SkyTest ® Fluglotsen-Assessment 2022
Autoren: | Dennis Dahlenburg, Dipl.-Wirtschaftsjurist Andreas Gall, Dipl.-Wirtschaftsinformatiker |
Herausgeber: | Aviation Media & IT GmbH Akazienweg 3 91083 Baiersdorf Deutschland |
Herstellung und Verlag: | Books on Demand GmbH, Norderstedt |
Kontakt: | Aviation Media & IT GmbH Fluglotsen-Assessment 2022 Akazienweg 3 91083 Baiersdorf Deutschland |
Internet: | http://www.skytest.de http://www.fluglotse.com |
E-Mail: | office@skytest.de |
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© Aviation Media & IT GmbH, Baiersdorf, November 2021
ISBN 978-3-8482-3510-0
SkyTest ® Fluglotsen-Assessment 2022 ist Ihr Handbuch zur Vorbereitung auf die Einstellungstests europäischer Flugsicherungen. Neben einer Karriere als Verkehrspilot gilt die Laufbahn am Boden, als Fluglotse, als der häufigste Wunschberuf innerhalb der Luftfahrt – zu Recht: die Arbeit im Tower, bei der Anflugkontrolle (Approach) oder bei der Sektorenaufsicht (Center) ist verantwortungsvoll, abwechslungsreich und angesehen. Ein hohes Vergütungsniveau gepaart mit hervorragenden Sozialleistungen machen Flugsicherungen zu begehrten Arbeitgebern. Zudem zeigt sich der Arbeitsmarkt für Fluglotsen weit weniger anfällig für äußere Einflüsse als jener für Piloten – wie 2020 auch die Corona-Krise unter Beweis gestellt hat. Die verbreitet staatlichen Träger oder Gesellschafter der Flugsicherungen garantieren krisenfeste Arbeitsplätze.
Bereits die Ausbildung zum Fluglotsen ist mit einem ausgeprägten Anteil von Training-on-the-Job, das nach 1,5 Jahren Theorieunterricht beginnt, sehr praxisnah. Entsprechend viele Bewerbungen gehen bei den Flugsicherungen ein. Dennoch werden die Organisationen von Nachwuchssorgen geplagt – Fluglotsen sind ein knappes Gut. Dies ist zum Teil selbst verschuldet: in den Jahren nach dem 11. September 2001 planten viele Flugsicherungen erheblich zu konservativ und bildeten zu wenig Nachwuchs aus. Daher mussten viel zu wenige Fluglotsen das Verkehrsaufkommen in Europa in den Jahren vor der Corona-Krise stemmen – in den besonders aufkommensstarken Sommerzeiten 2018 und 2019 fielen deswegen Tausende Flüge aus oder starteten mitunter massiv verspätet.
Bei der DFS Deutsche Flugsicherung dirigieren 2.000 Fluglotsen Flüge sicher und effizient durch den Luftraum. Auf Nachwuchssorgen reagiert die DFS trotz Corona mit einer Ausbildungsoffensive und hat ihr Ausbildungsprogramm von 120 auf 146 Plätze erweitert. Auf die kommen jährlich allerdings mehr als 4.000 Bewerber. Nur ein kleiner Teil dieser Bewerber nimmt die Hürde des Auswahlverfahrens und erhält einen der begehrten Ausbildungsplätze bei der Deutschen Flugsicherung. Daher lohnt es sich, auch bei anderen Flugsicherungen anzuklopfen und einen Eignungstest zu machen.
Ein ausgeprägtes räumliches Vorstellungsvermögen, Stress- aber auch Monotonieresistenz, Teamfähigkeit, Kommunikationsvermögen, eine hohe Gedächtnisleistung, Konzentrationsfähigkeit und überdurchschnittliche Leistungen in Englisch, Mathematik und Physik bilden die Eckpunkte des klassischen Anforderungsprofils für den Beruf des Fluglotsen. Entsprechend stellen die Auswahlverfahren vor allem auf diese für Fluglotsen unerlässlichen Kompetenzen ab.
