Über den Autor
Peter Thiesen, geb. 1952, Diplom-Sozialpädagoge, ist Dozent an der Fachschule für Sozialpädagogik in Lübeck und hat sich als Autor und Herausgeber von Standardwerken zur Spiel- und Sozialpädagogik einen Namen gemacht.
Impressum
Dieses E-Book ist auch als Printausgabe erhältlich
(978-3-407-85978-5)
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überarbeitete Auflage 2013
www.beltz.de
© 1994 Beltz Verlag, Weinheim und Basel
Umschlaggestaltung: www.anjagrimmgestaltung.de, Stefan Engelke (Beratung)
Umschlagabbildung: © plainpicture/Johner
Innenillustrationen: © Jonathan Bachmann
Layout und Satz: Lelia Rehm
E-Book: Beltz Bad Langensalza GmbH, Bad Langensalza
ISBN 978-3-407-22346-3
INHALT
Einleitung
Bedeutung und Zielsetzung des darstellenden Spiels
Hinführung zum darstellenden Spiel
PERSONALES SPIEL
Warming-up-Spiele – Gesellige Spielformen zur Lockerung und Aktivierung
Scharaden – Einfall, Abwechslung und Überraschung
Pantomimisches Spiel – Darstellungskräfte aktivieren und mimische Ausdruckskraft erfahren
Stegreifspiel – spontanes dialogisches Rollenspiel, gespielter Witz und Sketche
Theater – Textspiel vor Publikum
Improvisationstheater – Geschichten des Augenblicks
Kabarett – menschliche Schwächen durchleuchten
Problemorientiertes Rollenspiel – soziales Lernen in der »Als-ob-Realität«
Planspiel – modellhafte Wirklichkeit
FIGURALES SPIEL
Mehr als Kasperletheater
Figuren- und Puppenarten
Handpuppenspiel – Theaterstücke im Kleinen
Marionettenspiel – Fantasie, Lebendigkeit und Ausstrahlung
Schattenspiel – Illusionäres Spiel mit Figuren und Personen
Maskenspiel – Darstellungsform mit Tradition
TECHNISCH-MEDIALES SPIEL
Zwei Komponenten
Musik als Bestandteil und Ausdrucksmittel des darstellenden Spiels
Hörspielgestaltung
Audiovisionsspiel
Vor und hinter der Kamera
Literaturverzeichnis
Das Theater ist die tätige Reflexion des Menschen über sich selbst.
Novalis
EINLEITUNG
In wohl jedem von uns schlummert ein Spieler und Komödiant, der Homo ludens, der nur eines Initialfunkens bedarf, um zum Leben zu erwachen.
Im darstellenden Spiel werden Fantasie, Ideen und kreatives Handeln freigesetzt und eine schöpferische Einstellung gefördert.
Durch Bewegung, Entspannung, aber auch durch Konzentration auf das Wesentliche der jeweiligen Spielform können wir den Alltag ein wenig kompensieren. Im »Theaterspiel« kommt es zum Trainieren und Reflektieren des sozialen Lernens, zum Gespräch und gemeinsamen Erleben. Dies sind Erfahrungen, die sowohl für Kinder und Jugendliche als auch für Erwachsene eine Bereicherung darstellen.
Das »Drauflosspieltheater« wendet sich als Praxis- und Arbeitsbuch an Eltern, Erzieher, Sozialpädagogen, Lehrer, Jugendgruppenleiter und Freizeitanimateure. Es versteht sich als »kleiner Materialkasten«, der kompakt über die wichtigsten Formen des darstellenden Spiels informieren und sie für die Arbeit mit Schüler-, Jugend- und Erwachsenengruppen nutzbar machen möchte. Auch Anregungen für das darstellende Spiel in Kindergruppen werden gegeben.
Neben einem gewissen spielpädagogischen und spieltechnischen Fundament bietet das Buch über 350 originelle Spiel- und Übungsvorschläge an und gibt Hinweise zu ihrem richtigen didaktisch-methodischen Einsatz. Es möchte dem Leser auch helfen, auf die eigene Spielgruppe angemessen einzugehen und situationsorientiert Spielprozesse zu organisieren.
