Draußen empfing mich Caseri und führte mich vor die Haustür. Ein Zug Knaben mit Kindertrommeln und Papierfahnen marschierte vorüber. »Sieh, das sind eure Helden!«, sprach er, die Arme übereinander schlagend, mit unmäßigem Gelächter, als die Schulkinder mit großer Gravität schwenkten und der Offizier sich abarbeitete, die Trommelschläger in Takt zu halten. Der Kommandierende war Fritz und er forderte mich auf, ob ich mit wollte? »Wohin?« - »Vor’s Tor.« - »Was gibt’s da?« - »Die Schlacht bei Mollwitz.« Ich sah meinen Italiener an. Er reichte mir das halbgeleerte Glas zum Austrinken. »Trink aus, kratz aus und komm nicht wieder ins Haus.« Wie glänzten die goldpapiernen Grenadiermützen, wie hüpfte mein Herz, wie schlugen taktlos, aber desto lockender die Trommeln. »Aber du musst österreichisch sein, Preußen haben wir genug«, sagte Fritz. Konnte mich’s mehr locken! »Vivat Maria Theresia! Kratz aus und komm nicht wieder ins Haus«, schrie mir der lange Italiener, solange ich’s hören konnte, nach. Die Trommeln wirbelten und die preußischen Häuser gingen mir rundum und die Stadt und alles, was ich sah, rief Juchheissa!
Nun standen wir da, auszufechten des Königs und der Königin Sache, ach, aber zu dem Banner Maria Theresias, das ich in den Sand aufpflanzte, wollte sich keiner freiwillig finden. Man loste mit einem Zweigroschenstück. Man war schon drauf und dran, erst darüber zur Schlägerei zu kommen, wer sich für Österreich schlagen sollte, als jemand auf den Einfall geriet, ob es denn überhaupt nötig sei, sich zu schlagen, um froh und guter Dinge zu sein? Ein Politiker projektierte, König Friedrich und Königin Maria Theresia könnten sich ja heiraten und dann wäre alles gut. Das gefiel allen, nur wußte keiner, wie das auszuführen sei; allein die Lust zur Schlägerei, wenigstens unter uns, war vergangen. Wir durchschwärmten die Straßen, rissen an den Klingeln, lachten gravitätische Männer aus, welche mit nicht mehr ganz sicheren Füßen, natürlich alles zu Ehren des Tages, nach Hause zurückkehrten, und selbst die Polizei mochte heut’ nicht ihr strenges Gesicht machen.
Ein Kinderschlitten, der sich in das Frühjahr verspätet, mußte zu unserem Spaß mit heran. Nach der Reihe spannten wir uns vor und ließen uns ziehen. Das ermüdete; man setzte nun seine Geschicklichkeit darein, sich an Wagen und Kutschen anzuhaken und andern die Mühe des Fortziehens zu überlassen. Da kam eine stattliche Reisekarosse mit vier feurigen Hengsten die Straße herauf. Es sah so vornehm aus, daß die Mehrzahl sich ruhig zurückziehen wollte; ich war aber nicht der Meinung und mir kam die Lust an, mich gerade von vier so vornehmen Pferden ein Streckchen fortfahren zu lassen.
Ein Trumpf war daraufgesetzt, die Ehre verpfändet, der Kutscher wogte in einem siebenfach bordierten Mantel mit Gold und Silber, die festgeschnallten Koffer waren mit Silberblech beschlagen, und beim Kutscher schwebten zwei Jäger mit Barten und Hirschfängern, daß einem die Mütze von selbst aus Ehrfurcht in die Hand fiel. »Wagst du’s noch, Etienne!« lächelte Fritz. Ich stand auf meinem Schlitten, das Leitseil in der Hand, gleich dem Walfischfänger, der mit der Harpune den einzig günstigen Moment abwartet, wo der Wurf gelingen kann. Hätte Fritz nicht so höhnisch gefragt, wer weiß, ob ich nicht meine verpfändete Ehre im Stich gelassen, und mein Schicksal wäre ein anderes geworden! Aber der Stolz siegte, die Furcht vor der Verspottung überwog die Ehrfurcht vor den gräflichen Jägern. Ich erwischte den Moment, warf, der Wurf gelang, das Seil saß fest und mein Schlitten auch, und ich darauf auch. Zum unaussprechlichen Jubel meiner Kameraden wurde ich, mein Schlitten und mein Lenkseil fortgerissen über das Berliner Straßenpflaster von den vier feuerschnaubenden Hengsten.
Anfangs merkten es die im Wagen nicht, aber der große Troß, der sich ihnen anschloß, machte sie aufmerksam: »Johann, es geht doch nichts am Wagen los?« fragte eine ausländische Stimme mit etwas sächsischem Dialekt. »Nein, Euer Gnaden«, antwortete der Kutscher, welcher bei einer Wendung mich jetzt gewahrte, »es hat sich nur ein Bengel angehängt.« – »So mach, daß er losläßt.« Man sah sich jetzt aus beiden Wagenfenstern nach mir um. Der Kutscher aber hatte gut peitschen, denn von allen Schlägen von seinem hohen Bock herab erreichte, um das hohe Kutschengebäude herum, kaum der zehnte den kleinen Schlitten, und ich und all die meinen lachten den zornigen Kutscher und die zornigen Herrschaften aus.
Die Herrschaften hätten es auch wohl dabei bewenden lassen, wären der Neugierigen nicht an jeder Ecke mehr geworden. Der Knabe belustigte, der trotz seiner schönen Frisur und dem bordierten himmelblauen Rock, den Spaß der Gassenjungen nicht verschmähte; dann freute man sich über den Ärger des dickgepuderten Allongenkopfes in der Karosse. Mir selbst war der Beifall zu Kopf gestiegen; ich hielt mich wie ein Verbissener fest. »Wie weit willst du denn mit?« rief Fritz. – »Bis vors Tor!« schrie ich und achtete nicht, daß mich eben die Peitsche unterm linken Auge so getroffen, daß man noch jetzt eine kleine Narbe bemerken könnte. »Vivat Fridericus!« schrie die Menge. »Er blutet!« meine Kameraden, und ein »Halt!« der Herr im Wagen.
