Ingeborg Wollschläger hat dreißig Jahre als Krankenschwester gearbeitet, davon zwanzig Jahre in einer Notaufnahme. Mit ihrem Blog »notaufnahmeschwester«, unter anderem nominiert für den Grimme Online Award 2016, erreicht sie über 400.000 Leser. Sie ist verheiratet, hat drei Söhne und kocht gerne Suppe.

Besuchen Sie uns auf www.penguin-verlag.de und Facebook.

INGEBORG WOLLSCHLÄGER

Die
Notaufnahme-
schwester

Ein ALLTAG zwischen LEBEN, TOD
und WAHNSINN




Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.



Copyright © 2020 Penguin Verlag, München, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,
Neumarkter Str. 28, 81673 München

Umschlag: Favoritbüro

Umschlagmotiv: © Alexander Trou / Shutterstock, © amesto / Shutterstock

Redaktion: Birthe Vogelmann

Satz: Vornehm Mediengestaltung GmbH, München

ISBN 978-3-641-25364-6
V003

www.penguin-verlag.de

Inhalt

Vorwort

Moment mal – Wer schreibt hier eigentlich?

In diesem ehrenwerten Haus – Meine Zeit als Schwesternschülerin

Meine Anfänge in der Notaufnahme

Vor der Notaufnahme – Bitte warten!

Guten Tag, wie kann ich Ihnen helfen? – Elf Regeln für das Ankommen in der Notaufnahme

Im Wartezimmer

Der Erstkontakt

Der Scan-Blick der Notaufnahmeschwester

Sind Sie hier die Schwester? Die acht häufigsten Reaktionen auf meinen Beruf

Selfempowerment

Die lieben Angehörigen

In der Notaufnahme – Treten Sie ein!

Ein ganz normaler Tag in der Notaufnahme

Der Nocebo-Effekt – oder wie man mit Patienten spricht

Die lieben Patienten

Geschichten aus Saufnasenhausen

Meine vier Sternstunden der alternativen Heilmethoden

Die Glocke der Achtsamkeit

Der Schattenwolf

Die lieben Kollegen

Beschwerdemanagement

Deeskalation

Ausgänge aus der Notaufnahme

Sterben in der Notaufnahme

Den Patienten eine Stimme geben

Wie man die Schicht überlebt – und alles andere auch

Der Spagat zwischen Schicht und Privatleben in sieben getesteten Schritten

Humor ist, wenn man trotzdem lacht

Zwölf Motivationsschübe

Dienstbesprechungsbullshitbingo

Stadt, Land, Fluss

Das Laberglas

Die gestaltete Mitte

Pause

Kultur

Epilog – And now her watch is ended

Acht Erkenntnisse aus meiner Zeit in der Notaufnahme

Dank – Die anderen sind das weite Meer

Vorwort

Liebe Leserinnen und Leser,

nach über zwanzig Jahren in der Notaufnahme ist mir nichts mehr fremd. Ich habe genauso viele umwerfend berührende Momente wie äußerst brenzlige Situationen erlebt, in denen man eine Tüte Kabelbinder griffbereit haben musste. Wozu, fragen Sie? Als Handschellenersatz für die Polizei, denn in der Notaufnahme landen auch immer wieder höchst unberechenbare Zeitgenossen. Emotionale Achterbahnfahrten von lustig über traurig und schrecklich bis rührend schön stehen auf der Tagesordnung. Einsteigen, bitte! Heute mit Extralooping! Wir erleben hier alles, was das menschliche Leben zu bieten hat: Skurriles, Tragödien, wahre Liebe. Und dabei bleiben wir stets eins: ruhig. Wie lächelnde Stewardessen und Stewards im voll besetzten Flieger nach Malle bewegen sich die Schwestern und Pfleger zügig, aber mit nahezu buddhistischer Gelassenheit durch die Flure des Krankenhauses.

Ich bin inzwischen aus dem Flugzeug ausgestiegen und blicke in Dankbarkeit auf die Jahre dort zurück. Sie haben mich so unendlich viel über das Leben gelehrt – auch über mein eigenes. Trotz des hohen Stresspegels hatte ich reichhaltigen Spaß mit den Kollegen und Patienten. Ich habe in dieser Zeit auch jede Menge Fehler gemacht und bin an ihnen gewachsen. Und trotz der mannigfaltigen Schwierigkeiten im Gesundheitswesen habe ich meinen Job geliebt. Denn der Zauber dieses Berufs liegt nach wie vor in der Begegnung mit unserem »Nächsten«.