Bewusst enthält das Buch – abgesehen vom technisch-medialen Spiel – eine Auswahl von Spielangeboten, die ohne großen organisatorischen und zeitlichen Aufwand durchführbar sind, aber dennoch genügend Gestaltungsraum offen lassen und Perspektiven für eine intensive Beschäftigung mit der jeweiligen Spielform anbieten.
Die Anregungen und Spielvorschläge dieses Materialkastens wurden in zahlreichen Spielstunden mit Kindern im Schulalter, mit Jugend- und Erwachsenengruppen erprobt und haben sich auf entsprechenden Fortbildungsseminaren mit Erzieherinnen und Erziehern praktisch bewährt.
Bei allen pädagogischen und methodischen Absichten müssen Spaß und Freude am darstellenden Spiel den Ausschlag für die Beschäftigung mit diesem Spielbereich geben. Die Darstellungsformen, Inhalte und Techniken werden letztlich durch die persönlichen Neigungen und Einstellungen, Talente und Begabungen der Spieler begründet. Wir sollten die persönlichkeitsbildenden Möglichkeiten des Theaterspiels im schulischen wie außerschulischen Bereich noch stärker nutzen als bisher und die Chance wahrnehmen, das Miteinander etwas freudvoller und wärmer – einfach menschlicher zu gestalten.
Zur 8., aktualisierten und ergänzten Auflage
Verlag und Autor freuen sich über die wohlwollende Aufnahme dieser kleinen Hilfestellung zum Theaterspiel mit Schulkindern, Jugendlichen und Erwachsenen. Seit vielen Jahren steht es an der Spitze der beliebtesten Bücher zur Erarbeitung darstellender Spielformen.
In dieser auch optisch neu gestalteten, aktualisierten und erweiterten 8. Auflage mögen alle spiel- und theaterbegeisterten Menschen auch weiterhin wichtige Grundlagen, hilfreiche Tipps und Anregungen für ihre praktische Arbeit in Theatergruppen finden.
Peter Thiesen, im Mai 2013
BEDEUTUNG UND ZIELSETZUNG
DES DARSTELLENDEN SPIELS
Darstellende Spielformen und Theater sind für die Akteure kreative Herausforderung und Freude zugleich. Träume, Wünsche und Sehnsüchte können hier zur Entfaltung kommen. Immer mehr Schüler und Lehrer interessieren sich für Fächer wie »Darstellendes Spiel« beziehungsweise »Dramatisches Gestalten«. Sie haben erkannt, dass aktives Theaterspiel in besonderer Weise die Kreativität fördert und die für die Persönlichkeitsentwicklung wichtigen Prozesse der Selbstfindung unterstützt. Darstellende Spielformen fördern die Wahrnehmung und das Ausdrucksvermögen. Sprache, Stimme, Klang, Mimik und Gestik in Verbindung mit Raum, Zeit und Requisiten werden als Gestaltungsfeld und szenische Kompositionen erlebt. Im Spiel erweitern sich die Fähigkeiten der Kommunikation und der Reflexion. Das Fordern und Fördern sozialer Kompetenzen und des kooperativen Verhaltens, die Arbeit an sich selbst und mit anderen führen nachhaltig zur Erweiterung des Handlungsrepertoires.
Bisher bieten Bayern, Hamburg und Berlin das »Darstellende Spiel« als eigenes Fach an. Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen berücksichtigen das darstellende Spiel im Rahmen von Literaturkursen. In Schleswig-Holstein kann das darstellende Spiel in freiwilligen Unterrichtsveranstaltungen ohne Benotung angeboten werden. Seit 2002 gibt es in Niedersachsen, dank der Kooperation von fünf Hochschulen und Universitäten in Hannover, Braunschweig und Hildesheim ein bundesweit einmaliges und innovatives Studienangebot. Es entstand der Studiengang »Darstellendes Spiel«, der nach sechs Semestern mit dem Bachelor of Arts abschließt. Der Abschluss befähigt, als Theaterpädagoge/Theaterpädagogin in der Jugend- und Erwachsenenbildung, an Theatern und in kulturellen und sozialen Bereichen tätig zu werden. Im anschließenden zweijährigen Masterstudium wird die Befähigung zur Aufnahme eines Referendariats für das höhere Lehramt an Gymnasien oder berufsbildenden Schulen erworben.
