Klaus Kordon, geboren 1943 in Berlin, war Transport- und Lagerarbeiter, studierte Volkswirtschaft und machte als Exportkaufmann Reisen nach Afrika und Asien, insbesondere nach Indien. Heute lebt er als Schriftsteller in Berlin. Bei Beltz & Gelberg erschienen zahlreiche seiner Bücher, darunter Kinderbücher wie Brüder wie Freunde, Die Reise zur Wunderinsel, Kiko und Marija im Baum. Kordons autobiographischer Roman Krokodil im Nacken wurde mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichnet, genauso wie seine Biographie über Erich Kästner Die Zeit ist kaputt. Für sein Gesamtwerk erhielt er den Alex-Wedding-Preis der Akademie der Künste zu Berlin und Brandenburg, den Großen Preis der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendliteratur sowie den Sonderpreis des Deutschen Jugendliteraturpreises.
Lena Winkel, geboren 1993, aufgewachsen im Westerwald, lebt und
arbeitet als Illustratorin in Hamburg. Sie studierte Illustration an der Haw Hamburg
und in Paris und illustrierte bereits während ihres Studiums Kinderbücher, einige
ihrer Arbeiten wurden für die Bologna Illustrator’s Exhibition ausgewählt.
Alles begann damit, dass Miri sich einen Hund gewünscht hat. Und das schon seit fast immer.
Wer Miri ist? Na, meine Schwester. Sie ist vier Jahre älter als ich und hält sich für viel klüger. Weil sie ja schon ein bisschen länger auf der Welt ist.
Schön doof! Als ob man Klugheit nach Jahren oder Zentimetern messen kann.
Richtig heißt sie Marie. Aber alle sagen nur Miri zu ihr. Und das gefällt ihr. Miri, sagt sie, so heißt ja sonst niemand. Maries gibt’s in ihrer Klasse gleich drei.
Ich heiße Paul. Auch so heißen viele. Aber mir macht das nichts aus. Darf nur niemand Paulchen zu mir sagen. »Paulchen« klingt nach »klein«. Und ich bin ja wirklich kein Riese. Was mir manchmal ziemlich stinkt. Wie sieben oder acht sehe ich aus – und dabei bin ich schon zehn.
Aber so schnell könnt ihr gar nicht laufen, wie ihr flitzen müsstet, wenn ihr Paulchen zu mir sagt. Nur Jessy darf das.
Jessy ist unsere Mutter. Zwar lasse ich mich auch von ihr nicht gern zum Zwergplaneten machen, aber vielleicht will sie wegen meiner kleinen Größe ja nur besonders lieb zu mir sein. Sie sagt, dass manche Kinder erst später wachsen. Hoffentlich behält sie recht.
Also: Miri wünschte sich einen Hund. Und ich? Ich wollte keinen.
Wozu denn? Um dreimal am Tag mit ihm Gassi gehen zu dürfen? Und solange er noch nicht stubenrein war, vielleicht noch öfter? Da konnte ich mir Schöneres vorstellen. Hab ich auch immer wieder gesagt. Aber auf mich hört ja keiner.
Und Miri ließ einfach nicht locker. Sah sie irgendwo einen Köter, der ihr gefiel, fing sie jedes Mal von Neuem an: Nie wieder wollte sie zu Weihnachten oder zum Geburtstag etwas geschenkt bekommen, sie wollte nur endlich einen eigenen Hund haben.
Schon als sie noch ganz klein war, soll das so gewesen sein. Weil es – ich konnte zu der Zeit noch nicht mal richtig laufen – damals eine Fernsehserie gab, in der ein Hund die Hauptrolle spielte. Vier Kinder erlebten mit ihm immer wieder irgendwelche Abenteuer. Miri durfte die Serie kucken, weil jede Folge nur eine halbe Stunde dauerte. Und da verliebte sie sich in den Hund – und wollte auch so einen haben. »Ich will einen Hund-Hund-Hund!«, soll sie immerzu gesagt und dabei manchmal sogar mit dem Fuß aufgestampft haben.
Ein Hund hätte damals aber nur gestört, wie Jessy mir mal erzählt hat. Miri und ich machten ihr schon genug Arbeit und unsere Wohnung war nicht gerade groß. Zwar bekam Miri dann doch noch einen Hund, der genauso aussah wie der aus der Fernsehserie, aber der war nur aus Stoff.
