Über die Autorin
Lena Hach, geboren 1982, lebt als freie Autorin in Berlin. Sie besuchte eine Schule für Clowns, studierte Literatur und Kreatives Schreiben und arbeitete als Journalistin. Bei Beltz & Gelberg erschienen ebenfalls der Roman Zoom. Alles entwickelt sich und das Kinderbuch Kawasaki hält alle in Atem.
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»Wanted« im Unterricht
in der Reihe Lesen – Verstehen – Lernen
ISBN 978-3-407-62962-3
Beltz Medien-Service, Postfach 10 05 65, 69445 Weinheim
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(978-3-407-74583-5)
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© 2014 Beltz & Gelberg
in der Verlagsgruppe Beltz · Weinheim Basel
Werderstr. 10, 69469 Weinheim
Alle Rechte vorbehalten
Neue Rechtschreibung
Lektorat: Sarah Müller
Einbandgestaltung: Christiane Hahn / www.christianehahn.de
Einbandabbildungen: © Shutterstock
E-Book: Beltz Bad Langensalza GmbH, Bad Langensalza
ISBN 978-3-407-74449-4
Für meine Mutter.

Finn – 1

»Woran denkst du beim Aufwachen als Erstes?«
»An Sofie.«
Moritz runzelt die Stirn. So sieht er aus wie ein überzüchteter Hund. »Mann, Finn, du musst mich schon die Antwortmöglichkeiten vorlesen lassen. A: an Weiterschlafen, B: an Frühstück oder C: an deinen Exfreund beziehungsweise deine Exfreundin?«
»An Sofie.«
»Also C.« Moritz macht ein Kreuzchen auf dem Zettel vor sich. Er hat sogar an ein Klemmbrett gedacht. Ein Klemmbrett. Manchmal übertreibt er es einfach.
»Nächste Frage: Woran denkst du beim Einschlafen? A: an die nächste Mathearbeit, B: an Brad Pitt beziehungsweise Angelina Jolie, C: an deinen Exfreund beziehungsweise deine Exfreundin?«
Meint Moritz das wirklich ernst? Ich starre ihn an. So fassungslos wie möglich. Als mein bester Kumpel sollte er wissen, dass ich auf Mädchen stehe. Das heißt, auf ein ganz bestimmtes Mädchen. Habe ich eigentlich schon erwähnt, wie sie heißt?
»Woher hast du diesen bescheuerten Test überhaupt?«
»Hab ich mir selbst ausgedacht. Für dich.«
»Und was soll dann das beziehungsweise
Moritz rückt seine Brille zurecht. Die ist neu, hat einen dicken Rahmen und steht ihm echt gut. Er sieht clever damit aus. Aber nicht zu clever. »Ich habe mich dazu entschieden, genderbewusst zu arbeiten.«
Natürlich könnte ich nachfragen, was Moritz damit meint. Aber ehrlich gesagt: Es interessiert mich nicht. Mich interessiert nur eins. Was Sofie macht. Jetzt, in diesem Augenblick. Heute ist Montag, kurz vor vier. In einer Stunde muss sie ins Training. Normalerweise würden wir bei ihr zu Hause chillen, Musik hören, auf dem Balkon sitzen. Später würde ich sie zur U-Bahn bringen, vielleicht sogar ein Stück mitfahren, oder gleich ins Dojo mitkommen. Um Sofie zuzusehen, beim Kihon und Kumite, in ihrem weißen Anzug mit dem grünen Gürtel. Ja, genau. Nicht gelb, nicht orange, sondern grün ist das Ding. Bei der Prüfung war ich dabei und habe Daumen gedrückt, alle beide. Sogar die großen Fußzehen habe ich zusammengekniffen. Als ob Sofie es nötig gehabt hätte. Als ob sie irgendwas nötig hat. Oder irgendjemanden. Mich zum Beispiel.
»A, B oder C?«
Ich gebe immer noch keine Antwort.
Moritz seufzt sein Moritzseufzen. Es klingt, als würde ein Babywal ausatmen, was vielleicht damit zu tun hat, dass er ein paar Kilo zugelegt hat. Dann setzt er zu einer Erklärung an.
