Zwei Vorworte und eine Gebrauchsanweisung
Hallo, ich bin Nora
… und ich bin Sabine
Kleine Gebrauchsanweisung für dieses Buch
Dieses Buch ist Dein Buch
Teil 1: Ganz frisch schwanger
Es hat geklappt!
Du bist die Expertin Deiner Schwangerschaft
Ernährung in der Babybauchzeit
Es ist o. k.!
Begleiter durch die Schwangerschaft
Was müssen wir beim Sex beachten?
Seelische Herausforderungen
Hey,du wirst jaPapa!
Reiselust
Die größte Angst: Frühe Fehlgeburten
Alles durchgecheckt
Pränataldiagnostik: Wie viel wollen wir wissen?
Wo soll unser Baby zur Welt kommen?
Das 1. Trimester ist vorbei
Teil 2: MITTENDRIN
Angekommen
Schlafpositionen: Lieber links liegen
Sport in der Babybauchzeit
Junge oder Mädchen?
Das doppelte Glück: Zwillinge
Alles durchgecheckt
Der Mutterpass
Ein Name für unser Baby
Was für Eltern wollen wir sein?
Es braucht mehr als Luft und Liebe
Es ist o. k.!
Bergfest
Das 2. Trimester ist vorbei
Teil 3: ENDSPURT
Die Spannung steigt
Alles durchgecheckt
Zeit für den Nestbau
Karrierefalle Schwangerschaft?
Es ist o. k.!
Mehr als Hecheln – der Geburtsvorbereitungskurs
Die Geburt vorbereiten
Tu dir was Gutes vor der Geburt
Realistische Erwartungen ans Wochenbett
Das 3. Trimester ist vorbei
Teil 4: DIE GEBURT
Was sind Deine Wünsche?
Es geht los!
Wie Du dir selbst durch die Geburt helfen kannst
Geschafft!
Teil 5: DAS WOCHENBETT
So viel Liebe. So viel Verantwortung. Und so viel Müdigkeit
Ganz normaler Wahnsinn: Gefühlsachterbahn nach der Geburt
Es ist o. k.!
Stillen: Deine Milch für Dein Baby
Kleiner Mensch – großes Geschäft
Schlaf gut, Baby!
Babys verstehen
Teil 6: WISSEN HILFT GEGEN ANGST
Krank. Ausgerechnet jetzt
Schwierige Geburten
Abschied – wenn die Schwangerschaft nicht gut ausgeht
Unsere Geschichte
Bildnachweis
Statt einer Danksagung
Register
Wir hoffen, es ist okay für dich, dass wir Du zu dir sagen. Wir finden einfach: Die Babybauchzeit ist etwas so Persönliches, da passt ein steifes Sie nicht hin. Und wegen Deiner Schwangerschaft sind wir schließlich hier: Wir freuen uns mit dir auf Dein Baby und bieten dir an, dich mit viel Wissen und noch mehr Herzenswärme beim Mamawerden zu begleiten. Eines können wir dir nämlich jetzt schon verraten: Die kommenden Wochen und Monate werden das Abenteuer Deines Lebens! Doch bevor wir uns mitten ins Thema stürzen, wollen wir uns dir kurz vorstellen – schließlich sollst Du wissen, mit wem Du es auf den kommenden Seiten zu tun hast.
PS: Familie ist bunt! Zum Glück leben wir heute in einer Zeit, in der gesellschaftlicher Raum ist für ganz unterschiedliche Familienmodelle sowie für verschiedene Geschlechtsidentitäten. Nicht jedes Baby hat einen Vater. Nicht jede Familie beginnt mit einem Paar. Und nicht jeder Mensch, der ein Kind erwartet, ist eine Frau. Wir sind uns dieser Pluralität bewusst und richten uns mit diesem Buch an alle werdenden Eltern, bitten jedoch um Verständnis, dass sich der leichteren Lesbarkeit wegen diese Vielfalt nicht in den Formulierungen dieses Buches abbildet.
Mit dem Schwangersein habe ich so einige Erfahrung: Ich bin nämlich Mama von drei Kindern, und die Babybauchzeit war für mich bei jedem einzelnen ein ganz besonderes Erlebnis. Nicht immer nur schön, nicht immer nur leicht. Aber eine wertvolle und wichtige Zeit der Vorbereitung auf das, was danach kommt. Und weil ich als Journalistin und Fachautorin für Familienthemen seit über zehn Jahren darüber schreibe, was Kinder und ihre Eltern für einen gelungenen Start ins Leben brauchen, ist es mir ein Herzensanliegen, mit diesem Buch den Blick ganz auf den Zeitraum zu lenken, in dem das alles anfängt: Lieben, Verbunden sein, Familie werden. Ich wünsche dir von Herzen eine einmalig tolle Babybauchzeit!
Deine Nora Imlau
Als junge Frau machte ich eine Ausbildung zur Krankenschwester, dazu gehörte auch ein Einsatz in einer Geburtsklinik. Die Eindrücke der Geburtshilfe, wie sie in den 80er-Jahren dort üblich war, erschütterten mich zutiefst: Gekachelte Räume, Fachpersonal in Metzgerschürzen, dazwischen verschreckte Frauen, festgeschnallt auf Gebärbetten, und panische Neugeborene. Da war für mich klar: Wenn ich eines niemals werden will, dann ist das Hebamme!
