Björn Migge

Hypnose und Hypnotherapie

Grundlagen und Praxis in Coaching und Kurzzeittherapie

Für Lina und Lilly

Inhalt

Vorwort

01
Überblick und Einstimmung

Kann man Hypnose definieren?

Hypnose als kooperativer Prozess

Wann sollte Hypnose eingesetzt werden?

Hypnose ist Selbsthypnose

Was ist Hypnose?

Hypnosetexte und Standardimaginationen

02
Geschichte der Hypnose

Pioniere der Hypnose

Populäre Hypnoselehrer

03
Hintergrundwissen zur Hypnose

Das Wesen der Hypnose

Das Unbewusste

Hypnotische Phänomene

Hypnotisierbarkeit und Suggestibilität

Ethik und Sicherheit

04
Die Hypnosepraxis

Die Anwender der Hypnose

Vorgespräch und Einstimmung

Sprachmuster und Suggestion

Posthypnose, Selbsthypnose, Ownwork

Imagination

Hypnosekompetenzen erkunden

Unwillkürliche Körperprozesse erleben

Klassische Hypnosetests und Körperübungen

Induktion – Einleitung der Hypnose

Vertiefung und Stabilisierung

Ausleiten und Rücknahme

Das Problem erkunden

Positive Veränderung anstoßen

Transformation, Symbolisierung, Loslassen

Veränderung durch Begegnung

05
Regression und Arbeit mit inneren Teilen

Regression: biografische Ursachenarbeit

5-PATH-Regressionsarbeit nach Calvin Banyan

Arbeit mit inneren Teilen

06
Anhang

Auf Wiedersehen

Hinweise zu den Online-Materialien

Der Autor

Literatur und Quellen

Vorwort

»Was, von Menschen nicht gewußt

Oder nicht bedacht,

Durch das Labyrinth der Brust

Wandelt in der Nacht.«

(Johann Wolfgang von Goethe: An den Mond, letzte Strophe)

Hypnose weckt Vorurteile, Erwartungen, Ängste und Hoffnungen. Dabei handelt es sich um eine wissenschaftlich anerkannte Methode in der Psychotherapie und in der Medizin, die auch im Coaching sehr wirkungsvoll eingesetzt werden kann. Hypnose wird jedoch auch zur Unterhaltung von Zuschauern in Shows und ihr Hintergrundwissen in Werbe-, Führungs-, Manipulations-, Lobby- und Verkaufsanliegen eingesetzt. In diesem Buch geht es jedoch ausschließlich um die verantwortungsvolle Anwendung im Coaching und in der Psychotherapie.

Sie werden sehr konkret erfahren, wie und warum Hypnose wirkt. Sie erhalten genaue Wortbeispiele und Praxistipps, um Hypnosen sicher einzuleiten, durchzuführen und auszuleiten, um nachhaltige Veränderungsprozesse zu begleiten.

Die ersten praktischen Schritte der Methode Hypnose sind von zukünftigen Anwendern schnell in Seminaren erlernbar: Innerhalb von einer Woche können ein oder zwei Vorgehensweisen trainiert werden, die in der Therapie oder im Coaching standardmäßig in über 70 bis 80 Prozent der Anliegen genutzt werden und tatsächlich nachhaltig positive Veränderungen bewirken können. Dabei bekommen die Seminarteilnehmer sozusagen einen »Hammer« in die Hand und lernen, wie man jedes Anliegen eines Klienten als einen »Nagel« ansieht. Das funktioniert häufig auf beeindruckende Weise, doch in diesem Buch möchte ich Ihnen nahelegen, sich vielfältiger mit der Hypnose zu befassen und nicht überall die gleichen »Nägel« zu sehen.

Die Kombination mit Hypnose erhöht die Wirkstärke von kognitiver und psychodynamischer Psychotherapie. Zu diesem Schluss gelangen Steven Jay Lynn und Irving Kirsch in ihrem Buch »Essentials of Clinical Hypnosis« (Lynn/Kirsch 2006, S. 3): Die Heilkraft der Psychotherapie wird durch Elemente der Hypnose oder Hypnotherapie nahezu verdoppelt und hält außerdem wesentlich länger an. Dies folgern Lynn und Kirsch aus der Metaanalyse zahlreicher Studien (zum Beispiel Kirsch/Montgomery/Sapirstein 1995). Dieser verstärkende Effekt der Hypnose lässt sich möglicherweise auf das Format Coaching übertragen, das ähnliche kognitive oder psychodynamische Veränderungsmethoden nutzt.

Wer also nur redet und rational klug mit seinen Klienten nachdenkt, erzielt in der Zusammenarbeit vermutlich nur halb so viel Wohlbefinden, Ichstärkung, Kraftzuwachs und Linderung bei seinen Klienten, wie diejenigen, die zusätzlich mit Hypnose arbeiten.

Doch Vorsicht: Hypnose allein bringt oft nicht den gewünschten Effekt. Wer also nur Hypnose lernt, wird hierdurch weder coachen noch (kurze oder längere) Psychotherapie betreiben können! Davor warne ich sogar ausdrücklich. Hypnose ist – so wie sie in diesem Buch vermittelt wird – eine wunderbare methodische Ergänzung für einen kompetenten Profi und führt dazu, dass Sie Klienten und Patienten deutlich wirksamer begleiten können.

