Die Wikinger in Amerika
Campus Verlag
Frankfurt/New York
Über das Buch
Eigentlich wollten sie mit dem Schiff von Island nach Grönland fahren. Doch dass Schicksal wollte es anders. Die Wikinger kamen vom Kurs ab und entdeckten – 500 Jahre vor Christoph Kolumbus – den amerikanischen Kontinent. Sie besiedelten Neufundland und kamen in Kontakt mit Inuit und Indianern. Sahen die Einheimischen die Wikinger als interessante Handelspartner oder vielmehr als Bedrohung an? Erfahren Sie die spannende Geschichte der Wikinger in Amerika.
Dieses E-Book ist Teil der digitalen Reihe »Campus Kaleidoskop«. Erfahren Sie mehr auf www.campus.de/kaleidoskop
Über den Autor
Arnulf Krause ist promovierter Germanist und Skandinavist, erfolgreicher Sachbuchautor und Experte für germanische Heldensagen und die Dichtung der Edda. Er lehrt als Honorarprofessor am Institut für Germanistik, vergleichende Literatur- und Kulturwissenschaft der Universität Bonn. Bei Campus erschienen von Arnulf Krause bisher »Die Geschichte der Germanen« (2002, 2005), »Die Welt der Kelten« (2004, 2007) und »Die Wikinger« (2006). Seit 2013 erscheinen seine Texte in der E-Book-Reihe »Campus Kaleidoskop«.
500 Jahre vor Christoph Kolumbus
Erik der Rote und die Entdeckung Grönlands
Die Sagainsel Island und der Gelehrte Snorri Sturluson
Legenden und die historische Wahrheit
Die Grönländer sichten unbekanntes Land
Leif Eriksson und die Neue Welt
Die erste europäische Kolonie: Eingeborene, Handel und Missverständnisse
Das Ende der Kolonie: Die Wikinger massakrieren sich selbst
Runen im Wilden Westen oder: Wie weit kamen die Wikinger?
Die Gesellschaft Skandinaviens
Campus Kaleidoskop
Impressum
Mehr als ein Jahrhundert nach der Entdeckung Islands traf dort ein Mann namens Erik der Rote ein. Er kam in Begleitung seines Vaters aus Norwegen, das er unter bedrohlichen Umständen ziemlich schnell hatte verlassen müssen. Beide genossen in ihrer alten Heimat den zweifelhaften Ruf, ausgemachte »Totschläger« zu sein – rauflustige Männer also, die einem Streit nie aus dem Weg gingen und denen ein Menschenleben wenig galt. Dabei hatten sie anscheinend die Geduld ihrer Nachbarn zu sehr strapaziert und mussten nun mit einer Ächtung auf der Thingversammlung rechnen. Dem kamen sie zuvor, indem sie ein Schiff bemannten und kurzentschlossen nach Island auswanderten. Obwohl dort bekanntlich alles fruchtbare Land verteilt war, fanden die beiden Norweger noch ein Gebiet für sich.
Aber Erik der Rote blieb seinem schlechten Ruf treu. Zwar verlief sein Leben einige Zeit in ruhigen Bahnen, sein Vater starb, Erik nahm eine Isländerin zur Frau und zeugte mit ihr mehrere Kinder. Außerdem hatte ihn die Heirat in den Besitz erheblich besseren Landes gebracht. Doch dann verursachten seine Knechte einen Erdrutsch, der auf einem benachbarten Hof erhebliche Schäden anrichtete. Ein unglücklicher Unfall, dennoch hatte man als Knecht oder Sklave bei einem solchen Missgeschick schlechte Karten. Ein Verwandter des betroffenen Hofherrn erschlug Eriks Männer.
Das wäre nach den isländischen Gesetzen und Gepflogenheiten kein Grund für eine Blutrache gewesen und hätte wahrscheinlich auf friedlichem Wege verhandelt werden können. Anders bei Erik dem Roten, der sein stürmisches Temperament nicht zügeln konnte: Er zettelte eine regelrechte Fehde an, bei der er mehrere Männer tötete. Daraufhin kam die Angelegenheit auf der regionalen Thingversammlung zur Sprache und der streitsüchtige Neusiedler musste die Gegend verlassen. Noch einmal fing er mit einem anderen Stück Land von vorne an, aber auch dort entwickelten sich Streitfälle, bei denen Eriks Gegner auf der Strecke blieben. Danach war seine Ächtung auf dem Thing unausweichlich. Erik ergriff die Flucht und hielt sich bei Freunden versteckt – er hatte sich zu viele Männer zu Feinden gemacht, die ihn jetzt suchten, um ihn totzuschlagen.
Der Flüchtling befand sich in einer prekären Lage, denn weder konnte er auf Island bleiben, noch nach Norwegen zurückkehren. Da hörte er von einem Land, zu dem einmal ein Schiff westwärts übers Meer verschlagen worden war. Dieses Land beabsichtigte Erik der Rote zu suchen und zu erkunden, ob man dort siedeln könne. Nach der Saga Eriks des Roten (Eiríks saga rauđa), die davon erzählt, brach er von der isländischen Westküste auf und fuhr westwärts. Nach im günstigsten Fall vier Tagen erreichte seine Schiff die südöstliche Küste der größten Insel der Welt – Grönland. Der Wikinger ließ sich nicht vom Blick auf die gigantischen Gletschermassen abschrecken, die er auch aus Island kannte. Beharrlich fuhr er die Küste südwärts ab und hielt Ausschau nach Land zum Siedeln. Dann umrundete er die Südspitze und steuerte wieder in nördlicher Richtung, bis er tatsächlich auf viel versprechende Fjorde stieß.