangen mir einige Schritte ins Auge, die alle, die auf dem Gebiet der Verhandlungsführung erfolgreich waren, zu beachten schienen.
Als ich die Forschung zu diesem Thema befragte, stellte ich fest, dass meine Erkenntnisse von Studien aus den Bereichen der Wirtschaftswissenschaften, Psychologie und Verhaltensforschung bestätigt wurden. Das Ergebnis war eindeutig: Sowohl die Praktiker als auch die Theoretiker waren sich einig, wie das Erfolgsrezept aussieht – und was im Ernstfall das Zünglein an der Waage sein kann.
Meine Forschungsergebnisse zu Erfolgsfaktoren bei der Verhandlungsführung wurden in einer wissenschaftlichen Zeitschrift publiziert und weckten die Aufmerksamkeit vieler großer Organisationen, auch die des FBI. Und dann entdeckte ich noch etwas: Besagte Faktoren sind nicht nur das A und O in der Welt der Geschäftsleute, Diplomaten und Geiselunterhändler, sondern genauso wichtig für Menschen in anderen Berufen. Und: Sie funktionieren auch bei jedem, der in seiner Freizeit oder in der Familie mit einer anderen Person auf einen Nenner kommen muss.
Die Erfolgsfaktoren umfassen fünf Schritte und bilden den Kern des Buches, das Du gerade in der Hand hältst. Wenn Du die einzelnen Schritte befolgst, wachsen Deine Chancen, mit Deinen Ideen und Vorschlägen gehört zu werden. Sie helfen Dir aber auch, mit Menschen, die die Welt anders sehen als Du, zusammenzuarbeiten und einen gemeinsamen Weg zu finden – und zwar immer so, dass alle Beteiligten zufrieden sind.
Ich nenne das Happy-happy, nicht Win-win. Aber zu dem Unterschied später mehr.
Die Positive Psychologie definiert happy nicht nur als »Freude empfinden« – happy sein kann auch heißen, dass wir mit etwas zufrieden sind und es als sinnvoll erleben. Das können wir bereits während einer Verhandlung erfahren oder – wie wir noch sehen werden – erst später, nachdem die Einigung erzielt ist, und wir das Ergebnis in einem größeren Kontext betrachten können.
Dieses Buch widmet jedem der Schritte ein Kapitel, das beschreibt, wie dieser funktioniert. Aber zuerst will ich erklären, warum es so wertvoll ist, sich mit anderen einig zu werden und worin sich Happy-happy von Win-win unterscheidet. Außerdem möchte ich kurz skizzieren, wie das alles mit der Funktionsweise unseres Gehirns zusammenhängt. Die fünf Schritte sind:
Hab ein gutes Gefühl – von Anfang an. Es fällt viel leichter, sich mit anderen zu einigen, wenn wir gut gelaunt sind. Das gilt für alle, auch für die, mit denen Du verhandelst.
Denk nach. Bereite Dich gut vor, damit Du Dir im Klaren darüber bist, was Dir wichtig ist – und welche Erwartungen die Person hat, mit der Du Dich einigen willst. Spiel verschiedene Alternativen durch.
Bau eine Beziehung auf. Sorg für einen guten Draht, indem Du Interesse und Verständnis zeigst.
Find die richtigen Worte. Vermeide es zu feilschen, bring das Gespräch auf eine konstruktive Ebene.
Hab einen Plan B. Den brauchst Du, wenn Du in eine Situation gerätst, in der ihr nicht vorankommt.
Welche Eigenschaften benötigen wir nun, wenn es nach den Praktikern wie auch nach uns Wissenschaftlern geht, um erfolgreich zum Ziel zu gelangen?
Hier eine Zusammenfassung. Befolgst Du die fünf Schritte, wirst Du merken, dass sie Dir dabei helfen …
das richtige Gefühl und die richtige Einstellung zu finden, bevor Du das Gespräch beginnst;
dieses gute Gefühl beizubehalten, auch wenn Du etwas zu hören bekommst, das Dir nicht gefällt;
zu verstehen, was Du selbst und Dein Gegenüber eigentlich wollt;
zu wissen, was Du sagst, falls es nicht so läuft, wie geplant;
zu erkennen, welche Formulierungen Du verwenden und welche Du um jeden Preis vermeiden solltest;
zu wissen, wie Du denjenigen begegnest, die nicht kooperieren wollen;
zu erkennen, wie Du ein Ergebnis erzeugst, mit dem am Ende alle zufrieden sind.