Die Meinungen, Ideen und konkreten Tipps verschiedener Fachleute und Praktiker aus den USA und dem deutschsprachigen Raum werden in diesem Buch ausgewogen vorgestellt: Es kommen viele Hypnoseforscher zu Wort und ebenso berühmte Praktiker, die in der Welt der Universitäten nicht anerkannt wurden. Entscheidend ist, was diese Spezialisten uns für eine aufgeklärte und faktenbezogene Hypnosepraxis vermitteln können.

Hypnose entfaltet ihre Wirkung nicht durch antrainierte Technik, sondern durch eine Haltung in der Begegnung, durch Resonanz. Haltung braucht aber ein Fundament aus Wissen, Weltbild, kritischer Reflexion und Verstehen. Daher werden Sie neben der Praxis zudem wichtige Hintergrundinformationen erwerben, um nicht auf die üblichen Halbwahrheiten hereinzufallen, die unentwegt verbreitet werden.

Mit diesem Buch sollen Sie eine Begleitung oder Ergänzung zu einer fundierten Hypnoseausbildung erhalten und gleichzeitig eine gute Anregung, Hypnose mit kritischem Blick aus verschiedenen Perspektiven verstehen zu können, denn Sie erfahren die Hintergründe und die Praxis ganz unterschiedlicher Hypnosestile.

Berücksichtigen Sie bitte, dass Hypnose in einem selbsterfahrungsorientierten Rahmen in einer Gruppe unter Aufsicht praktisch erlernt und geübt werden muss. Dabei ist es wichtig, die einzelnen Techniken, komplexen Methoden und Strategien auch am eigenen Leib als Klient zu erleben, damit man einerseits viel über sich selbst erfahren kann und andererseits eine erlebte Vorstellung davon entwickelt, wie es unseren zukünftigen Klienten oder Patienten geht, wenn wir sie später mit diesen Methoden begleiten. Ein Buch kann das nicht leisten!

Die Welt der Hypnose ist sehr faszinierend. Wer hier einsteigt, wird bald merken, dass man nie »fertig« ist und sich unentwegt neue Türen öffnen, die neugierig machen und uns staunen lassen. Mit diesem Buch wird also Ihre Reise in die Gedankenwelt der Hypnose bestenfalls beginnen. Sie sollten außerdem weitere Bücher zum Thema lesen, um andere Aspekte oder Perspektiven kennenzulernen. Die Praxis selbst werden Sie nur durch die Anwendung in Ihrem Arbeitsfeld erlernen können.

Bei den Online-Materialien zu diesem Buch finden Sie zudem Imaginationsübungen, Arbeitsblätter und Praxisanwendungen zu speziellen Coaching- und Therapieanliegen. Zusätzlich können Sie zirka zwei Stunden Audioaufnahmen hören.

Auch ich habe die Hypnose natürlich nicht erfunden, sondern über viele Jahre (irgendwie immer wieder neu) erlernt. Ich danke daher den Fachleuten, die mich hierbei an die Hand genommen haben. Stellvertretend für die vielen nenne ich Ortwin Meiss, Paul Janouch, Gunther Schmidt, Calvin Banyan, Norbert Preetz und Roy Hunter. Ich danke auch den Dozenten der Milton-Erickson-Gesellschaft (MEG) und der Masterclass der Deutschen Gesellschaft für ärztliche Entspannungsmethoden, Hypnose, Autogenes Training und Therapie e. V. (DGäEHAT), von denen ich in vielen Seminaren lernen durfte.

Meine Frau Christine hat alle Inhalte des Buches mit mir diskutiert, immer wieder Fragen gestellt, Hinweise gegeben, das gesamte Manuskript aufmerksam gelesen und viele wichtige sachliche und sprachliche Verbesserungsanregungen eingebracht. Für fünf Monate stand in der Familie wieder das Schreiben im Mittelpunkt und wir alle mussten auf einiges dafür verzichten.

Ich bedanke mich bei meiner Lektorin Ingeborg Sachsenmeier für die fachliche Begleitung von der Idee bis zum fertigen Buch. Mit ihr und dem gesamten Team vom Beltz Verlag war es auch diesmal wieder angenehm und entspannt, zusammen ein Buch auf den Weg zu bringen!

So, liebe Leserin und lieber Leser: Nun wünsche ich viel Freude und anregende Gedanken beim Lesen, Stöbern, Lernen!

Porta Westfalica, März 2018

Dr. Björn Migge

01

Überblick und Einstimmung

Kann man Hypnose definieren?

»Dieser menschliche Kontakt, auf dem die Hypnose beruht, führt zu der psychischen Resonanz (nach Bertold Stokvis), einer affektiven Beeinflussung des Denkens, Fühlens und Wollens.« (Stokvis/Langen 1965, S. 4)

Vielleicht gehören Sie zu den Leserinnen und Lesern, die zunächst einen allgemeinen Überblick oder eine Art Einstimmung wünschen, bevor es in die spannende Tiefe der Hypnose geht? Dieses Bedürfnis soll dieser erste Buchteil erfüllen, der Sie mit Definitionen und ersten Informationen ausstattet. Außerdem möchte ich Sie neugierig machen auf den weiteren Verlauf unserer Reise in die Hypnosewelt. Doch schon jetzt verrate ich Ihnen, dass Hypnose nichts Magisches ist, sondern ein natürliches Geschehen, das sich in der Begegnung entfaltet. Was dort zwischen zwei Menschen »schwingt«, nennt Stokvis bereits 1955, in der Erstauflage des »Lehrbuchs der Hypnose«, treffend ein Resonanzphänomen (von lat. resonare: mitschwingen, widerhallen).

