Fünfter Aufzug.

Inhaltsverzeichnis

Schauplatz: Eine freie Stelle im Park, rings umgeben von hohen Kastanienbäumen. Rechts und links zwei Pavillons, mit verschlossenen Jalousien. Eine Rasenbank zur Seite, im Vordergrunde. Im Hintergrunde eine Lichtung im Park. Die Scene ist dunkel.

Erster Auftritt.

Fanchette (allein. Sie schleicht herein, in einer Hand eine Orange und etwas Backwerk, in der andern eine angezündete Papierlaterne). Im Gartenhaus links, hat er gesagt. (Deutend.) Das ist rechts, und das ist links. Also hier. Wenn er am Ende gar nicht käme! Das garstige Volk in der Küche wollte nicht einmal eine Orange und das bischen Backwerk für ihn herausgeben. (Nachahmend.) Für wen soll's, Jungfer? So fragte der grobe Mundkoch. – Für Jemand Gewissen. – Aha, für den lustigen Pagen. – Wenn auch? Soll er etwa Hungers sterben, weil ihn der Herr Graf nicht sehen will? – Die Schande! Mit einem Kuß hab' ich's bezahlen müssen. – Wer weiß, vielleicht giebt ihn Cherubin mir wieder. (Sie bemerkt Figaro, welcher, sie beobachtend, herangeschlichen ist.) Ha, da ist Jemand. (Entflieht in den Pavillon links.)

Zweiter Auftritt.

Figaro (im dunklen Mantel und breitkrämpigen Hut. Etwas hinter ihm, einzeln hereinschleichend:) Basilio. Antonio. Bartholo. Friedensrichter. Dienerschaft. Landleute, theils mit Fackeln.

Figaro (anfangs allein). Es war nur Fanchette. (Den einzeln Ankommenden entgegen.) Guten Tag, ihr Herren. Guten Abend vielmehr. Seid ihr alle da?

Basilio. Alle, wie wir geladen sind.

Figaro. Um welche Zeit ist's?

Antonio (emporblickend). Der Mond sollte schon heraus sein.

Bartholo. Wie siehst du aus? Wie ein Verschworener!

Figaro. Nicht wahr, man hat euch zu einer Hochzeit in's Schloß geladen?

Friedensrichter. Jawohl! Es ist Hoch-Hochzeit!

Figaro. Ihr braucht euch nicht weiter zu bemühen. Hier, (bitter) unter den Kastanienbäumen, werden wir mein züchtiges Bräutchen und unseren guten gnäd'gen Herrn erwarten.

Bartholo (halblaut, erst für sich, dann zu den übrigen). Holla, was fällt mir ein?! Wenn ihr gescheit seid, macht ihr euch aus dem Staube. Es handelt sich um ein Stelldichein. Ich werde euch Alles erklären. (Man beginnt, sich wegzustehlen.)

Friedensrichter. Wir werden spä-ä-äter die Ehre haben.

Figaro. Wenn ihr mich laut rufen hört, eilt Alle herbei. Ich stehe euch für ein ergötzliches Schauspiel.

Bartholo. Vergiß nicht, daß ein kluger Mann sich nicht in das Spiel großer Herren mischt.

Figaro. Ich weiß.

Bartholo. Daß sie alle Trümpfe in der Hand haben.

Figaro. Und falsch spielen, obendrein. Aber ich weiß auch, daß ein Feigling von allen zum Besten gehalten wird.

Bartholo. Richtig.

Figaro. Und daß ich den muthigen Geist meiner Mutter geerbt habe.

Bartholo. Der Bursch hat den Teufel im Leibe.

Friedensrichter. Den leibha-ha-haftigen Teufel.

Basilio (für sich, hämisch). Der Graf und Susanne haben sich ohne mich geeinigt? Ich freue mich auf die Störung.

Figaro (zu den Dienern und Landleuten, deren Nächste er ingrimmig erfaßt). Und ihr, Lümmel, vergeßt nicht hier herum den ganzen Park zu illuminiren. Auf einen Wink von mir muß Alles tageshell, sein. Verstanden?

Alle (durcheinander). Au weh! Ja, ja! Verstanden!

Basilio (im Abgehen). Des Himmels Segen über den glücklichen Bräutigam.

(Alle nach verschiedenen Seiten ab, außer Figaro.)

Dritter Auftritt.

Figaro(allein).