Es ist immer heikel, über die Arbeit in einem so sensiblen Bereich zu schreiben. Deshalb bleiben alle erwähnten Personen, wie Patienten, Ärzte und Kollegen, auch anonym. Kein Außenstehender kann sich ein komplettes Bild davon machen. Die einen denken: »Na, das könnte ich auch, das bisschen pflegen und hegen.« Den Nächsten schwebt die sexy Krankenschwester aus einem Erotikfilm vor. Andere möchten einem den Heiligenschein aufpolieren. Und natürlich kommt immer jemand um die Ecke, der erzählt, was dem Neffen der Cousine zweiten Grades Schlimmes passiert ist, und der deshalb meint zu wissen, wie es in der Notaufnahme läuft. Tut er aber nicht. Kann er gar nicht.

Wer könnte Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, einen besseren Einblick in den Alltag einer Notaufnahme geben als jemand, der über zwanzig Jahre dort gearbeitet hat? Daher möchte ich Sie gern mitnehmen.

Normalerweise müssten Sie krank sein, um exklusive Einsicht zu erhalten. Nur dort – hinter verschlossenen Türen – wären Sie live dabei. Der Preis: Sie wären ein Notfall. Und wer will das schon? In diesem Buch bekommen Sie ganz ohne Vollkörpereinsatz eine Führung. Folgen Sie mir bitte und seien Sie unerschrocken.

Moment mal – Wer schreibt hier eigentlich?

Vor knapp 21 Jahren begann ich in einer interdisziplinären Notaufnahme zu arbeiten. Aber eigentlich fing alles schon viel früher an.

An einem Samstag kurz vor Weihnachten wurde ich bei minus 31 Grad geboren. So war ich es von Anfang an gewohnt, es mir von innen schön warm zu machen. Das kann sehr hilfreich im Leben sein. Dieses »innere Feuer« wärmt mich in Krisenzeiten, wappnet mich gegen Kälte von außen und schirmt mich ab, wenn mir jemand böse kommt. Meistens zumindest.

Als Pfarrerskind wuchs ich in großen Pfarrhäusern mit noch größeren Gärten auf – mit dem unerschütterlichen Kinderglauben, dass jemand »ganz Großes« auf mich aufpasste, mich beschützte und begleitete.

Das erste Haus, an das ich mich erinnere, war ein ehemaliges Schulhaus. Darin lebten wir, während das Pfarrhaus renoviert wurde. Im Erdgeschoss staubten die verlassenen Schulbänke vor sich hin. Es gab Plumpsklos auf dem Schulhof, vor denen wir uns so gruselten, dass wir sie nie betraten. Im Winter zog es in unserem neuen Zuhause wie Hechtsuppe. Im Frühjahr und Sommer saßen die Tauben vor dem Kinderzimmerfenster in der hohen, alten, knarrenden Tanne und gurrten mich in den Schlaf. Ich habe es geliebt, mein Zuhause.

Es gab jede Menge Streuobstwiesen um das kleine Dorf herum, deren Erzeugnisse im Herbst direkt in Flaschen abgefüllt wurden. Apfelsaft in Hülle und Fülle. Voll bio, als noch keiner davon sprach. Einen Fernseher hatte der Nachbar. Dort saßen wir donnerstags und schauten Wickie und die starken Männer. Mehr Multimedia gab es nicht.

Gespielt wurde auf der Straße. Wenn wir Hunger hatten, besuchten wir eine der Nachbarinnen, die vom riesigen Laib Brot, an die bunte Kittelschürze gedrückt, eine dicke Scheibe abschnitt. Sie wurde dann dick mit Butter bestrichen und mit Salz bestreut.

Dieser Lebensanfang ist mein Fundament. Das Geschenk einer glücklichen Kindheit ist nicht jedem gegeben. Ich halte es tief in meinem Herzen verankert, und es trägt mich durch mein Leben.

Was hätte ich nicht alles werden können: Bäuerin (das lag nahe – hallo Landleben) oder Rockstar – wir gaben regelmäßig Konzerte und schmetterten Songs in eine Bürste hinein. Erzieherin? Ich machte ein Praktikum im Kindergarten und liebte die Kinder – aber abends klingelten mir die Ohren. Und nach einem Praktikum im Krankenhaus wusste ich es: Hier konnte ich mich mit den Menschen unterhalten. Sie konnten mir sagen, wo es wehtat und was sie möglicherweise brauchen würden. Ich empfand das als enormen Vorteil im Vergleich zu den Kindern, die in Tränen ausbrachen, weil das Ketchup nicht genau in der Mitte des Tellers platziert wurde. Kleine Handreichungen – selbst von mir als Praktikantin – konnten das Wohlbefinden des Einzelnen spürbar steigern. Auch das gefiel mir: Erfolge wurden mitunter schnell sichtbar. Vor allem aber dankten meine Ohren es sehr. Und dann dieses aufregende Miteinander der einzelnen Bereiche: die lustigen Mitarbeiter in der Röntgenabteilung, die spendablen Damen im Labor, die immer eine kleine Süßigkeit parat hielten. Die Ärzte, die so unfassbar erhaben und erwachsen wirkten. Ich konnte mir gut vorstellen, Teil dieser Gemeinschaft zu werden. Hier würde ich Heimat finden.

