Für

Mohammed

&

Halef

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Impressum

Deutschsprachige Erstausgabe November 2021

Copyright © 2021 Ines Allerheiligen

Umschlagdesign by www.ramschdesign.de

Umschlagfoto: Christin Trumpf

Lektorat: Juliana Kraus

Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt

ISBN (Print): 978-3-7557-4553-2

Alle Rechte vorbehalten.

Nachdruck, auch auszugsweise, nicht gestattet.

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung

ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies

gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung,

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Alle hier beschriebenen Personen und deren Begebenheiten sind frei

erfunden. Jede Ähnlichkeit mit

lebenden Personen ist nicht beabsichtig

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Bevor die eigentliche Geschichte dieses Buches beginnt, möchte ich gerne ein paar Worte und Gedanken dazu aufschreiben.

In diesem Buch erzähle ich die fiktive Geschichte zweier junger Männer, deren Heimat eine kleine syrische Stadt im Norden Syriens, an der Grenze zur Türkei ist - Manbij1.

Während des syrischen Bürgerkrieges2, wurde Manbij aufgrund seiner Lage zur Nähe der türkischen Grenze, für die unterschiedlichen Kriegsparteien strategisch sehr wichtig.

Nach dem Ausbruch des Bürgerkrieges im Jahr 2011, zogen sich die syrischen Streitkräfte im Juli 2012 aus der Stadt zurück.

Manbij wurde damit die erste große Stadt Syriens, in der die Rebellen die Verwaltung übernahmen. Die syrischen Luftstreitkräfte bombardierten von da an die Stadt täglich bis in den Oktober hinein, wobei es ihnen hauptsächlich darum ging, die Infrastruktur zu vernichten.

Im Juli 2013 kam es in der Stadt immer häufiger zu Protesten gegen den Islamischen Staat3, der sich in dieser Zeit heftige Kämpfe mit den Streitkräften der Regierung von Baschar al-Assad, der Freien Syrischen Armee, sowie der kurdischen Minderheit im Norden lieferte.

Im Januar 2014 wurde die Stadt Manbij dann vom Islamischen Staat eingenommen.

Nach heftigen Kämpfen im August 2016, wurde Manbij von den Streitkräften des Militärbündnisses SDF vom IS befreit.

Die SDF ist ein Bündnis der YPG4, der YPJ5, Dschabhat al-Akrād6, einer kurdischturkmenischen Einheit, der sunnitisch-arabischen Armee der Revolutionäre, sowie der MFS7.

Die Geschichte dieser zwei jungen Männer spielt in den Wirren des syrischen Bürgerkrieges der Jahre 2014 - 2016, als Manbij vom Islamischen Staat besetzt war und dort gnadenlos die Gesetze der Scharia einführte und mit aller Härte versuchte diese umzusetzen. Die Scharia steht für das islamische Strafrecht, eine von Gott gesetzte Ordnung und sieht drakonische Strafen für gesellschaftliches Fehlverhalten vor, wozu auch körperliche Strafen bis hin zum Tod zählen.

Dieser politische Hintergrund ist für das Verständnis der Geschichte sehr wichtig.

Die Idee zu diesem Buch ist durch einen Arbeitskollegen entstanden, mit dem ich sehr gerne lange und manchmal auch hitzige politische Diskussionen führe. Er ist Kurde und Jeside.

In unserer täglichen Arbeit war mir aufgefallen, dass er einige Vorbehalte hatte und eher zurückhaltend reagierte, wenn es um arabische Muslime ging. Nach mehreren langen Gesprächen, in denen er sich mir öffnete, habe ich dann den Hintergrund seiner Geschichte und damit der Geschichte der Kurden verstanden.

Es hat viel mit Glauben, Politik und Vertreibung eines Volkes zu tun.

Irgendwann kam mir der Gedanke, eine Geschichte über die Freundschaft zweier Männer zu schreiben, die allem Anschein nach im wahren Leben, durch ihre Geschichte und ihren Glauben nicht unbedingt beste Freunde werden würden.

Auch mein Wunsch nach Offenheit und Respekt allen Religionen gegenüber und mein Interesse an der Nahost - Politik haben mich dann letztendlich dazu bewogen, dieses Buch zu schreiben.