Da stand alles plötzlich still; ich schlug die Augen auf und umher war es anders geworden. Der hoch bepackte Wagen vor mir hielt, mein Schlitten flog nicht mehr im Triumphzug über das damals sehr unebene Pflaster der großen Friedrichstraße. Ich selbst war umgefallen, entweder von dem Ruck des plötzlichen Stillhaltens oder vom Schmerze. Aus dem Wagen arbeitete sich der zornige Herr heraus, die Jäger standen schon neben mir und der Kutscher kam, beide Peitschenenden in der Hand, auf mich los. »Die Range hält noch fest«, rief der eine Jäger: »Peitsch ihn, daß er Hören und Sehen vergißt«, der andere, und der zornige Herr mit dem grünen Pelz und der langen Allongenperücke herrschte mich an, ich solle loslassen, oder – aber ich ließ nicht los. Und es schmerzte mich doch auch die kleine Handwunde von des Vaters Tranchiermesser, durch das Festhalten des Leitseiles aufgerissen und blutend. Ich verbiß die Zähne, riß krampfhaft den Strick noch fester und erwartete den Schlag des ausholenden Kutschers. Allein dazu kam es nicht; denn es ließ sich jetzt eine Kinderstimme vernehmen, und der schwarze Lockenkopf eines kleinen Mädchens blickte zum Kutschenschlage heraus. »Nicht schlagen, Papa, nicht schlagen. Er blutet ja, der kleine Junge.« Der Kutscher hielt inne, der Herr hatte mich aber in seinem Zorne selbst am Kragen gefaßt und winkte ihm wieder. Es wäre nun um mich geschehen gewesen – denn der Bruder Gottlieb war in Schlesien, und wie ich mich auf die ändern verlassen konnte, wußte ich vom Laden der Frau Kurzinne her. Da arbeitete sich das kleine Mädchen, man konnte sie kaum über fünf Jahre schätzen, vergeblich von einer Gouvernante zurückgehalten, mit ungemeiner Heftigkeit heraus. »Ma bonne, ma bonne, lassen Sie los, oder ich falle.« Die Bonne ließ los, und das kleine Mädchen mit den klugen, sprechenden Zügen stand bei uns.
»Papa, was tun Sie da?« fragte sie italienisch den Zornigen, der auf sie hörte, als wenn sie wirklich mitzusprechen hätte.
»Du siehst ja, der Bube foppt uns!«
»Er hat ihn ja blutig geschlagen! Jean, warum hast du denn den kleinen Jungen blutig geschlagen?« wandte sie sich deutsch zum Kutscher.
»Nur ein Straßenjunge!« brummte der Kutscher.
Sie sah mich noch näher an: »Das ist ja keiner, er hat einen Zopf.«
»Zopf hin, Zopf her«, brummte der Kutscher fort, während das Mädchen dreist auf mich zutretend mir mit ihrem feinen Taschentuche das Blut von der Backe wischte.
»Liebe Eugenie«, sagte der Vater, »sieh doch den ungezogenen Jungen, er hält ja noch den Strick fest.«
Das sah sie ein und wandte sich nun wieder auf deutsch zu mir: »Du kleiner Junge, warum bist du denn ungezogen?« und als ich sie erstaunt angaffte, fuhr sie fort: »Warum hast du uns denn gefoppt? Warum hältst du noch den Strick fest? Ist das artig von dir? Warum bist du nicht in der Schule? Was werden deine Eltern sagen? Schäme dich und wasch dich zu Hause, denn du bist garstig blutig.«
»I, du Prinzessin Naseweis, was geht dich das an!« fuhr es heraus, und es war gesprochen und bleibt gesprochen in Ewigkeit.
Etwas fuhr das kluge Kind zurück, aber ich fuhr fort: »Wo du zum Tor hinaus fährst, da kann ich auch ‘raus.«
Mit der Vehemenz einer Südländerin bat sie den Vater auf italienisch um Aufklärung, ob das erlaubt sei und wandte sich dann wieder deutsch zu mir: »Du hättest können Papa und mich bitten, da hätten wir dich wohi in den Wagen genommen.«
»Dich bitten!« rief ich. »Ich bitte kein Mädchen, und ihr könnt hinfahren, wo ihr wollt und wo ihr hergekommen seid.«
Das, um es ihr recht eindringlich zu geben, rief ich auf italienisch, und diese Sprache bei einem Berliner Straßenjungen mochte sie in nicht minderes Erstaunen setzen als meine Grobheit.
»Pfui! Du kannst italienisch und bist grob. Weißt du wohl, du wirst ein schlechter Mensch werden.«
»Und weißt du wohl, du kannst lange warten, bis du einen Mann kriegst. Und weißt du warum? Weil du superklug bist. Superkluge Mädchen kriegen keine Männer.«
»Vater! Das ist ein unartiger, ein garstiger Junge!« schrie sie weinend. »Weißt du das! Deinen Eltern wirst du Kummer und Leid machen, und aus dir wird gar nichts werden.«
Der unbefangene Leser wird leicht ersehen, daß es hier nur hieß: Wie die Alten sungen, zwitscherten die Jungen.
Von hüben und drüben ward nachgeschwatzt, was sie von Müttern und in der Ammenstube an wohlfeiler Moral aufgeschnappt, als plötzlich die junge Dame mit einem Aufschrei verstummen mußte; denn vom väterlichen Arm aufgegriffen, ward sie in den Wagen gehoben, wo die Bonne die Rolle der Sittenrichterin mit ihr getauscht haben mag. Der Kutscher aber saß wieder auf dem Bock, der Jäger hatte mit einem Messerschnitt mein Leitseil durchschnitten, und ich hielt es noch immer fest in Händen, als der Wagen schon zum Halleschen Tor hinausrasselte.