In diesem ehrenwerten Haus – Meine Zeit als Schwesternschülerin

Ich begann meine Ausbildung in einem kleinen Landkrankenhaus. Ich lernte in diesem christlich geführten Haus alles, was ich fürs Krankenschwesternleben wissen musste, und noch viel mehr: Krankenpflege in Theorie und Praxis ebenso wie Singen am Morgen – was mich immer noch zerrüttet, sollte heute einer in meiner Gegenwart morgens singen. Wir lernten zu »spuren«, und vor allem lernten wir, mit Repressalien umzugehen. Krankheitslehre und Sockenordnung standen fast gleichberechtigt auf dem Stundenplan. Außerdem hatten wir Verbandslehre bei der gestrengen Schulschwester und Medikamentenkunde beim örtlichen Apotheker, der einen Strickpullover mit dem Motiv einer im Kessel rührenden Hexe trug. Wir feierten ihn sehr. Wir lernten Gesprächsführung und Duckmäusertum, was sich keinesfalls ausschloss. Wir lernten fürs Leben. Dazu trugen wir Tracht mit Streifen, die bei näherer Betrachtung Augenflimmern erzeugte und jeden Epileptiker sofort getriggert hätte. Auf dem ordentlich zusammengebundenen Haar thronte eine Haube. Wir Schwesternschülerinnen falteten sie zum Verdruss der Oberin winzig klein und befestigten sie als Zeichen der »Aufsässigkeit« mit bunten Spangen am Haar. Die Oberin war streng und geradezu unerbittlich. Aber sie hatte auch ein großes Verständnis für die Wendungen, die das Leben manchmal nahm. So pflegte sie zu sagen: »Lieber ein Kind auf dem Kissen als eines auf dem Gewissen.« Denn obwohl strenges Männerverbot im Schwesternwohnheim herrschte, gab es alle Jahre wieder eine »Jungfrauenschwangerschaft«. Sie hielt dann immer zu den jungen Frauen.

Das blieb mir zum Glück erspart, aber dafür lernte mein damaliger Freund das An- und Wegschleichen, noch bevor er bei der Bundeswehr eintrat. Es war sehr aufregend. Nervenkitzel – nicht nur der Liebe wegen, sondern auch angesichts der ungeheuren Gefahr, erwischt zu werden. Welche Schmach mir dann gedroht hätte – darüber wollte ich lieber erst gar nicht nachdenken und ließ mir meine Angst sofort »wegknutschen«.

Wohnen zu Hause war nicht erlaubt. So wohnten alle Schülerinnen zusammen. Nur den wenigen Pflegeschülern war es vergönnt, dort zu wohnen, wo sie wollten. Gleichberechtigung? Ich bin mir nicht sicher, ob man in der kleinen Stadt überhaupt schon mal davon gehört hatte. Wer hier lernen wollte, wohnte hier. Aus. Bloß für Männer galt das eben nicht.

Man stelle sich vor: Ein ganzes Haus voller Mädels mit unterschiedlichstem Background, die plapperten, stritten, lachten oder sangen. Irgendwo plärrte immer ein Radio. Zettel mit »Achtung, wir haben Nachtdienst – bitte Ruhe« hingen an einzelnen Zimmertüren und wurden geflissentlich übersehen. Es war wie bei Hanni und Nanni. Oder wie auf einem Hühnerhof. Es war sehr lustig und sehr anstrengend zugleich.

Wer großes Glück hatte, bekam ein Einzelzimmer. Der Rest wohnte in Zweierstuben auf achtzehn Quadratmetern. Waschbecken im Zimmer, Dusche und Toilette auf dem Gang. Im Jahr unseres Examens pflasterte ich die Wände der Kloräume mit Seiten voller Lehrstoff. So konnte man praktischerweise gleich mehrere »Geschäfte« gleichzeitig erledigen. Wenn man von »Blut: Zusammensetzung und Eigenschaften« genug hatte, zog man eine Toilette weiter zu »Die Niere – Anatomie, Funktionen und mögliche Erkrankungen«.

