Axel Koch

Die
Transferstärke-Methode

Mehr Lerntransfer in Trainings
und Coachings

Inhaltsverzeichnis

Vorwort: Blinder Fleck beim Lerntransfer

01
Transferstärke: Die neue Perspektive

Täglich grüßt das Murmeltier

02
Die Transferstärke- Methode

Kurz gefasst: Die drei Schritte der Transferstärke-Methode

03
Die Transferstärke- Analyse

Der Fragebogen

04
Im Detail: Auswertungsgespräch

Gesprächsleitfaden

05
Im Detail: Transferbegleitung

Gesprächsleitfaden

06
Praxisbeispiele: Einsatzmöglichkeiten

07
Fazit: Fünf Gründe für die Transferstärke-Methode

Nachwort: Online-Version der Transferstärke-Analyse

Downloadmaterialien: Hinweise und Übersicht

Literatur

Vorwort: Blinder Fleck beim Lerntransfer

Was sehen Sie, wenn Sie über eine Wiese gehen? Eine grüne Fläche, werden Sie sagen. Der Meinung war ich auch, bis ich das erste Mal mit meinem Schwiegervater zusammentraf. Ich merkte plötzlich, dass es da noch viel mehr zu entdecken gibt.

Und so ist es auch beim Lerntransfer. Als Trainer dachte ich bis vor einigen Jahren noch, dass ich so ziemlich alles zu dem Thema kenne. Denn ich war stets auf der Suche danach, wie ich noch mehr Wirkung bei meinen Trainings erreichen kann. Bis sich mir im Jahr 2009 eine neue Perspektive auftat, die mich seitdem nicht mehr losließ. Es war eine Erkenntnis, die mich dazu brachte, über viele Jahre zu forschen, Studien durchzuführen und meinen speziellen Ansatz der Transferstärke an rund 2 500 Probanden zu entwickeln und immer wieder in meiner eigenen Trainingspraxis zu testen.

Doch der Reihe nach. Damit Sie meine Leidenschaft besser verstehen, möchte ich Ihnen kurz von meinem Schwiegervater erzählen.

Als ich vor vielen Jahren meine Frau in Osnabrück kennengelernt habe, stand irgendwann der Zeitpunkt an, auch ihre Eltern kennenzulernen. Das Zusammentreffen mit potenziellen Schwiegereltern ist ja ohnehin ganz aufregend. Doch bei mir war das Kribbeln im Bauch noch eine Stufe stärker. Denn mein Schwiegervater hatte seinen drei Töchtern stets eingebläut: »Liebe Kinder, bitte bringt mir nicht als Freund jemanden mit nach Hause, der …« Was er dann sagte, kann ich hier aus Gründen der politischen Korrektheit nicht wiedergeben. Denken Sie sich einfach etwas Schlimmes aus. Mit welcher Art von Mensch, sollte Ihre Tochter oder Ihr Sohn auf keinen Fall bei Ihnen aufwarten?

Dann kam die Steigerung: »Und zweitens auch keinen, der …« Denken Sie an etwas noch Schlimmeres. Und schließlich das absolute No-Go. »Und Drittens: auf gar keinen Fall einen Psychologen!«

Na prima. Warum hatte ich nur Psychologie studiert? Ich hätte Chemiker werden sollen. Holland war in Not. Wie sollte ich meinem Schwiegervater vor die Augen treten. Was konnte ich nur tun, um sein Herz im Sturm zu erobern? Mein Gehirn raste. Leere!

Der Tag der ersten Begegnung nahte. Es war Ostern, und nach einem köstlichen Mahl in einem Restaurant gingen wir im Freeden spazieren, einem Teilstück des Teutoburger Walds. Ein Naturschutzgebiet mit Waldboden, Wiesen, vielen Buchen und zwei kleinen Bergen.

Und da passierte es: »Schau mal Axel, wunderschön«, brach es euphorisch aus meinem Schwiegervater, ehemals Leiter eines Botanischen Gartens, heraus. Und ich tat das, was Psychologen am besten können: interessiert zuhören. Wir kamen nur im Schneckenschritt vorwärts. Denn überall wimmelte es von besonderen Blumen, die mein Schwiegervater alle persönlich begrüßte. Vor diesem Spaziergang hätte ich all diese Pflanzen gar nicht wahrgenommen – und wenn überhaupt, dann höchstens als Un-kraut.

