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© 2021 Bianca Oesterle
Illustration: BOe77THARA
Bilder und Titel: fotolia.com, Bianca Oesterle, pixabay
Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN: 978-3-7557-4631- 7
Die Stimme der Erzählerin berichtet:
Meine lieben Leser, manchmal verselbstständigen sich die Protagonisten einer Buchreihe (meine THARAs) und fordern weitere Geschichten über ihre früheren Leben – ja, so kam ich tatsächlich dazu, aus einer zunächst geplanten Nebenhandlung ein eigenständiges Buch zu schreiben.
THARA – Technical Help and Rescue Ambulance.
Technische Hilfe und Rettungsambulanz – eine Einheit Feuerwehrsanitäter, die ihren Dienst, Wirkungskreis und Einsatzbereich in Eugene/Oregon/USA haben.
Was die THARAs tun und wer sie sind, erfahrt ihr in der gleichnamigen Buchreihe.
Hier nun die Fortsetzung.
Viel Spaß beim Schmökern! Eure B.Oe.
Einst entsandt als Erdenwächter
Sind die Menschen Tannenbaumschlächter
Aus Eden verbannt als Pächter
Mutierten wir zum Lamm-Schächter.
Gegen das Ich-Selbst ignorante Verächter.
Personenverzeichnis Der Hammer von Luzern
Leutnant Jaroslav Adamski – Leroy Smith
32 Jahre alt, Rottmeister und Stellvertreter des Hauptmanns im 77. Kaiserlichen Kürassierregiment, Exerziermeister und Pferdezureiter, älterer Bruder von Romana, Zimmermann-meister, Schmiedhelfer, stahlblaue Augen, platinhelles Haar
Rottmeisterin Jeva Gordonova – Jennifer Gordon
21 Jahre alt, kornblond, ozeanblaue Augen, schlank, groß
Feldwebel Alexej Weymer – Alexander Wallace
24 Jahre alt, Rottmeister, Angriffstruppführer, Hünengröße, Schmiedemeister, honiggoldene Augen, erdbraunes gewelltes Haar
Hauptmann Frederick Schneider – Frederick Taylor
28 Jahre alt, Kommandant des 77. Kaiserlichen Kürassierregiments, Schneider und Sattler, getreideblonde Locken, arbeiterhosenblaue Augen
Rottmeisterin Romana Persinski – Romana Perkins
24 Jahre alt, Heilkundige, katzengrüne Augen, kupferrotes Haar, außergewöhnlich groß gewachsen, Jaroslavs leibliche Schwester
Perlach-Wachturm in Augsburg
Augsburg, 25. September 1555
„Süffig … wirklich süffig!“, lobte der Kardinal das ihm in einem reich verzierten Krug mit graviertem Silberdeckel frisch gezapfte Bier. Nach dem großzügigen Schluck, den er genommen hatte aus seinem eigenen Bierkrug – was ihm ein heiliges Ritual war, wie zu den kirchlichen Zelebrationen zu Ehren der Feiertage der Weinkelch gereicht wurde, der im Zusammenhang mit der Verehrung Jesus Christus sein vergossenes Blut symbolisierte – ließ er seinen rechten Daumen am Krugdeckel auf der Daumenrast ruhen, was den anderen signalisierte, dass es Hochwürden ausgezeichnet schmeckte, und er gewillt war, in Kürze erneut den Deckel anzuheben, damit er die staubtrockene Dürre aus seiner Kehle mit dem kühl prickelnden Bier vertreiben konnte. Der Weinkelch aus hochrein feinstem Silber, welchen er nur für die Abendmahl-Zeremonie verwendete, nicht sein persönliches Eigentum war, sondern gehörte zu den heiligen Zeremonie-Utensilien und war Inventar der Katholischen Kirche. Sein Bierkrug war ein Geschenk an ihn gewesen, als er zum Kardinal ernannt worden war. Die Deckelgravur berichtete von diesem Ereignis in Latein. In höchster Vertretung des Papstes war er angereist zum Konzil in Augsburg.
„Ja, es mundet weich, fast süßlich wie der Honig aus den Wiesen!“, stimmte Ferdinand zu.
„Welches Aroma bevorzugen Sie, Ferdinand? Sind Sie eher dem lieblichen oder dem herben Geschmack am Bier zugeneigt? Leichte Süße und erfrischende Süffigkeit bevorzuge ich im Sommer. Im Winter darf es das schwere und dunkle Starkbier sein, das bittersüß im Gaumen die Kehle hinabgeht“, betrieb der Kardinal weltliche Konversation mit dem Monarchenvertreter.
„Mein Vorzug liegt auf dem leichten Sommerbier – die schweren Noten im Geschmack von Bier munden mir nicht. Das Starkbier überlasse ich Karl, der damit seine Leibesleiden bis zur Erträglichkeit besänftigen kann.“
„Das ist gelebte Nächstenliebe!“, erfreute sich der Kardinal an der Großzügigkeit Ferdinands gegenüber dem schwererkrankten, alternden Kaiser.
„Wenn uns dies nicht dazu wohlgesonnen darauf einstimmt, endlich einen Friedensvertrag zu unterzeichnen, der dem Volk ihren Willen zurückgibt, wie sie ihre Gebetsrituale täglich nebst der Arbeit begehen wollen, damit sie wiederum williger werden, ihre Arbeit rechtschaffen zu verrichten! Das Blutvergießen ob der Frage, Maria oder Jesus als Ikone anzubeten, hat dafür gesorgt, dass Ackerbau und Viehzucht, Handwerk und Erfindergeist zu kurz gekommen sind! Kaum zu futtern haben die Leute und keiner will mehr die Steuern zahlen und die Lehen-Anteile ins Zeughaus einlagern! Ein Aufstand wird wieder kommen!“
Zeughaus Augsburg
„Und dabei sind wir selbst längst jene, die sich in harschem Verzicht üben, nicht wahr, Ferdinand?“
„So ist es!“ Ferdinand blinzelte gegen die durch die hohen Fenster einfallende Nachmittagssonne an und blickte zu Frederick, der stumm blieb und eine höfliche neutrale Miene aufsetzte.
Auch dem Kardinal fiel es auf, wie still der heißblütige Hauptmann der Kürassiere war, sich jeglicher Zustimmung oder Ablehnung oder andersartiger Meinung offen mitzuteilen vermied. „Aber, ja, wir sind genügsam!“
Hauptmann Frederick Schneider wollte dies nicht kommentieren: „Ich enthalte mich der Worte – mir ist nicht danach, hier unter uns einen neuen Schlachtruf auszusprechen oder um Frieden zu betteln!“
„Sehr angenehm warm ist es hier in euren Räumlichkeiten!“, gefiel es dem Kardinal. „Das Rathaus erhebt sich in klaren Formen über dem Fuggerviertel und ist ein Zentrum von weltlichem Rat und Politik!“
Rathaus Augsburg
Prunksaal Rathaus – Goldener Saal
Durch Ferdinand ging ein unwillkürlicher Ruck, da er die Direktheit des Hauptmanns kannte, aber nicht immer so sehr zu schätzen und zu akzeptieren wusste, wie dies zumeist Maximilian tat, der den Löwenanteil daran geleistet hatte, Frieden zwischen Anhängern Luthers und den traditionellen Alttestamentlern zu erschaffen.