Da saß ich mit meinem Schlitten und mein Schlitten mit mir, und Kameraden, barfüßige und beschuhte, lachten, was sie konnten. Es war das letztemal, daß ich in Berlin lachen hörte. Aber es sollte bald verstummen, denn ein Polizeisergeant kam herbei. Er inquirierte und nahm mich mit einem kräftigen Griff in sein Schlepptau, und das war ein ganz anderes als vorhin, denn es war keine Karosse mit vier Hengsten, sondern ein einzelner Mann zu Fuß, und ein Säbel klirrte ihm an der Seite, und er hätte mich geradeswegs ins elterliche Haus geschleppt, wenn ihm nicht der böse Geist desselben in den Weg gekommen und er mich dessen Obhut überlassen hätte. Wer anders als Advokat Schlipalius, »der Mann bei der Stadt«, dem dieser Bütteldienst ein Vergnügen war; ja schien es doch seine Lust zu erhöhen, als die beschuhte und strumpflose Bevölkerung der Straße mit schadenfroher Erwartung sich an unsere Fersen heftete.
»Da haben wir’s nun also, wie ich immer gesagt, konnten nicht schnell genug machen, haben Extrapost genommen. Noch nicht mal stark genug, eine Muskete zu tragen und insultieren schon fremde Herrschaften! Das gefällt mir. Vergreifen uns an einen Gesandtschaftsherrn. Das kommt bis zu des Königs Majestät. – Das gefällt mir, aber was nachher kommt, wird uns nicht gefallen.«
Wie sollte ich vor dem Vater erscheinen, wie vor der Mutter die Augen aufschlagen? Wie gellte es mir noch in den Ohren: »Morgen sprechen wir zusammen.« Nun sollten wir uns heute schon wieder sehen. Statt des Reuigen erschien ich, die neuen Kleider zerrissen, die Frisur zerzaust, blutig im Gesicht, ein Rudel Gassenjungen hinter mir, die Polizei vor mir, der Sergeant wollte uns melden. Ich sah das Familiengericht berufen, die großen Kusinen, den dicken Weinhändler, die Schminkpflästerchen und die Stahldegen, die Unteroffiziere, die Montur. Trug ich nicht einen Zopf und wurde gepudert, und sollte nun Ohrfeigen bekommen, Schläge, kurz alles, was man darunter versteht, wenn ein Vater zum Sohne sagt: »Wir sprechen zusammen.« (Der Peitschenschlag eines erzürnten Kutschers, das waren keine Schläge!) Das Herz im Leibe drehte sich um. Lieber tot auf der Stelle. Mein Italiener tanzte um mich her und lachte und summte mir ins Ohr: »Kratz’ aus und komm’ nicht wieder!« O, daß der Boden wäre unter mir eingesunken! Aber aus der Tiefe, wo er hätte einsinken können, stieg ein Entschluß empor, kein Kind, das wachsen sollte, ein geborener Riese. Als mir der Pate, höhnisch lächelnd, das Gymnasiumsgebäude in der Ferne zeigte, war es ausgesprochen in mir: Sie sollen mich nicht wiedersehen!
Ich wollte nicht mehr geprügelt, ich wollte nicht verhöhnt, ich wollte nicht eingesperrt werden, in die grauen Zellen des Joachimsthals, und ich ersah den Moment, wo das Gedränge in einer Straße mich vom Paten auf einen Augenblick trennte. Wie der Blitz war ich um die Ecke. Der einbrechende Abend war mir günstig. Ich lief kreuz und quer durch die Straßen, und nur am Halleschen Tor zauderte ich, einen Augenblick zweifelnd. Ich sah, in einem Reisewagen fuhr ein Herr im Scharlachüberrock ins Tor. Er sprach mit dem Visitator. Er war es. Aber, und wäre der ganze Mann von Scharlach gewesen, was half mir Scharlach, was sein versprochener Portugalese. Er konnte die Strafe mildern, nicht die Schmach von mir nehmen. Von seinen fünf Laubtalern hatte ich noch drei in der Tasche, auch den sardinischen Dukaten, und damit konnte man doch wohl bis dahin gelangen, wo es keine Scheuerchristel gibt, welche nach dem Röhrchen geschickt wird, kein Familiengericht und kein Joachimsthalsches Gymnasium.
Nach Süden wollte ich, denn nach Norden konnte niemand reisen wollen; das hatte mir mein Italiener eingeprägt. Der Weg nach Süden geht über den Tempelhofer Berg, das hatte ich gehört. Was ich im Süden wollte, wußte ich in dem Augenblicke am wenigsten, als ich mich durch den tiefen Sand auf den wüsten Hügel hinauf arbeitete. Oben ruhte ich aus; ich saß auf einem Lehmabhang und sah zu meinen Füßen die Königsstadt mit ihren tausend Lichtern aus der schon dunkeln Nacht aufschimmern. Ich sagte ihr Lebewohl, und mein Herz schlug. Die Glocken von allen Türmen schlugen auch, und immerwährend brummten sie: »Durchgehn! Durchgehn!« Nur der Gedanke an die Mutter tat weh, und es lief mir naß aus den Augen. Ich suchte mir im Lichtermeer die Stelle, wo unser Haus stehen konnte, faltete meine Hände und versuchte zu beten. Es ging aber nicht. Die Tränen platzten stärker heraus. Ich machte die Augen zu. Sie erschien mir wie eine lichte, verklärte Gestalt durch die die Dunkelheit. Auf ihren Zehen schwebte sie vor mir, ohne die Erde zu berühren, bald nah, bald fern. Ihr Blick war so wehmütig, und doch lächelte sie, sie warf mir eine Kußhand zu, und dann verschwand sie. Die Vernunft tröstete damit, ich erspare ja durch mein Davonlaufen der armen Mutter einen Auftritt, der sie töten könnte.