(Er geht heftig auf und nieder und spricht in düsterem Tone:)

O Weiber, Weiber, Weiber! schwaches, und doch in Ränken so starkes Geschlecht! Falschheit ist deine Natur, Täuschung dein Beruf! – Mir schlug sie ab, hierher zu kommen, als ich sie darum bat; und – ihm gewährt sie es in demselben Augenblick, wo sie mir feierlich ewige Treue schwört! Er lachte, da er das Brieflein las, und ich stand dabei wie ein Dummkopf. (Es schlägt zehn Uhr auf dem Schloßthurm. Er schreit auf.) Zehn Uhr! Ihre Stunde, mein Herr Graf! Aber kommen Sie nur, suchen Sie, – Susannen sollen Sie doch nicht finden! Weil Sie ein großer Herr sind, bilden Sie sich ein, auch ein großer Geist zu sein! Geburt, Reichthum, Stand und Rang machen Sie stolz. Was thaten Sie denn, mein Herr Graf, um so viele Vorzüge zu verdienen? Sie gaben sich die Mühe, auf die Welt zu kommen; das war die einzige Arbeit Ihres ganzen Lebens, dessen übrigen Theil Sie als ein ziemlich gewöhnlicher Mensch verpraßt und verprunkt haben! Ich dagegen, das Findelkind aus dem Volk, habe meinen Weg auf eigenen Füßen machen müssen. Um mein Brod zu verdienen, das harte, trockne Brod, habe ich oft in einem einzigen Tage mehr Verstand gebraucht, als die gesammte Regierung der Königreiche von Spanien und Navarra in hundert Jahren. Und Sie wollen sich mit mir messen?! Sie – mit mir, hahaha! (Indem er lauscht.) Sie kommt ... Nicht doch ... Niemand. Die Nacht ist pechschwarz, und ich spiele hier die einfältige Rolle des Ehemanns, obgleich ich noch keiner bin. (Er wirft sich auf die Bank.) Giebt es ein seltsameres Geschick als das meinige? Zigeuner stehlen mich, ehe ich von meinen Eltern eine Ahnung habe. Ich entlaufe ihnen, ihres unstäten Vagabundenlebens überdrüssig. Ich suche, strebe, ringe nach einem ehrlichen, anständigen Beruf, und finde alle Wege verschlossen, alle Thüren gesperrt. Mit der Guitarre auf dem Rücken durchwandere ich Spanien, singe maurische Volkslieder auf den Jahrmärkten und heidnische Schelmenstücklein in den Straßen der Städte. In Madrid nimmt der Gesandte des Kaisers von Marocco Anstoß an meiner Kunst; ich habe seinen Glauben verletzt, klagt er, seinen Propheten gehöhnt. Man weist mich aus, – voll Rücksicht und Ehrfurcht für den Sultan, der in seinen Staaten die Christenhunde nach Herzenslust pfählen läßt, ohne daß nur eine Bitte für sie laut zu werden wagt. Weil man den Geist nicht erniedrigen kann, rächt man sich durch Mißhandlungen an ihm. – Die Noth brach herein, ich hungerte, hatte Schulden. Schon sah ich die abscheulichen Gerichtsdiener heranrücken; verzweifelnd raffe ich mich auf. Es war eine Frage an der Tagesordnung: über die Nationalreichthümer, und da man gerade nicht zu haben braucht, worüber man schreibt, schrieb ich, ohne einen Heller in der Tasche, über den Werth des Geldes. Alsbald öffnet sich für mich – das Thor eines Kerkers; ich verliere Hoffnung und Freiheit. (Er springt auf) Hätte ich doch hier einen der Mächtigen des Tages, die so leichtsinnig einen Menschen mißhandeln, der nur die Wahrheit sagt. Müde, mich zu ernähren, wirft man mich endlich hinaus. Ich greife wieder zur Feder, werde Schriftsteller. Man sagte mir, Spanien habe Preßfreiheit und ich könnte, natürlich unter Aufsicht von zwei, drei Censoren, schreiben, was mir beliebte, wenn es nur nicht gegen den Staat wäre, oder gegen den Hof, gegen die Kirche, gegen die guten Sitten und schlechte Beamte, gegen privilegirte Tänzerinnen. .... Um diese kostbare Freiheit zu verwerthen, begründe ich eine Zeitung und nenne sie, damit ich Niemandem Konkurrenz mache: »Unnütze Blätter.« Pah – tausend arme Schlucker stehen gegen mich auf, ich bin wiederum ohne Stelle, ohne Brod. Verzweiflung faßt mich. Man denkt mir ein Amt zu; unglücklicher Weise besitze ich den dafür nöthigen Verstand, erhalte es also nicht. Ein Rechner wurde gesucht, – ein Tänzer angestellt. Mir blieb nur noch übrig zu stehlen: ich ward Spieler, hielt Bank. Darauf – über die ehrlichen Leute – werde ich eingeladen und von Standespersonen aufgenommen, die mir die Hälfte meines Gewinnes abnehmen. Ich hätte es zu etwas bringen können, denn ich begann einzusehen, daß zum Fortkommen in der Welt Wissen weniger nöthig ist, als Manieren. Aber da Alles um mich her vom Raube lebte und doch verlangte, ich sollte ehrlich sein, ging ich abermals zu Grunde. Nun hatte ich's auf Erden satt; zwanzig Fuß Wasser sollten mich erlösen, als ein glücklicher Zufall mich zu meinem ersten Handwerk zurückführte. Ich griff wieder zum Scheerbeutel, zum Streichriemen, wanderte als Barbier von Ort zu Ort und lebte endlich ohne Sorgen. Ein vornehmer Herr fand und erkannte mich in Sevilla, der Graf Almaviva. Ich verhelfe ihm zu einer Frau, er stiehlt mir dafür die meinige. Darüber Sturm und Wetter. Ich bin dem Abgrund nah, im Begriff, meine eigene Mutter zu heirathen, als mir auf einmal meine Eltern entgegenkommen. Wiederum Zank, Streit, Sturm: er ist es, ich bin es, nein, ja, ja, nein! (Er fällt wieder auf die Bank.) Wunderliches Geschick; warum mir dieses und kein anderes auf das Haupt gefallen? Warum dieses gerade mir? Kaum weiß ich, was mein Ich ist, mit dem ich mich so viel beschäftige: eine formlose Mischung unbekannter Elemente, dann ein kleines, hülfloses Wesen, ein leichtsinniger Knabe, ein lebenslustiger Jüngling, zum Genusse mit allen Kräften drängend, alle Berufsarten aufgreifend, nur um leben zu können, bald Herr und bald Diener, wie es dem Zufall beliebt, ehrgeizig aus Eitelkeit, fleißig aus Noth, aber träge von Natur und mit Wonne! Schönredner bei Gelegenheit, Dichter zur Erholung, Musiker nach Bedarf, Liebhaber aus Laune! Alles habe ich gesehen, gethan, genossen. Jede Täuschung ist geschwunden, ich bin nur zu sehr erwacht. ... O Susanne, Susanne, welche Qualen du mir bereitest! Ich höre Schritte; man kommt. Der entscheidende Augenblick ist da.

