Hartmut Rosa/Claus G. Buhren/Wolfgang Endres
Resonanzpädagogik & Schulleitung
Neue Impulse für die Schulentwicklung
Hartmut Rosa ist Professor für Allgemeine und Theoretische Soziologie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Direktor des Max-Weber-Kollegs für kultur- und sozialwissenschaftliche Studien der Universität Erfurt und langjähriger Akademieleiter der Deutschen SchülerAkademie.
Claus G. Buhren ist Professor für Schulsport und Schulentwicklung an der Deutschen Sporthochschule Köln. Er leitet das Netzwerk Schulentwicklung und arbeitet seit mehr als 20 Jahren in und mit Schulen bzw. Kollegien zu Themen der Schulentwicklung
Wolfgang Endres, Pädagoge und Referent in der Lehrerfortbildung, ist seit 1996 Programmplaner und Koordinator der BeltzForum-Bildungskongresse. Zudem ist er Autor und Regisseur der Domfestspiele St. Blasien.
Prolog
Kompetenz & Resonanz im Dialog
Schule als Attraktionsort
Resonanz in der Öffentlichkeit
Resonanzpädagogik & Inklusion
Das Kollegium im Resonanzmodus
Evaluation & Fehlerkultur
Feedback & Vertrauen
Veränderungen im digitalen Zeitalter
Epilog
Glossar der Resonanzbegriffe
Im Sommer 2017 trafen sich die beiden Wissenschaftler Hartmut Rosa und Claus Buhren zu einem Kolloquium bei Wolfgang Endres in St. Blasien. Geplant war ein Gedanken- und Erfahrungsaustausch über die Resonanztheorie mit Schlussfolgerungen für die Praxis. In den lebhaften Gesprächen ging es um die Schule als Resonanzraum und vor allem um die Frage: Bietet die Resonanzpädagogik Schulleiterinnen und Schulleitern neue Impulse für die Schulentwicklung? Die Protokolle dieser Gespräche lesen sich wie eine Wegbeschreibung, das Neue im Bekannten und das Bekannte im Neuen zu entdecken.
Und dass das ein spannender Weg ist, zeigt sich schon in den beiden ersten Aussagen. Hartmut Rosa vertritt in seiner Resonanzforschung die These: »Kompetenz und Resonanz geraten oft in Dissonanz.« Für Claus Buhren dagegen spielt der Kompetenzbegriff in der Schulentwicklung eine maßgebliche Rolle.
Wie gut, dass in der Resonanztheorie Antwortbeziehungen immer auch Widerspruch zulassen. So kam es zu einem ausgesprochen reizvollen Gedankenaustausch. Auf dieser Entdeckungsreise möchte ich Sie begleiten. Als Moderator kann ich aus diesen Gesprächen das Fazit ziehen, wie es die Grafik auf der Titelseite untermalt: Resonanzpädagogik zieht Kreise – Schulentwicklung als runde Sache.
Hartmut Rosa: Ich stand vor zwei theoretischen Problemen. Das eine war die Entfremdung. Jene Situation, die fast jedem aus dem Schulalltag bekannt vorkommt und in der man sich fragt: »Was mache ich eigentlich hier, wo ich so vielen stumpfen, teilnahmslosen Blicken begegne, vielleicht selber so schaue und einfach keinen Anschluss finde?« In der Sozialphilosophie gibt es eine lange Diskussion über »Entfremdung«, aber meiner Ansicht nach keinen guten Gegenbegriff. Den glaubte ich, nach längerem Suchen, gefunden zu haben: Resonanz.