In Deutschland gibt es in den Bereichen »Darstellendes Spiel« und »Theater« auch zahlreiche berufsbezogene Weiterbildungen verschiedener Verbände und freier Träger. Sie wenden sich vorrangig an Berufsgruppen wie Lehrer/-innen, Erzieher/-innen und Sozialpädagog/-innen, die mit Amateurtheatergruppen in der Kultur-, Jugend- und Erwachsenenbildung zusammenarbeiten. Einer dieser Anbieter ist beispielsweise der Landesverband Theaterpädagogik in Niedersachsen, dessen 250 Stunden umfassende Ausbildung auf Wochenendmodule verteilt sind und durch das dortige Landesinstitut für Qualitätsentwicklung zertifiziert werden. Auch Hessen, Brandenburg und Hamburg bieten Lehrkräften Weiterbildungskurse für Theater und darstellendes Spiel an. Seit Jahren heißt es in Hamburg »Theater macht Schule«. Dort werden Schülerproduktionen zu interessanten Themen szenisch umgesetzt.
Der Bundesverband Theater an Schulen (BV.TS) mit Sitz in Frankfurt a. M. engagiert sich als Dachverband und in den jeweiligen Landesverbänden für schulische Theaterangebote in allen Schulstufen. Er führt Großveranstaltungen durch, auf denen Schultheatergruppen aus dem gesamten Bundesgebiet mit Elan und Freude ihr Können unter Beweis stellen.
In Bayern ist das »Schulspiel/Dramatisches Gestalten« im Rahmen der geltenden Stundentafeln aller allgemeinbildenden Schulen ein Wahlfach oder eine Arbeitsgemeinschaft in den Jahrgangsstufen 5 bis 10; in der Oberstufe wird es als frei wählbarer Grundkurs angeboten. Der Unterricht umfasst das darstellende Spiel in den Bereichen personales, figurales und technisch-mediales Spiel. Er vermittelt Kenntnisse über die jeweiligen Eigengesetzlichkeiten der Spielmedien und deren Ausdrucksmöglichkeiten sowie Fertigkeiten in den jeweiligen Techniken der Gestaltung. Natürlich geht es auch um Grundlagenkenntnisse, wie die Beherrschung von Körper und Sprache als Träger menschlichen Ausdrucks. Von der eigenen Spielidee und Spielvorlage über die Improvisation bis hin zur Interpretation bestehender Textstücke reicht die Palette der Spielmöglichkeiten. Über allem sollte die Freude am Theaterspiel stehen. Sie ist Triebfeder und Motor zugleich, um Fähigkeiten und Fertigkeiten zu fördern, Einsichten zu gewinnen und sie auf eigene Lebensbereiche zu übertragen. Höhepunkt beim Schulspiel, wie auch in freien Spielgruppen, ist natürlich immer die Darbietung des Spielvorhabens vor einem applaudierenden Publikum.
Unter dem Oberbegriff »Darstellendes Spiel« fassen wir die Bereiche personales, figurales und technisch-mediales Spiel zusammen:
1. Personales Spiel
Im personalen Spiel kommt es zur Aktivierung der spielerischen Fähigkeiten in einer Gruppe. Der einzelne Spieler wird sensibilisiert sowohl für seine persönlichen Ausdrucksmöglichkeiten als auch für die Wirkung, die sein Spiel auf die Partner (Mitspieler, Gruppe) und auf die Zuschauer hat.
Die Spielformen des personalen Spiels sind Warming-up-Spiele, spontane, von Situationskomik getragene Kleinspielformen, Scharaden, Pantomime, Stegreifspiel, Sketche, Theater, Kabarett, problem-orientiertes Rollenspiel und Planspiel.
2. Figurales Spiel
Grundlage des figuralen Spiels ist die jeweilige Spielfigur. Aussagefähigkeit und Charakter der Figuren werden vor allem durch Größe, Form und Mechanismus bestimmt. In Spielversuchen werden die Darstellungsmöglichkeiten, die eine Figur in sich birgt, ergründet.
Spielformen des figuralen Spiels sind das Puppenspiel, Marionettenspiel, Schattenspiel und Maskenspiel.
3. Technisch-mediales Spiel
Im technisch-medialen Spiel geht es darum, räumliche, akustische und optische Situationen und durch Personen getragene Handlungsabläufe in die »Sprache« des jeweiligen Mediums (Musikinstrument, akustische oder visuelle Aufzeichnung) umzusetzen.