„Mein werter Hauptmann, was halten Sie davon, dass hier und heut` Feind und Freund der Katholischen Kirche zusammenkommen, das gleiche Bier trinken und einen bindenden Friedensvertrag unterzeichnen werden, der die irdischen gemeinsamen und alle trennenden Umstände dauerhaft verbindlich festlegen wird?“, wandte sich der Kardinal großen Wortes aus der Inbrunst des Brusttons unter seiner reich verzierten Fest-Robe an Hauptmann Frederick Schneider des 77. Kürassierregiments. Demnach, wie er wiederholt an der goldenen Haltespange seines noblen Gewandes nestelte und abermals vom Bier einen großzügigen Schluck trank, war es für die anderen kein Wunder, weshalb der Kardinal heiß in Wallungen geraten war. Aber Hochwürden schien in die Gebetsbank der trinkfesten Glaubensbrüder zu gehören: außer rosigen Wangen und einem saumseligen Gnadenblick konnte man ihm keinerlei geistige Anzeichen von Biertrunkenheit anmerken.
Ferdinand vertrat den Kaiser, seinen gebrechlichen Bruder, der sich nicht mehr aus seiner Residenz und der selbst erwählten Zurückgezogenheit für ein Konzil auf eine anstrengende tagelange Reise begab. Sein Sohn Maximilian hatte das Vertragsdokument eigenhändig ausgearbeitet, aber auch er war nicht angereist, hatte für seinen Vater und Onkel die Kaiserpflichten übernommen, denn solange diese politischen Verhandlungen stattfanden und eine Einigung unter den Fürsten, die bekennenden Lutheraner waren, und den katholischen Hochadeligen angestrebt und besiegelt worden war.
„Hauptmann Schneider“, sagte Ferdinand an ihn gewandt, „seid unbesorgt und unbedarft – sprecht eure Gedanken aus! Zucht und Strafe müsst Ihr nicht fürchten! Wie selbst wollen hier und heute dafür sorgen, dass trotz gegensätzlicher Meinung eine friedliche Einigung unterzeichnet wird.“ Ferdinand sah sich in die Zwickmühle fallen, dass es am Papier Frieden geben würde, aber noch längst nicht im Volk.
„Eure Eminenz, für mich selbst wird es kaum etwas bedeuten, denn Krieg und Zerwürfnis wird es in allen Zeiten und wegen verschiedener Gründe geben. Aber was es für die Bevölkerung bedeutet, wollen Sie von mir eingeschätzt hören?“, öffnete sich der Hauptmann den Vertretern von Adel und Klerus – auf Geheiß.
Der Kardinal drückte auf die Daumenrast am Krugdeckel, klappte ihn auf, setzte die vom Alkohol bereits geröteten Lippen an den Rand, schluckte erneut vom Bier aus seinem personalisiert-gravierten Deckelkrug und nickte auffordernd. „Redefreiheit und Absolution für den Hauptmann! So sagen Sie schon, ehe es zur nächsten Stunde schlägt! Ich hoffe zudem, dass man hier für genügend Klostühle gesorgt hat! Bier ist ein rascher Blasenfüller!“ Mit der freien Hand stöberte nach dem Bierschluck der Kardinal in einer Beuteltasche seiner Robe nach der goldenen Sackuhr, die er mit dem Daumennageldruck auf die Schließe aufspringen ließ. „Auch ein genügsamer Gottesvertreter, wie ich es bin, nutzt die unglaublichen Errungenschaften von Wissenschaften, wie der Physik, und lässt sich auf irdische Erfindungen ein.“
Fast fielen Ferdinand die Augen aus dem Kopf, da er zu den reichsten Menschen der Welt zählte, aber solch einen Hingucker von Sackuhr nicht besaß und damit prahlen konnte: „Eine Taschenuhr von Henlein – mit Dreideckelgold! Ich habe davon gehört, dass es solche Uhren insgeheim schon geben soll, aber …“
„Ja, der gute Peter hat in seiner Nürnberger Werkstatt das eine oder andere Unikat, das fasziniert und in einer Wertigkeit gearbeitet ist, dass es ein Kaiservermögen kostet … dieses wunderbare Schaustück von einem Taschenührlein ist eines seiner neuesten Versuchswerke, die er noch vor seinem Ableben mit Augsburger Uhrmacher gemeinsam entwarf. Jene Sackuhr hier ist neuartig weiterentwickelt; klein, handlich und weniger empfindlich, dafür ganggenauer als alle zuvor. Die Augsburger Uhrmacherkunst wird es noch weit bringen! Ich hoffe, dass bald jeder Offizier ein solches Sackührchen bekommt, um den Tagesablauf in der Kaserne unter genauer Kontrolle halten zu können und im Feldeinsatz Angriffe präziser zu koordinieren.“
„Sie tragen die Uhr zum Versuch und dokumentieren die Abweichungen?“, fragte Frederick interessiert. Er hatte eine unspektakuläre Dosenuhr von einfacherer Bauart, die nach drei Tagen von ihm händisch angepasst werden musste, da sie nach drei Tagen um fünf Minuten nachging.
„So ist es, mein bester Hauptmann!“, freute sich der Kardinal über den Zuspruch über eine solche Seltenheit von Taschenuhr an einer Kette aus purem Gold mit Herren von Weltoffenheit reden zu können, da es unter den Klerikern kontroverse Diskussionen gab, ob es einen Nutzen brachte, wenn man die Bürger massenhaft mit billigen, einfach konstruierten Uhren versorgte, damit sie niemals die Gebetsstunden verpassten oder die Arbeit vernachlässigten; es war die Erfindung der Uhr ein wunderbares Hilfsmittel, um die Bevölkerung zur Fronarbeit und dem Einhalten der Gebete zu zwingen. Oder war es besser, die Zeitmesser nur den Wohlhabenden und Betuchten zu verkaufen, da die hochwertigen Unikatarbeiten, wie der Kardinal erwarb oder geschenkt bekam, Statussymbol bleiben sollten? Wenn es für jede Familie, jedes Bauernhaus oder Warenhändler eine Uhr gab, konnte niemand mehr sagen, man habe das Gebetsläuten nicht gehört, oder die Morgenstunde verschlafen, wann die Tagestätigkeiten aufgenommen werden sollten, die als notwendiger Ernst des Lebens galten. „Nun sagen Sie mir allerdings“, griff der Kardinal den unterbrochenen Gesprächsstrang wieder auf, während er die Uhr achtsam schloss und in die Robentasche zurücksteckte, „was Sie in den Fürstentümern beobachtet haben und was Sie dazu meinen, wie gut es für die Leute wäre, eine Uhr zu besitzen, die sie direkt bei sich tragen können?“ Angesäuselt war der Kardinal ein listiger Fuchs.
Er, Frederick Schneider, als dienender Hauptmann sollte frei sagen, was er von der neuartigen Unterdrückungsmethode hielt, um die Bürger noch besser in geregelter Knechtschaft zu halten?