Seine Begeisterung steckte mich an. Dazu muss ich sagen, dass der Freeden ein Dorado für Botaniker ist. Denn es gibt ein hohes Vorkommen von sogenannten Frühblühern. Und mit jedem Schritt wurde ich sehender: »Axel, sieh mal, da oben. Ein Buschwindröschen. Und da, das Wald-Bingelkraut – Mercurialis perennis. Schön, schön, schön.« Wieder gefühlte zwei Zentimeter weiter bückte er sich unvermittelt: »Hier, da kann ich Dir was zeigen. Guck’ Dir das an: diese Knöllchen.«

Diesen Nachmittag werde ich nicht vergessen. Nicht nur, weil mein Schwiegervater und ich uns gut verstanden haben. Nein, auch, weil er mir die Augen geöffnet hat. Seitdem gehe ich nicht mehr gedankenlos durch Wald und Natur, sondern sehe, was es da alles zu sehen gibt.

Und da sind wir bei dem Punkt, den ich eingangs erwähnt habe. Plötzlich hatte ich eine neue Perspektive auf die Welt gewonnen.

Genau darum geht es mir auch, wenn Sie mein Buch lesen: dass Sie eine neue Perspektive auf ein sehr bekanntes Thema bekommen und damit verbunden eine neue Lösung erfahren, wie Sie den Lerntransfer Ihrer Teilnehmer fördern können. Auch für Ihre Teilnehmer bedeutet dies eine völlig neue Perspektive. Denn Sie können ihnen mit meinem Transferstärke-Ansatz die psychologischen Stellschrauben für den erfolgreichen Lerntransfer sichtbar machen. Und zwar so, dass jeder Teilnehmer seine ganz persönlichen Stärken und Risiken für den Transfer erkennt und somit weiß, wie er seinen Umsetzungserfolg sicherstellen kann.

Ich möchte erreichen, dass Seminare und Trainings viel mehr bringen als jetzt. Zu oft verpuffen die Impulse, wie Sie sicherlich aus leidvoller Erfahrung selbst wissen.

Diese Beobachtung war für mich vor einigen Jahren der Anlass, das Buch »Die Weiterbildungslüge« zu schreiben. Um aufzurütteln. Als Plädoyer gegen die Wirkungslosigkeit. Und um die gängigen Mechanismen in den Firmen sichtbar zu machen. Damals noch unter dem Pseudonym Richard Gris. Denn die Arbeit bei einer Unternehmensberatung erlaubte mir nicht, meinen wahren Namen zu nutzen. Das Buch kam 2008 auf den Markt und ist in vielen Firmen heute noch genauso aktuell wie damals.

Helfen Sie mit, dass sich die heutige Trainingspraxis verändert. Ich lade Sie ein, das Thema Lerntransfer völlig neu zu denken und für mehr Wirkung zu sorgen.

Ich wünsche Ihnen eine inspirierende Lektüre.

Juli 2018, Axel Koch

01

Transferstärke: Die neue Perspektive

Täglich grüßt das Murmeltier

Beim Thema Lerntransfer muss ich an den Film »Täglich grüßt das Murmeltier« denken. Vielleicht kennen Sie auch diese herrliche Filmkomödie aus dem Jahr 1993. Bill Murray spielt darin einen egozentrischen TV-Wetteransager, der immer wieder ein und denselben Tag erlebt.

Angelehnt an den Filmtitel könnte es heißen: »Und täglich grüßt der mangelnde Lerntransfer«. Denn seit über zehn Jahren rangiert das Thema »Bildungsmaßnahmen transferförderlich gestalten« unter den Top 3 der Herausforderungen für Personalentwickler. Das zeigt sich in den scil-Trendstudien, die das swiss competence centre for innovations in learning (scil) der Universität St. Gallen in der Zeit von 2006 bis 2015 etwa alle zwei Jahre durchführte. Die St. Gallener befragten dabei jeweils rund 150 Bildungsverantwortliche aus verschiedensten Unternehmen aus der Schweiz, Deutschland und Österreich.