Die kühle Nachtluft mahnte mich ans Aufbrechen. Ich knöpfte den Rock fester, verband mir die noch blutende Backe, sagte Berlin mein Lebewohl und machte mich auf den dunklen Weg. Wohin, das wußte ich nicht, ich glaubte, dazu wären ja die Meilenzeiger. Es schwebte mir auch etwas vor, daß ich den Wagen einholen könnte mit dem naseweisen Mädchen, die Vorstellung blieb aber sehr undeutlich. Ich schloß wieder die Augen ein Paar Schritte, und ein anderes Bild ging auf. Eine junge Frau mit goldenen Locken und einer Krone darauf und einem goldbrokatenen Leibrocke. Sie winkte mir, es war Maria Theresia. Das Herz jubelte auf. Drei Laubtaler hatte ich in der Tasche, ein Stück Brot, an dem mein Blut klebte, und die Schande hinter mir, das glaubte ich, sei ein genügendes Zehrgeld, der beste Paß, um hinzukommen, wo es besser war als in Berlin. Und wohin konnte ich besser als zur Maria Theresia?
Am Mittag des anderen Tages hatte ein seltsames Schauspiel die Bewohner des Schlosses in dem großen Gartensaal versammelt. Nicht die militärischen Gäste allein, jedermann, so hatte der fremde Offizier gewünscht, sollte Zutritt bei dem Gericht haben, welches dieser aus den höheren Offizieren ihm zu bestellen gebeten. Wo die Ehre öffentlich gekränkt wäre, hatte er behauptet, könne sie ihm auch nur durch ein öffentliches Gericht wiederhergestellt werden. Täte man nicht den Ausspruch, auf den er hoffe, sei es ihm gleichgültig, ob die ganze Welt es gehört hätte oder fünf Stabsoffiziere. Einige Generale, die schon gestern Wohlgefallen an dem jungen Mann gefunden, hatten ihm vergeblich den grillenhaften Einfall auszureden versucht und versprochen, daß seiner Einrangierung auch ohne Ehrengerichte nichts im Wege stehen solle. Er aber hatte darauf bestanden, und aus ähnlich grillenhafter Gefälligkeit hatte man es angeordnet, wie er wünschte.
»Was mich das angeht!« sagte die Gräfin, als das Fräulein sie aufforderte, in den Saal zu kommen. »Es sind schon mehrere preußische Kriegsgerichte gehalten worden, und ich fühlte mich nie getrieben, ihnen beizuwohnen.«
»Da haben Sie ganz recht«, sagte die Gesellschafterin. »Und erschossen wird er überdies nicht, wenn er sich nicht selbst die Kugel durch den Kopf jagt. Danach sieht er mir wohl aus, wenn die Graubärte ihn nicht freisprechen. Nun, da Sie der Fall nicht interessiert, sollen Sie auch keine Silbe über den Ausfall hören.«
»Ist mein Vater dabei?« fragte Eugenie, als Amalie ging.
»Ich glaube; es war schon so voll im Saal.«
»So warte und nimm mich mit; es dürfte ihm unangenehm sein, wenn ich mich zurückziehe.«
»Davon hat er nichts gesagt, liebe Komtesse.«
»Doch, ich kenne meinen Vater.«
»Und ich seine Tochter«, murmelte das Fräulein und zwang, vorangehend, ihre Gönnerin, die Schritte zu verdoppeln, um sie einzuholen.
Als beide in den Gartensaal traten, hatte das Gericht, wenn man ihm den Namen geben darf, schon begonnen; denn zum Gerichte fehlte der inquirierende Richter wie der Protokollführer. Der Fremde führte allein das Wort. In seiner malerischen, reichen, gegen die preußischen Uniformen gehalten, halb wilden ungarischen Kleidung stand er da, ein großer schöngewachsener Mann, in der Mitte des Saales. Der Kopf war unbedeckt, und der ganze Ausdruck des wohlgebildeten, edlen Gesichtes, bleich, doch voll kriegerischem Anstand und Feuergeist, sprach ebenso lebhaft zu seinen Gunsten wie seine beredten Lippen, die der ungarische Knebelbart umschattete. Im Feuer des Vortrages schien er zuweilen seine Verwundung zu vergessen, er gestikulierte mit dem rechten Arm und fuhr an die linke Seite, wiewohl er den Säbel nicht trug. Er sprach ein reines Hochdeutsch, doch mit solchen Ausdrücken und Betonungen, daß man zweifelhaft ward, ob es seine Muttersprache sei. Die südlichen Sprachen mußte er kennen, so viele für das deutsche Ohr und deutschen Mund von damals ungewohnte Wendungen kamen vor. Er hatte sich auf seine Rede sichtlich vorbereitet; aber je länger er sprach, um so mehr floß dieselbe, nur erstickt, wenn die eigene Rührung ihn überwältigte, und die Stille der Aufmerksamkeit begleitete ihn. Es war, wie schon bemerkt, nicht der Anfang der Verhandlungen, den die Damen bei ihrem Eintritte hörten.