Nach einiger Zeit in der Pflege wollte ich dann mehr über optimale Notfallversorgung lernen und wurde Rettungsassistentin, eine sehr abwechslungsreiche Tätigkeit vom Baby-Notarztwagen bis zum Intensivtransport. Doch ich wollte mehr tun, und so ging ich in die internationale Katastrophenhilfe und arbeitete als Krankenschwester unter schwierigsten Bedingungen in Flüchtlingslagern und im Kriegsgebiet, wo das Sterben allgegenwärtig war. Und ausgerechnet dort, mitten in Tansania und Zaire, im größten Elend, erlebte ich zum ersten Mal Geburten, die so ganz anders waren als alles, was ich aus deutschen Kreißsälen kannte. Im Mittelpunkt standen die gebärende Frau und ihr Baby, umgeben von vertrauten Menschen. Ein Ankommen in Würde. Bonding von der ersten Sekunde an. Plötzlich fand ich mich bei jeder Gelegenheit in unserem improvisierten Kreißsaal wieder, fasziniert, verzaubert. Und mit einem Mal wurde mir klar: Das ist es. So kann, so darf, so muss man Frauen und ihre Kinder auf diesem Weg begleiten.
Also machte ich die Ausbildung zur Hebamme, mit dem klaren Ziel vor Augen, Geburtshilfe zu leisten, wie ich sie aus Afrika kannte – und zwar nicht im Krankenhaus, sondern in einer Hebammenpraxis oder bei den werdenden Eltern zu Hause. Von vielen wurde ich dafür als unverantwortlich kritisiert. Doch ich ließ mich nicht beirren und baute mein eigenes Geburtshaus auf, in dem in den vergangenen Jahren viele Hundert Babys friedlich und geborgen zur Welt kamen.Heute ist Hebamme für mich der schönste Beruf der Welt, bei allen Licht- und Schattenseiten. Denn es gibt kein größeres Privileg, als Menschen auf ihrem individuellen Weg ins Familienleben zu begleiten. Dass ich in diesem Buch auch Deine und Eure Wegbegleiterin sein darf, ist für mich eine große Ehre und Freude zugleich. Herzlichen Glückwunsch zur Schwangerschaft!
Deine Sabine Pfützner
Auf den folgenden Seiten geben wir ehrliche Antworten auf Fragen, die sich viele werdende Eltern kaum zu stellen trauen. Und Rückenstärkung für Deinen individuellen Weg. Außerdem findest Du jede Menge Mutmacher für eine Schwangerschaft voller Selbstbewusstsein, Vorfreude und Vertrauen ins Leben.
Jede Schwangerschaft ist individuell, und jedes Baby ist anders. Wir haben dieses Buch deshalb so aufgebaut, dass Du in ihm in den kommenden Monaten jederzeit genau das finden kannst, was DU im Moment brauchst.
Du wünschst dir Informationen und Begleitung passend zu Deiner Schwangerschaftswoche? In den drei großen Kapiteln zum ersten, zweiten und dritten Trimester findest Du alles, was Du jetzt wissen willst – chronologisch sortiert, sodass Du, je nachdem, wo Du dich im jeweiligen Trimester befindest, intuitiv die richtigen Seiten aufschlägst.
Du willst wissen, wie es dem Baby im Bauch gerade geht? Auf den zehn »Blick in den Bauch«-Seiten kannst Du auch ohne Ultraschallgerät sehen, wie Dein Kleines gerade aussieht und sich entwickelt, und was es gerade tut und braucht.
Du willst ganz für dich allein oder gemeinsam mit Deinem Partner oder Deiner Partnerin mit dem Ungeborenen in Kontakt treten und dich auf die Zeit nach der Geburt einstimmen? Auf den Mantra-Seiten findest Du dafür ganz konkrete Anregungen und Hilfestellungen.
Du hast Fragen rund um die bevorstehende Geburt? Ab Seite 214 steht alles, was Du wissen musst.
Du hast Fragen zu den ersten Wochen mit Deinem Baby? Ab Seite 260 haben wir für dich die wichtigsten Informationen für ein geborgenes Wochenbett und eine kuschelige Kennenlernzeit mit Deinem Kind zusammengestellt.
Du machst dir große Sorgen oder hast gesundheitliche Probleme, zu denen Du Rat und Hilfe suchst? Ab Seite 308 findest Du alle Informationen zu seltenen Risiken und typischen Schwangerschaftsbeschwerden. Ein Stichwortregister dazu beginnt auf S. 371.
Du kannst es von vorne nach hinten lesen oder queerbeet immer nur das, was dich gerade am meisten interessiert. Du kannst es alleine lesen oder gemeinsam mit anderen, Du kannst es als Nachschlagewerk nutzen oder als ganz persönlichen Begleiter. Du kannst hineinschreiben, hineinmalen, Deine eigenen Beobachtungen und Erfahrungen festhalten. Und bei allem Rat und Wissen in diesem Buch: Höre immer und vor allem auf Dein eigenes Bauchgefühl! Denn die wahre Expertin für Dein Baby und Deine Schwangerschaft bist Du selbst.