Transferförderung ist also seit Jahren der Spitzenreiter. Und das bedeutet, dass sich in dieser Hinsicht offenbar nicht viel in den Firmen geändert hat. Denn sonst wäre das Thema wohl kaum noch so weit oben auf der Agenda.

Aber warum hält sich dieses Problem so hartnäckig? Weil die Fort- und Weiterbildungspraxis in zahlreichen Unternehmen wie Beton erstarrt ist. Das bestätigt auch Ina Weinbauer-Heidel in ihrer Dissertation, in der sie untersucht hat, warum das bereits verfügbare Wissen aus der Lerntransfer-Forschung in der Praxis so wenig genutzt wird. Sie empfiehlt deshalb einen institutionellen Wandel, um Maßnahmen der Transfersicherung als Standard zu verankern.

Dafür ist es wirklich höchste Zeit. Denn nach meiner Beobachtung halten sich sehr hartnäckig diverse Annahmen, die den Lerntransfer in den Unternehmen behindern. Da ist die Haltung »Viel hilft viel«, die für Sie als Trainer1 zur Folge hat, dass Sie möglichst viel Stoff in ein Seminar hineinpacken. Denn die Zeit für Fortbildung ist knapp und die Teilnehmer sollen ja möglichst viel mitnehmen.

Besonders verbreitet ist die Vorstellung, dass Sie als Trainer schon alles richten werden. Sie sollen wie Supermann sein, der gutgelaunt bei Morgenröte in die Seminarräume einfliegt. Sie entzünden Menschen – selbst die, die lustlos und mit glasigem Blick im Stuhlkreis sitzen. Sei es, weil deren Chef sie geschickt hat oder weil das Ganze nach Arbeit und nicht nach Incentive riecht. Nach den Einwirkungen von Ihnen als Trainerkoryphäe, so die Annahme, geht der Teilnehmer erhellt und frohen Mutes an seine Arbeit und setzt um, dass einem die Freudentränen kommen.

Kommt Ihnen das irgendwie vertraut vor?

Oft denken Führungskräfte so, und Personalentwickler haben ihre Mühe zu vermitteln, dass Menschen keine Maschinen sind, die mit Wissen betankt werden können und danach wunschgemäß funktionieren.

Besonders ein Denkfehler sorgt dafür, dass gelernte Inhalte nicht umgesetzt werden. Er betrifft die unausgesprochene Annahme, dass alle erwachsenen Mitarbeiter eines Unternehmens eine hohe Lern- und Veränderungskompetenz besitzen und daher hervorragend in der Lage sind, selbstgesteuert zu lernen. Also: Sich nach einem Seminar zum Weiterlernen zu motivieren, nachzuarbeiten, sich gegebenenfalls Hilfe zu holen, wenn es nicht klappt, sich Übungs- und Anwendungsmöglichkeiten zu suchen und wie ein Piranha im Blutrausch so lange am Ball zu bleiben, bis neues Wissen und neue Fertigkeiten wie selbstverständlich im Arbeitsalltag umgesetzt sind.

Ein großer Irrtum. Das belegt die wohl größte Studie in Deutschland aus dem Jahr 2016 von Nele Graf an rund 10 000 Mitarbeitern. Auf der einen Seite haben die befragten Mitarbeiter verstanden, dass sich die Arbeitswelt rasant verändert und sie sich daher ebenfalls verändern müssen. So gut wie alle Teilnehmer (98 Prozent) geben an, sich der Bedeutung des Lernens aufgrund sich verändernder Anforderungen bewusst zu sein. Außerdem übernehmen 63 Prozent der Befragten gerne Verantwortung für ihre Weiterbildung.

Auf der anderen Seite scheitern sie aber bei ihren Lernbemühungen und der Umsetzung. So sehen nur 27 Prozent bei sich eine hohe Transferfähigkeit bzw. nur 23 Prozent ein hohes Durchhaltevermögen. Etwa die Hälfte der Befragten sagt, dass ihnen der Einstieg ins Lernen schwerfällt (49 Prozent) und sie ihr Lernen nur schwer in die Arbeitszeit integrieren können (56 Prozent). Darüber hinaus brauchen 41 Prozent der Befragten Druck von außen, um zu lernen. Die Studienautorin Nele Graf kommt daher zu dem Schluss, dass »sich die Selbststeuerung von Lernprozessen bei den Mitarbeitern noch nicht etabliert hat.«