Ein wichtiger Aspekt der fünf Schritte ist, dass sie sich auf den Weg zum Ziel konzentrieren. Verhandeln wir mit jemandem, ist das meistens keine einmalige Angelegenheit, sondern, wie wir im nächsten Kapitel sehen werden, ein längerer Prozess. Und das ist Teil des Geheimnisses.
Bei der Beschreibung der einzelnen Schritte verzichte ich bewusst darauf, detailliert auf jedes Experiment und die dazugehörigen Studien einzugehen. Solltest Du Dich für die wissenschaftlichen Grundlagen interessieren: Am Ende des Buches liste ich alle Experimente und Studien auf, auf denen die Schritte basieren. Möchtest Du mehr über einen bestimmten Schritt oder ein spezielles Gebiet erfahren, findest Du unter »Lesetipps« etliche Hinweise auf weiterführende Artikel und Bücher.
Es ist nicht immer einfach, mit anderen einen gemeinsamen Weg zu finden. Zuerst müssen wir wissen, was wir selbst wollen (und das ist leichter gesagt als getan, wie wir sehen werden). Dann müssen wir in der Lage sein, uns so auszudrücken, dass unsere Ideen und Vorschläge Gehör finden, gleichzeitig aber anpassungsfähig und kreativ bleiben und nach weniger offensichtlichen Lösungen Ausschau halten. Manchmal gilt es sogar, mit denen eine zukunftsfähige Lösung zu finden, die nicht mit uns kooperieren wollen.
Das ist vielleicht nicht einfach, aber wenn wir besser darin werden, kann es unser Leben entscheidend verändern.
Denn: Welchen Preis zahlen wir, haben wir keinen Erfolg? Die Institution, die sich am meisten mit dieser Frage auseinandergesetzt hat, ist vermutlich die Harvard Law School in den USA. Hier wurde Anfang der 1980er-Jahre die weltweit renommierteste Forschungsgruppe in Sachen Verhandlungsführung und Konfliktlösung ins Leben gerufen: die PON (Program on Negotiation). Ihre Mitglieder heben drei große Nachteile hervor, die sich ergeben, wenn wir keinen Verhandlungserfolg erzielen, sondern stattdessen in eine Sackgasse geraten:
Verschwendung von Zeit und Energie,
verschlechterte Beziehungen,
unkluge Entscheidungen.
Die Wissenschaftler in Harvard haben schnell herausgefunden, dass diese drei Nachteile universell sind. Das bedeutet, man findet sie in allen möglichen Situationen wieder – in großen wie in kleinen Zusammenhängen.
Ein Beispiel aus der Weltpolitik: Alles begann damit, dass Präsident Kennedy 1961 ein vollständiges Verbot von Kernwaffenversuchen forderte – um so dem Wettrüsten ein Ende zu bereiten. Um sicherzustellen, dass ein solches Verbot auch befolgt würde, verlangte Kennedy, dass die USA und die Sowjetunion gegenseitig ihre Territorien inspizieren sollten, um zu kontrollieren, dass dort keine seismische Aktivität stattfand. Dazu mussten die Länder gemeinsam festlegen, wie viele Inspektionen jeweils erlaubt wären. Ehe man sich’s versah, begann das Feilschen um Positionen. Die USA sagten:
»Wir fordern zehn Inspektionen pro Jahr.«
Die Sowjetunion antwortete:
»Wir bieten drei.«
»Drei? Das ist zu wenig«, ließen die USA nicht locker. »Wir wollen zehn!«
»Nie im Leben, maximal drei!«
»Drei Inspektionen? Ihr macht wohl Witze!«
Ich weiß nicht, ob das der exakte Wortlaut war, aber ich weiß, dass jede Partei auf Ihrer Position beharrt und die der Gegenseite kritisiert hat, was dazu führte, dass die Verhandlungen abgebrochen wurden. Das Ergebnis waren dreißig Jahre Wettrüsten, die auf der ganzen Welt ein Gefühl der massiven Bedrohung erzeugten und das Risiko eines Krieges provozierten. Und natürlich ergaben sich alle drei Nachteile: Verschwendung von Zeit und Energie, verschlechterte Beziehungen und die unkluge Entscheidung eines drei Jahrzehnte dauernden, sinnlosen Wettrüstens.