»Meine Herren«, sagte er, »lassen Sie mich vorerst den Grund aussprechen, auf welchen ich das meiste Gewicht zur Verteidigung meiner Ehre legen muß. Der König sollte der erste sein, dem ich vertraute; ihn allein wünschte ich zum Richter, ob ich recht gehandelt. Er hat mich nicht gewürdigt; die ganze Last des Scheines drückt mich zu Boden; ich kann sie nicht tragen und von Ihnen erwarte ich jetzt den Urteilsspruch, ob meine Tat sich mit den Gesetzen der Ehre verträgt. Ich rufe Sie, meine Herren, nicht allein als Krieger, als Offiziere an, ich habe, glaube ich, einen näheren Anspruch auf Ihre Teilnahme – ich bin Ihr Landsmann. – Seit achtzehn Jahren stehe ich heut’ zum ersten Male wieder im Kreise von Männern, die auf denselben teueren, väterlichen Fluren spielten, als Kinder dieselben Laute besorgter Pflegerinnen, zärtlicher Mütter, strenger Väter, die nämlichen Ausdrücke von Schmerz und Lust, von Zorn und Liebe hörten. Ist das nichts, kein Band für den Menschen, dann habe ich kein Recht – nicht bei Ihnen, nicht bei mir, auf der ganzen Welt nicht; dann schelten Sie mich einen Überläufer und überlassen mich meinem Schicksal. Gibt es aber ein Vaterland; ist das etwas, daß wir geboren wurden auf derselben Erdscholle, das Rauschen derselben Wälder uns grüßte, dieselben Lüfte uns anfächelten, dieselben Namen uns teuer waren, dieselbe freundliche Gewohnheit von den Vätern her zu uns herüber sprach, gibt es ein heiliges Band des Vaterlandes, dann berufe ich mich darauf, daß ich als Preuße geboren bin, und an Ihren vaterländischen Sinn appelliere ich. – Vergeben Sie, meine Herren, diese Sprache einem Soldaten –, man wirft mir sonst vor, daß ich weich bin, aber ein schlafen gegangenes Gefühl, spät erwacht, ergreift mich heute so mächtig in Ihrem Kreise, daß ich mich der Tränen nicht schämen würde.«
Er fuhr nach einer Pause ruhiger fort: »Ich bin von bürgerlichen Eltern in Berlin geboren. Seltsame Ereignisse, ein grausamer Vater, verleideten dem aufgeweckten Knaben schon früh das Haus, in dem er geboren, das Geschlecht, unter dem er aufwuchs, die Luft, die er einatmete. Als neunjähriger Knabe entwich ich vor achtzehn Jahren aus meines Vaters Hause, aus Berlin, aus meinem Vaterlande. Ich entwich in kindischer Furcht vor einer verdienten Züchtigung und entwich zu einer Strafe, die mein ganzes Leben durch mich schmerzen wird. Achtzehn Jahre des Jugendlebens meines Vaterlandes habe ich nicht mitgelebt. Der preußische Adler flog zur Sonne, und was Kräfte hatte, versuchte die jugendlichen Schwingen unter ihm, ich nicht. Die ewigen Sterne von Friedberg, Soor, Prag und Leuthen, die Ihnen voranleuchten, sind dunkel für mich und, wo sie vorstrahlen, zeigen sie mir meine Schmach. Achtzehn Jahre meines Lebens sind umsonst gelebt, und wäre das nur! Aber es sind zwei Jahre mit einem unversiegbaren Flecken, ich habe gegen meine Landsleute gefochten.«
»Ei, mein scharmanter junger Landsmann«, rief der ältere von den beiden den Vorsitz führenden Generale, und stand auf, ihm die Hand drückend, »der Krieg ist noch nicht zu Ende, und es werden noch mehr solche Sterne aufgehen, wo Sie Ihre Bravour zeigen können als gutes Landeskind. Nehmen Sie Ihren Säbel wieder und hauen Sie von nun an mit derselben Courage auf die Bärenmützen wie zeither auf die Blechmützen. Es dringt hier so gut durch wie da, wenn man gut ausholt.« –
»Meine Herren, ich hatte der Kaiserin geschworen.«
»Ei was, wenn wir jeden, der da und dort einmal geschworen, examinieren wollten, wo sollten die Potentaten ihre Soldaten herkriegen. Sie sind Freiwilliger, noch dazu ein geborener Preuße, und haben sich bei der Affäre im Park distingiert – auf Ehre, ich kann Ihnen sagen, es beneidet Sie mancher darum –, das Kriegsgericht erklärt Sie für einen rechtschaffenen Offizier, und nun seien Sie nicht närrisch!« »Habe ich ein Recht, aus der Tat, welche Sie so hoch anschlagen, auf Ihr Wohlwollen, so beweisen Sie es dadurch, daß Sie mich ruhig anhören und daß Sie streng meine Gründe prüfen. Es wird sich doch eine Stunde finden, die Männer von Ehre einem Offizier schenken, der nur seine Ehre verteidigen will.«
»Sie werden uns die Umstände erzählen«, sagte der zweite General, »welche Sie bewegen haben, und in uns die aufmerksamsten Zuhörer finden.«
»Tatsachen, die man in Akten verzeichnen könnte, erwarten Sie nicht. Es tut hier nichts zur Sache und wird Ihnen gleichgültig sein, wie der Zufall mich nach Österreich führte, wie ich demselben Zufall eine Erziehung verdankte, welche mich meinem Vaterlande und den Erinnerungen aus der Kindheit völlig entfremdete. Ein seltsamer Mann, mein Wohltäter, ließ mir diese Erziehung über meinen Stand geben. Aus der Militärakademie trat ich nach längeren Reisen an der Seite meines Gönners in den aktiven Dienst. Es war vor dem Ausbruch dieses blutigen Krieges. In dem Könige von Preußen hatte man mich nur einen wortbrüchigen Vasallen, einen ehrgeizigen Abenteurer, einen gewissenlosen Eroberer, einen Geist ohne Grundsätze kennengelehrt.
Ich zitterte vor Lust, dem Mann im Felde zu begegnen, den die blöde Welt, so hatte man mich denken gelehrt, als unüberwindlich ausschrie. Sehen wollte ich, ob er die Schlachten gewinnt, und ob wir sie verlieren. Ich ward Offizier, allein, ein Spott für meine jugendliche Kampflust, in einer slawonischen Grenzgarnison. Hier hatte ich die Aussicht, mit bosnischen Räubern mich herumzuschlagen, indessen meine Kameraden um Lorbeeren kämpften. Man glaubte hier mit der halben Welt, daß Friedrich der Angreifer sei, und doch wunderte es mich, wie man in Hütten und Schlössern des fernen barbarischen Landes auf den Widerhall seiner ersten neuen Taten lauschte, wie eine verstohlene Freude aus den schwarzen, kleinen Augen blitzte beim Gerücht seiner ersten Siege. Es waren Protestanten, aber gute Untertanen; sie betrachteten den Sieg des großen protestantischen Königs wie einen für ihren eigenen bedrängten Glauben. Mir war es nie in den Sinn gekommen, den preußischen König so anzusehen. Und doch, jede Nachricht vom Kriegsschauplatz rüttelte an meinem Vorurteil. Man erklärte uns heute offiziell, daß er nun ganz und unwiederbringlich verloren sei, und morgen schon hatte ein rascher Schlag seines Degens alle Berechnungen zerstört, alle Voraussetzungen umgeworfen; er stand, Kummer und Bedrängnis abschüttelnd, frei, unangetastet, wie vorher, nur größer durch den neuen Ruhm! Man hütete sich, uns ahnen zu lassen, was der halben Welt klar geworden, daß Friedrich für das heiligste Recht der Selbsterhaltung focht.