»Finn, mit Hilfe dieses Tests möchte ich deinen Liebeskummer analysieren. Ich kann nur einschätzen, welche Gegenmaßnahmen angemessen sind, wenn ich weiß, wie ernst es wirklich ist.«
Ich presse die Zähne aufeinander. Es ist scheißernst.
Sofinn. So haben sie uns genannt. Keine Ahnung, von wem das kam. Auf jeden Fall waren wir Sofinn. Unzertrennlich. Glaubte derjenige, der sich das ausgedacht hat. Vielleicht Hanna, die denkt sich oft solche Sachen aus. Und jetzt? Sind wir nicht mal mehr SofieundFinn. Sondern Finn. Und Sofie, am anderen Ende des Klassenzimmers, zwischen Mehmet und Micha, die ihr Glück nicht fassen können. Denn wer will nicht neben Sofie sitzen?! Ich bin mir sicher, sogar Heinz, unser Referendar, hätte nichts dagegen. Und Sofie? Sagt zu mir »Hallo« und »Tschüss«, wie zu allen anderen. Als wären wir nicht elf Monate, zwei Wochen und vier Tage zusammen gewesen. Als hätte ich nie gesehen, wie sie weint. Oder wie sie sich hinhockt, um ins Gebüsch zu pinkeln. Oder wie ihr vor Lachen Cola aus der Nase schießt. Außerdem habe ich ihre Brüste gesehen, eigentlich habe ich alles gesehen und auch berührt. Aber geschlafen haben wir nicht miteinander. Moritz sagt, da könne ich verdammt froh sein. Sonst wäre mein Liebeskummer noch stärker. Aber ich bin nicht froh. Ich hätte schon gern.
Manchmal hat Moritz komische Ansichten. Das hängt vielleicht mit dem Beruf seiner Mutter zusammen: Psychologin. Moritz’ Vater ist Masseur. Gesunder Körper, gesunder Geist und so. Bestimmt ist Moritz deshalb so versessen darauf, mir zu helfen. Ehrlich gesagt, bin ich ihm dafür dankbar. Auch wenn man es mir nicht immer anmerkt.
Fakt ist: Jetzt sind Sommerferien. Ich habe also sechs Wochen Zeit, um pausenlos an Sofie zu denken – ohne sie treffen zu können. Moritz meint, das sei auch besser so. Dann komme ich angeblich schneller über sie hinweg. Kann sein, dass das stimmt. Trotzdem will ich Sofie sehen, unbedingt. Deshalb fahre ich bei jeder Gelegenheit mit dem Rad an ihrem Haus vorbei. Was eine ziemliche Aktion ist, weil Sofie nämlich ganz oben auf dem Tempelhofer Berg wohnt. Und ich nicht gerade die trainiertesten Wadenmuskeln habe. Noch nicht.
Was ich in den Ferien eigentlich vorhatte? Mit Sofie zelten. Ich hatte im Internet schon Campingplätze rausgesucht, alle in Brandenburg, alle gut bewertet. Die Seiten habe ich ausgedruckt, und an dem Tag, an dem ich mit Sofie darüber sprechen wollte, hat sie Schluss gemacht. Fünf Tage vor den Ferien. Da hatten meine Eltern mir schon das Scheißzelt geschenkt.
Und jetzt sitze ich hier mit Moritz und beantworte seine Scheißfragen. Ich meine, Angelina Jolie und Brad Pitt? Die sind doch viel zu alt.
»Finn, kannst du mir sagen, welche Farbe dein Gefühl hat?«
Regenhimmelgrau. Und das mitten im Sommer.

Finn – 2

Liebeskummer ist wie ein Diamant; man sollte ihn mit Fassung tragen. (Marcel Pagnol)
Moritz’ Analyse hat ergeben, dass ich an Liebeskummer der Stufe zehn leide. Viel schlimmer geht es nicht: Danach kommen nur noch elf und zwölf. Als Orientierung dient eine offizielle Skala – für die Messung von Erdbeben. Ich habe ernste Zweifel, ob man das vergleichen kann. Aber laut Moritz macht es keinen Unterschied, ob die Erde erschüttert wird oder eine zarte Knabenseele. Das hat er wirklich gesagt: Zarte Knabenseele. Moritz sammelt ausgefallene Wörter wie meine kleine Schwester Radiergummis. Und Katzennamen. Und Panini Sticker. Und noch tausend andere Sachen, weshalb meine Mutter befürchtet, dass ein Messie aus ihr wird. Mich stört es nicht: Feline hat ihr eigenes Zimmer.