Bevor wir tiefer in die Praxis und Hintergründe der Hypnose einsteigen, lassen Sie mich kurz beschreiben, was Hypnose nach Ansicht der modernen Psychologie eigentlich ist. Bitte sehen Sie diese Beschreibungen nur als einen ersten Versuch an, den Gegenstand für eine Diskussion vorläufig zu erfassen. Es gibt viele andere Beschreibungen, die Sie in diesem Buch kennenlernen werden.

Da Hypnose ein sehr komplexes Phänomen mit vielen Seiten ist, konnte selbst von Fachleuten keine überzeugende Definition der Hypnose formuliert werden, die in wenigen Worten das Wesen der Hypnose erfasst.

Viele Definitionsversuche beißen sich nämlich in den Schwanz, da sie mit unklaren Begriffen arbeiten oder mit Tautologien (Doppelaussagen, die etwas wiederholen, wie »schwarzer Rappe«): Würden wir behaupten, Hypnose sei die Arbeit mit dem Unbewussten, würde das die Frage aufwerfen, was das Unbewusste ist und ob es das überhaupt gibt (s. S. 106). Würden wir behaupten, Hypnose sei das Erzeugen von Trance, um kreative, unbewusste Ressourcen freizulegen, müssten wir einen weiteren unklaren Begriff zuvor klären: Was ist Trance und gibt es sie überhaupt (s. S. 20; 132)? In vielen Laienbüchern zur Hypnose gibt es solche einfachen Definitionen, die zunächst griffig erscheinen. Bei genauerer Betrachtung sind es aber fast immer nur Worthülsen, die viele Fragen aufwerfen. Daher beschreiben wir aus mehreren Richtungen, was in Hypnose passiert, wie sie funktioniert oder wie sie ausgeführt wird, anstatt sie nur knapp zu definieren.

In dieser Einstimmung orientieren wir uns zunächst an der Abteilung 30 der amerikanischen Psychologenvereinigung APA, die zugibt, dass es sich um starke Vereinfachungen handelt, die lediglich dazu dienen sollen, die Kommunikation um das Phänomen zu erleichtern.

Information

Die Definition der APA von 2005

Sie lautet übersetzt etwa: »Hypnose enthält typischerweise eine Einführung, in welcher den Subjekten [Klienten, Patienten, Versuchspersonen] erklärt wird, dass sie Vorschläge für bildliche Vorstellungen erhalten werden. Die hypnotische Einleitung (auch Induktion genannt) selbst ist eine verlängerte erste Suggestion mit der Einladung, die eigene Imagination zu nutzen. Sie kann auch weitere Erklärungen zur Einführung enthalten. Die hypnotische Prozedur wird angewandt, um die Reaktionsfähigkeit auf Suggestionen zu stärken und zu überprüfen. In der Durchführung der Hypnose wird eine Person (Subjekt) von einer anderen (Hypnotiseur) geführt, um auf Suggestionen reagieren zu können, die Veränderungen bewirken sollten: in der subjektiven Erfahrung, der Wahrnehmung, der Sinnesreizverarbeitung, der Emotionen, Gedanken oder des Verhaltens.«

Die APA modifiziert von Zeit zu Zeit ihre Definitionen. In einer neueren Fassung von 2015 wird beispielsweise weit mehr Abstand von den Begrifflichkeiten Induktion und Suggestion genommen, um zu zeigen, dass diese zu falschen Vorstellungen einladen können und kein zentraler Bestandteil der Hypnose sein müssen. Die APA und andere wissenschaftliche Organisationen erwähnen in der Regel folgende Begriffe, wenn sie Hypnose beschreibend zu definieren versuchen.

Information

Grundbegriffe zur Hypnose

(unter anderem nach: Division 30, American Psychological Association, APA)

Hypnose ist ein (natürlicher und normaler?) Zustand des Bewusstseins, der mit

  • einer Aufmerksamkeitsfokussierung einhergeht sowie

  • einer Reduzierung äußerer (oder alltäglicher) Wahrnehmung.

In diesem Zustand ist die Fähigkeit erhöht, auf Suggestionen (auf Vorschläge und Angebote) zu reagieren – ob direkt oder indirekt. Für die Selbsthypnose gilt dies entsprechend.

Induktion ist eine Prozedur, die eine Hypnose einleitet, herbeiführt oder allgemein der Beginn des Hypnoserituals nach der Vorbesprechung. In der Regel geschieht eine Induktion durch Suggestionen (Vorschläge und Anregungen, die direktiv oder indirekt erfolgen können).

Hypnotisierbarkeit ist die individuelle Fähigkeit, vorgeschlagene oder angebotene (suggerierte) Veränderungen

  • der Physiologie (der Körperfunktionen), der Sinneswahrnehmungen,

  • der Emotionen,

  • der Gedanken, Interpretationen und Wertungen,

  • von inneren Vorstellungen (Imaginationen) oder

  • des Verhaltens

während einer Hypnose zu erleben oder nach der formalen Hypnoseprozedur weiterhin zu erleben, wenn dies vorgeschlagen wurde (posthypnotische Anregung).