„Uhren werden die Sklaverei fördern. Das Volk wird weiterhin im Drangsal leben, ihr Leben für die fragwürdigen Traditionen ihrer Priester, da sie sich zu einer neuen Religion bekennen oder das Weite suchen sollen, und Lehnsherrn zu opfern, im beabsichtigten Irrglauben gefangen, nur zum allerhöchsten himmlischen Herrn vorgelassen zu werden, wenn sie an die Erbsünde glauben, sich unterdrücken und ausbeuten lassen, bis sie gram- und schmerzgebeugt in Angst und Verzweiflung sterben. Sie, werter Ferdinand, hadern, mit der Bitte um Verzögerung den eröffneten Reichstag seit dem fünften Februar und über den heutigen fünfundzwanzigsten September im Jahre des Herrn fünfzehnhundertfünfundfünfzig weiter in die Zukunft und immer weiter hinauszuzögern, um eine vorläufige Verfassung für legal rechtens erklären zu lassen, damit sämtliche Schlupflöcher für künftige Auseinandersetzungen und für die Inquisition so weit wie das Portal des Doms von Rom geöffnet bleiben. Werter Kardinal, falls Sie mich der Zungenzauberei verdächtigen und der Inquisition zuführen wollen, so beantworte ich die Hauptfrage hier sofort: ja, ich habe den Teufel gesehen! Er ist der Krieg! Und ich habe sein kuhhornsteifes Glied gesehen – es waren unsere eigenen Männer, die sich auf wehrlose Kindfrauen warfen und sie mit ihren steifen Schwänzen schändeten, um ihnen, den Protestanten-Huren, zu zeigen, wer die Weltmacht hat, dass die Katholiken es sind, die dank dem Vatikan ihren Schlüssel in jedes Loch stecken dürfen, um die Seelenhalle mit Gewalt aufzubrechen – und das Gleiche sah ich auf der anderen Seite. Lutheraner-Milizen überfielen Aussiedlerhöfe, die von kreuzfrommen katholischen Bauernfamilien betrieben wurden, und wir griffen ein, als diese Jesus-Soldaten eine Schwangere zu Tode traten, wobei sie deren Ehemann und die anderen Kinder zusehen ließen; andere taten dies nicht. Der Teufel steckt in jedem von uns, der sich dem Dienst an der Religion verschrieb und nicht deren Botschaft lebt. Wenn der Erlöser, der Messias, unser Herr Jesus jetzt vor uns stünde, würden wir ihn nicht erkennen, wenngleich er uns auf die Zehen treten würde!“ Nach diesem schockierend wahren Monolog von Hauptmann Schneider herrschte eine beißende Ruhe im Goldenen Saal des Rathauses zu Augsburg.
Keine Erleichterung fürs Volk war in Sicht.
Zwischen all dem goldenen Prunk im Ratsherrensaal blitzten zwei Augenpaare auf, die sich mit den himmelblauen Iriden des Hauptmanns zu verständigen versuchten: Leutnant Adamskis Augen versprühten warnende Blitze aus stahlblauem Sternenlicht und Feldtruppführer Weymer entfachte das Sonnenfeuer in seinen bernsteinfarbenen Augen.
Stundenlang konnte Jaroslav stillstehen, ohne zu schwanken, ein Bein entlasten zu müssen oder sich an der Nasenspitze zu kratzen, die wegen Schweißtropfen daran oder einer frechen Fliege zu jucken begann, doch nun entglitt ihm schier der blitzblankpolierte, neuwertige Morione-Helm samt gesteppter und wattierter Bundhaube zum Unterziehen, die er sich unter den rechten Ellbogen geklemmt hatte. Seine linke Kampfhand war frei für den Griff ans Schwertheft.
War das Bier zu stark für den Hauptmann?
Was hatte ihn nur dazu gedrängt, dem Kardinal auf die Mitra zuzusagen, dass er sich über die Absichten der Volksversklavung bis in jede Lebensminute hinein absolut bewusst war?
Deutlichen Wortes hatte Hauptmann Schneider zudem durchblicken lassen, davon rein gar nichts zu halten, denn es würde so oder so weitere Aufstände von Volk und Bürger geben, die sich nicht der Knechtschaftsknute mit den Zeitmessern unterordnen wollten.
Alexejs Brustkorb weitete sich beim scharfen Einsaugen der Atemluft so stark, dass er Spannung auf die Lederriemen und den Brustpanzerplatten bekam.
Zwischen Jaroslav und Alexej schossen die Blicke hin und her, und beide Soldaten des 77. Kürassierregiments waren bereit, die Waffen zu zücken, falls seine Majestät, Kaiser-Bruder Ferdinand, die Stadtgarde anwies, Hauptmann Schneider zu verhaften, in Ketten zu legen und bis zum jüngsten Gericht im modrigen Diebesloch verrotten zu lassen.
Konnten Kardinal und Kaiser-Bruder gnädig sein?
Gab ihm das Bier die Ruhewirkung des Hopfens?
Alexej und Jaroslav schwitzten in ihren Rüstungen und unter dem darunter getragenen Gambeson derart heftig, dass beide kurz fürchteten, vor Hitze ohnmächtig wie dünnhäutige Adelsmädchen zu werden, bevor sie sich mit einem weiteren Blick untereinander austauschten und sich damit signalisierten, parat zu stehen, wenn es Frederick an den Kragen gehen sollte.
„Ist es Verbitterung, mein geachteter Herr Hauptmann?“, fand der Kardinal erstaunlich schnell Worte zu Fredericks Monolog, der ihnen die, im übertragenen Symbolsinn, gestärkten Rüschenkragen vom Hals gerissen hatte, worunter ihre ungepflegte Haut für jeden sichtbar erschien.
„Nein, es ist meine erlangte Gewissheit darüber, dass für mich weitere Arbeit als Kürassier-Hauptmann in naher Zukunft ansteht, und ich die Schneiderei nur als Nebensache in geschäftlicher Tätigkeit weiterhin betreiben werde, sowie mein Leutnant an der Kaserne zimmert und mein feldführender Rottmeister schmiedet grausame Waffen, anstatt Kessel und Töpfe jener Bürger zu reparieren, die ihre Steuern für den Krieg, statt für Aufbau und Frieden zahlen. Wie wollen Sie ihre königliche Autorität einsetzen, Ferdinand? Wollen Sie, eure Eminenz, zustimmen, dass die Evangelisten Ämter wie Richter und Assessoren gleichermaßen einnehmen dürfen? Wer spricht Urteile aus und erhebt Gutachten? Wann werden Frauen in derart Posten zu finden sein? Ist es Teufelsbeschwörung, wenn man den Frauen ihre geistigen Kräfte entfalten lässt? Eine Frau mit vielen Kindsbündeln am Rocksaum kann man schließlich leichter in die Ecke der Machtlosigkeit setzen.“ Mit dieser Frage ließ er die ehrwürdigen Herren stehen. Obwohl er provoziert hatte, ging er mit Würden ab, die Kaiser-Bruder und Kardinal verblüfften, da sie es nicht wahrhaben wollten, von einem Schneiderlein und einfachen Militär in ihren boshaften Machtabsichten bloßgestellt worden zu sein.