Seit mein Leiden sozusagen amtlich ist, schickt Moritz mir jeden Morgen eine SMS mit einem klugen Spruch. Anfangs postete er die Sprüche auf meine Facebook-Pinnwand, aber dagegen habe ich protestiert. Immerhin kann auch Sofie lesen, was da steht. Falls es sie überhaupt interessiert. Ich bin jedenfalls nur noch online, ständig schaue ich nach, was es bei Sofie Neues gibt. Viel ist es nicht: Eine aus ihrem Karateverein schreibt irgendetwas über ein Turnier, das nächsten Monat stattfinden soll. Sofies nervtötende Cousine Bea drückt hundert Knutscha auf die Pinnwand. Dann das Foto, das mir verrät, dass Sofie mit Hanna und Leonie Sonnenbrillen shoppen war. Sofie hat das Bild mit ihrem Handy gemacht und einen orangefarbenen Filter darübergelegt. Es sieht aus wie eine Aufnahme aus den Sechzigern. Zumindest stelle ich mir die Sechziger so vor: Bunt und sexy.
Sofie schmollt in die Kamera, die anderen auch, dreimal Duckface. Keine große Sache, kein neuer Lover oder so. Und trotzdem macht es mich fast verrückt. Ich wäre gern dabei gewesen, hätte auf ihre Handtasche aufgepasst. Darin habe ich Übung.
Als ich Moritz von meiner Facebook-Recherche berichte, sagt er nur: »Du musst dich entfreunden. Unverzüglich.«
Unverzüglich. Noch so ein Moritzwort. Ich verstehe, was er meint, aber das kann ich echt nicht bringen. Wie sähe das denn aus? Völlig kindisch. Sofie und ich, wir haben uns ja nicht gestritten. Wir haben uns »im Guten« getrennt.
Im Guten am Arsch!
»Finn, wir müssen reden.« Ein Satz wie aus einer Soap. Ein Satz, den ich nicht hören wollte. Und dann kamen noch so ein paar Sätze, die ich nicht hören wollte: »Irgendwie ist die Luft draußen. Das mit uns, das ist einfach öde geworden. Das hat nichts mit dir zu tun, na ja, vielleicht ein bisschen. Du hättest dir ja etwas Mühe geben können, dir auch mal was einfallen lassen, anstatt mir immer nur hinterherzudackeln. Du bist echt ein ganz Lieber, aber du hast einfach nichts Eigenes, Finn.«
(Ein ganz Lieber?! Der Labrador aus dem vierten Stock ist ein ganz Lieber. Schöne Scheiße.)
Und schließlich ein Satz, den ich absolut nicht – unter gar keinen Umständen – hören wollte: »Lass uns Freunde bleiben.« Aber sie hat ihn gesagt. Sofie hat den Satz tatsächlich gesagt. Und ich habe tatsächlich genickt. Dabei war es nicht fair. Denn ich hatte mir ja was einfallen lassen. Das mit dem Zelten. Weil sich schon angekündigt hatte, dass etwas passieren musste. Aber doch nicht so was.

Finn – 3

Es klingelt an der Wohnungstür und im ersten Moment denke ich: Sofie. Jetzt kommt Sofie und nimmt die ganzen bescheuerten Sätze zurück. Einen nach dem anderen. Und dann küssen wir uns die Lippen wund. Aber es ist Moritz, mit seinem Klemmbrett unter dem Arm. Er grinst über beide Ohren, schiebt sich an mir vorbei und marschiert in mein Zimmer.
»Ich bin fertig«, sagt Moritz und lässt keine Pause, in der ich fragen könnte, mit was zur Hölle.