SkyTest ® Fluglotsen-Assessment 2022 stellt Ihnen die Abläufe, Tests und Methodiken der Eignungsuntersuchungen europäischer Flugsicherungen vor. Im Buch werden die Verfahren der DFS, der Schweizer Flugsicherung Skyguide, der österreichischen Austro Control und des länderübergreifend verwendeten First European Air Traffic Controller Selection Test (FEAST) im Detail beleuchtet. Ebenso wirft das Buch einen Blick auf das Auswahlverfahren für militärische Fluglotsen im Offiziersdienst der Bundeswehr. Der Schwerpunkt liegt auf den softwarebasierten Eignungstests der frühen Verfahrensstufen. Die Ausführungen sollen Ihnen dabei helfen, die mit den Tests verbundenen Ziele einzuordnen. Mit diesem Verständnis können Sie nicht nur Ihre Vorbereitung besser strukturieren, sondern werden sich auch im Auswahlverfahren sicherer fühlen. In einem ergänzenden Kapitel gibt Ihnen SkyTest® Fluglotsen-Assessment 2022 einen Überblick über grundlegende mathematische und physikalische Formeln und Zusammenhänge, die Sie in jedem fliegerischen Auswahlverfahren beherrschen müssen.
Die Autoren dieses Buchs verfügen über mehr als 15 Jahre Erfahrung in den Bereichen Ausbildung und Recruitment innerhalb der Verkehrsluftfahrt. Als Bewerber finden Sie in SkyTest® Fluglotsen-Assessment 2022 eine verlässlich recherchierte und aktuelle Informationsquelle für Fragen zu Ihrem Auswahlverfahren.
Unter normalen Umständen befinden sich zu jeder Zeit etwa 600.000 Menschen weltweit an Bord eines Verkehrsflugzeugs. Ihre Sicherheit hängt maßgeblich von der Arbeit der Fluglotsen am Boden ab. In wenigen anderen Berufen werden Sie mehr unmittelbare Verantwortung für andere übernehmen als in dem des Fluglotsen.
Die schwere Luftfahrtkrise in der Covid-19-Pandemie hat den Luftverkehr in Europa 2020 und 2021 einbrechen lassen – nach Daten von Eurocontrol fanden im europäischen Luftraum 2021 nur 6,2 Millionen Flüge statt, 44 Prozent weniger als 2019. Doch die Kurve zeigt wieder klar nach oben: Eurocontrol erwartet bereits für 2022 9,8 Millionen Flugbewegungen – und ab 2023 wieder einen so gut gefüllten Luftraum wie vor der Krise.
Als Fluglotse koordinieren Sie entweder den ein- und ausgehenden Verkehr an einem Flughafen oder überwachen von einem Center aus die Flugbewegungen in einem Ihnen zugewiesenen Kontrollsektor.
Im Tower eines Flughafens ordnen die Fluglotsen den rollenden Verkehr am Boden, erteilen Startfreigaben, überwachen den Luftraum um den Airport und weisen ankommende Flugzeuge ein. Die eigentliche Luftraumkontrolle erfolgt demgegenüber in einem Sektorensystem. Europaweit gibt es etwa 50 Luftverkehrskontrollzentren und rund 650 einzelne Kontrollsektoren. Während je Sektor ein Radarlotse die Flugbewegungen am Schirm überwacht und den Kontakt zu den Flugzeugen hält, plant ein Koordinationslotse die Übergabe des Verkehrs an den Sektorengrenzen. Der Koordinationslotse entwickelt zudem ein Gesamtverkehrsbild und gleicht dieses mit den Freigaben der Radarlotsen ab (4-Augen-Prinzip). Die wichtigste Aufgabe der Lotsen im Center besteht darin, den nach Instrumentenflugregeln durchgeführten Flugverkehr in sicheren vertikalen und horizontalen Abständen zu separieren.
Das zunehmende Verkehrsaufkommen am Himmel über Europa stellte die Flugsicherungen in den 1990er Jahren vor große Herausforderungen. Die Fluglotsen mussten nicht nur mehr Flugbewegungen an den Flughäfen, sondern auch erheblich mehr Enroute Verkehr betreuen, was die bestehenden ATC-Systeme an ihre Kapazitätsgrenzen brachte. Dies bereitete den Boden für einen Paradigmenwechsel in der Organisation der Luftverkehrskontrolle, innerhalb dessen sich ein Übergang ausschließlich verbaler Air-Ground-Kommunikation hin zu einem vermehrten Einsatz von Datenübertragungssystemen vollzog. Die klassische Rollenverteilung zwischen Piloten und Fluglotsen blieb dabei erhalten. Die Piloten haben weiterhin primär die Verantwortung für ihr Flugzeug und die Sicherheit der Menschen an Bord. Ihnen obliegt die praktische Durchführung des Flugs, insbesondere das korrekte Abfliegen des zugewiesenen Luftkorridors und der Umgang mit ungeplanten Ereignissen (sog. Non-Standards, z.B. im Falle eines technischen Defekts am Fluggerät). Die Fluglotsen übernehmen die strategische Planung und Kontrolle des Luftverkehrs.