In ähnlicher Bedeutung wird der Begriff der Suggestibilität gebraucht, der die individuelle Empfänglichkeit für Suggestionen kennzeichnet.

Hypnotherapie ist der Einsatz der Hypnose in der Behandlung medizinischer oder psychologischer Störungen oder Fragestellungen. Manche sagen auch: Hypnotherapie ist der Begriff für ein eigenständiges Verfahren, während Hypnose eine Methode ist, die innerhalb eines Verfahrens (wie der kognitiven Verhaltenstherapie) eingesetzt wird, sofern dies förderlich ist.

Bereits im zweiten Teil des Buches – wenn es um die »Geschichte der Hypnose« geht (ab S. 49) – werden Sie weitere Umschreibungen oder Definitionen der Hypnose kennenlernen, die auch heute noch genutzt werden und für die Arbeit mit Klienten teilweise sehr nützlich sind. Es gibt einzelne Hypnoseschulen oder -strömungen, die weitere Differenzierungen vornehmen. Denn es gibt nicht »die Hypnose«, sondern sehr, sehr viele unterschiedliche Stile und Zugangswege, die teilweise sogar auf recht unterschiedlichen Grundannahmen basieren oder recht verschieden in der Praxis sind. Daher widersprechen sich die Vorschläge für die Definition oder Beschreibung der gesamten Methode oder einzelner Worte, wie etwa für eine mögliche Unterscheidung der Begriffe Hypnotherapie und Hypnosetherapie.

Information

Hypnotherapie oder Hypnosetherapie

Manche Autoren schreiben, Hypnosetherapie sei synonym mit dem Begriff der Hypnotherapie zu verwenden (etwa wie in der Definition der APA). Andere unterteilen die Begriffe und behaupten, dass Hypnosetherapie ein eher klassischer Ansatz sei, in dem mit direkten Suggestionen gearbeitet werde, während Hypnotherapie der moderne Ansatz sei, der kooperativ vorgehe. Wieder andere schreiben, Hypnotherapie sei ausschließlich jener kooperative, indirekte Ansatz, der auf Milton Erickson zurückgehe. Andere verstehen darunter ein eigenständiges komplexes Therapieverfahren (wie die Verhaltenstherapie).

Wenn Hypnose für medizinische und zahnmedizinische Belange eingesetzt wird, sprechen wir oft von klinischer Hypnose. Wenn es um den Einsatz in der Psychotherapie geht, sprechen wir meist von Hypnotherapie, manchmal aber auch von klinischer Hypnose. Der Begriff Hypnosetherapie kann für beide Bereiche genutzt werden, in denen Hypnose in der Therapiepraxis angewandt wird: Medizin oder Psychotherapie. Wenn Hypnose im Rahmen der modernen klinischen Forschung oder in der Neuro- und Kognitionswissenschaft untersucht wird, sprechen wir von experimenteller oder akademischer Hypnoseforschung. Wenn Hypnose im Coaching angewandt wird, finden wir häufig die Bezeichnung Hypno-Coaching. Verschiedene therapeutische Verfahren nutzen gelegentlich eigene Begriffe oder Umschreibungen für die Methode wie beispielsweise »imaginative Methoden in der Verhaltenstherapie«. Begründer eigener Hypnosemethoden nutzen wiederum andere Wortschöpfungen, in die entweder die Begriffe Hypnose oder Imagination eingeflochten sind.

Information

Eine alte Definition der Hypnose nach Max Kauffmann

Hypnose ist

  • die Ausschaltung des Ober- oder Wachbewusstseins,

  • der Kontakt des Hypnotiseurs mit dem Innen-Ich des Hypnotisierten,

  • die eigene Tätigkeit des Innenichs des Hypnotisierten.

(nach Dr. med. phil. Jur. Max Kauffmann, 1920, S. 74)

Hypnose als Oberbegriff kennzeichnet einerseits eine Methode (ein Coach wendet Hypnose an), andererseits umschreibt das Wort einen Bewusstseinszustand und körperlich-geistigen Umstimmungsprozess, wofür von vielen der Begriff der Trance genutzt wird (ein Klient ist in Hypnose oder Trance; von lat. transire, hinübergehen) oder teilweise auch Hypnoid (im Bewusstseinszustand der Hypnose zu sein). Hypnose ist ebenso ein Begriff für beobachtbare Phänomene (in Hypnose stieg der Arm des Klienten ohne bewusstes Zutun an) sowie für einen verändernden Gesamtprozess (die Hypnose gab ihm wertvolle Impulse, sein Leben zu hinterfragen). Die Methode Hypnose wird oft in Form eines Rituals angewandt (als Prozessablauf, der auf etwas Bestimmtes einstimmen soll). Moderne Definitionen der Hypnose sind meistens komplex. Jeder Hypnoseanwender scheint eine andere zu hegen. Die folgende Erklärung von Günter R. Clausen enthält bereits wesentliche mögliche Therapietaktiken und Prozessschritte und ist in ihrer Kürze sehr umfassend. Die Definition ist nicht nur theoretisch umschreibend, sondern enthält bereits praktische Tätigkeiten oder Prozeduren, die in der Hypnose durchgeführt werden.