»Heute beginnt dein ALK-Programm.«
Alk?
»Mir ist nicht nach Saufen«, murmle ich. Mir ist nach Auf-dem-Bett-Liegen und Sofies-Profilbild-Anstarren.
»Wer redet denn vom Saufen?! Ich meine dein Anti-Liebeskummer-Programm. ALK. Exklusiv auf dich zugeschnitten.« Moritz lässt sich auf mein Bett fallen und steht gleich wieder auf, um das Fenster aufzumachen. »Hier stinkt’s.«
Ich zucke mit den Schultern, fege ein Paar getragene Socken von meinem Omasessel und sinke ins Polster. Ich könnte auf der Stelle einschlafen, so müde bin ich. Aber Moritz hält mich wach.
Was er sich ausgedacht hat, klingt simpel. Ich bin sein Klient. Er mein Coach. In dieser Funktion hat er ein Zehn-Punkte-Programm ausgearbeitet, das mich schnell wieder »auf die Beine« bringen soll. Was die einzelnen Punkte sind, will er nicht verraten.
»Damit ich spontan variieren kann, je nachdem, wie du dich entwickelst.«
»Wie ich mich entwickle?«
»Genau.«
Ehrlich gesagt, habe ich keinen großen Bock darauf, Moritz’ Versuchskaninchen zu sein. Das ging bisher immer schief. Andererseits: Die Aussicht auf sechs Wochen, in denen ich einsam vor mich hin gammle, ist auch nicht gerade verlockend. Zudem ich mit Moritz jemanden hätte, der mir sagt, was ich tun soll. Den Gedanken finde ich irgendwie … erleichternd. Sogar sehr.
»Okay«, sage ich. »Aber damit eines klar ist: Entfreunden werde ich Sofie auf keinen Fall.«
»Das wird auch gar nicht nötig sein«, murmelt Moritz und lächelt, ziemlich zufrieden mit sich und der Welt.
Dann schnappt er sich meinen Laptop, kramt einen USB-Stick aus seiner Hosentasche und schiebt ihn in den Slot. Keine Ahnung, was er vorhat, mir auch egal. Ein paar Klicks, dann fängt die Musik an. I already miss you von den Kooks. Trauriger geht es kaum. Ich schaue Moritz an, er hat die Augen geschlossen und summt mit.
»Ähm, Moritz?!«
»Nicht das Richtige?«, fragt er und skippt ein Lied weiter. Irgendein Oldie. Und ich muss zugeben, ich habe mich geirrt. Es geht trauriger. Viel trauriger.
»Was ist das, verdammt?«
»Unchained Melody«, sagt Moritz. »Von den Righteous Brothers. Warte, die beste Stelle kommt gleich, da bricht die Stimme des Sängers vor Verzweiflung beinahe …«
»Are you still mine?«, singt der Typ. »I need your love.« Und gleich noch mal: »I need your love.«
Pappsüßer Honig suppt aus den Boxen. Und geradewegs in meine Ohren, verklebt mein Trommelfell. Nicht auszuhalten. Was soll das überhaupt? Will Moritz, dass ich aus dem Fenster springe? Mit zwei Schritten bin ich bei ihm und klappe den Laptop zu. Der Sänger verstummt. Mann, bin ich sauer.
»Nicht ganz die Reaktion, die ich mir erhofft hatte –«, beginnt Moritz.
»Was, bitte schön, hattest du dir denn erhofft?«
»Tränen«, gibt Moritz zu. »Finn, du musst deine Traurigkeit einmal richtig rauslassen, sie auskosten
»Auskosten?!«
»Das habe ich im Internet gelesen.«
»Okay, vielen Dank auch«, sage ich. »Ich glaube, ich muss jetzt schlafen.«
Langsam steht Moritz auf.
»Dann machen wir Morgen weiter mit dem Programm?« Jetzt klingt er beinahe kleinlaut.
Ich antworte nicht, stattdessen lasse ich mich aufs Bett fallen und ziehe mir ein Kissen über den Kopf.