In der Kommunikation zwischen Piloten und Fluglotsen setzen Airlines und Flugsicherung heute aber vermehrt auf neue Mensch-Maschine-Schnittstellen wie Datalink. Wesentliche Teile standardisierter Kommunikation werden inzwischen über diese Systeme abgewickelt und haben den klassischen Sprechfunkverkehr dort abgelöst oder ergänzt. Der Trend zeigt klar in Richtung einer weiter vo ranschreitenden Automatisierung der Luftraumkontrolle und ihre Verknüpfung mit weiteren Assistenzsystemen. So können Standards wie ein request-start-up oder ein requesttaxi bereits heute ohne Sprechfunk über Datalink abgewickelt werden. Verfügen Flugzeug und Flughafen über die entsprechende Technik, erhalten Piloten mit dem Datenaustausch weitere Informationen – beispielsweise in Form einer Visualisierung ihres per Datalink zugewiesenen Rollwegs zum Start. Ebenso können die Piloten über die Schnittstelle ein direkteres Routing oder eine Höhenänderung anfragen und die entsprechende Freigabe erhalten.
Satellitenbasierte Systeme – etwa ADS-B über dem Nordatlantik – geben Fluglotsen Echtzeit-Daten. Die klassische Funkkommunikation zwischen Fluglotsen und Piloten wird aber auch mit fortschreitender Digitalisierung der Luftraumkontrolle erhalten bleiben. In kritischen Flugphasen, wie Start und Landung, ist es wichtig, dass die Piloten auf offenen Frequenzen alle Anweisungen an den Verkehr mithören, um gegebenenfalls selbst auf Fehler der Flugsicherung aufmerksam zu werden. Die Technologien und Verfahren der Luftraumkontrolle steuern auf eine internationale Harmonisierung zu. In Europa wird im Programm Single European Sky ATM Research (SESAR) von Politik und Industrie eine Standardisierung der Systeme intensiv vorangetrieben. Eine enge Abstimmung mit dem vergleichbaren NextGen-Programm der Vereinigten Staaten soll transatlantische Kompatibilität herstellen. Das Ziel für Europa ist die Verdreifachung der Luftraumkapazität bei einer Reduzierung der Emissionen um zehn Prozent. Die Kosten der Luftraumüberwachung sollen pro Flug von derzeit etwa 800 Euro auf 400 Euro sinken. Neue ATM-Technologien werden auf dem Weg dahin ihren Teil beitragen.
Von größerer Bedeutung ist aber die Aufhebung hoheitsrechtlicher Vorbehalte, die lange eine effektivere Nutzung des Himmels behinderten. Die Sektoren des Luftraums über Europa spiegelten bislang im Wesentlichen die Landesgrenzen wider. Das im Jahr 1999 angestoßene Programm Single European Sky (SES) sieht eine Neuordnung der Kontrollbereiche vor: Im SES ist die historisch gewachsene Aufteilung des Luftraums vollständig aufgehoben und durch neun sogenannte Funktionale Luftraumblöcke (functional airspace blocks, FAB) ersetzt. Die FABs werden dabei an den Hauptverkehrsströmen durch Europa ausgerichtet.
Schrittweise wird die Defragmentierung des europäischen Himmels Realität. Der FABEC, einer der komplexesten und intensivsten genutzten Lufträume der Welt, wurde im Jahr 2012 nach einer vierjährigen Vorbereitungsphase vom deutschen Bundestag ratifiziert. Gegenwärtig werden im 1,7 Millionen Quadratkilometer großen FABEC jährlich etwa 8,0 Millionen Flüge gezählt – das ist mehr als die Hälfte des europäischen Aufkommens. Da zusätzliches Verkehrsaufkommen von den alten Strukturen kaum mehr unterstützt werden kann, ist die Umsetzung des SES inzwischen überfällig.
Allerdings bremst oft nicht politischer Unwille Kooperationen und Innovationen aus – im Gegenteil: die Einführung des ADS-B ist beispielsweise ein länderübergreifender Erfolg: die britische Luftfahrtaufsicht NATS, NAV Portugal und NAV Canada lösen mit der An-wendung des satellitenbasierten Kontrollsystems starre Korridore im Nordatlantik-Verkehrs gemeinsam auf. Das ADS-B ging 2020 nahtlos von einer Testphase in die dauerhafte Anwendung über: Flüge können jetzt effizienter gestaffelt und dennoch sicherer über den Atlantik fliegen, weil die beteiligten Flugsicherungen jederzeit das Verkehrsgeschehen in Echtzeit „auf dem Schirm“ haben.
Problematisch ist aber nach wie vor eine Tendenz zur Besitzstandswahrung unter den Flugsicherungen. Dabei verspricht der SES Fluglotsen auch neue Karriereperspektiven. War ein Arbeitsplatzwechsel zwischen zwei europäischen Flugsicherungen früher mit vielen Hindernissen verbunden, soll er in Zukunft einfacher werden. Denn schon auf Ebene der Ausbildung und sogar der Auswahlverfahren, dem Thema dieses Buchs, wird es weiter zu einer Harmonisierung der Standards innerhalb Europas kommen.
Aus nachvollziehbaren Gründen arbeiten Flugsicherungen in ihren Kontrollbereichen in einer staatlich garantierten Monopolstellung – schließlich wäre es wenig praktikabel, wenn mehrere Flugsicherungen zeitgleich die Aufsicht über einen Sektor hätten. In den folgenden Kapiteln stellen wir Ihnen die Anforderungen und Auswahlverfahren der großen europäischen Flugsicherungsorganisationen vor. Viele dieser Unternehmen setzen inzwischen den von EURO-CONTROL entwickelten First Air Traffic Controller Selection Test (FEAST) für ihre Bewerberauswahl ein oder haben ihn zumindest in ihre Eignungstestverfahren integriert. Auch dies unterstreicht, wie sich Europa in Richtung einheitlicher Strukturen für die Kontrolle seiner Lufträume bewegt.
Die meisten Fluglotsenanwärter streben eine Laufbahn bei der großen Flugsicherung ihres Landes an, die auch die Kontrollbefugnis an den jeweiligen internationalen Flughäfen innehat. Allerdings gibt es auch die alternative Möglichkeit, sich als Regionalfluglotse für den Einsatz an kleineren und mittleren Flughäfen ausbilden zu lassen. In Deutschland ist man in diesem Fall nicht bei der DFS Deutsche Flugsicherung angestellt, sondern direkt bei einem Flughafen oder einem privaten Anbieter für regionale Flugsicherheitsdienste.
Die Aufgaben eines Lotsen an einem kleineren Flughafen sind nicht minder anspruchsvoll und daher gelten für sie im Wesentlichen die gleichen Grundvoraussetzungen wie für DFS-Fluglotsen. Allerdings haben kleinere Airports etwas flexiblere Auswahlstandards und legen im Gegensatz zur DFS in den meisten Fällen keine Altershöchstgrenze für den Beginn einer Ausbildung fest. Die Ausbildung zum Regionallotsen wird in Deutschland nicht von der DFS getragen, sondern unterteilt sich in einen Theorieteil (oft in Prag durchgeführt) und einen praktischen Lehrgang am Flughafen von Mannheim. Die so erworbene Regionallotsenlizenz ist später überregional gültig. Sie können Ihren Arbeitsflughafen also auch einmal wechseln. Bewerber für eine Ausbildung zum Regionalfluglotsen müssen in einem fliegerischen Auswahlverfahren den FEAST bestehen. Die in diesem Buch vorgestellten Tests beziehen sich zur besseren Veranschaulichung auf Trainingsmodule der SkyTest®-Trainingssoftware.
Für die Zulassung zu einer Fluglotsenausbildung müssen Sie Grundqualifikationen aber auch medizinische und fähigkeits- beziehungsweise leistungsbezogene Anforderungen erfüllen.
In Hinblick auf qualifikatorische Grundanforderungen sind vor allem die Hochschulreife und sehr gute Englischkenntnisse zu nennen. Ihre Schulzeit sollte zudem noch nicht allzu lange zurückliegen – die meisten Flugsicherungen haben in ihren Ausbildungsprogrammen Altersgrenzen. So lässt die DFS Deutsche Flugsicherung beispielsweise nur Bewerber bis 24 Jahre zur Ausbildung zu.
Die medizinischen Grundanforderungen spiegeln sich in einer fliegerärztlichen Untersuchung wider, die Teil jedes Auswahlverfahrens für Fluglotsen ist. Der flugmedizinische Check, auch Medical genannt, ist sehr umfangreich. Fluglotsenanwärter benötigen das europäische flugmedizinische Tauglichkeitszeugnis nach EMCR(ATC). Dieses Medical beinhaltet unter anderem eine Untersuchung des Herz-Kreislaufsystems, die Feststellung der Sehkraft und des Hörvermögens sowie eine Überprüfung auf psychiatrische Tauglichkeitskriterien (beispielsweise der Ausschluss von Suchtkrankheiten).
Der größte Anteil der Auswahlverfahren für Fluglotsen entfällt aber auf die Abklärung der berufsspezifischen fähigkeits- und leistungsbezogenen Grundanforderungen