Das zweite theoretische Problem bzw. mein Wunsch war, die Anerkennungstheorie von Axel Honneth zu erweitern. Denn ich wusste zwar, wie sehr es im Leben, nicht nur in der Schule, um soziale Anerkennung, um Wertschätzung geht, darum, geliebt, akzeptiert oder wenigstens geachtet zu werden – aber ich spürte noch etwas anderem nach und schaute, wann und wie Bildungsprozesse gelingen. Wenn ich sah, wie sich jemand mit Haut und Haaren ganz auf eine Sache eingelassen hatte, sei es in Bezug auf einen bestimmten Unterrichtsstoff oder ein Musik-, Orchester- oder Theaterstück, dann dachte ich immer, dass es da nicht nur um Anerkennung geht. Es steckt doch noch etwas anderes dahinter. Und dieses Andere wollte ich näher anschauen und begann, es mit dem Resonanzbegriff zu erfassen.
Das war wie eine Entdeckung für mich, wie ein theoretischer Durchbruch, über den ich ganz glücklich war. Und mehr und mehr konnte ich die lebenspraktische Seite sehen: Dort, wo Menschen miteinander zu tun haben, sich um eine gemeinsame Sache bemühen, dort ereignet sich etwas zwischen den Menschen, aber auch zwischen den Menschen und den Dingen, an denen sie sich »abarbeiten«. Und diese Prozesse beschreibe ich als Resonanzbeziehungen.
Claus Buhren, Wolfgang Endres und Hartmut Rosa (v.l.n.r.) im Gespräch
Kann dieser Ansatz in einer Schulentwicklung verwirklicht werden, die Wert darauf legt, dass Schülerinnen und Schüler Kompetenzen erwerben? Da haben wir spannende Gespräche vor uns. Wird am Ende eine andere Perspektive auf Schulentwicklung sichtbar?
Claus Buhren: In meinem Studium habe ich mich während eines Auslandssemesters in England intensiv mit einem englischen Schulmodell beschäftigt, dem Modell der sogenannten Community Schools. Ich begann, mich auch wissenschaftlich mit diesem Konzept zu befassen. Später habe ich dann parallel zu meiner grundständigen Lehrerausbildung ein Zweitstudium absolviert, das der Diplom-Pädagogik. In meiner Diplomarbeit habe ich das englische Schulmodell beschrieben. Das war so spannend für mich, dass ich nach meinem Studium nicht direkt ins Referendariat gegangen bin, sondern erst einmal in einem Projekt an der damaligen Arbeitsstelle für Schulentwicklungsforschung bei Hans-Günter Rolff mitgearbeitet habe.
Und dort bist du dem Kompetenzbegriff begegnet?
Claus Buhren: Nein, schon viel früher an Schulen in England. Seit Jahrzehnten wird dort von Cross-curricular Competencies gesprochen, was wir als fächerübergreifende Lehr- und Lernziele bezeichnen. Deshalb war es für mich keine Überraschung, dass der Kompetenzbegriff im Zusammenhang mit der ersten PISA-Studie 2001 auch in Deutschland an Bedeutung gewann. Die Lehrpläne, die ich als Lehrer noch selber mit Lernzieltaxonomien in der Unterrichtsplanung habe umsetzen müssen, veränderten sich von der Lernzielorientierung hin zur Kompetenzorientierung. So werden zum Beispiel im Bereich der Lesekompetenz oder der mathematisch-naturwissenschaftlichen Kompetenz Vorgaben gemacht, in denen es um die Kombination von Fähigkeiten und Fertigkeiten geht.
Inzwischen bist du seit Jahren in der Schulentwicklung unterwegs, nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. Gibt es zwischen den Ländern Unterschiede in der Deutung des Kompetenzbegriffs?
Claus Buhren: In den letzten zehn Jahren ist bei uns in Deutschland eine Diskussion um die kompetenzorientierten Lehrpläne zu beobachten, wie sie in anderen europäischen und auch außereuropäischen Ländern sehr viel unaufgeregter stattfindet. Wenn ich mir unsere Lehrpläne für jedes Fach und jede Altersstufe anschaue, ob sie nun kompetenzorientiert oder lernzielorientiert sind, so umfassen sie zusammen sicherlich einige hundert Seiten. Die Lehrpläne in anderen Ländern werden vergleichsweise knapp als curriculare Empfehlungen von der Schule vorgelegt und von dieser auch verantwortet. Lediglich am Ende eines Schuljahres oder nach einem Semester gibt es Prüfungen, die national administriert werden. Anders als bei unseren Klassenarbeiten, die ja ausschließlich innerschulisch administriert werden.