Was das für ein Hund war, in den Miri sich verliebt hatte? – Ein Mittelschnauzer, ganz schwarz, lustig und verspielt.
Den Stoffhund, okay, den liebte Miri auch bald. Aber lustig und verspielt war der nun gerade nicht. Doch musste er wenigstens nicht Gassi geführt werden. Den ganzen Tag lag er auf Miris Bett und kuckte sie mit dunklen Knopfaugen an. Und wenn wir irgendwo hinfuhren, nahm Miri ihn mit und hielt ihn fest, als wollte ihr den jemand klauen.
Na ja, das weiß ich alles nur, weil es mir erzählt wurde. Aber an die Poster, die Miri sich über ihr Bett gehängt hatte, erinnere ich mich noch genau. Auf jedem war ein schwarzer Mittelschnauzer abgebildet. Einer sprang über einen bunten Ball, einer machte Männchen, weil ihm ein Leckerli hingehalten wurde, einer schmuste mit einem kleinen, blonden Jungen. – Nur gut, dass ich nicht dieser Junge bin, dachte ich immer. Der Gedanke, dass mir so ein Köter das Gesicht ableckte – wie eklig!
Waren alles nur Reklame-Poster von einer Firma, die Hundefutter herstellte. Jessy hatte sie Miri mitgebracht, weil dort, wo sie arbeitet, ja auch Werbeplakate gedruckt werden.
Jedenfalls roch schon damals in Miris Zimmer alles nach Hund, auch wenn sie noch gar keinen hatte. Um Miri zu ärgern, hielt ich mir oft die Nase zu. Andere Mädchen pinnten sich Fotos von irgendwelchen Musik- oder Filmstars übers Bett, Miri aber stand auf Hunde. Und schwarz mussten sie sein und einen Schnauzbart haben.
Miri und ich wurden größer – und der echte, lebendige Hund, mit dem Miri von morgens bis abends hätte kuscheln und tuscheln können, blieb ihr Lieblingstraum. Aber das nur bis voriges Jahr. Da war ich dann schon neun und Miri dreizehn Jahre alt. Und irgendwie, so fand ich, war meine Kindheit damit vorbei. Und schuld daran war Mo.
Mo ist unser Vater. Eigentlich heißt er ja Moritz, aber alle, die ihn nicht Herr Billib nennen, sagen Mo zu ihm.
Mo hatte in seiner Firma gekündigt.
Warum?
Weil er seinen Nebenberuf endlich zum Hauptberuf machen wollte.
Was Mos neuer Hauptberuf ist?
Er erfindet Spiele. Aber nicht solche, bei denen man vor dem Computer sitzt, bis einem der Rücken wehtut. – Er erfindet Brettspiele. Würfelspiele. Mit Rausschmeißen und Vorrücken und so. Jede Menge Schikanen müssen da rein, damit es viel zu lachen und zum Ärgern gibt. Also so was Ähnliches wie Monopoly, Risiko oder Mensch ärgere dich nicht.
Aber natürlich sind seine Spiele viel schwieriger zu spielen. Sind ja supermoderne Spiele. Spiele »von heute«, wie er das nennt. Und sie verkaufen sich gut. Nicht nur Kinder lieben seine Spiele. Eins heißt Tausend Teufel, eins Weg zu den Sternen, eins Hukabaluka.
Schon zweimal hat Mo den Preis Spiel des Jahres gewonnen. Sogar in Amerika wird Hukabaluka gespielt. Deshalb will er nichts anderes mehr arbeiten, sondern nur noch Spiele erfinden. Der Beruf, den er mal erlernt hat – Zahntechniker –, interessiert ihn nicht mehr. Wenn er mit etwas, das ihm viel mehr Spaß macht, Geld verdienen kann, sagt er, dann sei das »um Welten« besser, als jeden Tag an irgendwelchen künstlichen Zähnen oder Gebissen herumfummeln zu müssen.
Jetzt arbeitet er zu Hause und hat Zeit, sich um Miris Hund zu kümmern. So wurde es vorher jedenfalls verabredet. Aber in Wahrheit, das weiß ich längst, sollen nur wir uns kümmern – Miri und ich.
Was Miri betrifft, war das ja auch okay. Wer sich einen Hund wünscht und wirklich bekommt, der hat ihn am Hals. Aber wieso ich? Hatte ich nicht gesagt, dass ich keinen wollte? Und jetzt sollte auf einmal auch ich mich kümmern?