Ungewohnt für den Kardinal war der Abschiedsgruß des Hauptmanns, der zum Salut seine rechte Hand an den Hutrand seines französischen Großkrempenhutes hob, die Stiefelhacken knallend zusammenschlug und freundlich lächelnd sagte: „Eure Eminenz mögen mich nun entschuldigen – es wartet Arbeit auf mich! Wollen wir – meine Siebenundsiebziger und ich – dafür Sorge tragen, kein rachsuchtgetriebener Evangelist, kein verspäteter Kreuzzug-Moslem, kein Assassin möge unter den Anwesenden im Goldenen Saal sein, um - in Karls Sinne - diesen Konzil aufzuhalten!“ Frederick hatte die Wahrheit gesagt und wandte sich von den hohen Herren grinsend ab und schritt seiner Wege im Goldenen Saal des prunkbestückten Augsburger Ratsherrnhauses, nur ein paar Schritte weiter kreuzte er den Weg mit seinem still wartenden und, dabei den ganzen Saal überblickend, seit dem Eintreffen von Eminenz und Ferdinand, der Erste, beobachtenden Stellvertreter Leutnant Jaroslav Adamski, dem er mit einem knappen Nicken schleunigst zu verstehen gab, dass sie draußen ihre Posten beziehen würden, und Feldwebel Alexej Weymer, der innen an der geschlossenen Saaldoppeltür mit seiner imposant großen Statur, da er ein halber Riese war, Wache stand, schloss sich den Kameraden, beiden schweigenden Männern, stumm an, als er den Wink an sich gerichtet von Leutnant und Hauptmann verstand.
Mit seinen großen Pratzen öffnete Alexej die Türflügel nach innen, ließ Frederick und Jaroslav passieren, ging nach ihnen in den Korridor des Rathauses hinaus, schloss die schweren Türen und wies die zwei rechts und links parat stehenden Wachposten wortlos an, besonders Obacht zu geben, wer rein und raus wollte; diese Zusammenkunft von Hochadel und Klerikern war in der Bevölkerung ersehnt und gehasst zugleich.
„Was ist los, Fred?“, wollte Alexej nach ein paar schnellen Schritten wissen, weshalb sie ihre Position veränderten. „Du schaust aus, wie jemand der eine Rebellion anstiften will. Deine feurigen Worte an Ferdinand und den Kardinal – ich dachte, der Eminenz fällt der Bierkrug herunter, während der Kaiserbruder Anlauf nimmt und aus einem der Fenster springt, um sich das Leben zu nehmen, als du die teuflisch-waghalsige Forderung aussprachst, Frauen als Richter, oder in anderen Ämtern, ja, selbst im Priestertum zuzulassen! In der früheren Zeitgeschichte hatte man sowas schon einmal, dass Frauen beten und regieren durften – das ist nach deren Ansicht ein Rückschritt!“
„Richtig … mir ist itso danach … aber du weißt auch, dass die Rebellion geliebt wird, nur der Rebell nicht.“ Frederick wirkte nicht so, aber er hatte genug Erfahrungen auf seiner Seite, die ihm diese Argumentation erlaubten. Frühzeitig in der Kindheit verwaist hatte er in der Welt des Abendlandes gesehen, wie die Leute am Schinden waren und Frauen als wertlos galten und weniger als Nutzvieh geachtet wurden.
Leutnant Adamski zog es momentan vor, nichts zur Sache beizutragen, aber seine Gedanken waren am Arbeiten, um Lösungen für ihr kommendes Dilemma zu finden: ihre persönlichen Ansichten stimmten immer weniger damit überein, was Kaiserreich und Katholische Kirche von ihnen als Soldaten einforderten. Ihre Liebe zu den Frauen, ihren Kindern und einem Krug Bier in Frieden genossen wurde von Tag zu Tag stärker in ihrer Mannesbrust, die allmählich über den Krieger zu siegen begann.
„Nun spann mich nicht länger auf die Folterbank! Es wird Zeit für klare Worte unter uns!“, verlangte Alexej klare Einsicht in die Ereignisse, für die er sich gewappnet parat hielt, aber geschehen lassen musste, um sie als gut oder schlecht bewerten zu können, eine Voraussetzung, um die richtigen Entscheidungen treffen zu können, ob ein harsches Eingreifen oder die reine Beobachtung der Lage nötig waren.
„Wir reden draußen“, wies Frederick an. „Möglichst dort, wo wir keine mitlauschenden Ohren haben!“
„Die Lauscher sind überall!“, unkte Alexej. „Vorhin dachte ich, mir platzen die Brustpanzerplatten von der Rüstung, als du unter Kardinalsrobe und Kaisermantel mit der verbalen Zundertasche Feuer gelegt hast! Habt ihr gesehen, wie hastig der Kardinal zum Vorhang lief, hinter dem die Klostuhlreihe phalanxiert? Dort furzen die feinen Leute um die Wette, und in einer Vorhangfalte stellen sich die Ohren der Lauscher und Spione auf! Die Zeiten wandeln sich, und die Glaubenden glauben nicht mehr so leicht, wenngleich neue Richtungen des Glaubens geboren werden, die jene Glaubenden mit neuer Last belegen, keine eigenen Gedanken haben zu dürfen, denn das allein ist schon Nutzung von Teufelswerk, wenn man denkt und hinterfragt, was die Priester uns zum Denken anhalten. Menschen – Denken und Fühlen ist nicht gottgewollt; nur das ewig Leid soll über uns herrschen … fehlsichtig sollen wir sein.“
Die weisen Worte des Schmieds beeindruckten.
„Nicht dort, wohin wir gehen werden!“, versicherte Frederick. „Da gibt es weder Leute noch Latrine - nur Kuckuck, Fuchs und Eule. Ich will nicht, dass dem Stadtvogt der Pyr aus dem Wappen zu Füßen fällt! Der Samen fliegt dann in alle Winde, und er hat keine Kontrolle darüber, wo er sich niederlässt und keimt!“
„Vom Kassierer der Augsburger Stadtschatzkämmerei wird er dafür einen Forderungsbeleg bekommen, in dem genau stehen wird, dass er zehn Dutzend Batzen zu zahlen hat, um das Wappen zu richten!“, machte sich Alexej lauthals darüber lustig. „Beim Stadtzeichen – der reifenden Zirbelnuss – hören Scherz und Unfug natürlich auf … was man verstehen kann, wenn man selbst auf Symbolik und Wappenbedeutung großen Wert legt … das muss man akzeptieren! Kein Schimpf und Schande lasse ich auf den griechischen Gott des Schmiedens kommen, der Zeus den Hammer, seinen Blitzekeil, schmiedete – Hephaistos führt stets meine Hand täglich mit dem Schmiedehammer und verleiht mir Kraft und Kreativität! Ideen aus dem Oberstübchen fließen in meinen starken Schmiedearm. Ideen – mein innerer Brunnen fließt und schäumt über, aber es mangelt dauernd an dem nötigen Material, um die Kreationen zu verwirklichen, da es uns beschieden ist, Erze und Öle in rauen Mengen für die Herstellung von Waffen und Rüstungen zu verschwenden … ja, mein Beruf als Waffenschmied drückt mir mehr und mehr aufs Gewissen, nach den Gottesgeboten zu handeln, in welchen uns geschrieben steht, keiner Menschenseele etwas zu Leide zu tun. Wir verpatzen uns den güldenen Weg, indem wir auf unedles Eisen setzen, das uns unterm Arsch wegrostet.“
Kurz wechselten Frederick und Jaroslav einen Blick miteinander: sie waren nicht verwundert, dass selbst der Schmied aufbieten konnte als Schmiedekunst und Kampfkraft.