Erst nach der Schlacht von Prag, in deren Blutströmen Österreichs Sonne zu erlöschen schien, als General Daun die letzten Truppen sammelte, rief man uns von der Grenze nach Böhmen. Der heißersehnte Tag kam heran. Von den Höhen von Kolin sah ich zum erstenmal das preußische Heer. Tausende von Bajonetten glänzten unter mir in der Sonne. Sie sangen Lieder, kochten ab, lehnten sich auf das Gewehr, als stände nichts Außerordentliches bevor, bis zum Troßknecht auf eines jeden Gesicht die trotzige Zuversicht: ›Friedrich kann nicht verlieren!‹ Und bei uns war’s totenstill, die Bangigkeit der Erwartung, gepreßt jede Schildwacht auf ihrem Posten, die Offiziere mit dem Fernrohr am Auge; ein losgerissenes Husarenpferd, die Trompete der Furagierer schon brachte uns in Alarm. In jeder Miene konnte man lesen: ›Morgen werden wir geschlagen, trotz unserer Übermacht, trotz unserer festen Position, denn Friedrich steht unten.‹ Da, meine Herren, fühlte ich zum erstenmal einen Stolz, daß auch ich ein Preuße war.
›Was fesselt den Sieg an die Degenspitze des einen?‹ fragte ich mich hundertmal in der bangen Nacht. Der helle Schlachtruf der Preußen am grauenden Morgen schien mir zu antworten. Wie ihre Helden daherstürmten – ach Helden, von denen heute nur noch wenige sich am Lichte der Sonne wärmen –, sie achteten nicht unserer steilen Anhöhen, nicht auf den Eisenhagel unserer Batterien, da belebte sich die Zuversicht, und ein Vertrauen erwachte, das noch nicht erschüttert, das fester als unsere Felsen war. Ein ganzes Volk klammerte sich an seinen König, auf den tausend und aber tausend Bajonettspitzen schwebte der eine, dessen Name kräftiger war als der blinkende Stahl und die gähnenden Feuerschlünde. Das hatte ich nicht erwartet; wo wuchs diese Liebe, wo kam diese Begeisterung her? Sie war nicht bei uns, wo doch Maria Theresia den ausziehenden Truppen zugelächelt hatte. Wie hatte dieser König, fragte ich mich, der nicht liebt und nicht hofft, einen Glauben geweckt, den er selbst nicht kannte. Aber da war er.
Die blutigste Schlacht war entbrannt. Der Felsboden unter unseren Füßen bebte vorm Donner des Geschützes, die Preußen nicht. Die Janitscharenmusik ihrer stürmenden Bataillone verkündete uns durch den dicken Pulverdampf jetzt, wie sie unter uns herannahten, jetzt wie sie zurückgeworfen wurden. Eingehüllt im Staubwirbel stürzten wir in die Karrees der noch stehenden Preußen, und ich – war ganz Husar. Der Obrist lobte mich nachher vor der Front. Verdiente ich’s? Den schmetternden Trompeten, dem hallenden Donner des Geschützes, dem Mut meines Hengstes, der nicht zurückbleiben wollte, verdankte ich’s, ich dankte es dem besinnungslosen Taumel, der mich fortriß, und Sie, meine Herren, haben zu entscheiden, ob ich diesen Säbel, der teures preußisches Blut getrunken, noch für Preußen schwingen darf.
Wir hatten gesiegt, aber wir konnten es noch nicht glauben. Friedrichs Name schwebte über der rauchenden Wahlstatt, und konnte er nicht die Toten wieder aufwecken?«
Nach einer Pause hub der Redner wieder an: »Vergönnen Sie mir, eines kleinen Umstandes zu gedenken – er gehört in keinen Rapport, in keine Kriegsgeschichte, aber in meine Lebensgeschichte gehört er, wie das Auge zum Gesicht, es betrifft einen braven Kameraden von Ihnen. Noch stand hie und da ein Häuflein der alten Leibgarde; es wollte nicht fliehen, sich nicht gefangen geben; siegen konnte es auch nicht, so dürstete es nach dem Tode. Die sächsischen Dragoner hielten die Ährenlese. Eben gaben sie einem dieser zusammengeschmolzenen Karrees den Garaus. Aus den Leichen ringsum schoß ein letzter Mann, ein Riese von Grenadier, noch die Muskete ab. Ein Offizier stürzte; doch rief man ihm zu, sich zu ergeben. Er biß die letzte Patrone ab, aber ehe er laden konnte, schlug ein Säbelhieb ihm in den Nacken. ›Ergib dich!‹ rief es nochmals; er wies die Zähne und stieß um sich. Ich kam hin, als ein Pallaschhieb ihn in die Seite traf. Er sank in die Knie, aber es schien, als wollte er auch noch im Sterben nicht auf dem treulosen Boden liegen. Auf eine Trommel gelehnt mit der Rechten, drückte er mit der Linken sein zerbrochenes Gewehr an sich. Ein Kreis untätiger Zuschauer hatte sich in unwillkürlicher Rewunderung um den Tapferen gesammelt. Der Preuße streckte die Hand nach einer Feldflasche aus. Man gab sie ihm. Er strich den Bart zurück, richtete sich noch einmal auf, tat einen tiefen Zug, seine dunklen Augen glänzten, und als wäre seine Brust noch frisch, rief er: »Vivat Fridericus!« Er sank um, den Kopf auf die Trommel. Man schrie dem Sterbenden ins Ohr: ›Du Tor, mit deinem Friedrich ist’s aus, das Blättlein dreht sich, und wir sind obenauf.‹ – Der Grenadier schlug noch einmal die Augen auf, ich glaubte ein Lächern um seinen wilden Mund zu lesen. Er horchte auf etwas und nickte mit dem Kopf. In weiter Ferne hub die preußische Feldmusik wieder an; Friedrich sammelte die Reste der Armee zu dem bewunderungswürdigen Rückzug, und der Grenadier wies mit dem schwachen Arm triumphierend dahin. ›Er wird wiederkehren‹, stand in seinem brechenden Auge geschrieben. So starb er. Und es war kein geborener Preuße! Was gab dem Menschen den Mut, diese Begeisterung, dieses freudige Vertrauen im Tode? Keine ererbten Gefühle heiligten die Sache, für die er starb, kein irdischer Vorteil, denn was nahm er mit sich! Aussicht auf Unsterblichkeit? Eingescharrt unter böhmischer Erde, wer erzählt von dem einen Grenadier, weiß doch niemand seinen dunklen Namen! Friedrich hatte ihm vielleicht einmal zugenickt, vielleicht ihm auf die Schultern geklopft, ihn angeblickt, und seine Miene hatte gesagt: ›Ich kenne dich.‹ Wenn das Friedrichs Blick, was war dann Friedrich selbst? so fragte ich mich; Friedrich war bei Kolin geschlagen, aber für mich war er seitdem der Unüberwindliche!