(Er zieht sich in die Coulisse zurück.)

Vierter Auftritt.

Figaro (versteckt). Gräfin (in Susannens Kleidern). Susanne (verkleidet als Gräfin). Marzelline (zwischen Beiden).

Susanne (zu Marzellinen, leise). Sagtest du nicht, Figaro werde hiersein?

Marzelline (leise). Er ist da; nur sachte!

Susanne (wie oben.) Einer ist da, der Zweite wird gleich kommen. Beginnen wir also!

Marzelline (wie oben). Ich verberge mich im Pavillon, um Alles belauschen zu können. (Sie schleicht in den Pavillon links, Fanchetten nach )

Fünfter Auftritt.

Figaro (versteckt). Gräfin. Susanne.

Susanne (absichtlich laut). Gnädige Gräfin finden es kalt?

Gräfin (ebenso). Der Abend ist feucht; ich ziehe mich zurück.

Susanne (wie oben). Ich bitte um Erlaubnis unter diesen Bäumen noch ein wenig frische Luft zu schöpfen.

Gräfin (wie oben). Du wirst dir den Schnupfen holen.

Susanne (wie oben). Unser Eins ist daran gewöhnt.

Figaro (in seinem Versteck, für sich). Die liebe Natur gewöhnt sich an Alles.

(Gräfin bleibt. Susanne versteckt sich, Figaro gerade gegenüber. Pause.)

Sechster Auftritt.