Am Ende des Stockwerks residierte eine der altehrwürdigen Schwestern, den kleinen grauen Dutt unter der Haube versteckt. Mit festem Trippelschritt schaute sie immer nach dem Rechten und Linken. Sie rügte gerne und viel. »Schwestern«, ermahnte sie uns beispielsweise, wenn wir abends kichernd auf dem Balkon saßen. Sie nannte uns Schwestern, obwohl wir es ja faktisch noch gar nicht waren. »Schwestern. Bitte leiser! Das schallt weit ins Krankenhausgelände hinein!«

Die etwas Individuelleren unter uns bekamen mächtig Ärger wegen bunter Socken und roter Haare. Individualität wurde hier nicht geschätzt. Eine gute Schwester zeichnete sich durch keinerlei Eigenheiten aus. Schwarmdummheit – oder die Kunst, nicht aufzufallen – war mir leider schon damals nicht gegeben. Manche von uns wurden hier zu Kämpferinnen. Das Leben wäre einfacher gewesen, hätten wir uns angepasst. Trotzdem begriffen wir hier schnell, wie unklug es war, ehrlich zu sein. Antworten wie »Nein, das habe ich noch nicht erledigt« brachten einen nicht weiter. Es folgten stets lange, unschöne Gespräche über Faulheit sowie die Bitte, sich am Liebling der Station ein Beispiel zu nehmen, gekrönt von einer schlechten Beurteilung. Wir verstanden das Prinzip binnen kürzester Zeit und sagten fortan freudig: »Aber natürlich«, oder: »Ich bin gerade dabei« – und machten es dann geschwind. So wie eben all die anderen »Schlauen«. Die Welt wollte und will belogen werden. So strahlten wir bald ebensolche Kompetenz und Fleiß aus wie die Lieblinge der Schicht.

Manche von uns kriegten immer wieder mächtig Ärger wegen ihrer »liederlichen« Kleidung. Bunte Socken, die Schwestern-Brosche nicht auf Kehlkopfhöhe, sondern ein oder zwei Knopflöcher tiefer angesteckt, gefärbte Haare, Schminke – Gott bewahre! Die Schulschwester war bei diesem Anblick einem Ohnmachtsanfall nahe. Wahlweise schäumte sie vor Zorn. Sie brachte uns mit unerbittlicher Strenge alles Wichtige bei, war kompetent und akkurat bis zur adrett gefalteten Schwesternhaube. Manchmal, wenn ich viele Jahre später einen Verband anlegte, hörte ich immer noch ihre Stimme im Ohr. Sie hatte in vielem recht und brachte uns ein Wissen bei, das heute so nicht mehr gelehrt wird. Ja, wir haben viel gelernt bei ihr. Jahre später habe ich meine Schüler mit diesem schulschwesterlichen Wissen aus den »alten Zeiten« genervt, gefördert und sehr viel weitergebracht. Sagen wir mal so: Schülerinnen und Schüler, die durch »meine Hände« gingen, wissen, dass das Grundgelenk bei einem Verband immer mit eingewickelt wird. Und dass Keime sich über ein »Pfffff« mit der Desinfektionsmittelflasche kaputtlachen. »Immer erst mechanisch, dann chemisch!«, höre ich die Schulschwester heute noch sagen. Das gab ich weiter. Und noch vieles mehr.

Damals gab es ausschließlich »geteilten Dienst«: von 7 bis 13 Uhr, dann Mittagspause und wieder Dienst von 16 bis 19 Uhr. Ein Traum für jeden Ökonomen heutzutage. Personal fast rund um die Uhr. Immer da. Dazu gab es gemeinsame Mahlzeiten für die gesamte Schwesternschaft. Immer mit Morgenandacht – quasi Spiritualität zum Aufwachen – und immer mit Lied. Da waren Schul-, Ober- und Stockwerksschwester unerbittlich. Und wir waren morgens oft schon leicht vergrätzt, bevor die Sonne überhaupt aufgegangen war. Mit diesen somnambul gesungenen Liedern, die wir mit zwei Stimmen aus dem Effeff beherrschten, zogen wir einmal im Monat über sämtliche Stationen im Krankenhaus und sangen vor den Krankenzimmern. Vorneweg die Schulschwester mit der Gitarre. Wir, die Schwesternschülerinnen, hintendran. Und sosehr es damals nervte: Es war schön! Heute wäre das undenkbar. Effizienz – ja, Seelenpflege – wo denken Sie hin?

Dann wurde irgendwann der Schichtdienst eingeführt. Welche Aufregung. Neue Zeiten in alten Häusern. Heimlich träumten wir von Hosen und Kasacks – ein Wunsch, der sich in diesem Krankenhaus erst Jahre später erfüllen sollte. Endlich mal zwischendurch ausschlafen. Frühschicht von 6 bis 14 Uhr, Spätdienst von 13.30 bis 21.30 Uhr. Der Nachtdienst, den wir als Schülerinnen nur eine Woche in der Ausbildung hatten, begann um 21 Uhr und endete nach der Übergabe um 6.30 Uhr. Nach einem Frühdienst und einem Spätdienst am nächsten Tag hatte man fast einen geschenkten Tag dazwischen. Zumindest kam es uns damals so vor. Dass die Nacht bei einem Wechsel von Spät- auf Frühdienst kurz ausfiel, vergaßen wir. Wir waren jung. Wir kümmerten uns kein bisschen um Schlafdefizite. Die Oberschwester beobachtete diese Veränderung mit gemischten Gefühlen. Es war, als würde sich die gute alte Zeit langsam, aber sicher auflösen.