Dieselben Nachteile begegnen uns auch im Alltag. Gut, das Risiko für Wettrüsten und Krieg ist eher gering, aber wir verschwenden kostbare Zeit mit Geplänkel, das unseren Beziehungen schadet, und stehen im schlimmsten Fall mit einer unklugen Entscheidung da, die wir lieber nicht getroffen hätten.
Fällt es uns leichter, uns mit anderen Personen zu einigen und mit ihnen zusammenzuarbeiten, steigert sich unsere Lebensqualität. Beruflich wie privat.
Es scheint, als wäre gerade unser Berufsleben von dem ständigen Versuch geprägt, mit anderen auf einen Nenner zu kommen. Wahrscheinlich trifft diese Beschreibung auch auf Dich zu, ganz gleich, was Du beruflich machst: ob Du Lehrer, Manager, Projektleiter, Verkäufer oder Industriearbeiter bist, oder ob Du es mit Eltern, Schülern, Mitarbeitern, Kunden oder Kollegen bei der Nachtschicht zu tun hast.
Dass dies ein so zentraler Punkt im Berufsleben ist, liegt nicht nur daran, dass wir einen Großteil unserer Zeit auf der Arbeit verbringen – wir müssen auch oft mit Menschen zusammenarbeiten, die die Welt ganz anders sehen als wir. Außerdem wimmelt es dort nur so von Beziehungen, die es im Auge zu behalten gilt: zu Kollegen, Chefs und Angestellten zum Beispiel.
Die Glücksforscherin und Autorin des Buches How to Be Happy at Work, Annie McKee, fasst das Ganze gut zusammen, indem sie sagt:
»Wir sind zufrieden und fühlen uns am Arbeitsplatz wohler, wenn wir eine gute Beziehung zu denen aufbauen, die mit und für uns arbeiten – das gilt auch für unseren Chef.«
Es geht aber nicht nur um den Wohlfühlfaktor. Es ist unser beruflicher Erfolg, der ganz entscheidend davon abhängt, ob wir eine positive Beziehung zu denen aufbauen, mit denen wir zusammenarbeiten. Wissenschaftler sagen, dass sich unsere Chance, befördert zu werden, um fünfzig Prozent verringert, wenn wir dauerhaft im Homeoffice arbeiten (und unsere Kollegen nicht sehen) – und das, obwohl sich unsere Arbeitseffektivität um dreizehn Prozent erhöht.1 Und es hat sich gezeigt, dass nicht nur wir von guten Beziehungen profitieren, sondern auch andere Mitarbeiter, das Unternehmen an sich, Kunden und sogar die Anteilseigner.
Wendest Du die fünf Schritte erst einmal im Arbeitsalltag an, wirst Du merken, dass sie auch zu Hause am Küchentisch, in der Eigentümerversammlung oder im Fußballverein gut funktionieren. Deshalb beschreibe ich im Praxisteil des Buchs (Teil 2) anhand von Beispielen, wie Du die Schritte nicht nur bei der Arbeit, sondern auch zu Hause und in der Freizeit einsetzen kannst.
Natürlich weiß ich, dass Du all diese Dinge bereits beherrschst – weil es einfach in unserer DNA liegt, mit anderen zusammenzuarbeiten und uns mit ihnen zu einigen. Stehst Du zudem schon länger im Berufsleben, hast Du dieses steinzeitliche Erbe sicher perfektioniert.
Was kann ich Dir dann noch beibringen? Nun, Du bist auf diesem Gebiet vielleicht ein Naturtalent, aber ich kann Dir einiges mitgeben, das Dein Bewusstsein schärft für das, was Du täglich leistest. Somit wirst Du öfter in der Lage sein, richtig zu handeln.
Dieses Buch hilft Dir also, Dich von »unbewusst kompetent« zu »bewusst kompetent« zu entwickeln. Und das macht einen großen Unterschied.
