Das Buch

Wo „Fifty Shades of Grey“ endet, fängt „Expect the Unexpected“ an!

Alice genießt ihr Leben in Berlin in vollen Zügen, liebt Sex mit wechselnden Partnern – und hat trotzdem eine bisher unerfüllte Sehnsucht. Als plötzlich der englische Millionär und Starautor Sam MacAllan auftaucht, erfüllt er ihr eine wunderbare Nacht lang ihre Fantasien. Doch Sam scheint in ihr nur eine flüchtige Affäre zu sehen. Good-bye, mein Master …

Alice ahnt nicht, wie stark auch Sams Gefühle für sie sind. Bis er in einem ominösen Herrenhaus in der Nähe von London ein heimliches Treffen für sie beide arrangiert. Was erwartet Alice dort? Mit Herzklopfen lässt sie sich auf das riskante Spiel ein …

Die Autorin

Lucy M. Talisker wurde 1985 in London geboren. Ihre Eltern, beide Künstler, zogen mit ihr durch die Welt. Später besuchte sie verschiedene Internate, studierte in Berlin und begann während des Studiums zu schreiben – erotische Gedichte und Kurzgeschichten. „Expect the Unexpected – Erregendes Spiel“ ist ihr erster Roman. Sie lebt mit ihren drei Katern Chico, Harpo und Groucho in Berlin, jobbt in einer Cocktailbar und wünscht sich, irgendwann vom Schreiben leben zu können.

Neugierig auf Lucy M. Talisker?

Besuchen Sie die Autorin unter

www.facebook.com/LucyTalisker

Für H. G.

Danke für deine Strenge und Nachsicht, für deine Fantasie und Unterstützung, für deine Zuneigung und Freundschaft

Inhaltsverzeichnis

  1. Kapitel
  2. Kapitel
  3. Kapitel
  4. Kapitel
  5. Kapitel
  6. Kapitel
  7. Kapitel
  8. Kapitel
  9. Kapitel
  10. Kapitel
  11. Kapitel
  12. Kapitel
  13. Kapitel
  14. Kapitel
  15. Kapitel
  16. Kapitel
  17. Kapitel
  18. Kapitel
  19. Kapitel
  20. Kapitel
  21. Kapitel
  22. Kapitel

PROLOG

Alice ging eine lange, schmale Straße entlang. In der Ferne verströmte eine schwache Gaslaterne ihr gelbliches Licht. Alice bemerkte, dass sie völlig nackt war, doch das irritierte sie nicht. Außer dem Klackern ihrer hohen Absätze auf dem feuchten Asphalt, das von den Backsteinwänden widerhallte, herrschte Stille. Die Häuser hatten keine Eingangstüren, nur hoch oben ein paar kleine Fenster, die jedoch alle dunkel waren.

Plötzlich hörte sie ein anderes Geräusch – Schritte, gedämpft, wie von weichen Ledersohlen. Sie blieb unvermittelt stehen, um die Richtung zu lokalisieren, doch im selben Moment war es totenstill. Kaum setzte sie sich wieder in Bewegung, vernahm sie erneut die Schritte – hinter sich.

Statt Angst verspürte sie eher Erregung und wurde von einer unerklärlichen Neugier gepackt, wer ihr folgte. Sie verharrte, blickte sich um, konnte aber nichts erkennen. Mit zusammengekniffenen Augen starrte sie die einsame Straße hinauf und hinunter, doch da war nur Dunkelheit. Langsam ging sie weiter, als sie registrierte, dass die Schritte jetzt vor ihr waren.

Im selben Augenblick trat schemenhaft eine Gestalt aus der Schwärze. Die Gaslaterne in der Ferne umgab die Silhouette mit einem sanften Schein. An der Art, wie er sich bewegte, erkannte sie, dass es ein kräftiger Mann war, der auf sie zukam. Sie zitterte vor Aufregung, dachte aber nicht an Flucht, sondern blieb stehen und erwartete ihn. Als er sich näherte, sah sie, dass er einen langen dunklen Mantel und unter seinem Hut eine schwarze Augenmaske trug.