Was so ein Spieleerfinder eigentlich den ganzen Tag macht?
Er sitzt an seinem Schreibtisch und denkt nach. Über möglichst knifflige Spielzüge und witzige Spielfiguren. Einen Raumfahrtschlitten hat er schon erfunden. Und eine Dschungel-U-Bahn. Mit dem Schlitten kommt man schnell voran, mit der Dschungel-U-Bahn eher im Schneckentempo. Lauter solche Sachen.
Manchmal zeichnet er etwas auf und oft hilft ihm der Computer beim Nachdenken oder Aufzeichnen. Er kann dann oft an gar nichts anderes mehr denken. Sogar beim Fernsehen oder in den Ferien tüftelt er an irgendwelchen raffinierten Spieleschikanen herum – und schiebt alles wieder beiseite, wenn er damit nicht zufrieden ist.
Monatelang geht das so. Das neue Spiel soll ja immer noch verzwickter, lustiger und spannender werden.
Manchmal will er dann seine Einfälle an Miri und mir testen. Ein »großer Vertrauensbeweis«, wie er sagt. Weil seine Spiele ja eigentlich so geheim bleiben müssen wie ein neu entwickeltes Auto. Sonst klaut ihm vielleicht die Konkurrenz seine Idee und kommt früher als er mit einem ähnlichen Spiel in die Geschäfte. Er ist bei diesem »Testspielen« auch immer ganz scharf auf unser »Feedback«, denn das hilft ihm, die Spiele zu verbessern.
Mittags geht er in die Küche und kocht. Für Miri und mich und für sich selbst. Er kann das ziemlich gut, kocht viel besser als Jessy. Wenn Miri und ich aus der Schule kommen, hauen wir jedes Mal rein, bis wir kaum noch »piep!« sagen können.
Jessy findet das alles supercool. Weil sie jetzt endlich wieder ganztags arbeiten kann. Das hat sie sich schon lange gewünscht. Sie geht ja so gern arbeiten. In ihrer Firma hat sie oft die besten Ideen. Einmal hat sie für ein riesengroßes Plakat eine Waschmaschine gezeichnet, die hatte ein richtiges Gesicht und wollte vor lauter Freude über ihre Waschkraft Walzer tanzen. Sie hielt ein blitzweißes Hemd in den Armen, und das Hemd hatte auch ein Gesicht und spitzte die Lippen, als wollte es die Waschmaschine küssen. Ich glaube, die Waschmaschine sollte ein Mann sein und das Hemd eine Frau.
Die Firma, die diese Waschmaschine herstellt, hat danach viel mehr verkauft als vorher. Und Jessys Chef, der hatte Jessy immer wieder gedrängt, doch endlich wieder ganztags für ihn zu arbeiten. Jetzt ist er fast genauso glücklich wie die Waschmaschine auf dem Plakat.
Klar, Plakate entwerfen könnte Jessy auch zu Hause. Aber die Kollegen und Kolleginnen, mit denen sie zusammenarbeitet, wären dann nicht dabei. Und sie mag es nun mal, unter Leuten zu sein. Weil sie mit denen so gut ihre Ideen bequatschen kann. Das hat sie früher schon oft gesagt, als sie noch jeden Mittag nach Hause kommen musste, um da zu sein, wenn Miri und ich aus der Schule kamen. Wir waren dann jedes Mal beleidigt. War sie bei uns etwa nicht unter Leuten?
Inzwischen denken wir nicht mehr so. Zwar hat Jessy sich auch mit Miri und mir öfter über ihre Entwürfe unterhalten, aber richtige Fachleute sind wir ja nun wirklich nicht.
Und jetzt? Jetzt sollte auf einmal alles anders werden. Worauf Jessy, Mo und Miri sich so sehr freuten, dass sie am liebsten immerzu nur gejubelt hätten. Mo war glücklich, weil er nur noch zu erfinden brauchte, Jessy, weil sie wieder voll arbeiten gehen konnte, und Miri, weil sie endlich, endlich ihren Hund bekommen sollte.
Nur ich, ich war nicht glücklich. Ich war stinksauer. Weil ich ja einfach überstimmt worden war. 3:1 für Miris Hund? Das hieß 3:1 gegen mich. Wie hätte ich mich darüber freuen sollen?