Der Wohltäter, dessen ich schon erwähnte, hatte ein Recht über mich. Was ich geworden, verdankte ich ihm allein; noch mehr hatte ich von ihm zu erwarten, denn er hatte die Absicht durchblicken lassen, mich zu adoptieren. Ich unterrichtete ihn von meinem Zweifel, meiner veränderten Gesinnung, von meinem gefaßten Entschlüsse, ich bat ihn, mir beim Hofkriegsrat den Abschied auszuwirken. In meiner Begeisterung hatte ich den unerbittlichen Haß des wunderlichen Mannes gegen Friedrich zu gering angeschlagen, ich hatte geglaubt, den Rausch, der mich fortriß, müsse jeder teilen, der es mit mir gut meinte. ,Meinen Fluch’, schrieb mir der hitzige Mann auf der Stelle zurück, ,dem Deserteur, Enterbung dem Verräter; an den Galgen das feige Gesuch um Abschied während der Kampagne.’ Gleich hinter dem Brief kam er selbst mit Kurierpferden und beschwor mich mit allen Ausdrücken väterlicher Zärtlichkeit, von meinem Vorhaben abzustehen. Aber nur die Vorstellung des Fleckens, der auf meiner Ehre haften blieb, konnte mich damals noch unter den tausend Gründen, die seine beredte Zunge vorbrachte, bewegen, nicht zur Rücknahme, nur zum Aufschub meines Vorsatzes.
Mit blutendem Herzen tat ich meine Pflicht während der vorjährigen Kampagne. Aber im Winterquartier, unter Bitten und Drohungen meines einflußreichen Gönners, schrieb ich um meine Entlassung. Er frohlockte, als der abschlägige Bescheid einkam. Ein zweites dringenderes Gesuch wurde zum zweitenmal in strengeren Ausdrücken abgewiesen. Ich war überzeugt, mein Gönner war dabei im Spiel. So verbarg ich es ihm, als ich zum drittenmal einkam, entschieden, wie auch die Antwort ausfalle. – Als geborener Preuße kündigte ich der Kaiserin den Dienst bis zu der bestimmten Frist, wo der Bescheid des Hofkriegsrates eingegangen sein konnte. Sie mochten mir den Degen abfordern, mich auf die Festung setzen, ich war auf den schlimmsten Fall gefaßt. Von dem Moment an war mein Eid gelöst, ich quittierte den Dienst, und mochten sie mich kassieren, infam kassieren, meine Ehre war gerettet.
Vorgestern um Mitternacht lief die Frist ab. Mein Pferd war schon gesattelt, der Brief an meinen Kommandeur war geschrieben, dem nächstfolgenden Offizier das Kommando übergeben. Ich war nicht mehr österreichischer Soldat, und eben trennte ich das kaiserliche Feldzeichen ab, als ein Husar, ein Kurier, mir einen Zettel des Marquis überbrachte. Mein seltsamer Wohltäter, befangen in wunderlichen Vorurteilen, schob meiner Verwandlung keinen anderen Grund vor, als weil ich einige Male beim Avancement übergangen war! Nun zeige sich eine solche Gelegenheit, schrieb er mir, die mein Glück mache, mir einen unsterblichen Namen sichere. Was der Brief ferner enthielt, wissen Sie, es galt Friedrichs Freiheit, sein Leben, von einem Atemzuge hing es ab. Er forderte mich zur Eile auf, ehe mir ein anderer zuvorkäme; ich dankte seinem Rat, und was geschehen ist, wissen Sie.
Nun richten Sie, meine Herren, streng nach dem Ehrengesetze, das in Ihrer Brust geschrieben steht und im Kriege gilt. Kein Mitleiden, keine Gunst wegen des letzten Vorfalles. Auch wenn ich nicht Ihrem großen Könige den kleinen Dienst hätte leisten können, wäre ich doch übergegangen.
Friedrich hat mich einen Überläufer genannt. War das sein Ernst? Habe ich meinen Schwur gebrochen ohne Fug und Recht, wie ein leichtsinniger Vagabund, hatte ich kein heiliges Recht in der Brust, den fremden Dienst zu quittieren, kein Recht, zurückzukehren unter die Fahnen meines angeborenen Königs, in den Dienst meines Vaterlandes? Darüber entscheiden Sie.« –
Der ermüdete Redner wollte zurücktreten, als wie auf einen Wink sich alle Richter erhoben. Der Vorsitzende General ergriff seine Hand und drückte ihn an die Brust:
»Ich wollte den kaiserlichen Offizier sehen, der jetzt sagen könnte, Sie hätten nicht wie ein braver Kerl gehandelt.«
»Gewiß nicht!« murmelten die andern.