Plädierst du für mehr externe Prüfungsleistungen?
Claus Buhren: Nicht für mehr externe Überprüfungen, sondern für regelmäßige – nicht nur im Rahmen des Zentralabiturs oder der Vergleichsarbeiten in verschiedenen Jahrgangsstufen. Dann wären die Prüfungen, anders als bei Klassenarbeiten, nicht so sehr auf einen vorher durchgenommenen Stoff ausgerichtet, sondern es ginge mehr um die Feststellung von Kompetenzen und bestimmte Fähigkeiten und Fertigkeiten.
Du unterscheidest zwischen Fähigkeiten und Fertigkeiten und verbindest die beiden Begriffe zu Kompetenz?
Claus Buhren: Ich möchte das an einem Beispiel aus dem Sport verdeutlichen. Da sprechen wir auch von Fertigkeiten und von Fähigkeiten. Nehmen wir ein Fußballspiel. Es gibt die Fertigkeit des Torschusses, vor allem beim Elfmeter, das kann man üben. Man kann eine große Fertigkeit entwickeln, den Ball so zu spielen, dass der Torwart ihn nicht bekommt oder halten kann. In der Ballbeherrschung zeigen sich Fertigkeiten. Fähigkeiten dagegen sind zum Beispiel im sogenannten Raumspiel zu erkennen, wo es gilt, den Raum überblicken zu können, zu sehen, wie sich ein Spielverlauf entwickelt, wie sich die Spieler positionieren, und entsprechend zuzuspielen. Oder die Fähigkeit der früheren Liberos, das Angriffsspiel aus der vorgezogenen Abwehr zu koordinieren. Deshalb gibt es auch bestimmte Positionen, die nur mit bestimmten Spielerpersönlichkeiten besetzt werden bzw. wurden.
Fertigkeiten sind lernbar, so auch Fähigkeiten?
Claus Buhren: Fertigkeiten sind eher zu erlernen als Fähigkeiten, bei denen besondere Begabungen eine größere Rolle spielen. Das ist an genialen Fußballgrößen zu beobachten, die Fähigkeiten entwickelt haben, die über das Erlernen von bestimmten Fertigkeiten deutlich hinausgehen. Aber beide zusammen, Fertigkeit und Fähigkeit, machen den Kompetenzbegriff in wunderbarer Weise klar. Und das lässt sich auch in einem weniger genialen Fußballspiel beobachten.
Lässt sich das Beispiel aus dem Sport auch auf schulische Fächer übertragen?
Claus Buhren: Wenn ich das Fach Englisch nehme, dann gibt es die Fertigkeit der Rechtschreibung oder des Vokabellernens, aber es ist eine Fähigkeit, in unterschiedlichen Situationen adäquat zu kommunizieren. So spricht man auch eher von einer Sprachkompetenz, aber nicht von unbedingt von einer Sprachfertigkeit. Es gibt hingegen eine Schreibfertigkeit, Wörter richtig schreiben zu können. Aber die Fähigkeit, in Sprechsituationen den anderen richtig zu verstehen, darauf zu reagieren, ihm entsprechend zu antworten, das hat für mich etwas mit dem Kompetenzbegriff zu tun, wie ich ihn verstehe. Das heißt, ich unterscheide zwischen Fähigkeiten und Fertigkeiten, betrachte sie aber nicht isoliert voneinander. Vielleicht findet sich die Förderung dieser Verbindung in der Formel: Fertigkeiten schulen und Fähigkeiten unterstützen.