Die Stadt Manbij habe ich als Schauplatz ausgewählt, da der Protagonist meiner zwei Autobiografien aus dieser Stadt an der Grenze zur Türkei stammt und tatsächlich von dort während der Besetzung durch den Islamischen Staat sowie einer zweiwöchigen Gefangennahme in einem Umerziehungslager des IS geflohen war.

Der Grund für seine Gefangennahme durch den Islamischen Staat war der Handel mit Tabak, welcher in dieser Zeit unter den Gesetzen der Scharia8 strengstens verboten war.

Er wurde damals vor die Wahl gestellt sich den Kämpfern des IS anzuschließen oder zu sterben. Gott sei Dank war es ihm letztendlich gelungen zu fliehen und er ist nach mehrjähriger Flucht über die Türkei und Serbien im Jahr 2018 in Bremen angekommen. Über das, was er in der Gefangenschaft des Islamischen Staates erlebt hat, spricht er nicht.

Und nun wünsche ich viel Spaß bei der eigentlichen Geschichte.


1 Syrische Stadt im Gouvernement Aleppo, nahe der türkischen Grenze, Einwohner 75.575 (2009).

2 Der Bürgerkrieg in Syrien hat am 15. März 2011 begonnen und ist bis heute nicht beendet.

3 IS – eine seit 2003 terroristisch agierende salafistische Miliz

4 Kurdische Volksverteidigungseinheit

5 Kurdische Frauenverteidigungseinheit

6 Kurdische Rebelleneinheit

7 Assyrisch-aramäischer Militärrat

8 Die Scharia ist das Rechtssystem des Islam. Sie umfasst die Gesamtheit aller religiösen und rechtlichen Normen des Islam.

Junis

Die Sonne brannte heiß auf seinem nackten Oberkörper. Der Schweiß rannte Junis über das Gesicht, tropfte vor ihm auf die ausgetrocknete Erde und verdampfte sofort wieder. Das Feld, auf dem er arbeitete, gehörte seinem Großvater und war über zehn Hektar groß. Für die Menschen, die daran vorbeifuhren, war es ein gewöhnliches Getreidefeld mit hochgewachsenen Pflanzen, dicht an dicht, die den Blick ins Innere des Feldes versperrten.

In der Mitte aber, war ein kleiner Teil des Feldes mit Tabakpflanzen angebaut. Sie überragten die Getreidepflanzen nicht und waren deswegen von der Straße her nicht einsehbar. Die Pflanzen waren gut einen Meter hoch und nun reif für die Ernte. Die Ränder der Blätter hatten sich bereits hell verfärbt und an einigen Stellen waren sie schon gelb-bräunlich.

Junis riss die Blätter zur Seite hin ab und verstaute sie in einem großen Jutesack, den er neben sich auf dem Boden stehen hatte. Immer wieder wischte er sich den Schweiß mit seinem Handrücken vom Gesicht und atmete durch. Es war sehr schwül heute und von weitem war ein dumpfes Grollen zu hören.

Er sah, dass dunkle Wolken aufzogen. Sie gaben ihm die Gewissheit, dass ein Gewitter im Anmarsch war und das Donnern nicht zu einer Bombardierung in der Ferne gehörte. Junis beeilte sich, um die Blätter trocken nachhause zu bekommen. Als der Sack voll war, verschnürte er ihn gut und bahnte sich mit einem Stock den Weg aus dem dichten Getreidefeld hinaus auf die Straße.

Hier hatte er sein Motorrad abgestellt, versteckt hinter zwei Granatapfelbäumen, sodass man es von der Straße nicht sofort entdecken konnte.

Mit einem lauten Knattern sprang das alte Motorrad an und er fuhr in Richtung Manbij City davon.

Tabakanbau war strengstens verboten. Alles hatte sich verändert in Manbij, seitdem 2014 der IS die Stadt eingenommen hatte. 2011 brach in Syrien der Bürgerkrieg aus, da war Junis zwölf Jahre alt. Alt genug, um zu verstehen, dass sich das Leben von nun an ändern würde. Bis dahin lebte er eine unbeschwerte Kindheit mit seiner Familie am Rande von Manbij.