Ich sage zum Beispiel: Gehen wir mit jemandem Mittag essen, wachsen die Chancen, eine gute Einigung zu erzielen und konstruktiv miteinander arbeiten zu können! Das liegt daran, dass wir in dieser Situation die Bewegungen des anderen spiegeln – und nachahmen –, was in unserem Gehirn Neuronen triggert, die für Kooperation stehen.* Damit benenne ich etwas, das Du sicher schon erlebt hast – dessen Du Dir aber nicht bewusst gewesen bist. Wenn Dich also morgen jemand anruft und fragt, ob Ihr Euch zum Mittagessen oder auf eine Tasse Kaffee treffen wollt, weißt Du, wie Deine Antwort lauten sollte, damit Du die bestmöglichen Voraussetzungen für eine Zusammenarbeit schaffst. Du hast bewusst kompetent gehandelt.
Anmerkung
* Forscher an der Cornell University in New York haben festgestellt, dass Feuerwehrmänner, die ihre Mittagspause gemeinsam verbringen, anschließend bei Einsätzen viel besser zusammenarbeiten, als die, die allein gegessen haben.
Ich bin der festen Überzeugung, dass dieses erhöhte Bewusstsein in Kombination mit vielen anderen Tipps Dein bereits vorhandenes Talent um einiges erweitern wird. Und erzielst Du auch nur einen Treffer im Monat – soll heißen, der Ball geht ins Netz und prallt nicht am Pfosten ab –, verbessert das Dein Jahresergebnis deutlich.
Im nächsten Kapitel werde ich näher darauf eingehen, wofür der Begriff Happy-happy steht: Zufriedenheit, Zusammenarbeit, gute Beziehungen und eine gemeinsame Zukunft. Ich werde auch zeigen, wie wir uns mittels dieses Ausdrucks immer wieder an die vier Grundlagen einer guten Zusammenarbeit erinnern können.
Im Idealfall hilft Dir meine Methode, Folgendes zu erreichen: Mit jemandem, der anderer Meinung ist als Du, eine Einigung herbeizuführen – und zwar so, dass alle Beteiligten zufrieden sind.
Hin und wieder kann es natürlich vorkommen, dass Ihr Euch darauf einigt, Euch nicht zu einigen, und jeder lieber sein Glück woanders sucht. Du wirst jedoch erstaunt sein, wie oft es Dir gelingen wird, mit jemandem, der die Dinge ganz anders sieht als Du, eine zukunftsfähige Lösung zu finden – solange Du es richtig angehst und die häufigsten Fallstricke vermeidest. Diese sind: falsches Auftreten und eine negative Einstellung, nicht zu wissen, was Du wirklich willst, zu viel Reden, zu wenig und falsches Zuhören, unnötiges Feilschen um Forderungen und Positionen und dabei das Wesentliche nicht zu erfassen. Und last but not least: ein Gespräch, das in die falsche Richtung läuft, nicht umlenken zu können.
Mit den fünf Schritten vermeidest Du nicht nur die häufigsten Fehler, sie helfen Dir auch, zwischen Dir und Deinem Gegenüber ein positives Grundgefühl zu erzeugen. Und mit meiner Methode kannst Du dieses Gefühl auch dann herstellen, wenn die Voraussetzungen dafür nicht die besten sind: Jemand ist aufgewühlt, stellt sich quer, wurde zuvor enttäuscht oder will nicht kooperieren.
Doch jetzt will ich zeigen, wofür Happy-happy steht – und warum es Dich sowohl anders denken als auch anders handeln lässt. Dieser Begriff hat nämlich eine große Kraft.
Happy-happy heißt, eine Einigung zu erzielen, indem man das Augenmerk auf Zufriedenheit, Beziehung, Zusammenarbeit und Zukunftsperspektive legt.
Sehen wir uns den Begriff Happy-happy an, erkennen wir, dass er zwei Parteien symbolisiert, die zufrieden sind – und zwar zum selben Zeitpunkt.* Diesen Zustand erreichen wir, wenn wir eine Entscheidung zu beiderseitigem Nutzen treffen, aber auch, wenn beide Parteien mit dem Gesprächsverlauf (dem Prozess) zufrieden sind. Dass die Entscheidung von beiderseitigem Nutzen ist, heißt: Die persönlichen Interessen und Bedürfnisse aller werden berücksichtigt. Das ist ein zentrales Ziel der fünf Schritte.