Deine Schulentwicklungsforschung führte dich als Universitätsprofessor an die Sporthochschule Köln. Ist Sport also für Schulentwicklung von ganz besonderer Bedeutung?
Claus Buhren: Nein. Aber ich glaube, dass die Schulentwicklung für den Sport eine Bedeutung haben könnte – und zwar im Hinblick auf das Selbstverständnis des Sportunterrichtes. Wenn nämlich das Selbstverständnis des Sportunterrichtes nicht darin liegt, z.B. das Prinzip des »Höher, Schneller, Weiter« zu praktizieren und nur auf bestimmte Sportarten ausgerichtet zu sein, also das sogenannte Sportartenkonzept zu befördern, sondern wenn es auch ein erziehendes Konzept sein kann: Erziehung für den Sport, also für ein lebenslanges Sporttreiben, und Erziehung durch den Sport, also als Gelegenheit, soziales Erleben zu ermöglichen, Empathiefähigkeit und ein Miteinander zu fördern, Konkurrenz und auch Verlieren zu erleben und in positiver Weise erlebbar zu machen – das sind natürlich andere Aspekte für einen kompetenzorientierten Sportunterricht als eine einseitige Förderung ausgewählter Sportarten und das Einüben bestimmter Bewegungsmuster.
Sportliche Schulentwicklung?
Claus Buhren: Schulentwicklung sollte für den Sport etwas tun. Das war der Grund, warum man mich damals gebeten hatte, mich auf eine Professur an der Sporthochschule zu bewerben. Es war zu spüren, dass dem Sport ein Bereich von Schulentwicklung fehlt, der über den Sportunterricht hinausgeht, etwa Schulentwicklungskonzepte von der bewegten Schule über die gesundheitsfördernde Schule bis hin zu der Möglichkeit, im Sportunterricht mit anderen Fächern übergreifend zusammenzuarbeiten und etwas zu gestalten, was dem Sport auch ein anderes Selbstverständnis und eine andere Anerkennung bringt.
Schulleitungshandeln setzt auf Kompetenz
Resonanzpädagogik zeigt andere Perspektiven auf
»Verändern sich die Schüler, muss auch Schule sich ändern.« Klingt in dieser lapidaren Aufforderung unterschwellig Unzufriedenheit mit der gegenwärtigen Schulentwicklung mit? Ist die Schulleitung in diesem Prozess gut beraten, verstärkt auf Kompetenz zu setzen oder könnte die Resonanzpädagogik andere Perspektiven auf Schulentwicklung zeigen?
Buhren: Bezogen auf Schulleitungshandeln möchte ich am Kompetenzbegriff festhalten. Es würde mir schwerfallen, Kompetenz gegen Resonanz auszutauschen. Ich wüsste auch nicht, wie ich an Stelle von Führungs- oder Managementkompetenzen einen Begriff wie »Führungsresonanzen« oder »Managementresonanzen« füllen könnte.
Rosa: Wir müssen natürlich aufpassen, dass wir uns nicht in Begriffsfeinheiten verlieren und uns die Sache dabei aus dem Blick gerät. Ich habe mich tatsächlich manchmal gefragt, ob man so etwas wie eine »Resonanzkompetenz« formulieren könnte, also fähig zu sein, Resonanzen zu erzeugen. Aber selbst wenn das möglich wäre, bleibt es mir wichtig, beim Resonanzgeschehen ein Moment der Unverfügbarkeit zu sehen. Das heißt, ich lasse mich auf etwas ein, ohne genau zu wissen, was dabei herauskommt. Bei der Verwendung des Kompetenzbegriffs zögere ich aber immer ein bisschen, weil er so klingt, als hinge es ausschließlich von mir und meinen Fähigkeiten ab, ob ein Prozess, ein Geschehen, eine Sache gelingt. Kompetenz und Resonanz sind zwei verschiedene Dinge. Kompetenz bedeutet das sichere Beherrschen einer Technik, das jederzeit Verfügen-Können über etwas, das ich mir als Besitz angeeignet habe. Resonanz dagegen meint das prozesshafte In-Beziehung-Treten mit einer Sache.