Als technisch-mediale Spiele finden Sie in diesem Buch das Spiel mit selbst gebauten Musikinstrumenten, das Hörspiel, die Spielgestaltung mit der Video- bzw. Digitalkamera.
Das darstellende Spiel ist ein hervorragendes Kommunikationstraining, kreatives und künstlerisches Ausdrucksmittel zugleich. Gestik und Mimik werden erprobt. Die Vielfalt körperlicher Ausdrucksmöglichkeiten wird erfahren. Nachahmungsspiele wie Scharade und Pantomime erfordern eine genaue Beobachtung von Handlungen, Ereignissen und Personen, um das Gesehene zu reproduzieren.
Durch die Nachahmung von Personen wird unwillkürlich die Aufmerksamkeit stärker auf das Verhalten der Mitmenschen gelenkt. Zum einen kann es zur Typisierung kommen, indem bestimmte Verhaltensweisen überspitzt dargestellt werden; zum anderen wird die Differenzierungsfähigkeit trainiert. Beides ist erforderlich, um Verallgemeinerungen und Vorurteile abzubauen.
Beim verbalen Spiel, dem Umgang mit der Sprache, erfahren wir die Wirkungen von Tonfall, Lautstärke, Artikulation, Betonung, Sprechgeschwindigkeit und Sprechpausen. Das Kennenlernen der Ausdrucks- und Modulationsfähigkeit der Stimme wird so zur wichtigen Selbsterfahrung.
In Gesprächen, Diskussionen und Konfliktsituationen kann die Modulationsfähigkeit der Stimme bewusst und gezielt eingesetzt werden. Das Erkennen der eigenen sprachlichen Ausdrucksmöglichkeiten fördert die Fähigkeit des Zuhörens und der Differenzierung, die für ein sinnvolles Kommunizieren unerlässlich ist. Darstellende Spiele als Sprachtraining zeigen auch Möglichkeiten auf, sich vor sprachlichen Manipulationen zu schützen, zumal im Spiel die Vielfalt sprachlicher Ausdrucksmöglichkeiten bewusst erlebt wird.
Darstellendes Spiel als Training sozialen Handelns kommt besonders im problemorientierten Rollenspiel zum Ausdruck. Es ermöglicht den Spielern, erlebte Probleme und Konflikte zu analysieren, zu gliedern und verschiedene Wege der Problemlösung zu erproben.
Die Reflexion einer konkreten oder fiktiven Situation hilft, Aufschlüsse über eigenes Verhalten und Reaktionen der Umwelt aufzunehmen und zu erkennen. Durch vom Spielleiter angeregten Rollentausch können stereotype Rollenauffassungen aufgebrochen werden. Rollenspiel wird somit nicht zum Selbstzweck, sondern bietet konkrete Erfahrungen im Umgang mit Konflikten und möglichen Lösungsformen innerhalb der unmittelbaren Umwelt.
Bei all den genannten pädagogischen Möglichkeiten und Intentionen des darstellenden Spiels soll es dem Einzelnen und der Gruppe in erster Linie Spaß bringen.
Darstellendes Spiel bedeutet:
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Alle können mitspielen!
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Spaß am Nachahmen, am Ausprobieren und Experimentieren.
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Lust am Sichdarstellen und am Darstellen anderer.
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Spaß am Verkleiden.
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Neugierig im positiven Sinn sein.
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Einfälle werden spontan umgesetzt.
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Spaß an Sprache, Mimik, Gestik und Bewegung.
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Selbstsicherheit gewinnen und Selbstbeherrschung üben.
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Einfühlungsvermögen wecken und vertiefen.
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Selbst in Aktion treten und Selbsttätigkeit erfahren.
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Freude und Vergnügen im gemeinsamen Spiel mit anderen erleben.
HINFÜHRUNG ZUM
DARSTELLENDEN SPIEL
Der Spieleinstieg muss vom Spielleiter gut vorbereitet sein. Um auf die Interessen der Spieler eingehen zu können, sollte er mehrere Formen des darstellenden Spiels beherrschen.
Den Spielern wird der Einstieg dann erleichtert, wenn ihre spezifischen Fähigkeiten Berücksichtigung finden, d. h. wenn sie ihre Bewegungen, ihre Sprache und individuellen Bildungsvoraussetzungen einbringen können.