Anmerkung
* Ich werde manchmal gefragt, ob man bei einer Geiselnahme wirklich von Happy-happy sprechen kann, und ja, das geht. Sicher, wurde der Geiselnehmer überwältigt, geht er selten freudestrahlend vom Platz. Denkt er aber anschließend über die Alternativen nach, ist er oder sie – trotz allem – zufrieden mit dem jetzigen Ausgang der Situation.
Die Schritte zielen auch darauf, den anderen zufriedenzustellen – selbst, wenn Du seine Wünsche nicht erfüllen kannst. Folgendes Experiment zeigt, was ich meine:
Einige Jurastudenten sollten sich in Zweiergruppen zusammentun und den Bau eines Swimmingpools diskutieren.2 Dabei nahm ein Student die Rolle des Anwalts von dem erzürnten Hausbesitzer ein, der beklagte, dass der Pool nicht entsprechend der vertraglichen Vereinbarung gebaut worden war. Der andere Student spielte den Anwalt des Bauunternehmens, das nun das vereinbarte Honorar verlangte. Die Anweisung lautete, eine Lösung für das Problem zu finden.
Anschließend sollten die Studenten sowohl die Verhandlung an sich als auch die Vereinbarung, die sie letztlich getroffen hatten, bewerten.
Was denkst Du? Hatten der Prozess und die Art des Vorgehens Einfluss darauf, wie die Vereinbarung wahrgenommen wurde? Hatten sie. Die Studenten nämlich, die den Prozess positiv einschätzten, waren zufriedener als die anderen, und es fiel ihnen leichter, die endgültige Lösung zu akzeptieren. Und: Diejenigen, die eine positive Erfahrung gemacht hatten, trafen deutlich bessere, für beide Seiten wertvollere Entscheidungen, als diejenigen, denen diese Erfahrung fehlte.
Was nun hat zu dieser positiven Erfahrung des Prozesses geführt? Nun, das kam daher, dass der Student oder die Studentin sich respektvoll behandelt fühlte und den Eindruck hatte, ihm oder ihr sei zugehört worden. Außerdem schien das Gegenüber vertrauenerweckend und hatte gute Argumente.
Dieses Phänomen heißt in der Wissenschaft »Verfahrensgerechtigkeit« (procedural justice). Es besagt, dass es auf den Prozess der Entscheidungsfindung mindestens genauso ankommt wie auf den eigentlichen Beschluss. Aus eben diesem Grund betonten die FBI-Agenten, die ich traf, wie wichtig es sei, den Geiselnehmer immer respektvoll zu behandeln – ganz gleich, was er getan hatte. Anlass dafür ist also nicht zwingend, dass sie der Meinung sind, die Person hätte diesen Respekt verdient, sie tun es aus rein praktischen Gründen. Es läuft dann einfach besser.
Der Punkt ist: Das gilt für alle Situationen, in denen wir mit jemandem verhandeln müssen. Wenn wir glauben, für den Kunden, unseren Chef oder Partner zähle nur, was am Ende rauskommt, lügen wir uns in die Tasche. Happy-happy heißt also: Nicht nur die Übereinkunft oder der Beschluss sollten zu beiderseitiger Zufriedenheit getroffen werden – der Weg dorthin sollte auch alle glücklich machen.
Zwei Menschen führen ein gutes Gespräch und fühlen sich in der Gesellschaft des anderen wohl. Wahrscheinlich empfinden sie dann auch ihre persönliche Beziehung als positiv. Stellen wir uns aber einen Wettstreit zwischen den beiden vor, sieht die Sache anders aus. Dann fühlt sich ihre Beziehung womöglich nicht gut an – selbst wenn am Ende beide meinen, »gewonnen« zu haben –, ganz einfach, weil sie vielleicht nicht respektvoll miteinander umgegangen sind. Wir werden sehen, dass eine Beziehung die Grundvoraussetzung dafür ist, herauszufinden, was beide Parteien wirklich zufriedenstellt und mit unseren eigenen Vorschlägen gehört zu werden. Plus: Wenn wir die fünf Schritte anwenden, stellen wir sicher, dass alle daran glauben, dass das, worauf wir uns geeinigt haben, auch tatsächlich in Erfüllung geht.