Schließlich stand er so dicht vor ihr, dass er Alice hätte berühren können. Doch er verharrte reglos und blickte ruhig auf sie herab. Er war mehr als einen Kopf größer als sie.

In ihrem Kopf rauschte es, die Gedanken wirbelten durcheinander, bis ihr schwindelig wurde. Was geschah hier? Was wollte der Fremde von ihr? Ein unerklärliches, nie gespürtes Verlangen ergriff von Alice Besitz. Sie hatte plötzlich den starken Wunsch, vor diesem Mann zu knien, sich ihm völlig zu unterwerfen, ganz und gar auszuliefern.

Ein schmerzhaftes und zugleich wohliges Ziehen im Unterleib ließ sie leise aufstöhnen. Sie hatte kurz das Gefühl zu ersticken und saugte reflexartig Luft ein. Ihr eigener Atem kam ihr plötzlich übermäßig laut vor und erschreckte sie. Unsicher blickte sie zu dem Unbekannten auf und sah seine dunklen Augen hinter der Maske gefährlich aufblitzen.

Gleichzeitig öffnete er schweigend seinen Mantel. Sie konnte nicht erkennen, was darunter war. Ohne ein Wort machte er noch einen Schritt auf sie zu und bedeckte ihren nackten Leib mit dem kühlen, weichen Leder. Als er die Arme langsam um sie schloss, verschwand sie vollständig unter der Umhüllung. Alice kam es magisch vor, dass sie genau in diese unergründliche Höhle passte, in der sie etwas bisher Ungeahntes, das sie unwiderstehlich anzog, erwartete.

Sein mächtiger Körper, an den sie sich bereitwillig schmiegte, strahlte Hitze aus. Der Duft frischen Schweißes und der Ledergeruch umhüllten sie wie eine zweite Haut.

Der Mann drückte sie hart an sich. Ihre zarten Brustwarzen pressten sich schmerzhaft gegen seinen Oberkörper. Sie sog seinen herben Geruch ein. Schließlich lockerte er den Griff ein wenig, und Alice verstand instinktiv, was er von ihr erwartete.

Sie ließ sich vor ihm auf die Knie sinken. Es schmerzte leicht, als ihre Knie den kalten Asphalt berührten. Das war jedoch sogleich vergessen, als sie seinen harten Schwanz an ihrer Wange spürte. Mit einem Ruck bewegte er die Hüfte, sodass seine Männlichkeit fordernd an ihre Lippen stieß. Wie selbstverständlich öffnete Alice den Mund, befeuchtete sich mit der Zunge und nahm ihn zwischen ihren Lippen auf. Sie spürte seine Hand an ihrem Hinterkopf, und im selben Moment stieß er zu.

Sie meinte zu ersticken, soweit schob er seinen Phallus in ihren Rachen. Er zögerte den Moment ein wenig hinaus, bevor er sich etwas zurückzog. Sie atmete durch die Nase und genoss das Aroma, war wie berauscht davon. Willig schob sie ihm ihren Kopf entgegen, verschlang ihn wieder und saugte an ihm. Erneut spürte sie den Druck am Hinterkopf und ließ sich von seiner Hand den Rhythmus vorgeben. Rein und raus, rein und raus – immer schneller.

Lustvoll stöhnte sie auf und öffnete dabei ihre Lippen. Augenblicklich zog er seinen Schwanz aus ihr heraus. Doch sie wollte weiter an ihm saugen und lecken, ihn nie wieder loslassen. Kurz bevor er sich ganz zurückziehen konnte, umschloss Alice ihn eng und ließ die Zunge um seine Eichel kreisen. Sie reizte ihn mit dem sanften Knabbern ihrer Zähne, leckte ihn.

Währenddessen hörte sie, im Innern seines Mantels, nur ihr eigenes Saugen und Stöhnen. Willig nahm sie seinen harten Schwanz wieder ganz in sich auf und bewegte sich mit ihm, im immer schneller werdenden Rhythmus, vor und zurück. Sie spürte den Schmerz im angespannten Kiefer und wie sich ihre Zähne von innen in die Lippen, die ihn umschlossen hielten, bohrten, doch er ließ ihr keine Wahl. Sie fügte sich und saugte mit Hingabe. Wie lange sie so vor ihm kniete, wusste sie nicht – sie hatte sich völlig in ihrer Lust aufgelöst.