Doch in anderen Bereichen hielten sich die althergebrachten Vorgehensweisen hartnäckig: Einmal fiel meine Freundin und Kurskollegin vom Pferd und lag mit einer Gehirnerschütterung in »unserem« Krankenhaus. Ich erinnere mich an den Aschenbecher im XXL-Format auf dem Tisch im Vierbettzimmer. Sie lag dort drei Tage, dann war sie geheilt. Röntgenbild? Wozu denn? CT? Das haben wir nicht! Wird schon wieder werden. Und siehe da: Es wurde wieder.

Die Waschschüsseln aus Plastik wurden stundenlang in Desinfektionsbrühe eingeweicht. Das war Aufgabe der Schüler – nie hat sich eine examinierte Kraft in diese Räumlichkeiten verlaufen. Genauso wie es unser Job war, Betten und Nachttische mit Desinfektionsmittel zu reinigen – mitunter auch mittels einer Zahnbürste, wenn das strenge Stationsschwesternsauge es für nötig erachtete (oder dich nicht leiden konnte). Hier habe ich auch die hohe Kunst des Bettenbeziehens gelernt. Gnade dir Gott, wenn die Ecken der Kissen nicht richtig gefüllt waren! »Lehrjahre sind keine Herrenjahre«, erkläre ich heute im Duktus der alten Schwesternschaft, wenn sich Schüler beschweren, dass sie die Medikamentenschränke kontrollieren und auswaschen sollen. Diese Unmenschlichkeit aber auch. Als es damals irgendwann eine Bettenzentrale gab, atmeten wir auf.

Wir waren gefühlte Stunden mit Eis- und Heißbehandlungen zugange. Die wurden bei beginnenden Druckgeschwüren durchgeführt. Stundenlang hantierten wir mit Eiswürfeln und Föhn an dicken und dünnen Popos. Andere Wunden wurden mit Zucker oder Blutegeln behandelt. Ein Trend, der gerade wieder aufflammt, aber heute kaum machbar ist, denn damals hatten wir mehr Zeit für die Patienten. Ich bin nicht böse drum. Das Blutegelgeschäft war mir zuwider.

Die Blumenpflege auf der Gynäkologie war mein nächster persönlicher Horror. Jeden Abend wurden alle Sträuße vor das Zimmer der Wöchnerinnen gestellt. Dann sah der Flur wie ein Wochenmarkt in Holland aus. Morgens neues Wasser, gammelige Blumen aussortieren. Rein in die gute Stube der glücklichen Mütter. Stunden waren wir damit zugange. Nach dem dreimonatigen Einsatz auf der Gyn war ich perfekt in Bettenmachen und Blumenpflege. Dinge, die mir heute im Leben wahnsinnig durch den Tag helfen. Nicht.

Männer waren damals eher selten in der Pflege. Die einen waren cool und arbeiteten in der Anästhesie oder im OP. Die anderen waren es nicht. Sie trugen gerne einen Kamm in ihren Taschen – da, wo wir Kulis und Schere aufbewahrten – , um sich vor Betreten des Krankenzimmers schnell noch durchs leicht fettende Haar den Scheitel zu ziehen. Die Witze der coolen männlichen Kollegen waren derb und gingen an die Schmerzgrenze. Außerdem waren sie nie da, wenn man sie brauchte. Aber man fand sie leicht: Immer dem Tabakgeruch und den lauten Stimmen nach. Da saßen sie dann in den Besucherecken und spielten Karten mit den Patienten. Auch das hat sich geändert.

Meine erste Dauerwelle sparte ich mir in dieser Zeit mühsam vom kargen Lohn ab. Er war noch karger durch den Abzug von Zwangswohnen, -essen und -trinken. Es blieben uns so um die 200 Mark im ersten Lehrjahr. Aber wo hätten wir es auch ausgeben sollen? Die Stadt war winzig, die Eisdiele hatte nur im Sommer auf und die Disco ausschließlich am Wochenende. Da war die Dauerwelle mit 120 Mark das Teuerste, was ich mir in dieser Zeit leistete. Ich sah aus wie ein Schaf. Ich war sehr unglücklich.

Wenn ich mir heute Geschichten von den Schülern anhöre, stelle ich fest: Beliebigkeit und Unverbindlichkeit gab es damals nicht. Kein Herausreden. Kein Schwänzen von unliebsamen Aufgaben. Kein unnötiges Diskutieren. Es war ein bisschen wie bei Frau Holle. Wir wurden dazu erzogen, das Apfelbäumchen abzuernten, wenn es reif war. Dieser Pragmatismus steckt heute noch in vielem, was ich tue. Man kann diskutieren, aber davon wird die Arbeit nicht weniger. So einfach ist das.