Figaro. Susanne (beide versteckt). Gräfin. Cherubin. Gleich darauf Graf.

Cherubin (in Uniform, kommt trällernd heran). »Mein Rößlein soll mich tragen« ....

Gräfin (erschrickt). Der Page!

Cherubin (sie bemerkend). Da ist Jemand! Rasch in meinen Schlupfwinkel, zu Fanchetten. (Er betrachtet die Gräfin näher, unentschlossen, ob er gehen oder bleiben soll.) Wahrhaftig, eine Dame!

Gräfin (für sich). Wenn der Graf jetzt käme.

Cherubin Irre ich nicht, so ist's Susanne. Ihr weißer Schleier schimmert durch die Nacht. (Er schleicht fröhlich näher.) Ja, es ist mein himmlisches Suschen. (Die Hand der Gräfin ergreifend, die sie zurückzieht.) An ihrem weichen Händchen erkenne ich sie, und an dem Klopfen meines Herzens. Fühle, wie es schlägt! (Er drückt ihre Hand an's Herz.)

Gräfin (leise, mit verstellter Stimme). Mach', daß du wegkommst!

Cherubin. Daß ich ein Narr wäre, dich zu verlassen! Dich hat doch nur das Mitleid mit mir hierher geführt.

Gräfin (wie oben). Figaro wird sogleich erscheinen.

Graf (im Auftreten, für sich). Das muß Susanne sein.

Cherubin. Geh' nur! Mit Figaro machst du mir keine Angst. Du wartest auf Jemand ganz Anderen.

Gräfin (wie oben). Wen meinst du?

Cherubin. Den Grafen, der dich hierher zu kommen bat, heute früh, da ich hinter dem Lehnstuhl steckte.

Graf (unbemerkt näher gekommen, zornig für sich). Wiederum der verwünschte Page!

Figaro (für sich). Nun sage man noch, daß man nicht horchen soll!

Susanne (für sich). Kleine Plaudertasche!

Gräfin. Ich beschwöre dich: geh'!

Cherubin. Gewiß nicht, ohne Lohn für meine Enthaltsamkeit.

Gräfin (zurückweichend). Was fällt dir ein?

Cherubin. Ein Kuß für deine eigene Rechnung, und wenigstens ein Dutzend für deine schöne Gebieterin. (Will auf die Gräfin zu.)

Gräfin. Untersteh' dich!

Cherubin. Was ist da viel zu unterstehen? Du vertrittst die Gräfin beim Grafen, und ich den Grafen bei dir. Figaro ist allein der Angeführte, und das zwei Male!

Figaro (für sich). Junger Maulaff!

Susanne (für sich). Pagenstreiche!

Cherubin (verfolgt die Gräfin, die zurückweicht; der Graf tritt dazwischen, Cherubin umarmt und küßt ihn).

Figaro (für sich). Das war ein Kuß, so wahr ich lebe.

Gräfin (im Hintergrunde, vor dem Grafen erschrocken). Wie wird das enden?

Cherubin (für sich, betreten). Das ist nicht Susanne. (Die Kleider des Grafen anfassend.) Der gnädige Herr! (Er schlüpft unter des Grafen Armen durch und entflieht in den Pavillon links, hinter Fanchetten und Marzellinen her.)

Siebenter Auftritt.

Vorige, ohne Cherubin.

Figaro (sich von rechts heranschleichend). Ich muß dazwischen treten.

Graf (der Cherubin noch anwesend glaubt). Einen Kuß wolltest du? Da hast du einen! (Holt aus, trifft Figaro.)

Figaro. Au!

Graf. Soll ich das Dutzend voll machen?

Figaro. (sich die Wange reibend und wieder in sein Versteck schleichend). Das Horchen hat doch auch seine schlimme Seite.

Susanne (lacht in ihrem Versteck links, laut auf). Hahaha!

Graf (der Gräfin sich nähernd, die er für Susannen hält). Hast du einen Begriff von diesem nichtsnutzigen Pagen? Er empfängt von mir eine schallende Ohrfeige und läuft laut lachend fort!

Figaro (für sich). Ihm hat die Ohrfeige freilich nicht weh gethan.

Graf (zur Gräfin). Lassen wir indeß den Jungen laufen! Seine Kindereien sollen unser Dämmerstündchen nicht verderben.

Gräfin (Susannen in Stimme und Sprache nachahmend). Wenn ich nun nicht gekommen wäre?