Dann stieß er ein weiteres Mal zu und ergoss sich in ihren Mund. Sie schmeckte seinen salzigen Saft, als sie ihn dankbar schluckte, leckte jeden Zentimeter seines pulsierenden Schwanzes ab, ließ sich den Geschmack wie einen edlen Wein auf der Zunge zergehen und genoss ihn bis zum letzten Tropfen.

Erschöpft sank sie in sich zusammen und kauerte auf ihren schmerzenden Knien. Doch er ließ ihr keinen Moment der Ruhe. Seine Arme zogen sie hoch, und als er den Mantel über ihr öffnete, begegneten sich ihre Blicke. Alice konnte die Befriedigung in seinen Augen sehen und ein leichtes Lächeln, das über seine Lippen zuckte.

Er sagte kein Wort, sondern fasste sie an den Schultern und drehte sie von sich weg. Sie fröstelte ohne die Glut seines Körpers und spürte das kalte Leder seines Mantels an ihrem Rücken, als seine Finger begannen, ihren Körper zu erkunden.

Er umfasste ihre Brüste, die genau für seine Hände geschaffen zu sein schienen, und massierte sie mit hartem Griff. Er spielte mit den Nippeln, die sich in der Nachtkühle aufgerichtet hatten. Als er plötzlich fest zukniff, durchfuhr der Schmerz ihren Körper, ihr Unterleib zuckte reflexartig, und Alice stöhnte laut auf.

„Still!“, mahnte seine tiefe Stimme streng.

Zum ersten Mal hatte er zu ihr gesprochen. Sie hielt den Atem an und verharrte. Alice wünschte sehnlichst, dass er weiter zu ihr sprechen möge, ihr erklären, was mit ihr passierte, doch stattdessen drückte seine kräftige Hand ihren Oberkörper stumm nach vorne, und er trat einen Schritt zurück. Sie wagte nicht, sich zu rühren. In demutsvoll gebeugter Haltung stand sie nackt auf dem Asphalt und erwartete, was er jetzt mit ihr tun würde.

Sie hörte das Rascheln des Mantels. Was tat er? Seine begierigen Blicke, auf ihren hochgereckten Hintern und die leicht gespreizten Beine, konnte sie förmlich spüren. Dann vernahm sie ein leises Sirren in der Luft. Sie versuchte noch, den Kopf zu drehen, doch im selben Moment wurde das Geräusch lauter, und gleich darauf hörte sie es Klatschen. Erschrocken stieß sie einen Schrei aus, als ein brennender Schmerz sie durchfuhr. Wie zur Antwort sauste schon der nächste, härtere Schlag auf ihren Po nieder.

Eine Peitsche! Alice stöhnte unterdrückt auf. Er peitscht mich aus …

Automatisch versuchte sie, sich aufzurichten, um weiteren Schlägen auszuweichen. Doch augenblicklich zwang er sie mit harter Hand zurück in die demütige Haltung, um mit einer fließenden Bewegung weiter zu ihrem brennenden Hintern zu gleiten. Das Gefühl seiner kühlen Hand, die zärtlich über die frischen Striemen strich, war unbeschreiblich. Alice konnte nicht anders, als lustvoll aufzuseufzen, als sie spürte, wie seine Finger zwischen ihre Beine glitten.

Doch dieser Laut brachte ihr einen weiteren Hieb mit der Peitsche ein. Statt erneut loszuschreien, biss sie diesmal auf ihre Faust und ertrug das Brennen. Wie zur Belohnung spürte sie seine Hand, die sie mit sanftem Druck massierte. Gleichzeitig packte er sie fest an der Hüfte, sodass sie sich ihm nicht entziehen konnte.

Alice reckte sich ihm ungeduldig entgegen. Doch er ließ sich Zeit, erkundete sie Millimeter für Millimeter.