Junis hatte neun Geschwister, vier Brüder und fünf Schwestern. Er war der Älteste der Jungen, nur zwei seiner Schwestern waren noch älter als er. Es war von Vorteil in der „Mitte“ zu sein, dachte er oft. Man konnte von den Älteren lernen und das Gelernte an die jüngeren Geschwister weitergeben.

Junis war nicht sehr groß, keiner in der Familie war groß gewachsen. Aber er hatte große Hände, die kräftig zupacken konnten. Seine Haare waren schwarz mit einer leicht rötlichen Färbung, die zum Vorschein kam, sobald die Sonne darauf schien. Er war ein meist gutgelaunter junger Mann, der das Leben so nahm, wie es kam, wie es Allah für ihn gewählt hatte.

Seine Familie war sehr gläubig und sowohl die Männer als auch die Frauen gingen regelmäßig in die Moschee zum Beten. Als Kind hatte er die Koranschule in Manbij besucht und las noch heute täglich im Koran. Durch den Ausbruch des Bürgerkrieges, konnte er wie die meisten seiner Freunde die Schule nicht beenden.

Am Ende dieses Sommers würde er seinen 17. Geburtstag feiern, ein letztes Jahr Schonfrist. Dann würde er wie alle Männer zwischen 18 und 42 Jahren seinen Militärdienst ableisten müssen. Entkommen konnten diesem nur Männer, die nicht gesund waren oder keine Brüder hatten.

In Zeiten des Krieges wurde oft auch darauf keine Rücksicht genommen und es konnte sogar passieren, dass jüngere Männer rekrutiert wurden. Aber auch das würde er so hinnehmen.

Sein Traum war es zu studieren, vielleicht Rechtswissenschaften, Geschichte oder auch Islamwissenschaften und er war sich sicher, dass er es eines Tages schaffen würde.

*

Manbij gehörte zum Gouvernement Aleppo. Wenn man die Straße von Manbij aus noch circa 30 Kilometer weiter nach Nordosten fuhr, dann erreichte man eine Brücke, die über den Euphrat führte, der genau an dieser Stelle durch die Tabqa-Talsperre aufgestaut war.

Der Euphrat ist der größte Strom Vorderasiens, ungefähr 2800 Kilometer lang. Im Sommer fuhr Junis gerne mit seinen Freunden zum Ufer des Euphrats, um sich zu erfrischen und ein Bad in dem kühlen Wasser zu nehmen. Es waren schöne Tage, an die er sich gerne erinnerte, geprägt durch die Schule, die Gänge zur Moschee, Familienfeiern und einfach nur Leben.

Als dann der Bürgerkrieg begann, wurde die Stadt Manbij immer wichtiger. Etwa ein Drittel der Bevölkerung waren kurdische Jesiden, der größte Teil der Bevölkerung aber bestand aus muslimischen Arabern.

Im Januar 2014 eroberte der Islamische Staat Manbij. Für sie war die Stadt, die nahe der türkischen Grenze lag, strategisch sehr wichtig, um einen Nachschub von ausländischen IS-Kämpfern aus der Türkei zu gewährleisten, aber auch um Kämpfer zum Beispiel nach Europa zu schicken, um Anschläge zu planen und zu verüben.

Mit ihrem Einzug in die Stadt war das leichte Leben vorbei. Die islamistischen Kämpfer achteten streng darauf, dass die Bevölkerung die Regeln der Scharia einhielt. Die Männer durften ihre Bärte nicht mehr schneiden und die Frauen mussten einen Gesichtsschleier tragen. Alkohol, Tabakkonsum und natürlich auch der Anbau von Tabak war strengstens verboten.

*

Junis trat auf sein Gaspedal. Das Grollen kam immer näher. In der Ferne sah er bereits das Haus seines Großvaters mit den angrenzenden Stallungen.

Er bremste etwas ab, um in der letzten Kurve nicht von der Straße abzukommen. Nachdem er die Kurve passiert hatte, wollte er gerade wieder beschleunigen, da sah er sie.