* * *
* * *
* * *
* * *
Schwanger. Kaum ein Wort vermag von einem Moment auf den anderen das ganze Leben so auf den Kopf zu stellen wie dieses. Ob es auf dem Display des Schwangerschaftstests erscheint oder beim lang ersehnten Anruf aus der Kinderwunschklinik erklingt: Immer fühlt es sich an, als würde die Welt für einen kleinen Moment stillstehen. Ein neues Leben hat sich auf den Weg gemacht. Oft heiß ersehnt und lang geplant, manchmal auch unverhofft und gegen jede Wahrscheinlichkeit. Und jetzt?
Ungläubiges Staunen, Freude und Erleichterung, aber auch Anspannung, Sorge und Angst: Dass insbesondere in den ersten Schwangerschaftstagen all diese Gefühle wild durcheinandergehen, ist völlig normal. Je nach individueller Lebenssituation dauert es oft eine ganze Weile, bis sich die Glücksgefühle ihren Weg durch all die Unsicherheiten und Ängste gebahnt haben – auch das ist nicht ungewöhnlich. Schließlich durchlaufen Frauen in den ersten Schwangerschaftswochen nicht nur körperlich einen krassen Veränderungsprozess. Auch seelisch betreten sie völliges Neuland. Wie seltsam sich das anfühlt, zu wissen, dass da ein winziges Wesen im eigenen Bauch heranwächst, während man von außen noch überhaupt nichts sieht! Und wie groß die Sorgen um so ein Krümelchen sein können! Wahnsinn!
Klar könnte man nun sagen: Kein Grund zur Aufregung – das alles passiert tausendfach, Tag für Tag. Und manchmal ist dieser Gedanke auch hilfreich: dass wir nicht allein sind auf dieser Reise, sondern in einer lange Reihe von Frauen stehen, die Babys empfangen und geboren haben.
Doch das heißt nicht, dass Deine Babybauchzeit keine große Sache wäre. Im Gegenteil: Sie ist eine riesige Sache! Denn so viele Babys auch schon geboren wurden: Dieses Baby, das sich dir gerade ankündigt, das gab’s noch nie. Es ist einmalig und etwas ganz Besonderes. Weil es Dein Kind ist, das da wächst.
Auf den positiven Test folgt oft die große Nervosität: Was muss ich jetzt tun? Doch keine Sorge: In den ersten Schwangerschaftswochen gibt es noch gar nicht viel zu erledigen. Es ist völlig okay, erst mal gar nichts zu unternehmen und sich einfach ein paar Tage lang an den Gedanken zu gewöhnen.
NORA Vom Geheimnis zum Ereignis
Da ist ein winziges Baby in meinem Bauch, und ich bin der einzige Mensch auf der Welt, der davon weiß: Diesen Moment direkt nach dem positiven Schwangerschaftstest fand ich bei jedem unserer Kinder als etwas ganz Besonderes. War die erste Überraschung dann verdaut, überlegte ich mir, wie ich meinem Mann die frohe Nachricht überbringen könnte. Bei unserem ersten Kind schenkte ich ihm winzige Babysöckchen, die er in den darauffolgenden neun Monaten in seiner Hosentasche mit sich herumtrug wie einen Talisman. Dass Baby Nummer zwei unterwegs ist, verriet die Zuckerschrift auf einem Lebkuchenherz vom Weihnachtsmarkt. Das ist zugegebenermaßen ein bisschen kitschig – mir hat es trotzdem Spaß gemacht. Wie oft im Leben hat man schon die Gelegenheit, eine so unglaubliche Neuigkeit zu überbringen?
Auf die große Überraschung folgt häufig der große Schreck: Habe ich in den vergangenen Wochen dem Mini-Baby in meinem Bauch möglicherweise versehentlich geschadet? Vor allem, wenn die Schwangerschaft nicht geplant war, ist das gefühlte Sündenregister oft lang: durchfeierte Nächte mit viel Alkohol, massenhaft Zigaretten – kann da ein gesundes Baby herauskommen? Ja, kann es. Denn in den allerersten Schwangerschaftstagen gilt das sogenannte »Alles oder nichts«-Prinzip: Ist das Erbgut des entstehenden Lebens aus irgendeinem Grund beschädigt, beendet der mütterliche Körper die Schwangerschaft, bevor sie überhaupt richtig begonnen hat, zum normalen Zeitpunkt der einsetzenden Periode. Ist der Schwangerschaftstest nach diesem Zeitraum positiv, heißt das: Was auch immer in den allerersten Tagen nach der Empfängnis passiert ist, es hat dem kleinen Wesen im Bauch offensichtlich nicht geschadet – sonst wäre es jetzt nämlich nicht mehr da. Also: Durchatmen! Und, statt ein schlechtes Gewissen für Vergangenes zu haben, lieber an die Zukunft denken: Ab jetzt beginnt tatsächlich die Zeit, in der Alkohol und Nikotin dem kleinen Kämpfer im Bauch schaden können.
Die Babybauchzeit ist eine spannende Sache. Nicht nur für die werdenden Eltern selbst, sondern auch für die Menschen um sie herum. Sich gemeinsam auf das Baby zu freuen, kann eine wunderbare, verbindende Erfahrung sein. Doch je mehr Menschen von der Schwangerschaft wissen, desto mehr Meinungen prasseln auf die werdende Familie ein. Insbesondere wenn die Schwangerschaft noch ganz frisch ist, fragen sich viele Schwangere deshalb: Wen weihe ich am besten ein?