Alexej trieb mit jedem Schritt seinen Gedankenwagen voran: „Beim Pyr von Augsburg – alles eine Lüge!“
„Ich bin restlos begeistert, wie viel Kulturkenntnisse du hast, der Herr Schmied und Feld-Rottmeister! Es wird mir künftig zu denken geben, wenn du mir ein neues Schwert schmiedest, ob es nicht besser ist, bei den bewährten Blankwaffen zu bleiben, da diese genauso verrotten, wie die neuerlich in Militärkreisen so hochgepriesenen Schusswaffen“, frotzelte Frederick in strahlender Laune, die ihn trotz der Unstimmigkeiten mit Klerus und Kaiser nicht verlassen hatte. Die Unterredung mit der Eminenz und Ferdinand hatte ihn heiter angeregt. Er liebte die Konfrontation. Insbesondere, wenn es ihm dabei gelang, die festgemauerte Gottvorstellung willentlich zu durchbrechen. „Selbst Gotteshäuser sind der Vergänglichkeit unterworfen!“
„Ein Schmied muss mehr kennen als das reine heiße Eisen!“, prahlte Alexej mit breiter Brust in Freude. „Ich muss auch wissen, woher es kommt, und muss verstehen, wie es aus der Erdkruste herausgeholt wird! Und ein Schmied wie ich, hat nicht nur Kraft in den Oberarmen!“
„Für jeden herausgefallenen Zirbelnusskern einen Kreuzer verlangen“, überlegte Samuel-Peter, der sich mit seiner hageren Gestalt zu den drei Männern seines Trupps gesellte, „dann ist das Abendvesper für einen ganzen Monat lang sicher im Beutel! Einem Hungerleider der Armee, wie mir, der nichts hat als die Berufung zum Militärreitmeister, würden ein paar Kröten im Geldsäckchen mehr guttun. Man wird kaum satt vom Sold!“
„Ach, jetzt jammere nicht!“, konterte Alexej abwinkend. „Du futterst dich am Pferdefraß satt! Ich habe es schon oft gesehen, wie du von Karotte oder Apfel abbeißt! Wenn du eine Frau hättest, würde sie dir vom Hafer für die Pferde Kekse backen!“
Ihnen war die Ablenkung durch den Themenwechsel vollkommen recht und verschaffte ihnen ein kurzweiliges Verschnaufen aus der verzwickten Lage, die sich ihnen trotz Friedensvertrag in den Weg querlegte.
„Freunde teilen miteinander!“, verteidigte sich Samuel-Peter als der führende Stallmeister der Kürassiere in Landsperch am Lech sofort. „Die Pferde sind meine Freunde, und ich bin für sie ein Freund, weil ich mich jeden Tag mit Striegel, Kardätsche und Hufkratzer um sie kümmere und ihnen das Futter bringe! Und all das mache ich in der Kasernenstallung oder im Krieg auf Feldzug!“
„Alexej, so lasse Peter die zwei Möhren und den einen Apfel am Tag, den er den Pferden stiehlt!“, zeigte sich Leutnant Adamski milde im Umgang mit seinen befreundeten Soldaten, wobei er ein breites und freches Grinsen in der Stadt Augsburg feilbot, das seine gut gepflegten Zähne entblößte, was nur selten unter der Bevölkerung zu sehen war. „Er isst sich seit Jahren schon am Futtergemüse satt – Peter hat es nicht so mit dem Essen von Fleisch … das wisst ihr doch! Also, lasst ihm das Wurzelgemüse und die Früchte von Bäumen und Büschen, somit bleibt dir der Hammelbraten und das Rehragout samt Speck und Räucherfisch, Alexej!“
„Meine Herrn Kürassiere, ihr habt Sorgen!“, kommentierte Frederick den Schlagabtausch, der ihm ein Lachen entlockte, wenngleich ihre ernste Situation in Kürze sich nicht wie Morgennebel in der aufgehenden Sonne verflüchtigen würde. „Habt ihr in der Satteltasche notfalls noch den einen oder anderen erworbenen Ablassbrief, der euch im Voraus Absolution für weitere Schandtaten im Irdischen schenkt? Oder habt ihr alle verbrannt, ehe sie von den Reformatoren eingesammelt worden waren?“
„Die Reformation ist gescheitert“, erklärte Alexej, der seine Meinung nicht hinter seiner Bartwolle hielt. „Ob Priester oder Pastoren – sie treiben es weiterhin mit fleischlicher Freudenlust und alphabetisieren die Leute mit ihren Lügen. Freiheit und Gleichheit versprechen sie, aber die Geheimbünde weiten im Untergrund ihre Macht aus … wir Soldaten sind auch nur Sklaven. Wir sollen uns an Regeln und Gebote halten, die von den Kirchenmännern dauernd gebrochen werden. So lebt die Lüge über die Menschheit weiter.“
Die Kirchturmuhr schlug Viertel nach drei Uhr nachmittags.
Scheinbar wusste Leutnant Jaroslav Adamski längst, wohin der Weg sie führte, denn er setzte sich an die Spitze der vier Männer, als sie das Augsburger Rathaus durchs Haupttor verließen und sich zu den Stallungen zu Fuß aufmachten, wo ihre Reittiere versorgt wurden und untergebracht waren. Mettens hatte offenbar gut und schnell vorgesorgt, da er es geschafft hatte, sie im Rathaus zu treffen und zu begleiten; er war aufrichtig.
„Wir kommen nicht wieder ins Rathaus zurück?“, fragte Alexej erstaunt, der etwas zu ahnen begann, dass es ihm in den riesigen Kampfpratzen zu prickeln begann.
„Nein“, sagte Jaroslav knapp. Er wusste schon seit Tagen, wieso, wollte aber nichts genauer mitteilen.
„Schade, ich dachte, ich darf noch eins vom süffigen Bier verkosten, von dem der blasenlahme Kardinal – er vermisst sicher die Einkünfte vom Ablasshandel, was ihm auf die Blase drückt - dauernd zum Brunzen hinter den Vorhang gehen musste! Das mundete vollkommen abgerundet“, ärgerte sich Alexej, der nicht zum Hopfentrank kam, weil es seine Offiziere in Ingrimm eilig hatten. „Es wurde extrastark zu diesem Anlass gebraut!“
„Reine Sauflust oder verkannter Bierkenner?“, kam es Jaroslav in alberner Stimmung über die Lippen. „Es sind Bierbraurezepte endlich an die Bürgerschaft freigegeben worden, nachdem die Bauern vor dreißig Jahren die Klosterplünderungen ausführten, wo sie alles wiederfanden, was man ihnen genommen hatte. Und wer lesen konnte, nahm sich der Rezepturen von Bier und Heiltinkturen an, doch nur das Bier erlangte alle Anerkennung im Volke, denn das Medizinwissen ist in diesen Tagen noch immer eine als teufelsumwobene Randwissenschaft bezeichnete Forschung, die nur von Leuten wie Leonardo Da Vinci in geheimen Katakomben des Nachts betrieben werden, während die Welt darüber staunt, nicht auf einer Scheibe zu leben, sondern auf einer annähernden Kugel, die man in Nürnberg nun bewundern kann, auf der selbst sagenhaftes Amerika eingezeichnet zu beäugen und bewundern ist – gute Ablenkung fürs irregeführte Volk, das nach den Präzisionsuhren ticken und rackern soll!“
„Wenn wir es schaffen, zu verhindern, dass Kardinal und Kaiser-Bruder an einem Ort per Attentat jubelnd niedergeschossen werden, wenn sie aus dem Ratsherrensaal kommen, dann bekommst du lebenslang Freibier Krug um Krug, so viel du nur saufen kannst!“, versprach ihm Frederick lachend.