Diese Zahlen machen deutlich, dass nicht jeder Mitarbeiter ein guter selbstverantwortlicher Lerner ist. Das bedeutet, dass diese Mitarbeiter eigentlich gezielte Hilfe und Unterstützung bräuchten, um Lernziele auch sicher erreichen. Doch davon ist in den Firmen nicht viel zu bemerken. Stattdessen sind ein- bis zweitägige Seminare und Trainings das beliebteste Weiterbildungsformat. Das verdeutlicht die Trendstudie WeiterbildungsSzene Deutschland 2015, in die die Antworten von 1 018 befragten Trainern und Coaches eingingen. Nach der Beobachtung der Befragten geht der Trend sogar in die Richtung, in immer kürzeren Veranstaltungen immer mehr Inhalte zu vermitteln und die Mitarbeiter so wenig wie möglich aus dem Tagesgeschäft herauszulösen.

Kurzum: Die Situation ist so, dass sich viele Mitarbeiter schwertun, selbstverantwortlich zu lernen, und gleichzeitig Lernformate dominieren, bei denen die Teilnehmer bei der Umsetzung des Gelernten auf sich allein gestellt sind. Da ist es kein Wunder, dass der Lerntransfer so oft scheitert. Und dennoch läuft es so ab. Merkwürdig.

Immer noch besser, als gar nichts zu tun

Ein anderes Mysterium ist der hartnäckige Einsatz von Seminarbewertungsbögen. Sie kennen das. Am Ende eines Seminars oder Trainings teilen Sie einen solchen Fragebogen aus, in dem die Teilnehmer beantworten sollen, wie zufrieden sie mit Ihnen als Trainer, den Inhalten, dem Praxisnutzen und den Rahmenbedingungen sind.

Mit diesem »Happy Sheet« ist die Annahme verbunden, dass die Zufriedenheit mit dem Trainer und den Trainingsinhalten auch gleichzeitig die Umsetzung des Gelernten bedeutet. Dabei ist allgemein bekannt, dass Zufriedenheit nicht gleich Lerntransfer bedeutet.

Dennoch: Sie als Trainer, aber auch die Personalentwickler werden daran gemessen, ob Sie sehr gute Noten bei der Teilnehmerzufriedenheit erreicht haben. Stellen Sie sich einmal vor, wie sich Ihre Arbeitsweise und auch die der Personalentwickler verändern würde, wenn die Kennzahl nicht Zufriedenheit, sondern Lerntransfer und Umsetzungserfolg hieße?

Dieses Szenario habe ich schon des Öfteren in Workshops mit Personalentwicklern und Trainern diskutiert. Bei so einer Fragestellung kommt schnell Stimmung in die Bude. Vor allem hagelt es Einwände. Der erste spontane Gedanke ist bei den meisten Trainern, dass sie sagen: »Ich habe doch den Umsetzungserfolg meiner Teilnehmer gar nicht unter Kontrolle. Ich bin gar nicht so dicht an denen dran, dass ich Einfluss auf den Lerntransfer habe.«

Es lohnt sich aber, tiefer in diese Überlegungen einzusteigen. Denn dann kommen gute Erkenntnisse ans Tageslicht. Also – halten Sie einmal einen Moment inne, und beantworten Sie für sich selbst die folgenden Fragen:

  • Was würden Sie tun, wenn Ihr Gehalt als interner Trainer oder Ihr Honorar als externer Trainer davon abhinge, wie erfolgreich Teilnehmer das Gelernte in die Praxis umsetzen?

  • Wie genau würden Sie Ihre Trainings gestalten?

  • Wie sähen Ihre Auftragsklärungsgespräche aus?

Erfahrungsgemäß zeigen sich zwei Kernergebnisse in den Workshops, in denen ich diese Fragen diskutiere. Da ist zum einen die klare Aussage, dass sich die Trainer sehr viel intensiver mit den Teilnehmern befassen würden. Dazu gehört, sehr viel genauer zu definieren, was jeder einzelne Teilnehmer konkret lernen soll, und auch zu messen, ob die Lernziele erreicht werden. Außerdem würden die Trainer viel mehr Lern- und Übungseinheiten schaffen und persönliches Feedback geben. Plötzlich ist keine Rede mehr von der gängigen Praxis, wonach Teilnehmer möglichst schnell neue Skills lernen können.