Information

Prozedurale Beschreibung der Hypnose von Günter R. Clausen

»Meine bevorzugten Begriffe zur Kurzbeschreibung der Hypnose sind: Induktion des Hypnoids mit Stabilisierungsphase (Organismische Umschaltung), Ressourcenphase in der Altersregression (innere Helfer), Lösungsphase in der Altersprogression (Probehandeln in der Zukunft) und sichere Rücknahme des veränderten Bewusstseinszustands […] Zu den Basismethoden der Hypnosetherapie gehören für mich die direkten und indirekten Suggestionen mit posthypnotischen Aufträgen, die Regression mit dem imaginativen Zurückschreiten, die Progression mit dem imaginativen Voranschreiten und den lösungsorientierten Zukunftsperspektiven, die Assoziation mit dem Zusammenfügen von getrennten psychischen Inhalten und die Dissoziation mit dem Trennen von psychischen Inhalten.«

(Dr. med. Günter R. Clausen, Deutsche Gesellschaft für ärztliche Entspannungsmethoden, Hypnose, Autogenes Training und Therapie e. V. [DGäEHAT], Zitat aus dem Vortrag: »Hypnose im Wandel der Zeiten«, 1999 auf Langeoog, Psychotherapietagung [Zitat aus dem Lehrskript der Masterclass Ärztliche Hypnose 2017])

Der Begriff der Trance oder des Hypnoids soll darauf hinweisen, dass eine Person in einem Bewusstseinszustand ist, der sich vom alltäglichen Bewusstsein ebenso wie vom Schlafzustand unterscheidet. Bei dieser Idee handelt es sich um eine dritte »eigene« Funktionsweise des Bewusstseins. Im wachen Bewusstseinszustand verlassen wir uns auf analytische, teilende, differenzierende und mentale Funktionen des Geistes. In einer Trance oder im Hypnoid kann es dagegen ein Sowohl-als-Auch geben, ein Zusammenfließen, ein Ja und Nein zugleich, ein gleichzeitiges Hier und Dort oder Jetzt und Dann. Das ähnelt dem Traumzustand im Schlaf oder mehr noch dem Zustand kurz vor dem Einschlafen oder nach dem Erwachen.

Information

Was ist Trance und was passiert in ihr?

Im wachen Alltagsmodus unseres Bewusstseins ziehen wir Kriterien heran, um Unterscheidungen der Wahrnehmung vorzunehmen:

  • in Sequenzen der Zeit

  • zwischen Realität und Fantasie

  • zwischen Bejahungen und Negationen

  • zu kausalen Zuschreibungen

Sigmund Freud hatte diese Art der mentalen Funktion sekundär-prozesshaft genannt. In Trance hingegen folgt das Gehirn dagegen eher einer anderen Logik: Sie betont die Gemeinsamkeiten von Objekten. Zeit und Negation verlieren ihre Bedeutung. Logische Widersprüche werden, ähnlich wie im Traum, akzeptiert. Freud nannte diese Arbeitsweise unseres Gehirns primär-prozesshaft.

In der Trance treten folgende weitere Phänomene auf:

  • Vegetative Umstellungen: Atmung und Pulsschlag verlangsamen sich, der Blutdruck sinkt, der Muskeltonus lässt nach – das allein bewirkt schon mentale Umstellungen und eine vermehrte Durchlässigkeit der Grenzen zwischen somatischen und psychischen Prozessen. So können medizinisch nachweisbare Veränderungen durch eine Harmonisierung des inneren Milieus erzeugt werden.

  • Wahrnehmungsveränderungen: Die Fokussierung auf das momentane Erleben wird erleichtert. Vergangenheit und Zukunft können irrelevante Kategorien der Zeitstruktur werden, welche aus dem zeitabhängigen Alltagsbewusstsein stammen.

  • Der Zugang zu Emotionen wird intensiviert: Es kann fokussiert werden. Sinneswahrnehmungen und affektive Selbstdefinition können parallel existieren – mit nur lockerer Verknüpfung: »Es tut weh. Es schmerzt.« Statt: »Ich habe Schmerzen. Ich bin von Schmerz erfüllt.«

  • Reduktion von Abwehr: Die Abwehr ist in Trance aufgelockert. Da wahrgenommen werden kann ohne die strenge Kopplung von Affekt und Selbst, steht der Teil in uns, der sonst dafür zuständig ist alles abzuwehren, lächelnd daneben und genießt die kleine Pause, die wir ihm gönnen. Ängste und Abspaltungen machen Ferien in Trance. Sie sind aber schnell wieder da, wenn es zu heikel wird!

  • Vorstellungen gewinnen an Kraft: Die bildliche Imagination von Organen oder von körperlichen Vorgängen kann in den betroffenen Körperregionen physiologische Veränderungen bewirken. Im Coaching wird dieser Mechanismus wenig genutzt, in der medizinischen Hypnose, dem autogenen Training oder anderen imaginativen Verfahren wird von diesen Vorgängen erfolgreich Gebrauch gemacht.

  • Neue Sichtweisen stellen sich ein: Im Alltag sind wir logisch orientiert; es gibt klare Kriterien, und wir sind Meister darin, selbst unsere eigenen Werte nicht zu hinterfragen. In Trance stellen sich häufig wie von selbst ganz neue Sichtweisen und Lösungen ein, die uns durch bewusstes Denken nicht zugänglich waren. Das gleiche Ereignis kann von uns in Trance eine ganz andere Bewertung erhalten.