Graf. War das möglich, nach deinem allerliebsten Briefchen? (Ihre Hand ergreifend.) Du zitterst?

Gräfin. Mir ist so Angst.

Graf. Bei mir, Närrchen? (Er küßt sie.)

Gräfin. Gnäd'ger Herr!

Figaro (für sich). Kuß Numero Zwei!

Susanne (für sich.) Bravissimo!

Graf (die Hand der Gräfin nehmend). Laß mir doch deine feine, süße Hand. Auf mein Wort, sie ist schöner als die der Gräfin.

Gräfin (in ihrem eigenen Tone, aber leise). Was die Einbildung nicht thut!

Graf. Und dieser runde, reizende Arm. Ach, wenn den meine Frau hätte!

Gräfin (in Susannens Ton). Lieben Sie sie denn gar nicht mehr?

Graf. Warum nicht? Ich liebe sie wie man eine Frau liebt, mit der man Jahr und Tag verheirathet ist.

Gräfin. Was vermissen Sie bei ihr?

Graf (sie auf's neue umfassend). Was ich bei dir finde!

Gräfin. Das heißt?

Graf. Ein gewisses Etwas, einen Reiz, eine Würze. ... was weiß ich? Siehst du, mein Kind, unsere Frauen glauben genug zu thun, wenn sie uns lieben. Sie lieben uns, – gesetzt, daß sie uns lieben, –- in Einem fort, ohne Unterlaß, ohne Veränderung, bis der Mann seines Glückes satt wird und ein wenig Schatten bei so vielem Licht begehrt.

Gräfin (in ihrem eigenen Ton). Die Lehre merk' ich mir.

Graf. Ihre Pflicht wäre es, unsern Geschmack zu studiren und den dauernden Besitz durch einen Wechsel im Genuß zu erhöhen. Wir werben um sie, wir erwerben sie; daß sie uns festhalten, ist ihre Sache. Dies vergessen sie nur zu oft.

Gräfin. Ich gewiß nicht!

Graf. Ich auch nicht!

Figaro (halblaut). Ich auch nicht!

Susanne (halblaut). Ich auch nicht!

Graf. Hier giebt's ein Echo. Reden wir leiser. (Er umschlingt sie.) Dich gehen alle diese guten Lehren nichts an. Mit deinen pikanten Launen, deiner Lebendigkeit wirst du mich ewig fesseln. (Er zieht eine volle Börse und ein kleines Etui hervor.) Susanne! Ein spanischer Edelmann hält immer Wort. Hier ist das Gold, mit dem ich das gewisse Recht mir erkaufen wollte, das du in dieser süßen Stunde mir schenkst. Und da es unbezahlbar ist, laß mich diesen Edelstein hinzufügen, den du zum Andenken an mich tragen wirst.

Gräfin (Börse und Etui einsteckend, mit tiefer Reverenz). Susanne nimmt Alles dankbar an.

Figaro (für sich). Natürlich – Alles!

Susanne (für sich). Das ist ehrlich verdientes Geld.

Graf. Sie nimmt Geschenke an? Um so besser!

Gräfin (nach dem Hintergrunde sehend). Dort nahen Fackeln!

Graf. Dein Hochzeitszug. Treten wir, um ihn vorüber zu lassen, in diesen Pavillon. (Nach rechts deutend.)

Gräfin. Ohne Licht?

Graf (sie sanft fortziehend). Wir lesen ja nicht.

Figaro (für sich, in äußerster Unruhe). Ich glaube wahrlich, sie geht. (Er tritt hervor und räuspert sich.)

Graf (sehr laut). Wer da?!

Figaro (noch lauter). Gut Freund!

Graf. Es ist Figaro! (Er eilt im Hintergrunde ab.)

Gräfin. Ich komme nach! (Sie schlüpft in den Pavillon rechts.)

Achter Auftritt.

Figaro. Gleich darauf Susanne.

Figaro (nachdem er umhergespäht). Sie sind fort. Ich sehe und höre nichts mehr. Folglich müssen sie drinnen sein. Und ich? – Kann draußen Schildwach stehen! (Mit tiefem Grimm) Ueber die albernen Ehemänner, die trotz jahrelanger Aufpasserei nicht hinter die Schliche ihrer bessern Hälften zu kommen vermögen, während ich gleich am ersten Tage weiß, woran ich mit der Meinigen bin. (Lebhaft umhergehend.) Ein wahres Glück, daß ich mir aus ihrer Treulosigkeit nichts mache. Ich habe sie gefangen.