Empfinden Schulleiterinnen und Schulleiter aber doch mehr Sympathie für das Machbare als für das Unverfügbare?
Buhren: Schulleitungen müssen die Dinge umsetzen, die ihnen von außen vorgegeben sind, von der Gesellschaft, den Eltern, dem Schulträger, den Schulministerien. Daher geht es der Schulleitung schon um eine bestimmte Form von Machbarkeit. Das ist nicht einfach frei wählbar. Es gibt zwar große Freiräume, aber diese Freiräume kann ich natürlich erst dann wirklich füllen, wenn ich in der Lage bin, das Alltagsgeschäft zu beherrschen. Deshalb würde ich auch unterscheiden zwischen Pflicht und Kür. Es gibt also beim Schulleitungshandeln einerseits die Pflichtübungen wie Verwaltung, Technik, Organisatorisches – was die Schulleiterin oder den Schulleiter auch zeitlich oft übermäßig stark in Anspruch nimmt – und dann andererseits die Freiräume, Schule in seiner Vision, nach eigenen Überlegungen und Vorstellungen gestalten zu können.
Und wie sieht es mit der Balance zwischen Pflicht und Kür im Schulleitungsalltag aus?
Buhren: Natürlich spielen in diesen Freiräumen auch immer diejenigen eine Rolle, mit denen ich zusammenarbeite, also meine Lehrkräfte. Von denen war ich früher vielleicht einfach nur Kollege und aus diesem Status heraus bin ich dann in die Schulleitungsrolle gekommen. Das ist eine Abhängigkeit, die eine Schulleitung stärker in die Pflichtübung drängt, und die Kür kommt dabei zu kurz. In der Pflichtübung gibt es etliche Verwaltungsvorgänge, die ich aber nicht nur widerwillig, sondern auch gerne ausübe. Und dann stellt sich die Frage, wie viel Zeit und Muße mir bleiben für die Entwicklung von Schule, für meine Vorstellungen von Schule im Hinblick auf das Pädagogische, das Inhaltliche, das Miteinander, die Beziehung zwischen Kolleginnen, Kollegen und zwischen Kollegium und Schulleitung.
Rosa: Ich frage mich schon, ob wir gut daran tun, wenn wir das eine als Pflicht und das andere als Kür beschreiben. Wird da nicht das, was Kern von Schule und Unterrichtsgeschehen sein sollte, erst einmal in einem »Nebengebäude« abgestellt? »Ja, wenn uns da noch Zeit bleibt, wollen wir uns gern damit beschäftigen.«
Geht es in der Leitungsfunktion aber nicht immer wieder darum, Prioritäten zu setzen, zu unterscheiden zwischen wichtig und dringlich?
Rosa: Natürlich gibt es klare Vorgaben, das ist völlig klar. Eine Schulleitung kann nicht jeden Tag Schule neu erfinden. Und ich finde das, was Claus erläutert hat, ganz hilfreich. Denn es trifft die Situation von Schulleiterinnen und Schulleitern, übrigens auch von Lehrern und Lehrerinnen. Schule und Unterricht machen große Freude, aber dann schieben sich eben doch die Pflichtübungen in den Vordergrund, diese permanente Dokumentationspflicht und Transparenzpflicht und Berichtspflicht und Statistikpflicht und Sicherungspflicht und Schulungspflicht und Überwachungspflicht und Überprüfungspflicht – das alles hat ja einen unglaublich lähmenden Charakter. Und deshalb meine ich: Das Pflichtenpaket verhindert Resonanzen.
Können Kompetenzen der Schulleitung hier nicht Entlastung schaffen?