„Dafür wird man uns Pyr-Kerne zur Feier rösten und einen Batzen am anderen schenken!“, freute sich Alexej. „Finanz-Fuggerei und Silber-Schwaz mögen sich nicht mehr mit Erfolg bekleckern, aber es fehlt nicht an Nachschub aus den amerikanischen Goldminen – der Prunk in den Kirchen wird künftig nicht länger mondsilbern sondern sonnengolden erstrahlen, wie in den weltlichen Politikhäusern. Es lebe die Völlerei und das Handwerk an allen Tagen! Das Kriegsleben muss nicht für immer meine Passion sein!“
Die klaren Worte des Rottmeister Weymer lösten in Leutnant Adamski gedanklich erneut die drängende Frage aus, was aus ihnen werden würde, wenn ihre Tage gezählt waren, und das Alter und die Gebrechen über ihre Knochen und unter die Haut ins ermattete Soldatenfleisch gekrochen kamen?
Sonne schien den vier Soldaten auf die blitzblanke Rüstung, die sie für diesen besonderen Anlass zur Unterzeichnung auf Hochglanz poliert hatten. Der Sommer war in diesem Jahr vorbei, aber er zeigte keinerlei Demut vor dem Herbst, und die Sonne sorgte für schweißtreibende Wärme an diesem Septembernachmittag, den sich die Leute zwischen Arbeit und Gebet gefallen ließen, denn selbst am Sonntag verlangte das Dasein den Fleiß der Bürger und Bauern, die sich um Acker und Vieh, Haus und Hof, Essen und Trinken kümmern mussten.
Samuel-Peter war für die Arbeit im Stall in Lederhose, Wollwams und Lederweste angezogen, eilte und überholte den Leutnant und sagte den Kameraden: „Es ist schon fast fertig vorbereitet, dass wir uns auf den Weg machen können! Habe schon vorgelegt.“
Anstrengungen im Lebensalltag als Soldaten und in ihren erlernten Handwerken waren die Männer gewohnt. Mehrere Momente lang wortlos und schnell schritten sie in die Stallung ihrer Pferde, die man am Ostende des Rathausplatzes untergebracht hatte.
Jeder kümmerte sich um sein eigenes Reittier, das sie vor dem Konziltreffen schon gesattelt belassen hatten, weil es jederzeit für sie in den schnellen Einsatz gegen Bündnisfeinde hätte gehen können, doch bislang war es ruhig, nahezu phlegmatisch zugegangen.
In ganz Augsburg sollte die Freude mitten auf den Straßen tanzen, dass der Frieden unter den getrennten Konfessionen endlich besiegelt wurde, aber Herrschaft hatten Anspannung und Verbarrikadieren verursacht, da niemand den Hochfürsten und Hochwürden in die Augen sehen sollte, da man ihnen weiterhin alle Narrenfreiheit ließ, das Volk zu knechten.
Der Hauptmann selbst überließ das Kümmern um sein Pferd dem Kasernen-Stallmeister von Landsperch – er hielt es für nötig, sich im Eingang aufzuhalten und die Lage vor seinen Augen in der Stadt zu beobachten, wo es von phlegmatisch zu melancholisch in der Stimmung sich zu wandeln schien, denn von der Bürgerschaft, die seit Jahren mit stumpfem Brotmesser und hölzernen Dreschflegel um ihre Bekenntnisse zu Gott gekämpft hatten, war niemand zu sehen.
Nur die Stadtgarde war schon vor dem Eintreffen der hohen Herren zu Dutzenden aufmarschiert.
Wieder schlug die Kirchturmuhr, und die Sonne strahlte vom blau-weißen Himmel.
Die Kürassiere waren mitsamt ihren Pferden bereit. In der Stallgasse kam ihnen Stallmeister Samuel-Peter Mettens, jeweils rechts und links von sich geführt, mit seinem und mit dem Pferd des Hauptmanns am Zügel entgegen, das von geduldiger Wesensnatur war. Er überließ ihm das Zaumzeug und meinte: „Auf den Glockenschlag – die Pferde sind gesattelt und gezäumt! Wir können aufbrechen! Oder gibt es etwas, das uns länger zum Verweilen in der Stadt zwingt?“
Nur eine Viertelstunde war vergangen, bis sie für den langen Weg Reittiere und Ausrüstung vorbereitet hatten.
„Mich halten hier keine zehn Pferde, auch kein Dutzend Brezn samt einem Fass mildgehopftem Bier und keinen Wimpernschlag meiner schönen Frau, die daheim auf mich sehnsuchtsvoll wartet, länger, die ich wiedersehen und beglücken will!“, murrte Alexej, der noch immer nicht wusste, weshalb sie sich ins Zaumzeug legten, um Augsburg viel früher zu verlassen, als sie zunächst vorgehabt hatten. „Hier sind mir zu viele Kuttenträger und Gardisten unterwegs!“ Sich umsehend verdeutlichte er, was er meinte, als Alexej dann sagte: „Wisst ihr noch sicher, zu welcher Gesinnungsgruppe wir gehören?“
„Lass das den Kardinal nicht hören!“, wandte Jaroslav ein, der seine Warnung mit einem breiten Grinsen ausgesprochen hatte. Dass er froh war, Augsburg zu verlassen, sagte er zwar nicht, aber seine Kameraden merkten ihm die Erleichterung an, den Ort der schweren Entscheidung über die christlich-katholische Glaubensgemeinschaft oder einer Evangelien-Ermächtigung für die eigene Kirchenerrichtung verlassen zu können, wobei sie niemand aufhalten würde, da man ihr Tun im direkten Kaiserauftrag sah.
„Warum?“, kannte Alexej kein Zurückhalten.
„Dem glühen jetzt noch die Ohren davon, was Frederick zu ihm vorhin sagte“, meinte Jaroslav, zwischen amüsiertem Grinsen und besorgter Grimasse hin und her gerissen, weil der augenscheinlich bierselige Kardinal der Imperator in der Arena war, der darüber entschied, ob der angeschlagene Kämpfer getötet werden sollte oder ob er durch seine Gnade davonkam – zumeist senkte der Herrscher den Daumen. „Nun, denn … wir leben sowieso zwischen Gottesgnaden und dem ewigen Versucher!“
„Wieso?“, stellte sich Alexej dümmer als er war, da er sich ansatzweise denken konnte, was dem Heißsporn von Hauptmann über die Lippen gehüpft war, aber er hatte nicht mitgehört, was sich Frederick gegenüber der Eminenz und der Majestät geleistet hatte, da er mehr Aufmerksamkeit auf die Saaltüren gehalten hatte.