Der andere Punkt geht in Richtung der Führungskräfte im Unternehmen. Die Trainer würden sich viel mehr bemühen, sie ins Boot zu holen und mit ihnen Vereinbarungen zu treffen, wie sie den Lerntransfer ihrer Mitarbeiter sicherstellen können.

Der österreichische Trainer Christoph Stieg hat sich dieses Szenario nicht nur vorgestellt, sondern mit seiner Firma perfact training in die Tat umgesetzt. Er bietet seinen Kunden die Möglichkeit, die Honorare für Trainings erfolgsabhängig zu gestalten. Denn für ihn besteht der Wert eines Trainings darin, dass sich dadurch im Arbeitsalltag Auswirkungen zeigen, wie er in einem Interview mit dem österreichischen Magazin TRAiNiNG erzählt.

Sein Messbarkeitskonzept besteht aus drei Ebenen: Leistungsentwicklung im Training (Verhaltens- und Kommunikationsleistung), Umsetzungsleistung in der Praxis (also die tatsächliche praktische Anwendung des Gelernten) sowie die dadurch erzielten Ergebnisse. Zusammen mit seinen Auftraggebern überlegt er sich ehrgeizige, aber machbare Ziele. Sie entsprechen der Zielgröße von 100 Prozent. Wenn er dieses Ziel erreicht, stellt er seinem Auftraggeber eine Rechnung, die 100 Prozent seines Tagessatzes entsprechen.

Stieg erzählt: »Unser Modell sieht vor, dass wir mit unseren Kunden sowohl den Erfolg als auch das Risiko teilen – das heißt, wird das Ziel unterschritten, gehen wir meist bis zu 30 Prozent mit ins Risiko. Wird das Ziel überschritten, dann profitieren wir mit bis zu +30 Prozent vom Erfolg. Im schlechtesten Fall fakturieren wir nur 70 Prozent unseres Tagsatzes, im besten Fall 130 Prozent.«

Als ich von seinem Modell gehört habe, war ich begeistert. Ich habe vor Respekt geistig den Hut vor ihm gezogen. Denn sein Ansatz zeugt von Mut und hohem Willen, wirklich für Umsetzungserfolg in den Firmen zu sorgen. Immerhin nimmt er bei seinem Ansatz ein finanzielles Risiko in Kauf. Ich malte mir aus, wie die Kunden bei ihm Schlange stehen.

Doch weit gefehlt. Nur wenige Kunden nehmen die erfolgsabhängige Honorierung an. Sie fürchten, es wird zu teuer für sie, wenn Christoph Stieg für Trainingserfolg sorgt und sie daher mehr Honorar zahlen müssen. Ein anderer Hemmschuh sei aber auch einfach der, dass die Unternehmen eine erfolgsabhängige Honorierung in ihren Prozessen nicht abbilden könnten, berichtet Stieg. Ein typischer Satz laute: »Das kann ich nicht budgetieren.«

Das dritte K.O.-Kriterium betrifft den Punkt, dass Stieg von seinen Auftraggebern erwartet, dass die Führungskräfte ernsthaft und verbindlich den Umsetzungsprozess unterstützen. Dafür trainiert er sie und gibt ihnen auch spezielle Instrumente an die Hand. An dem Punkt würden aber viele abwinken, weil die Bereitschaft fehle oder der Aufwand zu groß erscheine.

Kurzum: Das Konzept der erfolgsabhängigen Honorierung kommt im Wesentlichen deshalb nicht so gut an, weil damit Zeit und Aufwand verbunden sind. Und somit letztendlich auch Geld. Es ist ein Dilemma: Auf der einen Seite wollen die Firmen mehr Lerntransfer, auf der anderen Seite wollen sie dafür möglichst keinen Aufwand betreiben.

Ich selbst höre in Gesprächen mit Personalentwicklern vor allem das Argument, dass die erforderlichen Ressourcen fehlen, damit der Lerntransfer funktioniert. Gemeint sind Zeit und Geld. Wenn es also nicht nur um zehn Mitarbeiter, sondern um 10 000 Mitarbeiter geht, winken Personalentwickler mit der Begründung ab, dass es gar nicht machbar sei, für alle diese Mitarbeiter einen Lernprozess zu gestalten, bei dem die Lernziele auch sicher erreicht werden.