  • Es geschieht wie von selbst: Ohne Grübeleien und erfolgloses Suchen in zirkulären Gesprächssituationen stellen sich in Trance aus dem verborgenen Fundus der Erfahrungen und Ideen neue Lösungswege vor, die sich während der willkürlichen Suche nicht zeigten.

  • Zugang zum verlorenen Wissen: In Trance erinnern sich Teile von uns an vergessene Erfahrungen, die uns vielleicht einmal bewusst waren, dann aber abgewehrt oder verlegt worden sind. Ein Teil dieser Erfahrungen war uns nie verbal bewusst und stammt aus einer Zeit, als wir noch nicht in Sprache denken konnten (primärprozesshaft). In Trance findet eine Übersetzung des stillen Wissens statt, wodurch wir Zugang zu diesen Anteilen unseres inneren Erlebens haben.

(s. Migge 2018, S. 390 f.)

Albert Moll definierte die Begrifflichkeiten um die Hypnose in seinem Standardwerk »Der Hypnotismus« (1890) so: »Hypnose nennen wir den Zustand, in dem sich die Person […] befindet. Hypnotismus nennen wir […] die ganze Wissenschaft […] Hypnotisiert, hypnotisch, Hypnotiker heißt derjenige, der sich in Hypnose befindet. Hypnotist wird derjenige genannt, der zu wissenschaftlichen Zwecken hypnotisiert, Hypnotiseur heißt derjenige, der berufsmäßig hypnotisiert« (Moll 1890, S. 18). Heute nutzen wir zum Teil andere Begriffe. Oft wird die genaue Bedeutung aber erst im Kontext klar oder wenn der berufliche Hintergrund und die Intention des jeweiligen Sprechers bekannt ist.

Zu Beginn wollen wir es bei diesen wenigen Begriffsbestimmungen belassen. Im Verlaufe des Buches – insbesondere wenn wir uns praktischen Anwendungen zuwenden – werden Sie weitere Zusammenhänge und Begriffsbedeutungen kennenlernen.

Ist Hypnose so etwas wie Meditation?

Viele Menschen fragen, ob Hypnose so etwas Ähnliches sei wie Meditation. Es gibt sehr viele Praktiken oder Definitionen der Meditation:

  • Konzentration auf ein inneres Bild oder auf eine Wortfolge

  • Wiederholungen bestimmter Worte oder Handlungen (beispielsweise im Kreis drehen)

  • konzentriertes Ausführen von Bewegungen

  • bestimmte Atemtechniken

  • inneres oder lautes Singen

  • Rezitieren oder Murmeln

  • monotone rhythmische Handlungen

  • urteilsfreies, freundliches, fokussiertes Wahrnehmen im gegenwärtigen Moment (Achtsamkeit, mindfulness)

Es gibt auch die Kombination mit Ritualen, berauschenden Substanzen, Gerüchen, Rauch und dergleichen mehr. Meditation kann auch bedeuten, den Geist zu leeren und keine inneren Vorstellungen festzuhalten, sie höchstens vorbeiziehen zu lassen, oder sich so weit mental zu leeren, dass der Geist still ist und ruht wie ein kristallklarer unbewegter Gebirgssee.

Viele andere Formen der »Meditation« sind möglich. Sowohl von der Tätigkeit des Gehirns als auch von den Veränderungen der Körperregulation gibt es sehr große Parallelen von Meditationspraktiken zu vielen Hypnosepraktiken. Wenn wir feststellen wollten, wo sich Meditation und Hypnose ähneln, müssten wir erst lange diskutieren, welche Form von Meditation und Hypnose wir für diesen Vergleich auswählen wollten. Da es so viele ganz unterschiedliche Meditationspraktiken und -schulen und auch viele Hypnosepraktiken und -schulen gibt, ist eine generelle Gegenüberstellung wenig sinnvoll. Zudem verknüpfen manche Meditationsschulen ihre Praktiken mit einem spirituellen Ziel oder Zweck, während andere dies nicht tun. Genauso gibt es spirituell orientierte Hypnoseschulen neben solchen, die einen solchen Zusammenhang nicht betonen.

Beide Methoden haben zum Teil ähnliche schamanische, spirituelle oder religiöse Wurzeln in frühen Beschwörungen, Ritualen, Visionsmethoden und dergleichen, die Schamanen, heilige Frauen und Männer, Geistliche oder Heilkundige ausgeführt haben, um mit transzendenten, übernatürlichen Kräften in magischer Weise in Kontakt zu treten oder sich auf andere Weise von einer weltlichen Verhaftung zu befreien. Insofern finden wir Gemeinsamkeiten (mehr dazu im Buchteil »Geschichte der Hypnose« bei Gaßner, S. 50) aus der Zeit vor dem aufgeklärten Denken.

Hypnose wird meist von zwei Menschen zusammen, Meditation dagegen häufig von einer Person allein praktiziert. Aber auch hier gibt es die Möglichkeit, das anders zu machen.

In der Hypnoseforschung wird darüber diskutiert, ob es überhaupt sinnvoll ist, von einem besonderen (also spezifischen oder sogar »unnatürlichen«) Bewusstseinszustand zu sprechen, der mit der Hypnose verbunden ist. Darauf gehen wir später ein. Das ist mit der Meditation ähnlich, denn auch hier gibt es die Frage, ob der Geist in Meditation etwas eigentlich Normales (Irdisches, Physiologisches) macht oder etwas darüber hinausweisendes Besonderes oder ob es tatsächlich einen Geisteszustand »Meditation« gibt, der sich klar von anderen Tätigkeitsformen des Geistes unterscheidet.