Beim Einsatz des darstellenden Spiels ergeben sich für den Spielleiter einige Fragen, die für seine Selbsteinschätzung wichtig sind:
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Kenne ich eine große Zahl verschiedener Spielformen und Spiele? Welche Erfahrungen und Kenntnisse bringe ich ein?
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Kenne ich die Bedürfnisse und Interessen der Spieler? Kann ich eigene Bedürfnisse zurückstellen?
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Kann ich Spiele ziel-, gruppen- und situationsgerecht einsetzen?
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Wie kann ich den Spielern helfen, eine unbefangene Beziehung zum darstellenden Spiel herzustellen?
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Was kann ich tun, damit der einzelne Spieler seine Fähigkeiten in das Spiel einbringt?
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Wie lassen sich mit einfachen Mitteln Erfolgserlebnisse für den einzelnen Spieler und für die Gruppe ermöglichen?
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Wie werde ich mit unvorhergesehenen Situationen fertig? Gehe ich empfindsam und behutsam auf die Spieler zu?
Es gibt verschiedene Methoden, Menschen an das darstellende Spiel heranzuführen. Spielen Sie mit einer Gruppe, in der noch keine Spielerfahrungen bestehen, so sollten Sie die geselligen Spiele zur Auflockerung und Hinführung (Warming-up) nutzen.
Die Wirkung von Scharaden und pantomimischen Gruppenspielen ist durchaus geeignet, um aus der entstandenen Gesellschaftsspielstimmung zu spezielleren Spielformen überzugehen.
Bei spielunerfahrenen Teilnehmern gilt es, anfängliche Spielhemmungen abzubauen. Bei pantomimischen Ratespielen wird die Konzentration der Zuschauer vorrangig auf die Lösung gelenkt, was es den Darstellern leichter macht, sich vor anderen zu produzieren.
Darstellende Spiele lassen sich frei oder gebunden spielen. Beim freien Spiel sind der Fantasie der Akteure keine Grenzen gesetzt. Beim gebundenen Spiel (z. B. mit vorgegebenem Text) bestehen Regeln, die den Spielrahmen bestimmen. Für eine ungezwungene, angstfreie Atmosphäre ist es wichtig, beim Vertrauten anzufangen. Das Orientieren am »großen« Theater oder der Perfektionismus eines ehrgeizigen Spielleiters wirkt sich am Anfang auf die Spieler eher blockierend aus und nimmt ihnen den Mut. Deshalb sollte die Spielgruppe während der ersten Spielphasen auch die Zuschauer weglassen. Das Darstellen vor fremdem Publikum kann, muss aber nicht immer Ziel sein. Spieltragendes Element ist und bleibt die Spielfreude.
Wer mit einer Gruppe systematisch die Formen des darstellenden Spiels erarbeiten möchte, sollte schrittweise versuchen, aufeinander aufbauende Erfahrungen und Erkenntnisse zu vermitteln.
In der spielpädagogischen Praxis hat sich das folgende vierstufige Modell besonders bewährt:
Stufe |
Ziele |
Spielformen |
1. Stufe |
Kennenlernen (bei fremden Teilnehmern), Lockerung, »Aufwärmen«, Aktivierung, Spielfreude/Spaß entwickeln, Einstieg mit einfachen Spielformen |
Interaktionsspiele, Spiele zur Auflockerung, Bewegungsspiele, Warming-up-Spiele (zur Hinführung) |
2. Stufe |
weiterhin Lockerung und Kennenlernen, Verbesserung der Wahrnehmungs- und Ausdrucksmöglichkeiten, Erwerb spieltechnischer Fähigkeiten, von einfacheren zu schwierigeren Spielformen, vom nonverbalen zum verbalen Spiel |
Scharaden, einfache pantomimische Spiele (Ratespiele), pantomimische Übungen, Erzähl- und Diskussionsspiele |
3. Stufe |
Verbesserung der Kooperation, vertraute Atmosphäre, Vertiefung der Spielbereitschaft, Erweiterung und Verbesserung der Spieltechniken, Kennenlernen neuer Spielformen |
Stegreifspiel, spontane Spiele, Improvisationen, Sketche, dialogisches und problemorientiertes Rollenspiel, figurales Spiel, Improtheater |
4. Stufe |
längere Spielgestaltungen, von der geschützten Spiel- und Aktionsgruppe zum Eigenversuch vor Publikum |
Theateraufführungen (personales und figurales Spiel), Kabarett, technisch-mediales Spiel |
Voraussetzung des darstellenden Spiels ist nach wie vor die Beherrschung von Körper, Sprache, Gestik und Mimik als Träger menschlichen Ausdrucks. Sie bilden eine Einheit und kommen auch nie unvermischt vor. Hier ist zuerst Grundlagenarbeit zu leisten. Größere, komplexere und weitergehende Vorhaben wie z. B. das figurale Spiel sollten auf diesen Grundlagen aufgebaut werden.