Eine klassische Empfehlung lautet: Bis zur 12. Woche nur den allerengsten Kreis, danach den Rest der Welt. Hintergedanke dabei ist, dass die Schwangerschaft zu diesem Zeitpunkt als besonders »sicher« gilt – das Risiko, dass jetzt noch etwas schiefgeht, liegt bei unter einem Prozent. Es geht also darum, sich zu schützen: vor blöden Kommentaren und unsensiblen Fragen, wenn die Schwangerschaft traurigerweise vorzeitig endet. Das kann durchaus eine sinnvolle Überlegung sein – schließlich ist der frühe Verlust einer Schwangerschaft eine intime und aufwühlende Erfahrung. Doch die 12-Wochen-Regel lenkt den gedanklichen Fokus werdender Eltern ein Drittel der gesamten Schwangerschaft auf ein angstvolles »Was wäre, wenn?«– und das, obwohl die Wahrscheinlichkeit für eine frühe Fehlgeburt bereits mit einem schlagenden Herzchen in der 7. Schwangerschaftswoche auf drei bis vier Prozent sinkt. Dazu kommt, dass auch im unwahrscheinlichen Fall eines frühen Verlustes enge Freunde und Familienmitglieder eine wertvolle Stütze sein können. Es ist schwer genug, um ein Kind zu trauern, das nur so kurz da war – oft wird es noch schwerer, wenn niemand von ihm wusste. Werdende Eltern dürfen ihr Baby-Geheimnis also guten Gewissens auch bereits im ersten Schwangerschaftsdrittel lüften – insbesondere Menschen gegenüber, von denen sie wissen, dass sie bei ihnen in jedem Fall eine einfühlsame Begleitung finden werden.
Gleichzeitig ist es selbstverständlich auch legitim, es wochen- oder gar monatelang auszukosten, als Elternpaar ganz allein von der Schwangerschaft zu wissen und sich gemeinsam vorzufreuen, während alle anderen noch nichts ahnen. Und natürlich gibt es auch nach der 12. Woche keine Auskunftspflicht. Von einer Schwangerschaft zu erfahren ist kein Recht, sondern ein Privileg. Und wie in allen anderen Schwangerschaftsfragen auch ist die letzte Instanz das subjektive Empfinden der werdenden Mutter, der werdenden Familie: Was sich für sie richtig anfühlt, ist richtig. Und was sich falsch anfühlt, ist falsch.
Wie alt ist das Baby in meinem Bauch? Manche Schwangere wissen das ganz genau. Weil sie ahnen, wann das Kleine entstanden ist, weil sie sich an ihren Eisprung erinnern – oder weil sie den Termin der Implantation in der Kinderwunschklinik noch in ihrem Kalender stehen haben. Zum Zeitpunkt des positiven Tests ist das meist etwa zwei Wochen her. Also ist das Kleine etwa zwei Wochen alt, oder? Tatsächlich berechnen Hebammen und Ärzte die Dauer einer Schwangerschaft anders – nämlich nicht vom Zeitpunkt der Empfängnis her, sondern vom Startdatum der letzten Periode. Das heißt: In den ersten zwei Schwangerschaftswochen war da noch gar kein Baby, sondern nur eine heranreifende Eizelle, die irgendwann ungefähr in der Mitte des Zyklus befruchtet wurde. Zum Zeitpunkt des positiven Tests sind Schwangere also meist bereits in der 5. oder 6. Woche – auch wenn es einen Monat zuvor noch nicht einmal die Ahnung eines Babys gab. Zugegeben: Das ist eine ziemlich verwirrende Art zu rechnen. Im Internet findest Du verschiedene Rechner, mit denen Du ganz einfach selbst ausrechnen kannst, in welcher Schwangerschaftswoche Du dich befindest – entweder vom Zeitpunkt der letzten Periode oder von der Empfängnis aus berechnet.
Ich habe keine Ahnung, wie weit ich bin!
Das Datum der letzten Periode, der Zeitpunkt des Eisprungs – längst nicht alle Schwangeren wissen das so genau. Wer führt schon Protokoll über jede Monatsblutung, besonders, wenn sie unregelmäßig kommt und das Baby sowieso eine Riesenüberraschung war? Auch wenn Sprechstundenhilfen über so wenige Daten und Fakten gerne mal die Stirn runzeln: Solche Zahlen nicht parat zu haben ist überhaupt kein Grund zur Sorge oder für ein schlechtes Gewissen. Schließlich lässt sich in den ersten zwölf Schwangerschaftswochen von der Frauenärztin nahezu taggenau herausfinden, wie weit die Schwangerschaft schon fortgeschritten ist – individuelle Entwicklungsunterschiede zeigen sich erst danach in nennenswertem Maße. Es ist also kein Problem, den voraussichtlichen Geburtstermin zu bestimmen – auch ohne den Zeitpunkt der Empfängnis oder der letzten Periode zu kennen.
SABINE Wenn exakte Termine zum Bumerang werden
Ich erlebe es oft, dass Schwangere ihren errechneten Geburtstermin stolz in der Familie und im Freundeskreis verkünden – und es neun Monate später bereuen. Denn so ein fixer Termin kann ganz schön Druck aufbauen. Vor allem, wenn das Baby sich nicht daran hält! Bedenken wir nun, dass nur vier Prozent aller Babys genau am errechneten Termin geboren werden und viele Schwangere insbesondere beim ersten Kind ihr Baby erst Tage oder gar Wochen später bekommen, heißt das: Je weniger Menschen von dem Datum wissen, desto weniger Stress, wenn der Termin verstreicht und noch kein Baby da ist. Mein Tipp ist deshalb, entweder nur einen vagen Geburtszeitraum zu nennen (»Das Baby kommt voraussichtlich im März«) oder aber den Termin um zwei Wochen nach hinten zu verschieben, um ungeduldige Nachfragen zu vermeiden.