Wir haben zusammengelebt und -gearbeitet, ähnlich wie in einer Familie – inklusive nervtötender Tante und merkwürdigem Onkel. Und so anstrengend das auch sein kann: Es war mir trotz alledem ein Anker und ein Kompass. Etwas, das es heute selten gibt. Obwohl es genau das ist, wonach die Menschen immer noch und immer wieder dürsten. Wenn es fehlt, kann das sehr unglücklich machen.

Wie in einer anderen Zeit

Manchmal erzählen mir heute die Schüler und Schülerinnen von ihren Außeneinsätzen. Wie es da so war – in der Kinderklinik, Psychiatrie oder Sozialstation. »In welche Haushalte du da kommst – das kannst du dir nicht ausdenken!«, enden ihre Beschreibungen dann oft mit leichtem Erschaudern. Doch, kann ich. Ich war auch mal als Schülerin mit der Gemeindeschwester unterwegs. Ich war ein bisschen neidisch auf einige meiner Kollegen, die bequem mit dem Fahrrad durch die kleine Stadt von »Zuckerspritze« zu »Zuckerspritze« der Diabetiker fahren konnten, während ich auf dem Land eingesetzt war. Sie schoben eine vergleichsweise ruhige Kugel. Ich knechtete mich durch die Tage. Während meine Kurskollegen in der Gegenwart blieben, machte ich auf dem Land einen Zeitsprung. Denn die Zeit schien für manch einen der ländlichen Bevölkerung tatsächlich stehen geblieben zu sein.

Auf »meiner« Tour bekam ich bereits deutlich den demografischen Wandel zu spüren. Die Kinder hatten teilweise ihre Höfe aufgegeben, um in der Stadt zu arbeiten. Und die, die blieben, hatten keine Zeit, sich um die Altvorderen zu kümmern. Waschen, pflegen und hegen wurde in andere Hände gelegt – in unsere. Geheizt wurde größtenteils mit Holz, das die Kinder oder Enkel hoffentlich rechtzeitig und in ausreichender Menge zuvor gehackt hatten, damit die Oma nicht frieren musste. Viele hatten keine Badezimmer, und in den Betten türmten sich die Plumeaus über gusseisernen Wärmflaschen. Die Häuser waren nie isoliert. Es zog durch alle Ritzen und an allen Ecken und Enden. Vor den Türen standen immer kleine Schüsselchen mit Milch für die vielen Katzen, die überall herumstreunten.

Ich kam auch in das Haus von Christian und seiner Schwester Anna. Sie wohnten außerhalb des Ortes in einem kleinen Gehöft. Drei Haselnüsse für Aschenbrödel in Miniatur. Solche Häuser kann man heute in Freilandmuseen bestaunen. Das Haus der beiden hätte man sofort ab- und dort gleich wieder aufbauen können. »Ländliches Wohnen um 1900«, würde auf einem kleinen Schild am ehemaligen Misthaufen vor der Tür stehen.

Immer mittwochs hatten wir dort einen Termin zur Körperpflege. Der Flur war mit blau-weißen Kacheln gefliest. Rechts führte eine Tür in die Wohnstube der beiden. Darin stand ein Tisch mit Bänken drum herum. Die Wände waren mit gemalten Mustern geschmückt. In der Mitte ein aus Korb geflochtener Stuhl, der mich an den Rollstuhl der gelähmten Klara aus Heidi erinnerte. Er hatte keine Rollen, dafür aber ein Loch in der Mitte, das die Familie hineingesägt und die Sitzgelegenheit so zum Toilettenstuhl umfunktioniert hatte. Aufgefangen wurde alles in einer orangefarbenen Rührschüssel, die man praktischerweise direkt auf dem Misthaufen vor der Tür entleeren konnte. Es gab eine riesige Wurzelbürste zum Saubermachen – wobei es gut war, »erst damit das Gebiss zu reinigen und dann die Rührschüssel«, wie die Gemeindeschwester sagte.

Die 88-jährige Anna schlief in einem Bett aus Stroh direkt vor dem großen Kachelofen, der sich mitten in der Stube befand. Plumeaus gab es auch hier in großer Anzahl. Es war bestimmt kalt in der Bude, wenn ihr 91-jähriger Bruder abends nicht mehr heizte. Zwischen die rauen Leinenlaken verirrte sich hin und wieder eine Maus und verstarb dort. Vielleicht wollte sie sich in der Strohunterlage ein Nest bauen. Sie wurde am Schwanz gepackt und ebenfalls auf den Misthaufen geworfen. Da waren wir nicht zimperlich. Christian schlief im hinteren Teil der Stube.