Das andere Problem der Personalentwickler ist, dass sie bei Führungskräften beim Thema Transferunterstützung auf taube Ohren stoßen. Was ja auch Stieg als Knackpunkt beschreibt. Die Lerntransferforschung weist sehr gut nach, wie wichtig eine entwicklungsunterstützende und lernförderliche Führungsarbeit ist. Doch die praktische Erfahrung zeigt: Zahlreiche Chefs haben weder Zeit noch großes Interesse daran, sich wie ein Trainer oder Coach mit der Entwicklung ihrer Mitarbeiter zu befassen. Es geht sogar noch weiter: Vorgesetzte sagen im Brustton der Überzeugung, dass sie nicht für die Entwicklung ihrer Mitarbeiter zuständig sind. Das sei die Aufgabe des Trainers oder liege in der Verantwortung des Teilnehmers.

Kurzum: Jeder sieht die Verantwortung beim anderen – und damit dreht sich die Diskussion im Kreis. Also bleibt alles beim Alten, und der einzige Trost in dieser gängigen Trainingspraxis ist für viele Trainer und Personalentwickler, dass vielleicht doch irgendetwas hängen bleibt. Es regiert also das Prinzip Hoffnung. Andere reden sich die Welt schön, indem sie sagen: »Immer noch besser, als gar nichts zu tun.« Es stellt sich also die Frage, wie sich dieser gordische Knoten zerschlagen lässt.

Die gute Nachricht ist: Ich sehe einen deutlichen Hoffnungsschimmer. Denn in den letzten Jahren bin ich auf etliche Firmen getroffen, die der Wirkungslosigkeit den Kampf angesagt haben. Aber es ist nicht einfach, das bisherige Denken und alte Strukturen aufzuknacken. Die verantwortlichen Personaler müssen häufig viel Überzeugungsarbeit leisten.

Diese Entwicklung hat mir auf jeden Fall Mut gemacht, weiter an meiner Transferstärke-Methode zu arbeiten und dieses Buch zu schreiben. Gerade Sie als Trainer sind ein wichtiger Partner für die Personalentwickler in den Firmen. Damit Sie den Umdenkprozess in den Firmen unterstützen können, erhalten Sie in den folgenden Kapiteln gute Argumente und das nötige Rüstzeug.

Im Blindflug unterwegs

Als Trainer sind Sie in einer schlechten Ausgangslage. Sie wissen nämlich nicht wirklich, wie gut Ihre Teilnehmer die Inhalte Ihres Trainings umsetzen werden, wenn Sie diese das erste Mal treffen. Sie können höchstens sehen und erahnen, wie hoch die Motivation für das Training ist. Sei es durch die Mimik oder Körpersprache, mit der Ihre Teilnehmer den Raum betreten, sei es durch die ersten Worte, die sie in der Vorstellungsrunde sprechen.

Leider habe ich viel zu oft den Fall erlebt, dass mir ausdruckslose, gelangweilte Gesichter im Seminarraum gegenübergesessen haben. Gerade bei Pflichttrainings. Natürlich war mir stets klar, dass es auch Teil meines Jobs ist, die Entsandten für das Trainingsthema zu erwärmen und ihnen sichtbar zu machen, welchen Nutzen sie haben, wenn sie sich auf die Trainingsinhalte und deren Umsetzung einlassen. Auch wenn mir das beim einen oder anderen gelungen war, blieb am Ende solcher Trainings dieses flaue Gefühl im Bauch, ob die Teilnehmer das Gelernte wohl in ihrem Arbeitsalltag weiterverfolgen und anwenden würden.

Aber selbst, wenn Ihnen Offenheit und Motivation entgegenkommen, ist das keine Garantie dafür, dass Ihre Teilnehmer das Gelernte nach dem Training auch in der Praxis umsetzen. Sie kennen das sicherlich aus der eigenen Erfahrung. Silvester ist ein gutes Beispiel: Jeder von uns hat an diesem Tag schon einmal gute Vorsätze für das neue Jahr formuliert. Doch schon bald sind diese genauso verloschen wie die Silvesterraketen im dunklen Neujahrsmorgen.