Um die typischen Anzeichen einer frühen Schwangerschaft ranken sich viele Mythen. In Filmen und Fernsehserien verzehren sich schwangere Frauen meist nach absurden Lebensmittel-Kombinationen und müssen sich jeden Morgen übergeben. Im Internet stößt man auf Berichte von Frauen, die auf geradezu übersinnliche Weise vom Moment der Empfängnis an wussten, dass sich da eine kleine Seele in ihnen eingenistet hat. Angesichts solcher Vorbilder ist es kein Wunder, dass manche Frau Schwangerschaftstest um Schwangerschaftstest macht und das Ergebnis einfach nicht glauben kann, weil sie sich eigentlich ganz normal fühlt. Keine Übelkeit, kein Ziepen, kein spirituelles Erweckungserlebnis. Wie kann das sein?
Ganz einfach: Frauen sind verschieden. Babys sind verschieden. Und Schwangerschaften sind erst recht verschieden. Alle möglichen Schwangerschaftsanzeichen zu haben ist deshalb genauso normal, wie nur wenig oder auch nichts zu spüren. Schwangersein kann sich wie ein Gefühlstsunami anfühlen, wie eine schlimme Magen-Darm-Grippe, wie Dauermüdigkeit, Heißhunger, wirre Träume und Hitzewallungen. Oder ganz unauffällig und alltäglich. Und beides ist okay.
Allererste Zeichen
Ein Baby ist eingezogen! Das können die allerersten Anzeichen sein:
Die Periode bleibt aus. Vor allem bei Frauen mit einem sehr regelmäßigen Zyklus ist es ein auffälliges Zeichen, wenn die Regelblutung plötzlich nicht termingerecht kommt. Aber klar: Es gibt auch andere Gründe, aus denen sich der Beginn der Periode mal nach hinten verschieben kann.
Es zieht im Bauch. Blöderweise ziemlich genau so, wie es auch ziept, wenn gleich die Regelblutung losgeht. Also ein eher unsicheres Schwangerschaftsanzeichen – aber eben auch kein Grund zur Panik, wenn der Test positiv war und plötzlich dieses Mens-Gefühl einsetzt. Das kommt durch die Beanspruchung der Mutterbänder, das sind die Sehnen, welche die Gebärmutter an ihrem Platz halten und die sich nun täglich auf ein verändertes Gebärmuttergewicht einstellen müssen.
Die Brust fühlt sich gespannt an, die Brustwarzen sind super empfindlich. Auch dieses Gefühl kennen viele Frauen von den Tagen, bevor die Periode einsetzt. Und auch da sind die Hormone schuld. Doch in der Frühschwangerschaft geht dieses Gefühl nicht weg, sondern wird oft von Tag zu Tag stärker. Der Grund: Schon jetzt bereitet sich das Brustgewebe aufs Stillen vor.
Man muss ständig aufs Klo. Und das aus zwei Gründen. Der erste: Das Schwangerschaftshormon Progesteron regt die Blasentätigkeit an. Außerdem drückt schon jetzt die wachsende Gebärmutter auf die Blase. Der zweite: Die Sorge, die Monatsblutung könnte doch noch kommen, ist bei vielen Frauen in der Frühschwangerschaft so groß, dass sie immer wieder auf die Toilette gehen, um zu checken, ob auch wirklich immer noch kein Blut kommt.
Die Einnistungsblutung. Eine leichte, helle Schmierblutung ungefähr zu dem Zeitpunkt, zu dem sonst die Regelblutung einsetzen würde. Meistverhasstes Schwangerschaftsanzeichen, weil es so viele Ängste schürt. Dabei ist die Blutung völlig harmlos und kein Anzeichen für eine drohende Fehlgeburt.
Glatte Haut, volles Haar. Bei manchen Schwangeren wirkt das Schwangerschaftshormon Östrogen wie eine Beauty-Kur. Andere kriegen davon nur Pickel. Gemein.
Bleierne Müdigkeit. Ein wirklich anstrengendes Schwangerschaftsanzeichen, das man sich vorher gar nicht wirklich vorstellen kann. Man könnte wirklich gleich nach dem Aufstehen wieder einschlafen!
Heißhungerattacken. Ja, sie sind ein Klischee, aber nicht ohne Grund. Besonders häufig in der Frühschwangerschaft ist rasender Hunger auf stark gewürzte Speisen wie Brathähnchen und Döner.
Auch sehr Scharfes und sehr Saures sind plötzlich oft sehr beliebt. Den sprichwörtlichen Schokoladenpudding mit Spreewaldgurken würden die meisten Schwangeren aber verschmähen.
Mir ist so schlecht! Viele Schwangere leiden in den ersten Wochen unter Übelkeit in irgendeiner Form. Bei manchen äußert sich dieses Schwangerschaftsanzeichen nur in Form eines leichten Unwohlseins, oft gepaart mit einer gewissen Appetitlosigkeit und einem metallischen Geschmack im Mund. Anderen ist richtig, richtig schlecht, vor allem morgens nach dem Aufstehen, aber auch wenn es tagsüber irgendwo komisch riecht. Und dann gibt es noch die richtig schlimme Schwangerschaftsübelkeit, die Frauen tagsüber wie nachts quält und die sich anfühlt wie eine immerwährende schwere Magen-Darm-Grippe.