Als ich höre, wie Moritz die Wohnungstür hinter sich zumacht, klappe ich den Laptop wieder auf. Der Stick steckt immer noch drin. Klar. Unchained Melody. Ich höre es zwei Mal. Beim dritten Mal fange ich an zu flennen. Ich höre den Song so lange, bis vorerst keine Tränen mehr übrig sind. Dann habe ich Hunger und gehe in die Küche, um mir einen Käsetoast zu machen. Feline will auch einen. Außerdem will sie wissen, warum ich so aussehe, wie ich aussehe. Rot und verquollen.
»Unfall im Chemieunterricht«, sage ich.
»Und Sofie?«
»Was ist mit Sofie?«
»Ist Sofie was passiert? Die sitzt doch neben dir.«
Meine Schwester ist der größte Sofie-Fan, den ich kenne. Okay, der zweitgrößte. Und anders als meine Eltern weiß sie noch nicht, was Sache ist.
»Nee, Sofie geht es gut«, murmle ich und drücke Fine das Toastbrot in die Hand. Bevor sie ihre Lieblingsfrage – »Wann kommt Sofie uns mal wieder besuchen?« – stellen kann, verziehe ich mich in mein Zimmer. Die gerechten Brüder warten auf mich.

Finn – 4

Eines muss man Moritz lassen. Er legt sich richtig ins Zeug. Zuerst bringt er mich dazu, mein Zimmer umzuräumen. Den Omasessel, in dem Sofie so oft auf meinem Schoß gesessen hat, drehen wir um, so dass ich jetzt aus dem Fenster gucken kann. Es war deprimierend, statt Sofies Gesicht nur die weiße Wand vor der Nase zu haben. Jetzt sehe ich wenigstens die Nachbarn. Einer von ihnen steht den halben Tag in der Küche und backt Sahnetorten – nackt. Welcome in Kreuzberg.
Moritz hat weiße Ikea-Kisten angeschleppt. Da soll ich reinpacken, was mich an Sofie erinnert.
»Und zwar alles«, sagt Moritz und reibt sich die Hände wie ein übereifriger Handwerker. »Restlos.«
Das ist unmöglich. Denn sogar die Sachen, die Sofie nie angefasst hat, erinnern mich an sie. Gerade deshalb.
Außerdem hat sie mein Zimmer dekoriert: Sie hat Muscheln von einem Frankreichurlaub mitgebracht und auf mein Fensterbrett gelegt. Außerdem hat sie Fotos an meine Wand gepinnt. Partybilder. Bevor ich mit Sofie zusammengekommen bin, habe ich oft fotografiert, wenn abends irgendwas los war. Nicht, dass mich Belichtungszeiten und Blenden besonders interessiert hätten. Ich wollte einfach etwas zu tun haben, nicht nur dumm rumstehen. Rauchen ging nicht, davon wird mir sofort übel. Außerdem habe ich Schiss vor Krebs.
Moritz will, dass ich die Muscheln in die Kiste pfeffere. Oder noch besser, gleich auf die Straße. »Ich habe gelesen, dass das etwas ungemein Befreiendes hat.«
»Da unten sind zu viele Leute«, murmle ich und wickle die Muscheln in mehrere Lagen Taschentücher, bevor ich sie vorsichtig in die Kisten lege. Man weiß ja nie. Dass ich ein besonders schönes Exemplar in meine Hosentasche schiebe, merkt Moritz nicht.
Bei den Fotos ist er großzügiger. Alle, auf denen Sofie nicht zu sehen ist, darf ich hängen lassen. Dann dampft er auch schon wieder ab. Mit den Kisten unterm Arm.
»Schmeiß das Zeug bloß nicht weg«, rufe ich ihm hinterher. So laut, dass Feline rüberkommt, weil sie neugierig geworden ist. Ein Blick in mein halbleeres Zimmer, und auch sie weiß, was passiert ist.
Als ich sie später beim Abendbrot bitte, mir die Nutella zu geben, tut Fine so, als hätte sie nichts gehört. Wobei das nicht ganz stimmt: Denn genau genommen schiebt sie das Glas noch ein Stückchen weiter von mir weg. Zur Strafe.
»Als ob ich was dafür kann!«, rufe ich.