Was Ihre Teilnehmer aus Ihren Trainingsimpulsen machen, merken Sie höchstens, wenn Sie Folgetrainings machen. Sei es, indem Sie nach Umsetzungserfahrungen fragen, ein Wissensquiz machen oder in Rollenspielen verändertes Verhalten beobachten können. Doch dann ist bereits viel Zeit verstrichen. Zeit, die Ihre Teilnehmer im schlechtesten Fall nicht genutzt haben. Sie sind noch bei Punkt null in der Umsetzung.

Selbst wenn Sie den fehlenden Transfer registrieren, können Sie nicht im Detail sagen, was die Transferbarrieren beim Einzelnen sind. Meistens hören Sie zwar Argumente wie »keine Zeit« oder »keine Anwendungsmöglichkeiten«. Doch was wirklich dahintersteckt, können Sie in der Gruppensituation des Seminars zeitlich bedingt nicht näher herausfinden – ganz zu schweigen davon, dem Einzelnen zu helfen, bestimmte Barrieren zu überwinden.

Ich habe mich über diese Situation oft geärgert. Denn wenn die Teilnehmer nichts umsetzen, ist meine ganze Arbeit umsonst gewesen. Mich hat dann auch das schlechte Gewissen geplagt, ob ich nicht doch noch irgendetwas hätte besser machen können.

Zusammengefasst sind Sie als Trainer im Blindflug unterwegs. Sie wissen um das Problem des Lerntransfers, haben aber keine Ahnung, welche Risiken jeder Teilnehmer dazu mitbringt und was Sie konkret als Unterstützung leisten können, um den Einzelnen in seinem Lerntransfer zu fördern. Und genau an dem Punkt setzen mein Modell der Transferstärke und die dazugehörige Methode an. Den Begriff »Transferstärke« habe ich im Jahr 2009 geprägt. Damit beschreibe ich die persönliche Kompetenz, Lern- und Veränderungsimpulse aus Fortbildungen selbstverantwortlich, erfolgreich und nachhaltig in die Praxis umzusetzen.

Der Gedanke bei der Anwendung des Transferstärke-Modells2 ist ganz einfach. Es läuft so ähnlich ab wie vor einem Flug, wenn Sie durch die Sicherheitsschleuse wollen. Stellen Sie sich vor, Sie hätten eine Art Scanner, mit dem Sie im Handumdrehen die Transferstärke Ihrer Teilnehmer erkennen können. Am Flughafen dauert es anderthalb Sekunden – und schon ist der Passagier mit dem Ganzkörperscanner kontrolliert.

So schnell lässt sich die Transferstärke von Teilnehmern zwar nicht ermitteln, aber es geht dennoch vergleichsweise rasch. Ich habe nämlich einen kurzen psychologischen Test namens Transferstärke-Analyse entwickelt. Danach sehen Sie und Ihr Teilnehmer klar, wo die Stärken und Risiken für den Lerntransfer sind, und können vorhandene Risiken so steuern, dass der Transfer gelingt. Vorausgesetzt, der Teilnehmer will wirklich die Lern-PS auf die Straße bringen. Sie legen damit also den Grundstein für eine proaktive Transfersicherung. Kurzum: Es gibt keinen Blindflug mehr.

Für Sie als Trainer bedeutet meine Transferstärke-Methode eine Arbeitserleichterung. Sie bekommen damit ein effektives Instrument an die Hand, das Ihnen mit wenig Aufwand erlaubt, Ihre Teilnehmer ganz gezielt und individuell dabei zu unterstützen, Lern- und Veränderungsimpulse nachhaltig umzusetzen. Und nicht nur das: Sie stärken außerdem die Selbstlernkompetenz Ihrer Teilnehmer. All das zahlt sich für künftige Lernvorhabenaus.

Dabei lege ich den Fokus auf verhaltensorientierte Fort- und Weiterbildungen wie zum Beispiel Trainings zu Führung, (Telefon-)Kommunikation oder Verkauf. Denn die Schulung sozialer Kompetenzen ist das Topthema in den Unternehmen, wie sich an der schon erwähnten managerSeminare-Trendstudie Weiterbildungsszene Deutschland 2015 ablesen lässt.

Lernen Sie nun im nächsten Schritt mein Transferstärke-Modell näher kennen.