Und wo bekamen wir Miris Hund her? Das war nun die große Frage. Es sollte ja nicht irgendeiner, sondern eine ganz bestimmte Rasse sein – ein Mittelschnauzer, ganz schwarz, lustig und verspielt. Also genau so einer wie der aus der Fernsehserie, die Miri so oft gekuckt hatte. Ein Zwergschnauzer wäre ihr zu klein, ein Riesenschnauzer zu groß gewesen.
Wen Jessy und Mo auch fragten, alle sagten sie dasselbe: Junge Hunde dürfe man auf gar keinen Fall in einem Zoogeschäft kaufen oder – noch schlimmer! – im Internet bestellen. Es gebe eine Menge Leute, die nur Geld mit ihnen verdienen wollten. Ob ihre Tiere gesund aufwüchsen, kümmere diese Typen nicht. Und so was dürfe man doch nicht auch noch unterstützen.
Nein, wer es richtig machen will, der muss zu einem ehrlichen Züchter gehen; einen, der seine Tiere liebt. Das sagten nicht nur Mo und Jessys Freunde, das sagte auch Miri, die sich gleich ein dickes Hundebuch gekauft hatte, um vom ersten Tag an alles richtig zu machen.
Jessy fand es trotzdem besser, erst mal das Tierheim anzurufen. Dort gebe es so viele alleingelassene Hunde, die nur darauf warteten, endlich abgeholt zu werden, sagte sie. Dort bekämen wir nicht nur einen Hund, sondern könnten auch noch was Gutes tun.
Sie rief dann auch wirklich dort an, aber einen Mittelschnauzer, möglichst rabenschwarz, lustig und verspielt – also noch ganz jung –, konnte der Mann am Telefon ihr nicht anbieten. Er konnte uns gar keinen Mittelschnauzer anbieten, keinen schwarzen und keinen Pfeffer-Salz-Farbenen. Aber natürlich, so sagte er, gebe es viele andere Hunde dort, die schon lange darauf warteten, eine neue Familie zu finden. Wir sollten doch einfach mal vorbeikommen und uns die Tiere anschauen.
Jessy blickte Miri an – und Miri schüttelte den Kopf. Sie wollte ihren Traumhund oder gar keinen. Also mussten Mo und Jessy doch im Internet herumstöbern. Aber das nur, um einen ehrlichen Züchter zu finden. Vielleicht priesen dort ja nicht nur gewissenlose Betrüger und Tierquäler ihre Hunde an. Und richtig, schon bald stießen sie auf einen Bauern, der Bruno Krummbiegel hieß und für seine rabenschwarzen Mittelschnauzer sogar schon Preise gewonnen hatte. Keine Hundeausstellung, an der dieser Bruno Krummbiegel nicht teilgenommen hatte.
Jessy rief an und – Miri heulte fast vor Glück – Herrn Krummbiegels Beatrix hatte gerade geworfen. Fünf Welpen hatte sie zur Welt gebracht, drei Weibchen und zwei Rüden. Ja, und noch, so Herr Krummbiegel, hätten wir die freie Wahl.
Wieder waren alle glücklich, nur ich nicht. Hatte ich doch schon so gehofft, dass Miri niemals ihren Traumhund finden würde. Noch am selben Abend aber stiegen wir ins Auto und fuhren zu diesem Herrn Krummbiegel.
Wie aufgeregt Miri war. Es war ja Sommer und noch lange hell. Also würden wir die fünf Welpen in aller Ruhe studieren und uns einen aussuchen dürfen. Die ganze Fahrt über predigte sie Mo und Jessy, dass wir nur den Welpen nehmen dürften, der zu uns hin- oder uns nachgelaufen kam. Weil das ja hieß, dass wir ihm gefielen und er auch unseren Geruch mochte.
»Das ist bei Menschen genauso«, klärte sie uns auf. »Deshalb sagt man ja manchmal: Den oder die kann ich nicht riechen. Und Hunde haben eine noch viel feinere Nase als wir, die riechen alles. Sogar wenn einer Angst vor ihnen hat oder sie nicht leiden kann, riechen sie das.«
Alles Weisheiten, die sie in dem Hundebuch gelesen hatte. Miri aber tat, als hätte sie das schon immer gewusst und nun müssten auch wir das endlich mal lernen.