Es gibt Forscher und Praktiker der Hypnose oder der Meditation, die lieber von natürlichen Fähigkeiten des Geistes oder der Konzentration sprechen, die auf eine bestimmte Weise genutzt und geübt werden. Andere Forscher oder Praktiker bevorzugen die Vorstellung, dass in Hypnose oder Meditation etwas Besonderes, transzendental Erweiterndes mit dem Geist geschieht. Für beide Denkrichtungen finden wir extreme Vertreter aus einer einerseits sehr rationalen Ecke und andererseits aus einer esoterischen (oder manchmal kommerziell motivierten) Ecke.

Wir können auch nach dem Ziel der jeweiligen Prozedur fragen. Hier finden wir ebenso viele Ähnlichkeiten in den Motiven, sich mit einer dieser Methoden zu befassen, besonders im Westen: Gesundheit, spirituelle Berührung, Befreiung, Erleuchtung, Erfolgssteigerung, Erfüllung, Beseitigung von Hemmungen, Angstfreiheit. Ganz pragmatisch könnte man sich aus der Diskussion heraushalten, indem man die Schultern zuckt und sich sagt: »Na und? Menschen denken schon immer dies und das …« Ich persönlich bin in diesem Streit nicht sehr engagiert. Aber ich bin im Laufe meines Lebens schon mit vielen Behauptungen in Berührung gekommen und blicke verwundert zurück, wie viel »Blödsinn« ich schon für wahr hielt oder wie viele »Wahrheiten« ich zunächst nicht glauben mochte. Daher pflege ich heute eher eine skeptische Haltung und prüfe in Ruhe Argumente und »Beweise« (nicht nur vage Behauptungen oder Meinungsmache) oder ich schaue eher auf die guten Früchte von Taten und Handlungen und nicht so sehr auf die Worte, die Menschen in den Mund nehmen.

Im Amerikanischen gibt es die neue Wortschöpfung »Thruthiness« (engl. truth = Wahrheit), die bedeutet, jemand ist intuitiv oder aufgrund von Vorurteilen oder Leichtgläubigkeit von der Wahrheit einer Behauptung überzeugt, unabhängig von jeglicher wirklich kritischen Prüfung oder der Lage der Forschung. Im Umfeld der Hypnose finden wir sehr viel »Thruthiness«, ebenso im Umfeld der Meditation. Es gilt sogar in manchen Kreisen als Zeichen kritischen Denkens, wenn Forschung und Wissenschaft abgelehnt werden, beispielsweise mit der Begründung, dass es Phänomene gebe, die die Wissenschaft (noch) nicht nachweisen könne. Das stimmt durchaus. Die Effekte der Hypnose lassen sich allerdings sehr gut mit einfachsten wissenschaftlichen Frageinstrumenten und einem kritischen Blick erforschen: Bringt eine bestimmte Technik tatsächlich die Erfolge, die sie verspricht (eine einfache statistische Untersuchung)? Gehen die Erfolge auf den Erklärungsfaktor zurück, der behauptet wird (eine Untersuchung der Einflüsse unterschiedlicher Faktoren)? Geht eine Behauptung auf nachvollziehbare und überprüfbare Tatsachen zurück oder ist sie als Thruthiness für Leichtgläubige lediglich – umkleidet von bombastischen Superlativen – in den Raum gestellt (einfache Fragen: Was, wo, wer, wie, womit, Zahlen, Daten, Fakten …)? Auf Webseiten von Hypnotiseuren, manchen Ausbildungsinstituten, in den unzähligen selbst verlegten Hypnosebüchern wimmelt es von Thruthiness – leider.

Ich hoffe, dass ich Ihnen in diesem Buch durch die Art der Darstellung die Freiheit gewähre, sich eine eigene Meinung zu bilden; die natürlich immer wieder auch von meiner Auffassung abweichen kann. Wenn Sie auf simple Definitionen stoßen oder auf einfache Regeln (oder kompliziert klingende Wahrheiten), dann glauben Sie das bitte nicht. Auch mir nicht. Besser ist es, sich Aussagen im Umfeld der Hypnose mit diesem Beisatz zu merken: »Aha, so kann man das also auch sehen (wenn man möchte).«

Hypnose als kooperativer Prozess

Hypnose kann als kooperativer Prozess, Prozedur oder Ritual aufgefasst werden, in der eine Fachperson (Psychologe, Coach, Arzt, Heilpraktiker) einer anderen Person (Klient, Patient) Vorschläge und Anregungen (Suggestionen) unterbreitet, die Veränderungen des Erlebens beim Klienten bewirken sollen. Diese gewünschten Veränderungen zielen auf das Wahrnehmen, Denken, Fühlen und Verhalten. Die Erfahrung vieler Klienten und Fachpersonen sowie ausgiebige wissenschaftliche Erforschung seit etwa 1950 zeigten eindeutig, dass viele Klienten diese Vorschläge tatsächlich – teilweise unwillkürlich – verwirklichen, mit messbaren Einflüssen auf das Verhalten, das Denken, das Fühlen und auf viele Körperfunktionen.