„Die Kaiserkrone hängt schief und der Kardinal hat sich in aller Schockstarre schier in die heilige Festtags-Robe gebrunzt!“, sagte Jaroslav direkt heraus. „Mich würde es nicht wundern, wenn unser Hauptmann seinen Posten an den Henker verliert! Beil oder Galgen?“
„Jesko, wir sind vogelfrei! Man gewährte mir Redefreiheit vor Ferdinand und dem Kardinal – beide gewährten mir, vor ihnen und vor Gott, frei zu sagen, was ich denke, also, habe ich genau das getan. Spaltung ist längst unter uns verteilt.“ Frederick guckte unschuldig und zuckte mit beiden plattengepanzerten Schultern. „Wozu die Sorge? Wer will mir daraus einen Strick drehen, da die Vertreter von Weltmacht und Gottesmacht den frustgetriebenen Fingerzeig eines kleinen Hauptmanns hören wollen? Haben sie Ehr und Stolz im Herzen, so stehen sie zu ihrem Wort … wenn nicht, dann müssen sie damit rechnen, dass ich mich gegen meine Hinrichtung inbrünstig zur Wehr zu setzen beabsichtige! Bevor mich einer der Schergen kriegt, bin ich mit Paola und Pferde, samt Reisevorrat über die Karpaten für immer verschwunden!“
Die Karpaten.
Ihre Sehnsucht nach der Pressburg und der gleichnamigen Stadt, woher sie alle gekommen waren, war ein klingenscharfer Schmerz in ihren Soldatenherzen, die zwischen Landsberg, Augsburg und irgendwann in Luzern ihre militärische Präsenz beweisen sollten, Kaiser und Klerus mit ihren eigenen Leben zu schützen.
„Jeder Dorfpriester kann vom Kardinal zum Inquisitor berufen werden“, gab Jaroslav Frederick ernsthaft zu bedenken. Er hatte kurz Angst um Schneiders Seelenheil. „Es sind nicht nur Frauen, die der Zauberei und den Hexenkünsten bezichtigt werden, man trug mir zu Ohren, dass selbst Hund und Schwein zum Scheiterhaufen verdammt werden, wenn sie vor Hunger eine Hasenkeule oder eine halb faulige Rübe sich schmatzend schmecken lassen, und es reicht eine Denunzierung aus, eine einzige Verleumdung, du habest in fieberschweißigen Träumen aus Kräuterrauch-Vernebelung und deiner unbezähmbaren Buberei-Lust auf das willige Fleisch, den gehörnten Beelzebub mit nachgeschleppten Pferdehuf, Eisenpfeilschwanz und seinem kuhhornsteifen Glied am entblößten Unterleib zwischen Pelz und Schuppen hervorragen gesehen! Ihre Folter bricht selbst harte Kürassiere! Mir ist nicht wohl bei der Sache, Eminenz und Fürsten öffentlich zu provozieren – der Krieg wird so oder so wieder aufflammen, wenn die Vertreibungen beginnen, und noch einmal mehr Sterbenshungersnot übers gemeine Volk kommen wird. Freds Hinrichtung würde all dies nicht verhindern.“
„Jesko, der Kardinal schickt dich in die Hölle, wenn er deine Beschreibungen hört!“, entwich es Samuel-Peter entsetzt, wobei er sich vorsichtig umsah, ob sein Freund und Kamerad von irgendwem mit fieser Absicht, den Kürassieren zu schaden und sie beim Kardinal anzuschwärzen, heimlich gehört worden waren.
„Die Hölle kann nicht heißer sein als das schlimmste Gefecht, welches ich als Soldat jemals erlebte, worin wir bis zu den Waden in gerinnendem Menschenblut und dampfender Pferdescheiße standen“, knurrte Jaroslav wie der Wachhund an der Kette im dunklen Mauergang eines feuchtkalten Verlies, worin es immer nach Kot, Urin und Fäulnis stank; dorthin hatte er selbst schon manche Kaisergegner verbracht.
Mettens meinte: „Wir reiten auf Messerschneide!“
Nur mit Galgenhumor war es zu ertragen, Leibeigener des Kaisers zu sein und dem Glauben zu dienen, der von Frieden predigte und ihre Kampfkraft zu ihren Gunsten mit Gold, Silber und Rubinen erkaufte und mit Weihwasser und Weihrauch segnete, während der überwiegende Volksanteil darbte und litt. Eine Sache der Herkunft war es. Nur die höchsten der Gesellschaft lebten in Hülle und Fülle.
Als Kürassiere des Kaisers, Reitersoldaten für den Katholischen Klerus, waren sie sich immerzu bewusst darüber, dass sie ihr Leben für Pabst und Kaiser opferten. Freimütig und belustigt lachten die Männer darüber; sie stellten sich der beruflichen Wahl, Krieger zu sein, freiwillig. Und es gab verdammt gutes Geld und Versorgungsgüter für sie und Gattin und Kinder.
„Und was jetzt?“, ächzte Alexej, der sich auf sein Pferd schwang. „Wohin treibt uns der Wind?“
„Nachhause – wir reiten nachhause … hier übernimmt nun die Augsburger Stadtgarde das Kommando und es wird sich ein gemischter Trupp aus Feind-und -Freund-Soldaten von Wildschützen und Fußkämpfern um die Sicherheit des hohen Adels-Aufgebots und der Eminenz sowie allen weiteren anwesenden Würdenträgern sorgen. Das ist nun nicht mehr unser Krieg … also, ich sagte“, geschmeidig stieg Frederick in den Steigbügel und hob sich selbst in den Sattel, „wir reiten nachhause.“
Der Gedanke an ihr Zuhause stieß sie in Wehmut, da sie abermals an Pressburg dachten.