Kleine Fenster ließen nur wenig Licht herein. Eine wunderbare technische Neuerung gab es immerhin: die Steckdose – die einzige im Haus – , an die der Kühlschrank angeschlossen war. Auf dem Kühlschrank lag griffbereit ein Rasierer. Christian mochte es sehr, rasiert zu werden. Der Mittwoch war sein Glückstag. Da stand er früh auf und ging in die Küche, die am Ende des kurzen Flurs zu finden war. Ein riesiger Holzofen stand da. Ein Tisch und zwei Stühle, dazu ein kleines Regal. Ein Waschbecken aus Emaille mit der einzigen Wasserstelle. Töpfe und Pfannen hingen an der Wand. Dort schürte er den Ofen an, damit mittags, wenn wir kamen, das Wasser warm war, das in zig verschiedenen Töpfen vor sich hin simmerte. Hinter der Küche ging es weiter zur Backstube. Dort stand der Holzbackofen. Riesengroß – wie in dem Kinderbuch Die Abenteuer des starken Wanja. Es war eine fremde und unwirkliche Welt, die wir da betraten. Selbst für mich, die ich auf dem Land groß geworden war.

Ins Altenheim zu ziehen, wo sie es bequemer gehabt hätten, war für Christian keine Alternative. Nie würde er dahin ziehen. Nie! So kümmerte er sich um seine aggressive und demente Schwester, ließ zweimal die Woche den Neffen herein, der etwas zu essen brachte, und freute sich auf Mittwoch, wenn wir zum Waschen kamen. Das Wasser wurde in fünf Waschschüsseln umgefüllt, von denen jede ein Loch oder einen Riss hatte. Durch eine geschickte Art der Stapelung lief jedoch nichts aus. Eine neue kaufen? Warum? Ging doch auch so! Anna zeterte wild bei der Körperpflege, um danach zufrieden in ihr aufgeschütteltes Bett zu sinken. Der Stecker des Kühlschranks, welcher mehr als mickrig befüllt war, wurde herausgezogen, um den Rasierer einzustecken. Beleuchtet wurden wir dabei von einer 25-Watt-Glühbirne, die schmucklos von der Decke baumelte. Es war Improvisation pur.

Dieses Leben machte mich stellenweise fassungslos. Wie konnte man nur so wohnen? Aber sie wollten es so. Sie waren zusammen. Sie waren es so gewohnt. Gute alte Zeit und so. Was sie wohl den ganzen Tag machten? Wie gerne wäre ich da mal Mäuschen gewesen – aber bitte ohne zwischen den Laken platt gedrückt zu werden.

Es gab eine schiefe Treppe ins Obergeschoss. Einmal wagte ich mich da hinauf. Christian gab mir auf den Weg mit, vorsichtig zu sein. Er wisse nicht, ob die Balken noch halten würden. Auf dem Dachboden standen wunderschöne Intarsienschränke. In einer Ecke stapelten sich Klatschzeitungen. Das goldene Blatt staubte neben der Neuen Post vor sich hin. Die Jahrgänge fingen lange vor meiner Geburt an und hörten Ende der 70er-Jahre auf. Ich durfte mir welche mitnehmen. Es war der Wahnsinn.

Im Schwesternwohnheim las ich mich durch die Liebe von Cindy und Bert, die damals heirateten. Die spätere Königin Schwedens, Silvia Sommerlath, und Carl Gustaf lernten sich kennen und lieben. Es war herrlich. Von diesem Wissen profitiere ich heute noch im Gespräch mit alten Menschen. Spätestens in dieser Zeit lernte ich auch, quasi am eigenen Leib, was Demut heißt, wenn ich abends unter der heißen Brause stand, anschließend in mein gut beleuchtetes Zimmer zurückging und die Heizung noch ein bisschen höher drehte.

Nach dieser Ausbildung konnte mir niemand mehr was. Als Erstes arbeitete ich in der Neurochirurgie, bevor ich für mehrere Jahre in die Dialyse wechselte. Und dann trieb mich »das Leben« in die Notaufnahme. Mehreren Zufällen geschuldet, fing ich in dem Jahr dort an zu arbeiten, als Lady Diana tragisch starb.

Meine Anfänge in der Notaufnahme

Gott – was war das alles aufregend! Krankheiten aller Art, Unfälle, abgeschnittene Finger, Herzinfarkte und Schlaganfälle, Nierenkoliken und Brandwunden. Kollegen, die alle mehr als cool waren und die nichts aus der Fassung zu bringen schien. Hammer! Das wollte ich auch. Ein Notfall – immer her damit. Ich bin bereit.

An meinem ersten Tag schob man mich in den Noteingriffsraum für kleinere Operationen. Da störte ich keinen. Ich schaute voller Ehrfurcht einem Arzt zu, der einen zerbröselten Finger, der zuvor in einem Mahlwerk herumgefummelt hatte, mit Bedacht, Anmut und Können schiente, verdrahtete und verarztete.