Buhren: Schulleitungen brauchen bestimmte Kompetenzen, um ihr Geschäft, die Schule, zu managen. Und ich meine jetzt nicht das alltägliche Verwaltungsgeschäft, sondern konkret die Aufgaben, die Schulleitungen im Rahmen von Schulentwicklung übernehmen. Dafür brauchen sie ganz bestimmte Kompetenzen, die sie nicht im Rahmen von Lehrerausbildung und von Lehrerhandeln im Unterricht erlernt haben; das heißt, diese müssen sie sich zusätzlich auf irgendeine Art und Weise aneignen. Sei es, ganz banal, in der Entwicklung von Projekten, also dem Planen von Projekten, oder beim Leiten von Konferenzen oder beim Führen schwieriger Gespräche mit Eltern. Es müssen auch Leadership-Kompetenzen entwickelt werden, wenn es um Partizipation, geteilte Führung und Moderation von Schulentwicklungsprozessen geht, und Kulturkompetenzen, wenn es im Rahmen der Schulentwicklung heißt, mit Konflikten und Widerständen umzugehen, den Veränderungsprozess zu moderieren und zu kommunizieren sowie die Schule als lernende Organisation zu betrachten. Das alles fällt nicht einfach vom Himmel. Kurz und gut, ich brauche bestimmte Kompetenzen, um in solchen Situationen auch bestehen zu können. Und deshalb glaube ich, dass man das nicht so ohne weiteres voneinander trennen kann. Ich glaube, dass die Kompetenz da sein muss, um eine Resonanzbeziehung herstellen zu können – ich kann nicht zuerst die Resonanzbeziehung haben und dann feststellen, mir fehlen vielleicht bestimmte Kompetenzen.
Gibt es demnach eine Reihenfolge, erst die Kompetenz, dann die Resonanz?
Rosa: Es ist wohl eine perspektivische Differenz, die einen entscheidenden Unterschied macht. Kompetenz ist meiner Ansicht nach etwas Einseitiges – ich habe eine Kompetenz – Resonanz kann niemals einseitig sein. Nicht ich kann Resonanz haben, sondern Resonanz ereignet sich zwischen mir und anderem oder anderen. Deshalb ist Resonanz etwas Dynamisches, was hin und her geht. Kompetenz dagegen ist etwas, über das ich verfüge.
Ist es das, was du als den Kern jeder Resonanz bezeichnest, die Unverfügbarkeit?
Rosa: Genau das. Da kommt dieses Moment des Nichtvorhersehbaren, des Nichtverfügbaren hinein. Das versuche ich auch ganz gerne mit den beiden Begriffen des Hörens und Antwortens zu beschreiben. Hören auf eine Sache und dann antworten in einer Weise, wie es eben nicht in einem Managementbuch oder in einem Kompetenzbuch zu lesen ist, sondern wie es situationsadäquat oder interaktionsadäquat sein muss.
Buhren: Es gibt doch nicht einfach die Fertigkeit des Schulleitungshandelns, sondern – und das hat vielleicht viel mit Resonanz zu tun – es gibt ein Gefühl dafür, was ich entwickeln kann im Rahmen von mir bekannten Führungskonzepten, im Rahmen von Managementkonzepten, die ich mir angeeignet habe, die aber nicht unbedingt das Rezept für die Umsetzung darstellen. Das Rezept für die Umsetzung hat natürlich viel mit dem Erfahrungshintergrund zu tun, auf den ich zurückgreifen kann: In welcher praktischen Konsequenz kann ich das Ganze anwenden? Und aus dieser praktischen Konsequenz, die sich speist aus meiner Kenntnis, aus meiner Erfahrung, aber auch aus dem, was ich mir vielleicht an bestimmten Fertigkeiten angeeignet habe, etwa die Fertigkeit des aktiven Zuhörens, entwickelt sich für mich eine Kompetenz, die viel mit Führungskompetenzen zu tun hat.
Führungskompetenzen, die ich mir angeeignet habe …
Rosa: