»Cherringham – Landluft kann tödlich sein« ist eine Cosy Crime Serie, die in dem vermeintlich beschaulichen Städtchen Cherringham spielt. Jeden Monat erscheint sowohl auf Deutsch als auch auf Englisch ein spannender und in sich abgeschlossener Fall mit dem Ermittlerduo Jack und Sarah.
Als der begabte junge Künstler Josh Andrews nach einem Streich anlässlich seines Junggesellenabschieds vom Platz des Cherringham Golfclub verschwindet, bittet die verzweifelte Braut Jack und Sarah um Hilfe. Bis zur Hochzeit sind es nur noch wenige Tage und keiner weiß, ob der Bräutigam kalte Füße bekommen hat oder ihm etwas zugestoßen ist. Bald jedoch wird klar, dass Josh nicht der ist, der er zu sein vorgab … und dass der Golfclub eine größere Rolle spielt als zunächst angenommen. Jack und Sarah bleibt nicht viel Zeit, um Josh zu finden – und zu verhindern, dass jemand das Gesetz selbst in die Hand nimmt …
Jack Brennan ist pensioniert und frisch verwitwet. Er hat jahrelang für die New Yorker Mordkommission gearbeitet. Alles, was er nun will, ist Ruhe. Ein Hausboot im beschaulichen Cherringham in den englischen Cotswolds erscheint ihm deshalb als Alterswohnsitz gerade richtig. Doch etwas fehlt ihm, das er einfach nicht sein lassen kann: das Lösen von Kriminalfällen.
Sarah Edwards ist eine 38-jährige Webdesignerin. Sie führte ein perfektes Leben in London samt Ehemann und zwei Kindern. Dann entschied sich ihr Mann für eine andere. Mit den Kindern im Schlepptau versucht sie sich nun in ihrer Heimatstadt Cherringham ein neues Leben aufzubauen. Das Kleinstadtleben ist ihr allerdings viel zu langweilig. Doch dann lernt sie Jack kennen …
Matthew Costello ist Autor erfolgreicher Romane wie Vacation (2011), Home (2014) und Beneath Still Waters (1989), der sogar verfilmt wurde. Er schrieb für verschiedene Fernsehsender wie die BBC und hat dutzende Computer- und Videospiele gestaltet, von denen The 7th Guest, Doom 3, Rage und Pirates of the Caribbean besonders erfolgreich waren. Er lebt in den USA.
Neil Richards hat als Produzent und Autor für Film und Fernsehen gearbeitet sowie Drehbücher für die BBC, Disney und andere Sender verfasst, für die er bereits mehrfach für den BAFTA nominiert wurde. Für mehr als zwanzig Videospiele hat der Brite Drehbuch und Erzählung geschrieben, u.a. The Da Vinci Code und, gemeinsam mit Douglas Adams, Starship Titanic. Darüber hinaus berät er weltweit zum Thema Storytelling. Bereits seit den späten 90er Jahren schreibt er zusammen mit Matt Costello Texte, bislang allerdings nur fürs Fernsehen.
Cherringham ist die erste Krimiserie des Autorenteams in Buchform.
CHERRINGHAM
LANDLUFT KANN TÖDLICH SEIN
Eine schlechte Partie
Aus dem Englischen von Sabine Schilasky
beTHRILLED
Digitale Neuausgabe
»be« – Das eBook-Imprint von Bastei Entertainment
Copyright © 2016/2017 by Bastei Lübbe AG, Köln
Textredaktion: Dr. Arno Hoven
Lektorat/Projektmanagement: Rebecca Schaarschmidt
Covergestaltung: Jeannine Schmelzer unter Verwendung von Motiven © shutterstock: Kichigin | Buslik | Paul Matthew Photography
eBook-Erstellung: Urban SatzKonzept, Düsseldorf
ISBN 978-3-7325-0888-4
www.be-ebooks.de
www.lesejury.de
Ryan Collins sah zu, wie seine Kumpel aus dem Mietwagen stolperten, einem großen Ford Galaxy.
Er hatte sich bei den diversen Runden mit dem Trinken zurückgehalten, weil ja einer von ihnen noch fahrtüchtig sein musste, wenn dieser Junggesellenabschied wie geplant enden sollte – und ohne dass jemand zu Schaden kam.
Aber die anderen?
Josh Andrews, der Bräutigam, versuchte immer noch, aus dem anzüglichen Witz über verwechselte Zimmer in den Flitterwochen schlau zu werden, den sein Trauzeuge Marcus Doyle erzählt hatte.
Gary Quinn, der gewöhnlich stocknüchtern war, sah eindeutig aus, als würde es höchste Zeit für eine heiße Dusche.
Vielleicht ein bisschen wacklig auf den Beinen für dieses kleine Abenteuer …
Ryan hatte in einigem Abstand zu den hohen Sicherheitsstrahlern geparkt, die den Parkplatz des Cherringham Golf Club beleuchteten.
Trotzdem vermutete er, dass sie von versteckten Kameras eingefangen werden könnten.
Aber was war ein Junggesellenabschied ohne einen richtig guten Streich?
Und obwohl Ryan gewisse Zweifel hegte – vor allem, weil es hier stattfinden sollte –, hatte er letztlich den anderen zugestimmt, dass es ein echt cooler Streich sein würde.
Bisher ahnte Josh nicht, dass auch ihm am Ende der Party genau das blühte, was der krönende Abschluss eines jeden Junggesellenabschieds war.
Dass dem Bräutigam ein verdammt guter Streich gespielt wurde.
Während Ryan nun auf die anderen zuging und dabei den Knopf für die Verriegelung des Mietwagens drückte, sah er, wie Marcus eine Hand auf Joshs Schulter legte.
Der Trauzeuge holte tief Luft, als versuchte er, ein wenig von dem Nebel in seinem Kopf zu klären, der den vielen Pints und Kurzen geschuldet war, die er in sich hineingeschüttet hatte.
Leider konnte es nichts gegen sein Lallen ausrichten.
»Aso hörssu, Joshie, aller Knabe. Follendes …«
Josh nickte und lauschte, als könnte er etwas erfahren, das sein Leben einschneidend verändern würde.
»Du weissa, dass das hier dem Dad von der süßen Lauren gehört, die du heiraten sollst, nicht?«
Beim Sprechen nickte Marcus immer wieder mit dem Kopf.
Josh blickte sich um, als ginge ihm jetzt erst auf, wo sie hingefahren waren. Ryan wusste, dass er mehr der ruhige Typ war. Josh war von jeher eher ein Einzelgänger – ein Bildhauer, der seine Arbeit sehr ernst nahm.
Wir vier geben schon eine seltsame Truppe ab, dachte Ryan.
Aber in den zwei wilden Jahren, in denen sie sich ein Haus in Brixton geteilt hatten, waren sie alle gute Freunde geworden.
Damals waren sie frisch von der Uni gekommen – jung und frei. Und jetzt war Josh der Erste von ihnen, der unter die Haube kam.
Vielleicht bin ich der Nächste, dachte Ryan. Wenn ich nicht aufpasse.
Er beobachtete, wie Marcus wartete, als wäre es entscheidend, dass Josh dem zustimmte, was er eben gesagt hatte.
»Richtig. Es gehört ihrem alten Herrn.« Josh schüttelte den Kopf. »Dieser sture alte Mi-«
Marcus klopfte Josh wieder auf die Schulter. »Na, na, er wird jetzt immerhin dein Schwiegervater.« Dann lachte er. »Und er ist reich, du Glückspilz!«
Bevor Ryan eben zu den drei anderen getreten war, hatte er noch die Heckklappe geöffnet und eine Golftasche herausgezogen.
Es war seine eigene. Er schaffte es nicht oft auf den Platz, und sie bräuchten nur diese eine Tasche mit den gängigen Schlägern.
Schließlich hatten sie nicht vor, die ganzen achtzehn Löcher abzulaufen.
Nun hängte sich Ryan die Golftasche über.
»Also …«, sagte Marcus.
Ryan verstand, warum der Mann ein solch erfolgreicher Fondsmanager in seiner Firma war. Selbst jetzt, im »gut geölten« Zustand, hatte er etwas Aalglattes an sich.
»Wir spielen nur ein Loch«, fuhr Marcus fort, »und zwar das …«
Er schaute umher, als hätte er für einen Moment den Überblick verloren.
»Das ache Loch«, sprang Gary Quinn ihm nicht minder lallend bei.
Oh Gott, wie will Gary überhaupt den Ball treffen? Der sieht den doch garantiert doppelt.
»Richtig. Nur ein Loch, Joshie. Auf dem Platz deines sukümfigen alten Herrn. Er ist der beknackte Club-Captain, richtig?«
Josh nickte.
Falls er auch bloß vermutete, dass ihm mehr als nur ein bisschen Golfspielen an einem Loch bevorstand, ließ er es sich nicht anmerken.
»Sieh mal …«, sagte Marcus und zog Josh noch näher zu sich heran. »Ich und Gary haben alles erkundet. Siehst du da das erste Loch … und gleich daneben ist das, was sie ›Die gefürchtete Nummer acht‹ nennen.«
»Gefürchtet?«
Ryan bemerkte, dass der Bräutigam nicht grinste.
Womöglich dämmert ihm jetzt, dass da irgendwas im Busch ist.
»Das Ding ist verflucht eng, hat fast kein Fairway, und dann geht es nach links zwischen zwei Teiche.«
»Und … und … überall Bunker«, ergänzte Gary mit einem idiotischen Grinsen.
Erneut kamen Ryan Zweifel an diesem Abenteuer.
Wasser, Sand. Metallschläger! Das klang nicht nach einem gesundheitsförderlichen Rezept für den Ausklang der Party.
Jedenfalls nicht für diese.
»Also, was sagst du? Wir vier, dieses Killerloch, bei Nacht und nur mit dem Mond, der zeigt, wo der Ball hinfliegt?«
Oh ja, dachte Ryan, das hört sich ganz und gar realistisch an.
Es war schon schwer genug, den Ball an einem sonnigen Tag im Blick zu behalten, wenn er ins Rough geriet.
Aber nachts? Im Mondschein?
Wahnsinn.
»Weiß nicht«, erwiderte Josh, der auf einmal wieder mehr zu dem ihnen vertrauten besonnenen Bildhauer wurde – dessen Verstand unvermittelt abdriften konnte, wenn ihm eine Idee kam. Egal wo oder wann, ob bei einem Rugbyspiel oder bei einem Pint im Pub, er konnte von jetzt auf gleich einfach weit weg sein.
Ganz in Gedanken.
Und heute Abend ganz besonders.
Aber Marcus Doyle, der glorreiche Aktienfondsmanager, ließ sich nicht beirren.
»Ryan hat seine Schläger mitgebracht. Das wird klasse, Joshie.« Er beugte sich näher zu ihm. »Deine künftige Frau wird begeistert sein, wenn sie die Geschichte hört.«
Soweit Ryan von Josh wusste, herrschte zwischen dessen Braut Lauren und ihren vermögenden Eltern, James und Babs Proctor, alles andere als eitel Sonnenschein.
Umso erstaunlicher war, dass ihr Dad für eine riesige Hochzeitsfeier in Cherringham aufkam, bei der an nichts gespart wurde.
»Was meinst du? Danach fahren wir zurück, gönnen uns noch einen Schlummertrunk – und gut ist’s.«
Josh muss doch ahnen, dass ihm noch ein Streich gespielt wird.
Aber vielleicht rechnete er nicht heute Nacht damit.
Möglicherweise erwartete er so etwas eher kurz vor der Hochzeit, und bis dahin war es noch eine Woche.
So oder so dürften es die vielen Jägermeister-Bomben fast unmöglich machen, solche Dinge jetzt noch auf die Reihe zu bekommen.
Ryan sah, wie Josh sich umblickte und dann mit ernstem Gesicht und gerunzelter Stirn nickte, während sein pechschwarzes Haar im Wind wehte.
»Na gut!« Ein Loch. Das gefürchtete achte. Aber nur damit ihr endlich Ruhe gebt!«
Ryan rüttelte an seiner schweren Golftasche. Für diesen Ein-Loch-Ausflug würden sie auf einen Golfwagen verzichten.
Die vier machten sich auf den Weg zu den dunklen Fähnchen, wo sie versuchen würden, ihre gedellten Bälle in ein vertracktes Loch zu schlagen.
Ryan sah hinüber zum Clubhaus, das durch die Bäume hinter dem ersten Loch zu erkennen war. Dort war alles dunkel.
Nun, um drei Uhr morgens war das kein Wunder.
Und nicht zum ersten Mal dachte er …
Irrsinn.
Ryan sah seinen Freunden beim Abschlag zu.
In die Finsternis hinein.
Wie sie ihre Bälle jemals wiederfinden wollten, selbst nach einem perfekten Schlag, war ihm schleierhaft.
Erstaunlicherweise schien Marcus geradezu meisterlich abzuschlagen und ließ seinen Ball mit dem Driver fliegen.
Es sah nach einem geraden Flug aus, dennoch verschwand der Ball in der Nacht.
Bei Ryans eigenem Abschlag – das fühlte er mehr, als dass er es mit den Augen wahrnahm – vollführte der Ball eine Linkskrümmung.
Wenn er ihn nicht wiederfand, würde er einfach unauffällig einen neuen Ball fallen lassen.
Gary trat torkelnd an den Abschlagplatz und schwang den Schläger. Tatsächlich traf er, und der Ball segelte gleichfalls in die Dunkelheit.
Ryan sah, wie Gary die Faust hochstreckte und anschließend fast umkippte.
Schließlich war Josh dran. Gekonnt legte er seinen Ball aufs Tee.
Sie hatten erst ein einziges Mal zuvor gemeinsam Golf gespielt.
Und dabei hatte Josh zwar kaum Eleganz und Finesse bewiesen, doch mit seinen kräftigen Armen recht passabel geschlagen.
Genau wie jetzt.
»Joshie«, sagte Marcus, »ich glaube, du hast uns deutlich geschlagen.«
Josh nickte.
Wahrscheinlich dachte er: Bringen wir dieses blöde Loch hinter uns, und dann nichts wie weg von hier.
Nachdem alle vier Bälle irgendwo da draußen waren, trotteten sie los.
Einzig Marcus fand seinen Ball. Die kleine Kugel lag mitten auf dem Fairway, und zwar an der Stelle, wo es eine Kurve machte.
Doch jetzt war es Zeit für Garys Einsatz.
»Ich gl-glaub’, mein Ball ist da drüben, hinterm Bunker.«
Er zeigte zu einer düsteren Baumgruppe links von einem nierenförmigen Sandbunker.
An den Bäumen vorbei gab es eine unerwartete Senke im Gelände, wie Ryan wusste, und sie trug wesentlich dazu bei, dass dieses Loch so berüchtigt war.
Und neben der Baumgruppe stand ein großer Aufsitzmäher, dessen Rostrot im milchigen Mondlicht kaum auszumachen war.
Gary stolperte dorthin.
»Komm schon, Gary. Lass doch einfach irgendeinen blöden Ball hier fallen«, schlug Josh vor. »Den anderen findest du nie.«
Kurz vor dem Mäher drehte Gary sich um. »Ich könnte schwören, dass ich gehört habe, wie er gegen das Blech geschlagen ist. Er muss hier irgendwo sein. Komm her und hilf mir suchen.«
Kopfschüttelnd folgte ihm Josh, um beim Suchen zu helfen, wie es Golfer nun einmal taten.
Allerdings galt diese Regel für gewöhnlich bei Tageslicht.
Marcus kam zu Ryan und zog den Reißverschluss am gewölbten Seitenfach der Golftasche auf.
In seinen Augen spiegelte sich das schwache Licht.
Er zog eine Rolle dickes gelbes Seil heraus.
»Alles bereit, Mr Ryan? Ich verlass mich darauf, dass du das mit dem Knoten hinkriegst und so.«
Ryan fühlte sich alles andere als bereit.
Trotzdem nickte er, und sie beide folgten nun Josh, der inzwischen bei Gary war, sich vorbeugte und sinnlos zwischen den Sicheln des Mähers herumstocherte.
»Echt, Gary, gib’s auf«, sagte Josh. »Du findest sowieso …«
Er verstummte mitten im Satz, als er sich zu den beiden anderen umdrehte und die gelbe Schnur in Marcus’ Hand erblickte.
Ryan vermutete, dass er in diesem Moment begriff, was los war.
Und was genau hier passieren würde.
Josh wirbelte herum, als Marcus und Gary das Seil fest um ihn wickelten und es zweimal um das riesige Lenkrad des Mähers wanden, wobei sie sehr schnell waren.
Eine Weile wehrte sich Josh gegen das dicke Seil und schüttelte dann den Kopf.
»Verdammt, das könnt ihr nicht machen!«
»Oh doch, Josh, alter Knabe, das können wir«, erwiderte sein Trauzeuge lachend.
»Das reicht«, knurrte Josh.
Als Ryan ihn ansah, war Joshs Lächeln verschwunden.
Der Künstler konnte sehr streng sein, bisweilen sogar überraschend aggressiv.
Ich würde nicht wollen, dass er wütend auf mich ist.
Obgleich Ryan diesem Streich widerwillig zugestimmt hatte, war er sich jetzt gar nicht mehr sicher.
Und als er nun Josh anblickte, der fest an den Mäher gefesselt war, kamen ihm erst recht Zweifel.
Das ist eine echt schlechte Idee.
»Das hier«, hob Josh in ruhigem Tonfall hervor, »ist der verdammte Golfclub meines künftigen Schwiegervaters.« Bei den letzten Worten wurde seine Stimme sehr viel lauter.
Marcus, der immer noch Knoten schnürte, unterbrach seine Arbeit.
»Ähm, deshalb haben wir ja diesen Platz ausgesucht, Josh. Morgen kommen massenhaft Leute her –