Susanne (langsam auftretend). Sein häßlicher Verdacht verdient Strafe. (Die Gräfin in Stimme und Sprache nachahmend.) Ist da Jemand?

Figaro (außer sich). Jemand, der lieber wo anders wäre.

Susanne. Du bist's, Figaro?

Figaro. Die gnädige Gräfin?

Susanne. Sprich leise!

Figaro. Wissen gnädige Gräfin, wo Excellenz sich befindet?

Susanne. Lassen wir den Treulosen.

Figaro (immer lauter und heftiger). Und wo Susanne ist, meine tugendsame Verlobte? Da drinnen stecken sie, ganz allein, nein doch, alle Zwei, im Dunkeln. Aber es soll Licht werden, furchtbar Licht. Ich rufe Leute.

Susanne (vergißt sich und fällt in ihren eigenen Ton). Das läßt du bleiben.

Figaro (für sich). Das ist ja Susanne. God dam! Sie hat mich angeführt, die Schlaue.

Susanne (wieder im Tone der Gräfin). Wir müssen uns rächen, Figaro!

Figaro (übertrieben, nicht karikirend). Ja wohl, gnädige Frau, rächen wir uns.

Susanne. Aber wie?

Figaro. Es giebt nur ein Mittel, ein echt weibliches.

Susanne (für sich). Der Unverschämte! (Laut.) Aber dies Mittel und diese Rache sind nichts ohne Liebe.

Figaro. Vielleicht versteckt sich die Liebe nur hinter der Ehrfurcht.

Susanne. Das ist eine Redensart.

Figaro (ihr zu Füßen fallend). Holdeste der Frauen, Sie sehen mich zu Ihren Füßen; oder vielmehr, Sie sehen mich nicht, weil's dunkel ist. Hören Sie denn mein Geständniß, kurz und gut: Madam, ich liebe Sie!

Susanne (für sich). Meine rechte Hand juckt mich.

Figaro. Madam, die Rache ist süß. Ich bitte um Ihre Hand.

Susanne (mit einer kräftigen Ohrfeige). Da hast du sie!

Figaro. Demonio, war das eine Ohrfeige!

Susanne (noch einmal zuschlagend). Da hast du noch eine!

Figaro. Welch köstliches Qui pro quo!

Susanne (schlagend, aber leichter, vielleicht mit dem Fächer). Ein Qui pro quo? Das hast du für deinen Verdacht, deine Rache, deine Vorsätze. Nun sag' wieder wie heute Morgen: Ist das eine Liebe!

Figaro (indem er lachend aufsteht). Ja wohl, ist das eine Liebe! Schlag' nur zu, mein Engel; aber wenn du müde bist, schau' mit Güte den glücklichsten aller Männer an, der jemals von seiner Frau geprügelt wurde.

Susanne. Den Glücklichsten? Auch ohne die süße Rache mit der Gräfin?

Figaro. Als ob ich dich nicht an deiner Stimme erkannt hätte! (Kopirend.) »Das läßt du bleiben.« (Susanne lacht.) Aber sage mir nur, wie du hierher und in der Gräfin Kleider kommst, während ich dich in den deinigen dort (Pavillon rechts) verschwinden sah?

Susanne. Das ahnst du noch nicht? Du bist in das Eisen gegangen, das für einen Andern gestellt war. Oder besser: wir haben zwei Füchslein statt eines gefangen.

Figaro. Wer war denn aber hier beim Grafen?

Susanne (leicht). Seine Frau.

Figaro (außer sich). Seine Frau?!

Susanne (nickt.) Seine Frau!

Figaro (umherspringend, wie toll). Häng' dich auf, Figaro, häng' dich auf! Das wäre dir niemals eingefallen! O Weiber, Weiber, Weiber! Wie viele Millionen Erzteufelchen habt ihr in eurem Solde? Also die Küsse hier im Grünen?

Susanne. Nahm die Gräfin in Empfang.

Figaro. Und den Kuß des Pagen?

Susanne (lachend). Der Herr Graf.

Figaro. Heute Morgen aber, hinter dem Lehnstuhl?

Susanne. Wurde nicht geküßt!

Figaro. Weißt du das auch gewiß?