„Nachhause?“, fragte Samuel-Peter im Zweifel an Fredericks Worte und verwundert, der sich als letzter Reiter in die Steigeisen stellte, nachdem er einen allerletzten Kontrollblick auf Kasimir, den stolzen Fuchshengst von Jaroslav, warf, um sicher zu gehen, dass er für die kommenden Anforderungen gesund und auf der Höhe seiner Kräfte war. „Bis Pressburg ist es weit, und wir haben es schon Nachmittag; bis nachhause schaffen wir es heute ganz bestimmt nicht, mein werter Herr Hauptmann!“
„Wir reiten zurück nach Landsperch … zur Kaserne – und zu unsren Frauen in den Offiziersquartieren! Wenn wir Augsburg hinter uns haben, legen wir die Rüstung ab“, sagte Jaroslav, dessen Worte Befehl und Erleichterung ausdrückten. „Für dich wird es Glückseligkeit sein, deinen geliebten Kürassier-Stall der halbfertigen Kaserne wiederzusehen, wo du dein eigener Stallmeister und Herr der Pferde bist, Peter!“
„Ich fürchte“, knurrte Alexej, der sein Pferd an die Seite von Jaroslavs Kasimir lenkte, „dass Franziska mit ihrer Unkerei recht hat. Wir sehen die Pressburg nie wieder. Kürassier zu sein, ist der ewige Pakt mit dem Teufel. Was soll es bringen, mit Gewalt einen Glauben zu erzwingen, wenn der Bürger Gott fürchten muss? Es in den Thesen des Luthers steht, dass wir wahrlich frei sind und immerzu in liebevoller Verbundenheit zu Gott stehen, egal, was wir tun oder wer wir sind. Ich bin am Zweifeln, dass wir dem richtigen Glauben dienen! Nehmen mich die Gardisten gleich in Gewahrsam, wenn sie dies von mir hören?“
„Kreuzzüge auf Anweisung der höchsten Kirchenmänner ist Hexenherrschaft und“, gab Mettens seine Meinung unter Kameraden frei preis, „ist stets die Missachtung Gottes und die Heiligsprechung des ewigen Versuchers. Wir wurden nicht zum freien Denken in Dienst gestellt, das musst du hinnehmen oder für immer abdanken und fliehen!“
Oftmals betrübt über das Dasein als Leutnant, da in jungen Jahren die gesellschaftliche Lage zum Überleben ihn ins Regiment getrieben hatte, was ein paradoxer Weg für ihn war: die Anstellung als Rottmeister im Heer der Berittenen verschaffte ihm ein beneidenswertes Einkommen, versorgte ihn mit Unterkunft und Essen und Trinken, bot ihm ein Leben gegen sein Leben, das er für die Kämpfe um Krone und Mitra in die Hände des Schicksals legte. „So ist es, Peter, wir geben unser Leben in die Schicksalswaage. Amen!“ Worte, es waren nur Worte, denn seine Mimik und sein Augenausdruck sprachen eine andere Mitteilung an die Kameraden aus, die sich in den Zwiespalt geworfen sahen, keine Kaisertreue und Heuchelei, der mehr und mehr zweifelhaften Bibelschrift, vorm Pabst, dem Katholischen Glaubensbekenntnis zu folgen, künftig per Eid reinen Gewissens leisten zu können.
„Ach, das ist alles Schwarzseherei – bleibt frohen Mutes!“ Hauptmann Frederick Schneider setzte sich an die Spitze seiner drei wichtigsten Kürassiere aus dem Verband des 77. Reiterregiments des Kaisers. „In den Augen und Ohren eines Inquisitors ist auch das, was ihr redet gefährlich nahe an Hexerei – passt auf eure Zungen auf!“ Hinter sich wusste er nebeneinander reitend den Schmied und den Zimmermann, die sich mehr auf ihre Frauen als auf die Kaserne freuten, was Frederick ihnen nicht übelnahm, denn er selbst sehnte sich nach seiner Gattin Paola, die er auf dieser Mission von kurzer Dauer von drei Tagen insgesamt schon so schrecklich vermisste, wie auf einem dreimonatigen Kriegszug gegen die Milizen der Lutheraner oder auf dem langen Tross nach Luzern … Luzern – dort sollten sie sein, hier sollten sie sein, in Landsperch sollten sie sein … sie sollten für die Unterdrückung der Bürger kämpfen, weil die Religionsdogmen nicht der Weg ins Licht sind, schneidern, zimmern, schmieden und Pferde züchten … sie sollten Krieg um Krieg für den Katholischen Glauben führen, der die protestantischen Lutheraner für Gotteslästerer hielt und auf die Stufe der Heiden gestellt sehen wollte, besser noch, man würde sie der Zauberei und der Hexerei anklagen, foltern und dem Urteil zum Tod durch Verbrennen oder Zerreißen oder Schleifens oder Aufschlitzens überlassen … nichts war in den vergangenen Wochen und Monaten so gekommen, wie sie angenommen hatten oder das, was ihnen angewiesen und dann wieder zurückgenommen worden war.
Kommando Hü – Kommando Hott.
Weil das Konzil nun für den lang erhofften Frieden sorgen sollte, waren sie dazu bestimmt worden, in Luzern eine Garnison zu beziehen, von der ausgehend sie die umliegenden Landstriche vom Reiterhammer entwaffnen sollten. Lang vorhergesagt, aber noch immer nicht angeordnet und ausgeführt.
Karl, der Fünfte, hatte seit dem Verlust seiner Kraft in Körper und Geist den einschüchternden Kaisereffekt gegenüber seinem Bruder Ferdinand und seinem Neffen Maximilian verloren; machtlos. Das ihm angeborene Sabbern seines Unterkiefers und das Klappern seiner alternden Knie – er war trotz einstmaliger Thronfolge durch Bestechungsgelder und einigen militärischen Siegen nun längst ein bissloser Verlierer, denn andere führten die Geschicke der Machtverteilung im Abendland ohne ihn weiter.
Ausgerechnet ihnen hatte man diese Aufgabe zugeschrieben und per Dekret ans Wams geheftet, denn es war weit unter der anzunehmenden Würde der Ritter des Deutschordens, die sich als elitäre Reitereinheit im Hintergrund der religionspolitischen Auseinandersetzungen hielten und schon vor zweihundert Jahren weitab vom waldreichen Süden Deutscher Landen im Baltikum ein eigenständiges Reich gegründet hatten, das einen Hochmeister kaiserlich verehrte.
Gefallen waren sie vom freiherzigen Krieger zum leibeigenen Getreidebauern, der sich in die Gebote und Gesetze beugen musste, die sie mittlerweile als niedergeschlagene Ritter aufgezwungen bekamen.
Kein Landkomtur der nördlich gelegenen Reichsgründung der Balten, die sich die Prussen einverleibt hatten, interessierte sich an der Beteiligung fernab bei den Schwaben an deren Geplänkel und Scharmützeln zwischen den gottgleichen Katholiken und den protestantischen Evangelien-Verehrern beteiligen und einmischen zu müssen.
Luzern? Wer interessierte sich schon für Luzern?!
Einen kläglichen Rest vom einstigen Mönchsheer, in Akkon im Jahre 1190 gegründet, sollte es geben, die sich der Geheimhaltung ihres dezimierten Verbandes verschrieben hatten, sich den Künsten und dem Handwerk zuwendeten.
Die Deutschordensritter jedenfalls kümmerten sich nicht. Es war nicht deren Apokalypse. Zudem verlangten sie gehörig hohe Entlohnung, die ihnen niemand zahlte. Ihr Reich hatte sich zweihundert Jahre an der Macht gehalten – durch Massaker um Massaker, bis sie nur noch stille hielten, nachdem sie ihre Christianisierung machtvoll gewaltsam durchgesetzt hatten. Es war aussichtslos zu hoffen, vom jetzigen Hochmeister Flankenschutz oder Rückendeckung zu bekommen. Litauer zogen es vor, in die Schwitzhütte zu sitzen, wo sie ihre Zeit nützlich zur Körperentspannung verbrachten. Im Zerfall begriffen, war der einst mächtige und gefürchtete Orden höchster Kampfkünste und standhaft williger Kriegsführung im Namen Gottes unterm schwarzen Kreuz auf weißem Überwurf oder weithin sichtbar in Weiß bemaltem Schild.
Niemals gedacht war es gewesen, sich einmal vorzustellen, dass der stolze und blutrünstig kämpfende Deutschritterorden eines Tages abgehalftert, wie ein zahnloser alter Klepper, sein würde, der kaum mehr das selbstangebaute Getreide und das daraus gebackene Gnadenbrot nagen und schlucken konnte.