NORA Ach, du Schreck, ich fühl mich wohl
In meiner ersten Schwangerschaft war mir nicht einen Tag schlecht. Ich fühlte mich genauso wie immer. Doch statt mein Glück zu genießen, machte ich mir Sorgen: Überall las ich, Schwangerschaftsübelkeit sei ein gutes Zeichen – war meine Nichtübelkeit dann ein schlechtes? Heute denke ich: Ich hätte meinem Körper mehr vertrauen sollen, der wusste nämlich schon, was er tat. Und brauchte keine Übelkeit, um ein kerngesundes Baby heranwachsen zu lassen.
»Wenn es mir schlecht geht, geht’s dem Baby wenigstens gut« – daran halten sich viele Schwangere in den ersten Schwangerschaftswochen fest. Und erschrecken dementsprechend, wenn alle Schwangerschaftsanzeichen plötzlich aufhören. Das kann doch nichts Gutes bedeuten, oder? Nein: Es ist ziemlich weit verbreitet, dass der Körper zwischen der 8. und 14. Schwangerschaftswoche von einem Moment zum anderen gar keine der typischen Symptome mehr auslöst. In den meisten Fällen heißt das nichts anderes, als dass der Körper sich in seinem schwangeren Zustand sozusagen akklimatisiert hat. Dem Baby im Bauch geht es trotzdem prächtig. Puh.
SABINE Kaum wahrnehmbar und schon so wirksam
Nicht viel größer als ein Sonnenblumenkern ist Dein Baby jetzt: Ein winzig kleiner Mensch, der nur dank dir leben kann. Und trotzdem hat er schon so viel Macht! Hast Du mal beobachtet, was passiert, wenn ein kleiner Stein in einen großen See fällt? Er bringt die ganze Wasseroberfäche in Wallung, zieht Kreise, die viele Meter weit reichen – obwohl er selbst so winzig ist. Genauso verhält es sich mit Deinem Baby: Obwohl es noch so mini ist, beeinflusst es bereits das ganze System, in dem Du lebst: dich. Deine Beziehung. Deine Freunde. Deine Familie. Manche Schwangere nehmen diesen Einfluss kaum wahr, andere spüren ihn sehr bewusst. Aber er ist immer da. Wundere dich deshalb nicht, wenn sich Dinge in Deinem Leben plötzlich neu sortieren. Wenn sich manche Menschen eher zurückziehen und andere dir näher rücken. Das macht das Baby. Es wirkt wie ein Steinchen, das ins Wasser fällt. Schon jetzt. Es zieht Kreise in Deinem Leben, so wie Du auch sein Leben prägst. So fest seid ihr verbunden.
Wir haben es im Vorwort gesagt und tun es hier noch einmal: Folge in der Babybauchzeit Deiner Intuition. Gleichzeitig wirst Du in den kommenden Wochen und Monaten mit unzähligen Empfehlungen anderer Experten konfrontiert werden. Sie sagen dir, was Du jetzt essen musst, wie Du es mit dem Sport, dem Sex und dem Reisen halten solltest, und geben dir einen Fahrplan für Deine Vorsorgeuntersuchungen an die Hand. Doch wie kommen all diese Richtlinien eigentlich zustande?
Um offizielle Empfehlungen für Schwangere zu entwickeln, treffen sich meist bestimmte Expertengruppen, die sich intensiv mit einem Thema beschäftigen und dann ein gemeinsames Papier herausgeben: die sogenannten Schwangerschaftsleitlinien. Diese sollen allen Beteiligten Orientierung geben: Ärztinnen und Ärzten, Hebammen und anderen Menschen in Gesundheitsberufen, aber auch dir als schwangerer Frau. Das Ziel ist, euch eine wissenschaftlich fundierte, praxistaugliche Entscheidungshilfe an die Hand zu geben, die dich und Deine Begleiter dabei unterstützen soll, gut und sicher durch die Babybauchzeit zu navigieren. Im Idealfall unterliegen solche medizinische Leitlinien einem systematischen und transparenten Entwicklungsprozess. Gleichzeitig ist es natürlich nicht auszuschließen, dass sich auch bestimmte Glaubenssätze einzelner Berufsgruppen sowie kulturelle Prägungen darin widerspiegeln. Sie sollten sich aber stets auf die Ergebnisse wissenschaftlicher Studien stützen und sind um größtmögliche Neutralität bemüht.
Für Deine medizinischen Wegbegleiter sind die Leitlinien nicht nur Hilfestellungen, sie sind auch aus rechtlichen Gründen gut beraten, sich in Deiner Schwangerschaftsbegleitung an den offiziellen Leitlinien zu orientieren. Denn im unwahrscheinlichen Fall eines Gerichtsverfahrens orientiert sich die Rechtsprechung auch daran, ob medizinische Fachpersonen sich in der Begleitung und Behandlung ihrer Patienten an die aktuellen Leitlinien gehalten haben. Gleichzeitig stellen die Leitlinien immer nur einen Ratschlag dar. Die konkrete Umsetzung muss immer individuell entschieden werden, und dabei spielen Deine eigenen Vorstellungen und Wünsche eine zentrale Rolle.