Ein beliebtes Problem, das uns daran hindert, eine Einigung zu erzielen, ist, dass wir meinen, das Leben wäre ein Wettbewerb. Studien zeigen deutlich, dass wir zu oft davon ausgehen, wir befänden uns in einer Wettbewerbssituation, einem Nullsummenspiel, wo der Sieg der einen Seite die Niederlage der anderen bedeutet – und umgekehrt. Die Schlussfolgerungen der Wissenschaftler lauten:
Wettbewerbssituationen existieren zwar, kommen aber bei weitem nicht so oft vor, wie wir meinen.3
Wir geraten in Schwierigkeiten, verwechseln wir Kooperationssituationen mit Wettbewerbssituationen.4
Happy-happy und die fünf Schritte sind eine Möglichkeit, diese »Kooperationssituationen« aufzuspüren, auch, wenn sie auf den ersten Blick aussehen wie eine Wettbewerbssituation. Du wirst merken, dass die Schritte zu einer Zusammenarbeit einladen. Und Dein Gegenüber diese Einladung gern annimmt.
Hieße dieses Buch Make a Deal!, stünden nicht fünf Schritte darin. Dann müsste ich auch nicht so nachdrücklich darauf eingehen, wie wir für Zufriedenheit, eine Beziehung oder Zusammenarbeit sorgen, es würde genügen, dass jemand unseren Vorschlag mit »ja« beantwortet.
Nicht so bei Happy-happy. Hier geht es darum, mit jemandem voranzugehen, mit dem wir eine Zukunftsperspektive teilen. Und ist eine solche Perspektive gegeben, gilt es, Verantwortung zu übernehmen für das, was kommt. In der Praxis bedeutet das, wir können die Probleme des anderen nicht einfach als seine oder ihre betrachten. Wir müssen sie zu unseren machen.
Haben wir eine Zukunftsperspektive, lehnen wir uns nicht zurück und sehen die Sache als erledigt an, sobald die Verhandlung beendet ist, sondern betrachten den Beschluss, den wir gefasst haben – und das »ja«, das wir erhalten haben – als den Anfang einer Fortsetzung.
»Lars-Johan«, sagen viele, »ist Happy-happy nicht dasselbe wie Win-win?«
Nein, der Begriff Win-win kann einen sogar auf die falsche Fährte führen, ich beschreibe das in meiner Forschungsarbeit.5 Sicher, Win-win zu verfolgen ist immer noch besser, als zu glauben, wir müssten zusehen, dass nur eine Person gewinnt (Win-lose). Es stellt aber dennoch keinen idealen Maßstab für uns dar.
Zum einen klingt Win-win immer noch nach Wettbewerb – was das Leben aber nicht ist, wie wir jetzt wissen. Zum anderen entsteht der Eindruck, es zähle einzig und allein, was bei der Verhandlung für uns rausspringt, und zwar zu einem konkreten Zeitpunkt: Ich krieg das, was kriegst Du? Kinder, die Süßigkeiten untereinander aufteilen, können das tun – aber was, wenn es um einen neuen Job geht, eine Urlaubsreise oder einen Teenager, der am Samstagabend nicht rechtzeitig zu Hause sein will?
Außerdem meinen wir dann auch, es reiche, wenn sich am Ende beide als Sieger fühlen, und unser Verhalten während der Entscheidungsfindung spiele keine Rolle. Wie wir jetzt wissen, ist das bei Verhandlungen selten der Fall.
Und zu guter Letzt ignoriert Win-win die eben beschriebene Tatsache, dass der Prozess noch lange nicht zu Ende ist, nur weil wir uns auf etwas geeinigt haben: Meistens beginnt die wirkliche Zusammenarbeit erst, nachdem eine Entscheidung getroffen wurde.
All das verleitet dazu, zu glauben, unsere Beziehung zueinander, oder wie wir miteinander umgehen, fiele nicht ins Gewicht. Oder: Fällt es dem anderen schwer, seinen Teil der Abmachung zu erfüllen – nun, dann ist das halt sein oder ihr Problem.