Die gallo-romanische Kultur
Campus Verlag
Frankfurt/New York
Über das Buch
Die ehemals keltischen Gebiete Frankreich und Belgien wurden zu einer blühenden Provinz des römischen Reiches, die alte gallische Stammesaristokratie fungierte als Trägerschicht wichtiger römischer Ämter. Erst die im 5. Jahrhundert nach Christus einsetzende Völkerwanderung der Germanenstämme beendete diesen Zustand. Mit ihnen folgten die oströmischen Kaiser Konstantinopels, mehrere Germanenreiche und die Einführung des Christentums. Doch zunächst traten die Schattenseiten der römischen Herrschaft überdeutlich zutage: Die drückende Schulden- und Abgabelast provozierte Unruhen in Gallien, im Zuge derer sich Kelten und Germanen zusammenschlossen. Autor Arnulf Krause demonstriert, wie diese Aufstände begrenzt bleiben sollten und Gallien bis zur Spätantike, dem Ende des Imperium Romanums, als sichere Provinz mit tiefrömischer Prägung und lebendigem keltischen Erbe auswiesen. Deren Verwaltungsgliederung richtete sich nach den alten Stammesgebieten. Rom tolerierte Sprachen und Stammeszugehörigkeiten, gallo-romanische Doppelnamen für Götterbezeichnungen zeugen von der Vermischung beider Kulturen. Götterverehrungen, heilige Plätze und Kultbauten fanden breiten Raum, aus ehemaligen keltischen Stadtbezirken wurden Tempelanlagen. Tausend Jahre später würden Iren und Waliser gar Relikte aus der keltischen Götter- und Mythenwelt niederschreiben.
Dieses E-Book ist Teil der digitalen Reihe »Campus Kaleidoskop«. Erfahren Sie mehr auf www.campus.de/kaleidoskop
Über den Autor
Arnulf Krause ist promovierter Germanist und Skandinavist, erfolgreicher Sachbuchautor und Experte für germanische Heldensagen und die Dichtung der Edda. Er lehrt als Honorarprofessor am Institut für Germanistik, Vergleichende Literatur- und Kulturwissenschaft der Universität Bonn.
Römische Städte und keltische Waldheiligtümer
Das römische Gallien
Die Schattenseiten der römischen Herrschaft: Unruhen in Gallien
Der Bataveraufstand – Gallier und Germanen gegen Rom
Die gallo-römische Zivilisation
Die Gottheiten der Wälder, Berge und Quellen
Exkurs: Die Götterwelt der Kelten
Literaturverzeichnis
Quellen
Sekundärliteratur
Campus Kaleidoskop
Impressum
»Gallien blüht und gedeiht überall so gut wie Italien selbst.« Die Schiffe fuhren nicht mehr nur auf der Rhône und Saône, sondern auch auf der Maas, der Loire, auf dem Rhein und sogar auf dem Ozean. Gegenden, an deren bloße Existenz man niemals geglaubt habe, seien für Rom erobert worden – soweit Marcus Antonius in einem Nachruf auf den 44 vor Chr. ermordeten Caesar, zu dessen besten Offizieren und engsten Vertrauten er gehört hatte. Wenige Jahre nach der blutigen Eroberung des Keltenlandes entwarf der Römer ein beschönigendes Bild der Verhältnisse, denn ohne Zweifel lag das riesige Gebiet zutiefst erschöpft darnieder. Doch in der Tat sollte es nur wenige Jahrzehnte währen, bis sich die Situation der Gallier durchaus mit der Italiens vergleichen ließ.
Den Anfang machte im Jahr 27 vor Chr. Kaiser Augustus, der neben der bereits bestehenden südfranzösischen Provincia Narbonensis drei neue Provinzen einrichtete: Aquitanien, Belgien und das alte keltische Hauptland, das nach seiner Hauptstadt Lugdunum (Lyon) benannt wurde. Dort hatte man am Zusammenfluss von Rhône und Saône eine römische Kolonie gegründet. Sie beherbergte nicht nur den zentralen Tempel für die Göttin Roma und den vergöttlichten Augustus, sondern auch den Landtag der Provinz, in dem Delegierte von 60 Stämmen zusammenkamen. Allerdings repräsentierten sie nicht das ganze Volk; in der Versammlung Galliens trafen sich lediglich die Adligen der traditionellen Führungsschicht. Denn ihnen gewährte der Imperator eine Fülle von Privilegien und Gunsterweisen, insofern sie sich loyal verhielten. In diesem Fall wurden ihnen sogar wichtige Ämter in der Provinzialverwaltung anvertraut. Diese Bevorzugung war der entscheidende Grund, dass sich die meisten Angehörigen der gallischen Stammesaristokratien am rasantesten der römischen Zivilisation öffneten. Indem man seine Söhne auf die überall im Land gegründeten Lateinschulen schickte, beförderte man diesen Prozess der Romanisierung.
Schließlich erhielten fast ein Jahrhundert nach der Eroberung Galliens die Adligen der Haeduer die vollen römischen Bürgerrechte, womit sie sogar Senatoren in Rom werden konnten und zur politischen Führungsschicht des Imperiums aufstiegen.