Darstellendes Spiel bedarf auch der Fähigkeit, vorhandene Spielvorlagen und Texte in ihrem Sinngehalt zu erfassen bzw. eigene Spielideen zu entwickeln. Ein weiterer Schritt ist, diese durch unmittelbare Aufbereitung in Spielhandlungen umzusetzen oder in Entwürfe umzuwandeln, die diese Spielideen »schaubar« und »hörbar« machen. Höhepunkt aller Bemühungen kann die Darbietung des Spielvorhabens vor Publikum sein. So werden die geleistete Grundlagenarbeit und die Fähigkeit zum Zusammenwirken einer Spielgruppe allgemein sichtbar.
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PERSONALES SPIEL
WARMING-UP-SPIELE
SCHARADEN
PANTOMIMISCHES SPIEL
STEGREIFSPIEL
THEATER
IMPROVISATIONSTHEATER
KABARETT
PROBLEMORIENTIERTES ROLLENSPIEL
PLANSPIEL
WARMING-UP-SPIELE
Gesellige Spielformen zur Lockerung und Aktivierung
Die Grundlagen des darstellenden Spiels lassen sich am besten aufbauend im Wechsel von Einzel- und Gruppenübungen vermitteln und einüben.
Zur Einstimmung eignen sich spielerische Übungen zur Darstellung bestimmter Verhaltensweisen. Sie lassen sich mit Spielansätzen verbinden, die das individuelle Ausdrucksrepertoire sichtbar machen. In kleinen Improvisationsübungen können individuelle Ausdrucksmöglichkeiten in den Bereichen Bewegung, Mimik, Gestik und Sprache vermittelt werden. Diese Fähigkeiten können wir in immer neuen Spielsituationen weiterentwickeln, und zwar durch Spielen, Beobachten, Verbessern, Einüben und Variieren. Die einzelnen Tätigkeiten werden in der Gruppe beobachtet und reflektiert.
Haben wir uns mit den Grundlagen des darstellenden Spiels vertraut gemacht, können wir uns – je nach individuellen Möglichkeiten – an spezielle Rollen heranwagen.
Je intensiver sich der Spieler mit seiner darzustellenden Figur gedanklich und im praktischen Spiel auseinandersetzt, umso überzeugender wird die Gestaltung der Rolle sein.
Die Verwirklichung darstellender Spielvorhaben wie etwa des Theaterspiels, setzt stets auch dramaturgische Arbeiten voraus. Hierzu gehören die Auswahl, Bearbeitung, Umformung oder Erweiterung von Texten und Stücken. Weitere Gesichtspunkte sind Fragen zur Ausstattung, zu Requisiten und Kostümen sowie zum technischen Apparat, zu Geräuschen und zur Musik. Erst wenn alle szenischen Vorgänge reibungslos abgelaufen sind, können wir von einem abgeschlossenen Spielvorhaben sprechen.
Am Anfang sollten Spielangebote stehen, bei denen Gruppenmitglieder miteinander in Kontakt treten, sich kennenlernen und so die Scheu voreinander verlieren.
Warming-up-Spiele haben die Aufgabe, in neuen, spielungeübten Gruppen das Kennenlernen zu beschleunigen, die Atmosphäre aufzulockern, den Spielern beim »Aufwärmen« zu helfen, Spielspaß und Spielbereitschaft zu entwickeln.
Die folgenden 26 darstellenden Kleinspielvorschläge wirken auf die Gruppenmitglieder entkrampfend und auflockernd und lassen keine Ängste vor möglicher Blamage aufkommen.