Herrn Krummbiegel gehört ein ziemlich großer, richtig alter Bauernhof. Wir parkten zwischen zwei Ställen und er hatte uns schon kommen sehen. Gleich kam er aus dem Haus, um uns zu begrüßen.
Wie Miri da sofort ihr allerfreundlichstes Gesicht machte. Herr Krummbiegel war ja der Mann, der besaß, was sie sich wünschte. So einem musste sie natürlich die liebe, nette Miri vorspielen.
Mir gefiel dieser grob wirkende, dickliche Mann mit dem roten Gesicht nicht so sehr. Er stand vor uns wie Herr Minzlaff – mein Klassenlehrer – bei der Zeugnisvergabe. Nein, nein, sagte er, kaum dass wir ihm alle die Hand gegeben hatten, er verkaufe seine Tiere nicht an »alle und jeden«. Er schaue sich die Leute, denen er seine Tiere anvertraue, zuvor gründlich an. Und er kuckte dann auch wirklich so, als wären wir vielleicht Leute, die den Hund, den er uns verkaufen sollte, immer nur schlecht behandeln wollten.
Es gebe ja nun mal leider jede Menge Menschen, so redete er weiter auf Mo und Jessy ein, die glaubten, Hunde wären nur so was wie Spielzeug für ihre Kinder. Erst wollten sie unbedingt einen Hund haben und schon bald würde er ihnen lästig. »Ja, und was machen sie dann? Dann setzen sie ihn einfach irgendwo aus. Was aus dem armen Tier wird, das kümmert sie nicht.«
Ich war ziemlich sauer. Was dachte der denn von uns? Hielt er uns für Verbrecher? Doch was er gesagt hatte, brachte mich auf eine Idee: Ich beschloss, dafür zu sorgen, dass wir diese »Hundetauglichkeitsprüfung« nicht bestanden. Weil er uns dann nämlich keinen Hund verkaufen und ich ein Problem weniger haben würde. Doch was konnte ich schon tun, außer die ganze Zeit über ein böses Gesicht machen? Ich versuchte es mit Lästern. »Kann mir viel besseres Spielzeug denken als ’n Hund«, sagte ich. »Zum Beispiel ’n Kampfroboter. Der muss nie Gassi geführt werden und braucht kein Futter.«
Herr Krummbiegel sah mich an, als hätte ich gesagt, sein Hosenschlitz stünde offen. Jessy machte ein Gesicht, als wollte sie sagen: »Halt jetzt mal lieber deine Klappe!« Mo tippte sich nur an die Stirn.
Und dann trotteten wir alle hinter dem schwitzenden Herrn Krummbiegel her, hin zu dem Stall, in dem die Hundemutter ihr Lager hatte.
Wie Miri da laut aufjubelte, als sie die Hundefamilie sah! Vor lauter Begeisterung klatschte sie sogar in die Hände. »Die sind ja noch viel niedlicher, als ich dachte«, rief sie und strahlte Herrn Krummbiegel an, als wäre er so was wie eine Mischung aus Weihnachtsmann und lieber Gott.
Fünf schwarze Wollknäuel auf vier Beinen wuselten da um und auf ihrer Mutter herum. Und die ließ sich das gefallen, sah uns nur kurz an, gähnte und schloss wieder die Augen.
Ja, und dann passierte es: Einer der kleinen Hunde ließ von seiner Mutter ab und kam auf uns zugelaufen – genauso wie Miri es sich gewünscht hatte.
»Das ist er!«, jubelte sie. »Das wird mein Fritz.«
Herr Krummbiegel lachte. »Tut mir leid, aber das ist kein Fritz. Das ist ein Mädchen.« Und er sagte, dass alle fünf Welpen bereits Namen hätten, die im Zuchtbuch eingetragen seien. »Die da, das ist die kleine Cäcilie. Cäcilie von Ebenholz, um genau zu sein. Die Mutter ist ja auch so eine Adlige – Beatrix von Ebenholz –, also heißen auch alle ihre Welpen mit Nachnamen von Ebenholz. Das Zuchtbuch ist da ganz streng.«
Der kleinen Cäcilie schien es egal zu sein, wie sie hieß. Sie war auf uns zugelaufen gekommen, als hätte sie wirklich schon seit Tagen auf uns gewartet. Und flitzte danach gleich weiter, als wollte sie uns etwas zeigen.