Früher gingen Hypnotiseure davon aus, dass sie Macht über ihre Klienten haben und hypnotische Phänomene in ihnen erzeugen. Die Klienten wurden zu dieser Zeit Subjekte genannt (in der Forschung nutzt man diesen Begriff teilweise immer noch). Diese Einstellung führte meist zu einem autoritären Hypnosestil, der die angebliche Macht der Fachperson betonte. Noch 1982 enthielt ein damaliges Standardlehrbuch für Hypnose des französischen Psychiaters Dr. Léon Chertok folgende einleitende Passage im Vorwort, das vom Neurologen und Psychiater Dr. Henri Mari Jean Louis Ey verfasst wurde. Chertoks Buch wurde in viele Sprachen übersetzt und besonders in Laienkreisen über viele Jahrzehnte sehr geschätzt.

Information

Die angebliche Macht der Hypnotiseure über andere Menschen

»Einen Menschen hypnotisieren bedeutet, Macht auf ihn auszuüben, einen Einfluss, der ihm etwas ›suggeriert‹. Zur Kraft des Hypnotiseurs muss jedoch auch die Schwäche des Hypnotisierten kommen, seine unbewusste Mitarbeit, damit die ›Trance‹, der Zustand des ›provozierten Somnambulismus‹, der ›hypnotische Schlaf‹, durch Techniken erzeugt werden können, die entweder die Suggestion oder die Suggestibilität zu intensivieren trachten. Der Suggestionswert der therapeutischen Handlung hängt zweifellos von der Person des Hypnotiseurs ab. Weniger von dem, was er ist, als von dem, was er zu sein scheint […] Die Übertragung ist hier massiv und ›wild‹. Sie gleicht einem ›Fluidum‹, dessen Wirkung notwendig, wenn nicht gar überwältigend ist.« (Dr. Henri Ey [1900–1977] im Vorwort des Buches »Hypnose« von Dr. L. Chertok, 1982)

Im zitierten Vorwort wird auf die Macht des Hypnotiseurs fokussiert. Heute würden wir von Präsenz und Engagement sowie von kommunikativer Kompetenz sprechen. Henri Ey meint, dass eine hypnotisierte Person schwach sein müsse. Dieser Eindruck entstand im 19. Jahrhundert als Begleitphänomen der autoritären Beziehung zwischen Ärzten und Patienten (die Allwissenden da oben, die Unwissenden da unten). Eine Hypnose in einer solchen Beziehung funktionierte gut, wenn sich ein Patient dem autoritären Gebaren unterordnete.

Heutige Klienten und Patienten möchten zunehmend auf Augenhöhe gesehen werden. In einer solchen Beziehung geraten andere Kompetenzen in den Fokus. So wissen wir jetzt, dass ein Klient vielmehr eine gewisse Fantasiebegabung benötigt sowie Vertrauen, Angstfreiheit und Zustimmung zum Prozess in der konkreten Beziehung. Von Fluidum und wilder Übertragung sprechen wir nicht mehr. Aber solche – angeblich wissenschaftlich fundierten – Lehrbücher und laienhaften Darstellungen der Hypnose haben bis in die heutige Zeit dazu beigetragen, dass viele Menschen (Ärzte übrigens ebenfalls!) sehr veraltete Vorstellungen von der Hypnose haben und die Methode mit Macht, Manipulation und esoterischem Hokuspokus verbinden. Bevor ich in Universitätskursen jungen Medizinern beispielsweise erklären und zeigen kann, was Hypnose ist, ist es meistens notwendig, zunächst zu erläutern, was Hypnose nicht ist. Denn selbst heutzutage hegen zahlreiche Medizinstudenten eine Unzahl »alter« Vorstellungen über Hypnose, wenn sie eine Fortbildung in dieser Methode beginnen.

Fachleute gehen mittlerweile eher davon aus, dass Hypnose immer eine Form der Selbsthypnose des Klienten ist. Daher glauben sie nicht, dass sie selbst hypnotische Phänomene in Klienten bewirken können. Stattdessen gehen sie davon aus, das sie lediglich Anregungen oder Vorschläge geben können, die ein Klient entweder selbst umsetzt oder auch nicht. Diese Haltung führt zu einem kooperativen oder partnerschaftlichen Rollenverständnis.

Information

Hypnose ist eine kooperative Interaktion

Hypnotherapie, Hypnosetherapie, Hypno-Coaching werden heutzutage kooperativ und am Klienten orientiert durchgeführt. Dies kann sowohl mittels direkter als auch mittels indirekter Methoden geschehen. Beides ist gleichermaßen effektiv. In Hypnoseshows wird manchmal noch ein altes, autoritäres Beziehungsmodell demonstriert oder sogar die Illusion von Magie geschürt.

Der Gesinnungswandel – hin zu einer kooperativen Haltung – ist einerseits Ausdruck einer breiten gesellschaftlichen Strömung und andererseits eine Folge der Erkenntnisse aus umfangreicher universitärer Hypnoseforschung und allgemeiner Therapieforschung seit dem Zweiten Weltkrieg. Der Wechsel von einem autoritären zu einem kooperativen Stil geht nicht auf eine einzelne Person zurück (beispielsweise Milton Erickson), wie gelegentlich behauptet wird, sondern war auch Ausdruck eines gesamtgesellschaftlichen Wandels. Dieses Thema werden wir später im Buch noch einmal aufgreifen.