Anfängliche Hemmungen vor dem darstellenden Spiel können bewältigt werden,
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wenn Spielaufbau und Regeln einfach und einprägsam sind, sodass ihre Einhaltung kaum jemanden überfordert;
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wenn alle Spieler zur selben Zeit das Gleiche oder nacheinander das Gleiche tun;
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wenn der Spaß am Spiel eventuelle Ungeschicklichkeiten oder Fehler überdeckt und vergessen lässt.
Fangen wir also an.
Spielvorschläge
1 Aktivitätenblock
Für unser erstes Spiel, das aus vielen einzelnen Aktivitäten besteht, benötigen wir einen Raum, der genügend Bewegungsfläche bietet. Alle Stühle und Tische stellen wir zur Seite. Der Spielleiter gibt jetzt Anweisungen, die von der Gruppe ausgeführt werden sollen. Etwa alle 30 bis 60 Sekunden erfolgt eine neue Anweisung.
Die hier genannten Beispiele lassen sich durch eigene Spielideen der Teilnehmer beliebig erweitern und variieren.
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Wir gehen gelöst durch den Raum und achten auf uns selbst. Jetzt schauen wir uns die anderen Gesichter an.
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Wir haben in der Lotterie gewonnen und springen vor Freude durch den Raum. Wir springen ganz hoch.
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Wir probieren jetzt verschiedene Gangarten aus. Wir gehen gelöst – gehemmt – rhythmisch – wie eine Marionette – wie ein Wackelpudding – mit einem ganz schweren Koffer …
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Unser Traumschiff ist untergegangen. Zum Glück konnten wir uns auf ein kleines Floß retten. Es ist sehr eng.
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Wir befinden uns in einem fremden Land und begrüßen uns auf eine völlig neue Art.
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Wir gehen gelöst durch den Raum.
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Jeder geht jetzt mit einem großen Stapel höchst kostbarer Porzellanteller durch den Raum.
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Zu zweit wird ein Zeitlupen-Boxkampf durchgeführt.
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Wir suchen uns einen Partner. Einer ist eine Marionette, der andere der »Beweger«. Die Partner wechseln die Rollen.
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Wir haben uns verwandelt und sind Tiere auf einem Bauernhof, die Laute von sich geben.
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Wir sind ein Orchester bei der Probe.
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Jeweils 3 bis 5 Spieler bilden eine Maschine, die auch Geräusche von sich gibt.
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Wir gehen müde durch den Raum und befinden uns auf einmal in einer Gegend, in der das Gehen verboten ist. Erfindet neue Arten der Fortbewegung.
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Versetzt euch in einen Zwerg und geht als Zwerg weiter.
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Geht jetzt als Riese weiter.
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Wir stehen uns in zwei Gruppen gegenüber (größere Raumdistanz). Je zwei Spieler nähern sich auf unterschiedliche Weise: in normalem Tempo; schnell – sehr langsam; lachend; räuspernd; hustend; flüsternd; schreiend; so lautlos wie möglich.
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Wir nehmen an einem großen Empfang teil und schütteln viele Hände, immer mehr Hände …
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Alle gehen wieder gelöst durch den Raum.
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Tragt jetzt zu zweit eine Glasscheibe. Vorsicht! Stoßt nicht mit anderen zusammen.
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Auch das noch! Es regnet stark. Je zwei Spieler gehen unter einem recht kleinen Regenschirm.
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Der Regen wird zum Wolkenbruch. Was nun?
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Die Sonne ist wieder da und wir gehen ruhig im Raum umher.
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Wir treffen Freunde, die wir seit zwei Jahren nicht mehr gesehen haben und begrüßen uns.
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Wir gehen wieder ruhig durch den Raum.
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Je zwei Spieler nähern sich in der gleichen Rolle, z. B. als zwei Catcher – Schlafwandler – Ölscheichs – Einbrecher – Seiltänzer – Schimpansen – Wachsoldaten – Stiere – Tischtennisspieler – betrunkene Matrosen – Florettfechter – Sheriffs.
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Wir gehen wieder gelöst durch den Raum.
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Die ganze Gruppe ist ein Luftballon. Wir bilden einen engen Kreis, gehen in die Hocke und fassen uns an den Händen. Langsam wird der Ballon aufgeblasen (alle pusten, gehen langsam höher), bis er platzt.
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Wir gehen durch den Raum und verabschieden uns voneinander, als wäre es für lange Zeit.
2 Napoleon trifft Donald Duck