Das war mir zu blöd. Was konnte ein Hund uns schon zeigen wollen? Und so strengte ich mich an, weiter ein mürrisches Gesicht zu machen. Und ich schaffte das. Alle Hunde waren ja mal klein und niedlich. Doch wurden sie etwa nicht größer und waren danach nur noch irgendwelche kackdummen Köter? Na, und was für komische Namen sie hatten! Beatrix von Ebenholz, Cäcilie von Ebenholz! Vielleicht auch noch Schneewittchen von Ebenholz?
Vor Herrn Krummbiegels Ställen parkte nicht nur unser Auto, sondern auch ein mit Heuballen voll beladener Laster. Auf den lief diese Cäcilie zu und drunter durch und fand hinter einem der wuchtigen Reifen einen alten Filzlatschen. Im Nu hatte sie sich den geschnappt – und kam mit dem kaputten Latschen im Maul zu uns zurückgelaufen.
»Bringst du mir den?« Miri freute sich, als hätte der kleine Hund ihr einen Goldbarren angeschleppt. Und dann bückte sie sich, um nach dem Latschen zu greifen.
Diese Cäcilie aber hielt ihn fest im Maul. Schüttelte ihn nur hin und her, als hätte sie eine Maus oder Ratte gefangen.
»Sie will mit mir spielen!«, jubelte Miri. Und wirklich, dieser kleine schwarze Teufel lief vor Miri weg und Miri rannte ihm nach.
Mo und Jessy stießen sich an. »Die nehmen wir«, flüsterte Jessy. »Die hat ja auch von allen das schönste Fell.«
Mo war einverstanden und fragte Herrn Krummbiegel, ob wir dieses kleine Weibchen haben könnten.
Der Züchter überlegte kurz, dann nannte er uns seinen Preis: Eintausend Euro. »Ist ja ein reinrassiges Tier«, so sagte er. »Ganz edler Stammbaum.«
Mo und Jessy sahen sich an. Mit tausend Euro hatten sie nicht gerechnet.
Na ja, und da rieb ich mir schon die Hände: Tausend Euro, das war ihnen garantiert zu teuer! »Für so viel Geld kriegt man ja schon fast ein Auto«, sagte ich. Doch genau in diesem Augenblick kam der kleine Hund wieder an uns vorbeigelaufen. Und Miri, lachend und vor Glück kreischend, war immer noch hinter ihm her.
Und was tat dieser kleine Köter jetzt? Er legte mir den Latschen vor die Füße und sah mich auffordernd an.
Sollte ich etwa mitspielen? Ich zog eine Fresse und drehte mich weg.
Doch was bekam ich zu hören? »Gut!«, sagte Jessy. Mo und sie waren mit den tausend Euro einverstanden. Mir fiel die Kinnlade runter, und Herr Krummbiegel hielt erst Mo und dann Jessy seine Hand hin – und das Geschäft war besiegelt!
Ach, wie war Miri glücklich! Sie strahlte mit der Sonne um die Wette. Und wollte dann nur noch wissen, ob der kleine Hund denn wirklich Cäcilie heißen müsse. »Der Name gefällt mir nicht«, sagte sie. »Deshalb würde ich ihr lieber einen anderen Namen geben.«
»Von mir aus.« Herr Krummbiegel hatte nichts dagegen. »Du kannst sie nennen, wie du willst, nur im Zuchtbuch, da heißt sie weiter Cäcilie von Ebenholz.«
»Rieke«, sagte Miri da. »Ich nenne sie Rieke.«
Sie hatte gerade ein spannendes Buch gelesen, darin kam ein Mädchen vor, das ihr gefiel und Rieke gerufen wurde.
Der Herr Krummbiegel war damit einverstanden, dass seine Cäcilie Miris Rieke wurde. Er sagte nur noch, dass wir unsere Rieke aber erst in etwa vier Wochen abholen dürften. »Sie wird ja noch gesäugt. Und der Tierarzt muss ihr noch ein paar dringend notwendige Spritzen verpassen. Vorher geb ich keines meiner Tiere weg.«
Noch vier Wochen warten? Miri war enttäuscht. Aber Herr Krummbiegel blieb eisern. »So oder gar nicht«, sagte er. »Mit Tieren muss man genauso sorgsam umgehen wie mit Menschen.«