Zwischen Meinung und Studie – Leitlinien unterscheiden
Angesichts der unzähligen verschiedenen Empfehlungen fragen sich viele Schwangeren: Sind die wirklich alle gleich wichtig und fundiert? Diese Frage hat sich auch die Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) gestellt und ein System erarbeitet, mit dem medizinische Leitlinien nach wissenschaftlichen Qualitätskriterien eingeteilt werden. Dabei wird zwischen vier Klassifikationen unterschieden.
Leitlinien, die in die Klassifikation S1 fallen, beruhen hauptsächlich auf Erfahrungswissen. Das heißt: Die Mitglieder des Expertengremiums kommen gemeinsam überein, ein bestimmtes Vorgehen als sinnvoll zu definieren. Eine wissenschaftliche Überprüfung dieser Annahme findet nicht statt. Deshalb stehen sie immer wieder in der Kritik.
Leitlinien, die in die Klassifikation S2K fallen, beruhen ebenso vor allem auf Erfahrungswissen. Durch ein formaleres Abstimmungsprozedere wird versucht, die Ergebnisse stärker zu objektivieren.
Leitlinien, die in die Klassifikation S2E fallen, basieren auf wissenschaftlichen Forschungsergebnissen. Das Expertengremium hat also sämtliche relevanten Studien zum Thema ausgewertet und in die Handlungsempfehlung einbezogen.
Leitlinien, die der Klassifikation S3 entsprechen, stellen den aktuellen Goldstandard einer wissenschaftlich fundierten Empfehlung dar. Sie basieren auf einer systematischen Analyse aller klinisch relevanter Studien und werden regelmäßig auf ihre Aktualität hin überprüft und auf den neusten wissenschaftlichen Stand gebracht.
Die überwiegende Mehrheit aller Leitlinien der wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaften (nämlich 70 Prozent!) sind Leitlinien der Qualitätsstufe S1, also der niedrigsten Kategorie. Für dich als Schwangere bedeutet das: Jede offizielle Empfehlung, die dir während Deiner Schwangerschaft begegnet, ist dazu gedacht, dich und Dein Baby zu schützen. Doch hinter vielen Empfehlungen verbirgt sich bei näherem Hinsehen trotzdem nicht mehr als ein gut gemeinter Rat, der für dich richtig sein kann, aber nicht muss.Hier kannst Du dir die Leitlinien und ihre Einstufung selbst ansehen: www.awmf.org
Zum Thema Essen in der Schwangerschaft fällt den meisten Menschen erst mal eine ganze Reihe von Verboten ein: Salami ist doch jetzt tabu … und Rohmilchkäse … und Tiramisu. Oder? Wir fangen lieber andersherum an: Schwangerschaft ist keine Krankheit. Und Schwangere können, dürfen und sollen sich in weiten Teilen genau so ernähren wie sonst auch. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, ist erlaubt, was guttut und schmeckt.
Wer selbstkritisch feststellt, dass die eigene Ernährung bis jetzt nicht gerade optimal war und viel zu oft aus Süßigkeiten und Stressessen bestand, kann die Schwangerschaft natürlich als Anstoß nehmen, um sich insgesamt gesünder und ausgewogener zu ernähren. Und zwar nicht nach Schwangerschafts-Spezialregeln, sondern entsprechend den Empfehlungen, die für alle Menschen gelten und die in dieser Ernährungspyramide übersichtlich dargestellt sind.
Die Basis stellen dabei pflanzliche Lebensmittel dar, vor allem Gemüse, aber auch Obst. Dann folgen gesunde Kohlenhydrate, also vorwiegend Vollkornprodukte und Kartoffeln. Nur einen kleinen Teil des Speiseplans sollten tierische Produkte wie Milch und Eier, Fleisch und Fisch ausmachen. Fettige Knabbereien wie Chips und gesalzene Erdnüsse und Süßigkeiten jeder Art sollten die genussvolle Ausnahme bleiben. So weit die Theorie. Dass die typische Ernährung in der Schwangerschaft oft anders aussieht, ist völlig normal und kein Grund zur Sorge. Denn so sinnvoll alle Empfehlungen zur gesunden Ernährung grundsätzlich auch sind: Um ihr Baby müssen sich Schwangere hierzulande im Normalfall auch bei weitaus weniger gesunden Ernährungsgewohnheiten keine Sorgen machen. Denn der weibliche Körper ist darauf programmiert, dem Ungeborenen im Bauch alle Nährstoffe zukommen zu lassen, die es zum Wachsen braucht. Das heißt: Selbst aus Cheeseburgern mit Pommes holt der Körper noch das heraus, was für das Baby gut ist, und lässt den Rest bei der Mutter. Das heißt: Mit einer ungesunden Ernährung in der Schwangerschaft schaden Frauen vor allem sich selbst. Das Baby ist in der Regel sonst schon gut versorgt.
»Du isst ja jetzt für zwei!«, sagt die werdende Oma und schöpft noch eine zweite Portion Rotkohl mit Klößen auf den Teller. Was dabei schnell vergessen wird: Ja, werdende Mütter essen für zwei – aber die zweite Person ist winzig klein und braucht noch nicht besonders viele Kalorien zum Wachsen: In den ersten Schwangerschaftsmonaten benötigen Frauen bei einer normalen Ernährung gar keine Extrakalorien, in den letzten Schwangerschaftsmonaten sind es dann etwa 250 Kalorien pro Tag mehr, was in etwa einem Apfel und einem Joghurt entspricht.