Als er endlich mit zwei Fingern in sie eindrang, musste Alice wieder auf ihre Faust beißen, um nicht laut aufzuschreien. Eine Woge der Lust drohte sie mit sich zu reißen, als er sie tief in ihrem Innern berührte. Sie schwankte auf ihren hohen Schuhen, doch sein unerbittlicher Griff um ihre Hüfte hielt sie.

Alice sehnte sich danach zu kommen, doch plötzlich zog er seine Finger aus ihr heraus. Ungläubig schnappte sie nach Luft. Warum hörte er jetzt auf? Bevor sie reagieren konnte, spürte sie etwas Hartes zwischen ihren Beinen.

Oh, ja, bitte!, fuhr es ihr durch den Kopf, als er seinen Schwanz kräftig in sie hineinstieß. Alice biss sich ihre Fingerknöchel wund, als sie versuchte, ihre Lustschreie zu unterdrücken. Wieder und wieder spießte er sie von hinten auf und steigerte ihre Wollust in ungeahnte Höhen. Er musste spüren, dass sie jede Sekunde kommen würde, denn plötzlich beugte er sich ein Stückchen zu ihr herunter und flüsterte in ihr Ohr:

„Jetzt …!“

Seine Stimme löste die Explosion in ihrem Körper aus. Sie schrie laut auf, als sie wieder und wieder kam. Die multiplen Orgasmen überstiegen alles, was sie bisher erlebt hatte. Alice schrie, bäumte sich auf und sackte schließlich in sich zusammen, als er seinen Schwanz aus ihr herauszog.

Mit geschlossenen Augen und angezogenen Knien lag sie völlig erschöpft, zitternd vor Lust, auf dem Asphalt, der ihr in diesem Moment warm und weich wie ein tropischer Sandstrand vorkam. Tränen des Glücks liefen ihr übers Gesicht, als sie spürte, wie seine Hand ihr zärtlich übers Haar strich. Ohne ein Wort stieg er über sie hinweg. Alice erschauerte wohlig, als der Saum seines Mantels über ihren Körper strich. Auf leisen Sohlen verschwand er in der Nacht.

Als ihr Atem endlich wieder ruhiger ging, öffnete sie vorsichtig die Augen und blinzelte. Um sie herum war es plötzlich gleißend hell. Hunderte Scheinwerfer strahlten sie aus den Fenstern hoch oben an. Geblendet legte sie die Hände vor die Augen, stützte sich verwirrt auf die Ellenbogen und entdeckte etwas Glitzerndes, das neben ihr, auf ihrem langen Haar lag. Fasziniert betrachtete sie die goldene Kette mit dem länglichen Anhänger. Sie musste lächeln, als sie erkannte, was es war: eine winzige Peitsche …

Wacklig erhob sie sich auf den Pumps und wurde sich plötzlich wieder bewusst, dass sie völlig nackt in dem sie von allen Seiten bescheinenden grellen Licht stand. Sie versuchte instinktiv, ihre Brust und Scham mit den Händen zu bedecken, doch immer wenn sie ihre eigene Haut berührte, brannte es wie Feuer. Schließlich begriff sie, dass es sinnlos war, und im selben Moment fühlte sie sich leicht und wie von einer Last befreit. Sie breitete die Arme weit aus, stellte sich mit gespreizten Beinen auf die Straße und genoss lachend die Strahlen der Scheinwerfer.

Verschwitzt wachte Alice mitten in der Nacht auf. Sie war außer Atem, blinzelte in das Licht der Nachttischlampe und blickte sich suchend um. Es dauerte einen Moment, bis sie realisierte, dass alles nur ein erotischer Traum gewesen war. Zwischen Erleichterung und Enttäuschung überlegte sie, was es bedeuten mochte, dass sie sich einem fremden Mann freiwillig so völlig ausgeliefert hatte und dabei mehr Lust empfunden hatte als bei all den Männern, mit denen sie bisher zusammen gewesen war.

Okay, sie hatte Spaß am Sex, doch irgendetwas Anderes, Dunkles schien da in ihr zu schlummern, das sie bis jetzt mit niemandem ausgelebt hatte. Keiner ihrer bisherigen Liebhaber hatte die faszinierende Dominanz ausgestrahlt, die sie sich in ihrem Innern zu wünschen schien.

Als Alice die deutlichen Bilder ihres Traums erneut vor ihrem geistigen Auge vorüberziehen ließ, verstand sie, dass der zugleich unheimliche und anziehende Mann kein Unbekannter war. Hatte er nicht ein bisschen Ähnlichkeit mit jemandem, den sie früher gekannt hatte …? Lächelnd löschte sie das Licht, kuschelte sich in ihre Decke und tauchte wieder in ihre Fantasien ab.

1. KAPITEL

„Jetzt ist endgültig Schluss!“

Wütend drehte sie sich um, riss die Wohnungstür auf und knallte sie mit Schwung hinter sich zu. Die schwere Holztür vibrierte kurz nach, dann war es still. Alice blieb einen Moment lang im dunklen Treppenhaus stehen und lauschte. Nichts. Er versuchte nicht mal, sie aufzuhalten. Kein Protest oder wenigstens ein ungläubiger Ausruf. Kein Versuch, sie umzustimmen. Er stand hinter der Tür in seinem Flur und tat – nichts! Obwohl sie fest entschlossen war, die ewig gleiche Diskussion mit ihm ab heute nie wieder zu führen, war sie dennoch etwas enttäuscht, dass er ihren filmreifen Drama-Queen-Abgang einfach so hinzunehmen schien. Das brachte sie noch mehr in Rage. Genervt knallte sie ihre Faust auf den Lichtschalter und stöckelte extra laut die Treppen vom Dachgeschoss hinunter. Vielleicht überlegte er es sich ja doch noch anders, wenn er hörte, dass sie ernst machte und tatsächlich ging. Aber nichts geschah.

Dann eben nicht!, dachte sie und warf den Kopf trotzig in den Nacken. Ich will ja sowieso nichts mehr mit diesem Idioten zu tun haben. Als wenn ich den brauchen würde. Ha!

Als sie die schwere Haustür zur Straße aufzog, fröstelte sie. Sie zog ihren schwarzen Lackmantel eng an den Körper. Ihre Hände tasteten vergeblich nach dem Gürtel. Verdammt, der liegt oben im Schlafzimmer! Aber deshalb gehe ich jetzt bestimmt nicht noch mal zurück!

Energisch krallte sie ihre Finger in den Lack und hielt den Mantel so gut wie möglich geschlossen. Wenn das Ding wenigstens Knöpfe hätte!

Vor einer halben Stunde war sie allerdings noch froh gewesen, dass nichts dergleichen Marcels Hände davon abgehalten hatten, den Mantel mit einem einzigen entschiedenen Griff zu öffnen.

Sie hatte es genossen, seinen Blick zu spüren, als er ihr die Wohnungstür öffnete und sie lässig eingetreten war. Er hatte es kaum abwarten können, sie direkt in sein Schlafzimmer zu ziehen. Als er den Lackmantel mit einem Ruck aufzog, stand sie nackt, nur in schwarzen Strapsen und Nylons, vor ihm. Die Hände lässig auf die Hüften gelegt, hatte sie den Moment seines Erstaunens voll ausgekostet. Während sie den Mantel langsam über ihre Schultern zu Boden gleiten ließ, machte sie einen Schritt zurück, damit er sie ausgiebig bewundern konnte.

„Wie geil ist das denn?“, hatte er gestammelt, während er jeden Quadratzentimeter ihres Körpers fasziniert anstarrte.

„Das ist alles deins … Wenn …“

„Wenn was?“ Er sprach wie hypnotisiert mit ihren Brüsten.

„Das geile Programm könntest du immer haben, wenn …“ Sie lächelte vielsagend. Verwirrt blickte er ihr schließlich in die Augen.

„Wie jetzt, immer? Was meinst du?“

„Wenn du dich endlich scheiden lässt!“, erwiderte sie mit Nachdruck. Ein Schatten huschte über sein Gesicht.

„Aber ich bin doch schon seit Jahren von Vera getrennt. Was willst du denn noch?“

„Das, was ich von Anfang an wollte – eine Beziehung mit Zukunft!“

Sie sah ihn herausfordernd an. Alle Geilheit war augenblicklich aus seinem Blick verschwunden.

„Was soll das heißen? Zukunft? Also, ich bin zufrieden, so wie es ist. Und wie ich sehe, fällt dir immer noch eine Steigerung ein. Ist doch alles perfekt. Oder?“

Damit war die Diskussion eröffnet. Seit einem knappen Jahr waren sie ein Paar. Marcel, der erfolgreiche Arzt, Anfang vierzig, durchtrainierter Körper dank Tennis, Vater einer vierjährigen Tochter. Er war intelligent, amüsant, attraktiv – und noch immer verheiratet. Mit dem Kind, das nur ab und zu mal bei ihm übernachtete, wenn Vera es erlaubte, hatte Alice sich arrangiert. Allerdings nervte es sie, dass die Ex auch drei Jahre nach der Trennung zwei komplette Schränke in Marcels Zweihundertfünfzig-Quadratmeter-Dachgeschoss mit ihren zurückgelassenen Designer-Klamotten und - Schuhen belegte. Ihn schien diese andauernde Präsenz seiner Exfrau nicht zu stören. Er hatte genügend Platz in den anderen Schränken und kümmerte sich nicht darum.

Aber Alice konnte es nicht ertragen. Ihr weiblicher Instinkt sagte ihr, dass das Taktik war. Damit wollte Vera ihrer Nachfolgerin demonstrieren, dass sie noch immer Teil von Marcels Leben war. Sie hatte ihr Revier nachhaltig markiert. Nachdem Alice’ Bitten und Sticheleien nicht gefruchtet hatten, hatte sie vor ein paar Wochen die Gelegenheit genutzt, Fakten zu schaffen. Als Marcel mit einem Freund beim Tennistraining war und sie in seiner Wohnung auf ihn wartete, hatte sie in der Küche eine Rolle mit blauen Müllsäcken gefunden. In diese stopfte sie mit spitzen Fingern sämtliche Schickimicki-Klamotten der Ex und deponierte sie demonstrativ direkt neben der Haustür. Befriedigt von ihrer spontanen Aktion lauerte sie auf dem Sofa auf Marcels Reaktion.

Als er schließlich zurückkam, stolperte er über eine der Tüten, die sie direkt an der Wohnungstür platziert hatte, und ein Dutzend Designer-Schuhe ergossen sich polternd aufs Parkett. Alice lehnte sich auf dem Sofa zurück und freute sich schon darauf, dass er explodierte. Doch anstatt zu kapieren, was diese bühnenreife Demonstration zu bedeuten hatte, rief er nur irritiert in Richtung Wohnzimmer: „Wusste gar nicht, dass Vera noch so viele Sachen hier hat. Warum hast du die alle aus den Schränken gekramt?“

Da platzte Alice der Kragen. Sie stürmte in den Flur, baute sich wütend vor ihm auf und raunzte ihn an: „Ich hab dir schon mehrfach gesagt, dass es mich nervt, ständig daran erinnert zu werden, dass meine Vorgängerin in deinem Leben noch immer sehr präsent ist!“

„Sie ist schließlich die Mutter meiner Tochter. Und wenn ich sie vergrätze, darf die Kleine nicht zu mir kommen“, rechtfertigte er sich lahm.

Immer die gleiche Leier! „Du lässt dich von der Schlampe erpressen“, schleuderte Alice ihm entgegen.

„Quatsch. Ich will ihr jetzt doch auch den Porsche wieder abnehmen, den ich ihr vor zwei Jahren gekauft hab. Willst du den nicht fahren?“ Er sah sie erwartungsvoll an.

Alice schnappte nach Luft. Wie konnte er glauben, dass er sie damit besänftigen könnte?

„Ich lege keinen Wert auf die abgelegten Luxusgüter deiner Ex!“, versetzte sie kühl.

Sie hatte von Anfang an darauf bestanden, dass sich ihre gemeinsamen Ausgaben für Essen und Reisen die Waage hielten. Obwohl er wesentlich mehr Geld hatte. Aber lieber nutzte sie ihren Dispokredit voll aus, als sich nachsagen zu lassen, sie sei auf seinen Reichtum aus. Sie wollte sich nicht kaufen lassen, sondern eine Beziehung auf Augenhöhe. Das mit der Augenhöhe hatte sie bisher ganz gut hingekriegt, aber an der Beziehung arbeitete sie immer noch …

Solange Marcel weiterhin in derselben Wohnung lebte, die er gemeinsam mit seiner Familie bewohnt und eingerichtet hatte, konnte sich Alice kein Zusammenleben mit ihm vorstellen. Auf dem stylischen Ledersofa zu sitzen, das wahrscheinlich seine Ex ausgesucht hatte, von dem kitschigen Versace-Geschirr zu essen, das genau nach Veras Geschmack war, und mit Marcel in demselben Bett zu liegen, in dem er früher mit der anderen geschlafen hatte, passte Alice überhaupt nicht. Ihr Ego sträubte sich vehement dagegen, dass er nur die Frau an seiner Seite ausgewechselt hatte, aber ansonsten aus Bequemlichkeit alles beim Alten beließ. Das entsprach nicht ihrer Vorstellung von einer Partnerschaft mit Perspektive.

Ein paar Wochen am Stück schaffte sie es dennoch, alles, was sie nervte, zu ignorieren und mit Marcel Harmonie und Zweisamkeit zu zelebrieren. Sie hoffte, dass die Zeit für sie arbeiten und er irgendwann einsehen würde, dass er etwas ändern musste, um sie zu halten. Und genügend Gründe dafür hätte er gehabt.

Alice war fünfundzwanzig, unkompliziert, fröhlich, selbstständig und attraktiv. Sie verdiente ihr eigenes Geld als Texterin in einer Werbeagentur. Ihre kastanienbraunen Locken fielen bis über die Schultern, sie war schlank, hatte appetitliche, kleine Brüste, einen prallen, straffen Hintern und betonte ihre weibliche Figur gerne mit sexy Outfits. Sie war nicht gerade der Typ „Rasseweib“, aber schon durch ihre 1,79 Meter Größe alles andere als eine unscheinbare, graue Maus.

Alice war in jeder Beziehung neugierig und offen für Experimente. Langeweile und Spießigkeit ödeten sie an. Eigentlich hatte sie nie heiraten wollen, allerdings in letzter Zeit immer mal wieder darüber nachgedacht, ob es nicht schön wäre, endlich irgendwo anzukommen, zu jemandem dazuzugehören und sich geborgen zu fühlen.

Als sie Marcel kennenlernte, hatte sie vom ersten Moment an das Gefühl, dass er der Richtige für sie sein könnte. Sie hatten viel gelacht, miteinander gekocht, edlen Rotwein getrunken, nächtelang geredet und waren gemeinsam in sein Haus in der Toskana gereist. Abgesehen von der italienischen Musik, die er liebte, und die sie grauenhaft fand, waren sie wie füreinander geschaffen.

Auch beim Sex harmonierten sie. Alice genoss es, wenn er sie dabei dominierte. Während sie in ihrem sonstigen Leben Wert auf Selbstständigkeit legte und gerne die Zügel in der Hand hielt, liebte sie es, sich beim Sex gehen und vom Mann führen zu lassen.

Allerdings spürte sie, dass er im Bett nur den Macho spielte, doch sie redete sich ein, dass das mit der Zeit schon besser werden würde. Immerhin schaffte er es meist, sie zum Höhepunkt zu bringen. Wenn sie dann zufrieden in seinen Armen lag, schöpfte sie jedes Mal erneut Hoffnung, dass er am Ende genau das Gleiche fühlte und wollte wie sie.

Doch der nächste Krach war vorprogrammiert, wenn sie mitbekam, wie er seiner Ex schmeichelte, weil er seine Tochter am Wochenende sehen wollte. Und natürlich konnte Vera nach kurzer, heftiger Diskussion am Telefon, von der Alice nur Marcels lahme und erfolglose Argumentation auf seiner Seite der Leitung aufschnappte, ihren Porsche behalten. Er war mal wieder eingeknickt und hatte sich von ihr um den Finger wickeln lassen. Alice war wütend, als ihr bewusst wurde, dass sie ständig zurückstecken und Kompromisse eingehen musste, während die Andere mit ein bisschen Druck problemlos alles bekam, was sie wollte.

Nach dem letzten Streit war Alice mitten in der Nacht aufgestanden, hatte sich angezogen und war ohne ein weiteres Wort in ihre Zweizimmerwohnung gefahren. In die hatte Marcel noch nie seinen Fuß gesetzt, sondern bestand darauf, dass sie sich grundsätzlich bei ihm im Dachgeschoss trafen, wo er sich heimisch fühlte und sie immer nur zu Gast war. Obwohl sie mindestens zwei bis drei Abende pro Woche bei ihm verbrachte, hatte er ihr keinen eigenen Schlüssel für seine Wohnung anvertraut.

Nach ihrem dramatischen nächtlichen Abgang hatte sie drei Tage lang darauf gehofft, dass Marcel sich melden und sie um Verzeihung bitten würde. Als das nicht passierte, schluckte sie ihren Stolz mal wieder herunter, überließ ihrer Sehnsucht nach seinem Körper den Sieg und rief ihn an. Er klang am Telefon so wie immer – als wenn es das Normalste der Welt wäre, dass sich seine Freundin seit Tagen nicht gerührt hatte. Er war gewohnt charmant, sagte ihr, dass er sie vermisse, und fragte fröhlich, wann sie denn vorbeikäme. Den vorangegangenen Streit schien er vergessen oder verdrängt zu haben. Alice begriff, dass sie ihre Taktik ändern musste, und beschloss, lieber die Waffen einer Frau einzusetzen.

Noch am Abend war sie zu ihm gefahren. Als Versöhnungsgeste ließ sie sich etwas Besonderes einfallen. Auch wenn der Dispo schon fast ausgereizt war, hatte sie schwarze Strapse und glänzende Nahtstrümpfe gekauft. In ihrem Schrank suchte sie nach dem langen Lackmantel und den schwarzen Stilettos. Sie probierte das sexy Outfit vor dem Spiegel an und war von der Wirkung selbst fasziniert.

Also, wenn er das Angebot ausschlägt, ist ihm nicht zu helfen, motivierte sie sich. Sobald er mich so sieht, wird er mir keinen Wunsch abschlagen können. Vielleicht wird dann auch der Sex mit ihm etwas interessanter und härter … Damit ist die Ex endgültig Geschichte! Er wird sich scheiden lassen und mit mir ein neues Leben anfangen. Wäre doch gelacht. Ich bin pure Erotik auf zwei sehr ansehnlichen Beinen.

Wenige Stunden später stand eine bibbernde Alice fluchend auf der nächtlichen Straße in Charlottenburg und hoffte, dass bald ein freies Taxi vorbeikommen würde. Der Abend war leider völlig schiefgelaufen.

Immerhin hatte ich einen filmreifen Abgang. Jetzt weiß er, dass endgültig Schluss ist! Was bildet der Typ sich ein? In Berlin laufen noch tausende andere attraktive, intelligente und charmante Männer rum! Na ja, ein paar stecken noch in Beziehungen, sind schwul oder haben ein schräges Ding mit ihrer Ex laufen, aber irgendwo dazwischen sind die Guten. Ab sofort bin ich wieder auf dem Markt und auf der Pirsch. Von Beziehungsversuchen mit Blümchensex und gespielter Dominanz hab ich jedenfalls die Nase gestrichen voll! Ich brauche einen richtigen Kerl …

Alice lächelte vor sich hin, als sie das gelbe Taxi-Schild auf sich zukommen sah. Sie winkte kurz, und sofort hielt der Fahrer direkt vor ihr an.

„Nach Kreuzberg, Marheinekeplatz, bitte“, sagte sie und ließ sich in die Ledersitze zurücksinken. Der Lackstoff quietschte leise, als sie es sich auf der Rückbank bequem machte. Dabei öffnete sich der Mantel einen Moment lang über ihrem Dekolleté und entblößte ihre Brust. Im Augenwinkel bemerkte Alice, dass der junge Fahrer im Rückspiegel einen interessierten Blick darauf warf. Sie zwinkerte ihm kurz zu und lehnte sich zufrieden zurück.

2. KAPITEL