»Gib mir mal die Knochenraspel!«

»Knochenraspel?«

»Knochenraspel. Schrank auf. Da liegt sie. Bauchhöhe.«

Schrank auf, Bauchhöhe. Ein Dutzend Geräte, die ich bis dato noch nicht kannte. Woher auch. Ich war nach Jahren in der Dialyse die Heldin der Venenpunktion und in der Lage, vielerlei Geräte zu bedienen. Ich konnte die verschiedensten Filter unterscheiden und wusste, was ein Transmembraldruck ist. Aber eine Knochenraspel? Ich kann mich noch an den Schauer bei diesem Wort erinnern. Knochenraspel! Das klang nach Mittelalter. War es das hier? Oder das dort? Ich hob alle Gerätschaften nacheinander aus dem Schrank. Der Arzt seufzte leise. Weil er ein feiner Mann war, tat er dies wirklich kaum hörbar.

Der nächste Patient, den man mir zuwies, war jemand mit Verdacht auf Blinddarmentzündung. »Miss mal Fieber!«

Burg Schreckenstein

»Notaufnahmeschwester. Wir wollen uns doch an den richtigen Fachbegriff gewöhnen, nicht wahr?«

»Sehr gerne!«

»Es heißt rektal, nicht anal!«

»Ach ja! Natürlich!«

Wo war die Schaufel für mein tiefes Loch? So schnell fiel mir noch nicht mal ein dummer Witz ein. Ich schämte mich zutiefst.

So fing ich an. Spannung und Vorfreude, was wohl als Nächstes kommen würde, wechselten sich mit Angstschiss in der Buxe und Pulsbeschleunigung ab.

»Ein Jahr habe ich gebraucht, bis ich keine Panik mehr hatte, wenn wieder was ›Großes‹ angemeldet wurde«, sagte die Kollegin. Ein Jahr! Guter Gott!

Ich war zwei Monate in der Notaufnahme, als Prinzessin Diana starb. Ich wusste mittlerweile, wen ich wann und warum anrufen konnte, ich kannte größtenteils den Inhalt der unzähligen Schränke. Mit schweißnasser Stirn hatte ich meine ersten Gipse allein gegipst. Ich war auf einem guten, langsamen und steinigen Weg. Und nun kommt die Prinzessin von Wales und der Herzen ins Spiel.

Es war ein strahlend schöner Sonntagmorgen. Ich hatte mit dem Chef Frühdienst. Morgens um 7 war nichts los. Man hörte die Glocken der umliegenden Kirchen und wildes Vogelgezwitscher. Ein Assistenzarzt, ein hübscher, braun gebrannter Kerl, saß mit uns im Sonnenschein vor der Notaufnahme. Es gab ein schlichtes Frühstück: Kaffee und Zigarette. Der Chef holte Nachschub und kam mit Kaffeetassen und Neuigkeiten wieder. Mehr verblüfft als ergriffen sagte er: »Ey – die Diana ist dod! Und der Dodi ist auch dod.«

Mein Chef gehörte zu der Spezies der Konsonantenschänder. Er machte zwischen »T« und »D« keinen Unterschied. Zwischen »B« und »P« auch nicht. (Kein Wunder, dass ich die Panthenol-Salbe mal nicht unter »P« fand. Sie lag im Fach mit »B«. Aber ich will nicht ungerecht sein – vielleicht wurde auch das Produkt wieder umgestellt von Panthenol auf Bepanthen.)

Diana und Dodi waren also »dod«, und ich lache noch heute über diesen Satz, die Aussprache und die Verblüffung meines Chefs. Später machte der Kabarettist Erwin Pelzig die »Diana Dodi Dunnel Dour« aus diesem tragischen Ereignis. Das ist der Grund, warum sich der 31. August für immer in mein Gedächtnis eingebrannt hat. Meine Anfänge in der Notaufnahme zusammen mit der »doden Diana« an einem ansonsten zauberhaften Sonntagmorgen.

So fing das also an – damals. Seitdem hat sich vieles verändert, von den Behandlungsmethoden bis hin zur Anzahl der Menschen, die eine Notaufnahme aufsuchen. Mein Wissen wuchs von Patient zu Patient und gab mir immer mehr Sicherheit. Und ich spürte: Ich bin am richtigen Ort. Hier will ich sein. Routine gab und gibt es hier nicht. Standards, die sorgfältig erarbeitet werden – also eine Art Vorschrift, wie beispielsweise ein Pflaster auf eine Wunde geklebt werden soll –, gelten hier nur bedingt. Hier ist zumeist Kreativität gefragt. Eine frische Wunde kennt keine Standards. Es ist ein Ort, an dem man sich auf jeden Patienten und dessen Erkrankung neu einstellen muss – um dann richtig zu reagieren.