Heißt das, dass Schwangere jetzt plötzlich anfangen müssen, Kalorien zu zählen? Nein, aber es ist sinnvoll, im Auge zu behalten, dass der Mehrbedarf an Essen in der Schwangerschaft oft überschätzt wird. Besonders gravierende Auswirkungen hat das bei Frauen, die sonst immer sehr genau auf ihr Gewicht geachtet haben und nun, da sie sowieso rund werden und ihren Bauch mit Stolz tragen, nach Herzenslust drauflosschlemmen. Das ist einerseits wunderbar, weil es zeigt, dass eine Schwangerschaft für viele Frauen mit einem deutlich verbesserten Körpergefühl einhergeht. Andererseits liegt in völlig ungehemmtem Zuschlagen nach einer langen Zeit des kontrollierten Essens die Gefahr, die eigene Sättigungsgrenze permanent zu übergehen und am Ende unglücklich zu sein mit Babypfunden, die einfach nicht mehr weggehen. Ein gesunder Mittelweg: Nach Herzenslust dem eigenen Appetit nachgeben, dabei aber zumindest grob die Gewichtsentwicklung im Auge behalten: Zehn bis 16 Kilo zuzunehmen ist in einer Einlingsschwangerschaft völlig normal, alles darüber lässt sich nicht mehr allein mit dem Baby im Bauch erklären.
»Jetzt musst Du aber wieder richtig essen, dem Baby zuliebe!« – kaum eine Aussage bekommen Vegetarierinnen und Veganerinnen in der Schwangerschaft häufiger zu hören. Von der Schwiegermutter bis zur Frauenärztin scheinen sich alle einig zu sein: Ungeborene brauchen Fleisch! Für viele Frauen erwächst aus solchen Ratschlägen ein echtes Gewissensproblem: Die ethische Problematik des Tiereessens ist durch die eigene Schwangerschaft ja keine andere geworden. Gleichzeitig wollen sie natürlich ihrem Baby im Bauch nicht schaden. Braucht es tatsächlich eine omnivore Mischkost, um sich gesund zu entwickeln?
Tatsächlich lässt sich diese Frage nicht in einem Satz beantworten. Denn: Ja, wer während der Schwangerschaft auf tierische Produkte fast ganz oder vollständig verzichtet, muss besonders auf seine Ernährung achten, damit das Baby im Bauch alles bekommt, was es braucht.
Dass die meisten medizinische Fachgesellschaften nach wie vor insbesondere von einer veganen Ernährungsweise in der Schwangerschaft abraten, hat also den Grund, dass es schon einiges Ernährungswissen braucht, um dem Ungeborenen auch ohne tierische Produkte alle Nährstoffe zukommen zu lassen, die es für eine gesunde Entwicklung braucht. Dass werdende Mütter über dieses Wissen verfügen, halten die Expertenkommissionen, die solche Empfehlungen herausgeben, zu Recht nicht für garantiert. In der Praxis zeigt sich jedoch, dass vegetarisch lebende Menschen besser informiert sind als omnivor lebende Menschen und dass die meisten Veganer durch ihre Ernährungsweise zu regelrechten Experten für gesunde und ausgewogene pflanzliche Kost werden.
Bezogen auf die Schwangerschaft heißt das: Vegetarisch und insbesondere vegan lebende Menschen stehen in dieser Zeit in der besonderen Verantwortung, ihre Ernährung so zu gestalten, dass ihr Baby im Bauch gut versorgt ist. Das ist möglich, setzt aber ein überdurchschnittliches Maß an Ernährungswissen und einen sehr bewusst gestalteten Speiseplan voraus. Außerdem ist es für vegan lebende Schwangere unerlässlich, Vitamin B12 in Form von Tabletten zu supplementieren und durch regelmäßige Bluttests sicherzustellen, dass es dem eigenen Körper an nichts fehlt.
SABINE Es ist Deine Wahl
Vegetarisch oder vegan lebende Schwangere haben nach meiner Erfahrung oft besonders mit den typischen Heißhungerattacken in der Frühschwangerschaft zu kämpfen – dann nämlich, wenn sie plötzlich Gelüste auf Lebensmittel entwickeln, die im Rahmen ihrer Ernährungsweise eigentlich tabu sind. »Wenn ich plötzlich unbedingt Hackbällchen essen will – sagt mir mein Körper dann, dass ich mehr Eisen brauche?«, fragen sie mich dann. Oder: »Kann mein Baby dringend Schokoladenpudding und Würstchen brauchen?« – Ich antworte dann, dass nur ein Bluttest uns sagen kann, ob wirklich irgendwo ein Mangel besteht. Fehlt es einer Schwangeren dann tatsächlich an Eisen, kann sie sich immer überlegen, ob sie den Bedarf durch mehr Rindfleisch oder durch mehr Hülsenfrüchte decken will. Beide Entscheidungen sind legitim, aber mir ist es wichtig, dass die Frauen wissen: Ich habe immer noch die Wahl, wie ich mich in meiner Schwangerschaft ernähren will. Mein Buchtipp: Carmen Hercegfi & Sarah Gebhardt, Vegan in anderen Umständen (Grüner Sinn Verlag 2017)