Der zweite General hatte ihm die Hand geschüttelt: »Der König ward zu oft hintergangen, um nicht mißtrauisch zu sein. Es sind Äußerungen, an die man sich gewöhnen muß. Überlassen Sie mir, Seiner Majestät Ihre Sache vorzutragen, es soll noch heute Nachmittag geschehen, und ich stehe Ihnen dafür, er schilt Sie nicht zum zweitenmal Überläufer.«
»Ich freue mich«, sagte der Graf, indem er sich zu dem Freigesprochenen durchdrängte und seine Hand ergriff, »daß ich der erste Zeuge Ihrer preußischen Gesinnung wurde.« –
»Daß ich sie bald, den Degen in der Hand, bewähren könnte!«
»Nein«, erklärte jetzt der Vorsitzer, »den Säbel, mit dem Sie bei Kolin in unsere Garde einhieben, müssen Sie austauschen. Herr Rittmeister, tauschen Sie mit dem wiedergewonnenen Landsmann die Degen.«
Es geschah, und der Rittmeister drückte dem Fremden die Hand.
»Nun bleibt nur noch, daß Sie uns Ihren preußischen Namen nennen. Wie darf ich Sie, unseren Landsmann, dem Könige vorstellen?«
»Vergeben Sie«, entgegnete der Offizier dem freundlichen General. »Der Name ist so unbedeutend, daß er gar nichts tut. Zudem weiß ich nicht, ob mein Vater in Berlin ihn mir noch zu führen erlaubt. Im elterlichen Hause rief man mich – da meine Mutter eine Französin war – Etienne –, im slawonischen Regiment taufte man dies in Stephanek um. Vergönnen Sie mir, das Slawonische ins Deutsche zurück zu übersetzen und nennen Sie mich, bis ich erfahre, auf welchen anderen Namen ich ein Recht habe, Stephan.«
In dem gräflichen Witwenhause beurlaubte sich der Graf erst nach Mitternacht von den Damen. Er hatte beim Abendtisch den heitersten Wirt gemacht und selbst einen Toast auf den Sieger der nächsten Bataille ausgebracht. Die Einquartierten nannten ihn einen charmanten Mann. Auch jetzt, als er Eugenie auf den Scheitel küßte, strahlte sein Gesicht von Freudigkeit.
»Ihre Audienz bei Friedrich«, sagte die Tochter, »ist zu Ihrer Zufriedenheit ausgefallen.«
»Wie konnte es anders sein! Er ist der Monarch des Jahrhunderts, wenn ich nicht sagen darf des Universums. Was ist ihm fremd? Schlachtpläne im Kopf, agitiert dieser außerordentliche Mann in den Kabinettsintrigen von Petersburg bis Neapel. Seine Krone wankte, und er dichtete. Die Kanonade beginnt, und er spielt die Flöte. Er gewinnt eine Schlacht und überdenkt im Augenblick, wo er das Kommando zur letzten Attacke gibt, wieviel die Porzellanfabrik in Berlin abwirft. Alles ist diesem Geiste gegenwärtig, er kennt das Vermögen, die Verhältnisse der Familien – selbst für unsere interessiert er sich.«
»Der außerordentliche Mann!« rief das Fräulein.
»Er hat mich nach Berlin eingeladen, und ich denke, mein Kind, nächsten Winter mit dir dort zu verbringen. Er hat gehört, wie du für seine Heldengröße schwärmst, und ich freue mich, dich ihm vorzustellen.«
Eugenie trat zu Amalie ans Fenster. Der Garten lag dunkel zu ihren Füßen, die Wiesen dahinter waren etwas heller. Man konnte bis drüben nach den Höhen und einige der österreichischen Wachtfeuer sehen.
»Der Wind hat sich gelegt. Es könnte eine Julinacht sein, so still ist es.«
»Wenn es warm wäre, Gräfin! Wie konnten Ihre Vorfahren so töricht sein, nach Deutschland zu ziehen! Stellen Sie sich dagegen vor: wir lägen am Fenster einer schönen Villa bei Verona. Durch Reben und Ulmen fächelten die Zephire, der Blütenduft wogte uns entgegen und längs der Taxushecke schliche, die Gitarre im Arm, der Amorato, lehnte sich dort an die Pinie und strömte seine glühende Sehnsucht in einer schmelzenden Serenade aus. Natürlich, dies wäre kein Fenster, sondern ein Balkon und nicht allzu hoch. Wenn man ihm die Hand reichte und ein Auge zudrückte, schwänge der Erwartete sich herauf, spränge über das Geländer und Ihnen zu Füßen. Ich, weil ich das Knien nicht leiden kann, entfernte mich und hätte am Morgen alles ausgeschlafen. Die deutschen Freundinnen sind, wie Sie wissen, nicht so nachsichtig. Ach, und vor allem die Kettenhunde. Wie wenn unser Freund aus Ungarn auf den Einfall käme, Ihnen eine Serenade zu bringen? Da unten verirrte er sich im Labyrinth der Ställe, Scheunen, Düngerhaufen und, wenn er endlich an die Tür gekommen, fallen die Bullenbeißer über ihn her. Während er froh ist, sie sich vom Leibe zu halten, erwachen von dem Lärm die Stallmägde und Ochsenjungen mit Laternen. Es wäre ein herzzerreißender Auftritt für eine Komödie, wenn sie, ihn für einen Dieb ansehend, seine Galanterie mit Knütteln und Schaufeln belohnten.«
Es trat eine neue Pause ein.
»Ob das eine Schildwacht drüben auf der Wiese ist …«
»Es ist wohl nur der Schatten eines Erlenbusches.«
»Richtig … Wir sind nach dem Garten zu wenig gesichert. Der Graben ist nicht breit, und unsere Bullenbeißer liegen vorn im Hofe. Von dort dringt doch niemand ein, der nicht gesehen sein will.«
»Wer sollte denn hier eindringen?«
»Je nun – wenn er auf den Einfall käme – er ist jung, phantastisch – der Gedanke an die Schlacht – Sie nie wiederzusehen, entschuldigt vieles …«
»Wer, Amalie?«
»Unser interessanter junger Freund.«
»Amalie, du hast …«
»Alles ausgerichtet, wie ich Ihnen sagte. Nur nicht von dem Geld und der Börse, dazu war ich zu blöde.«
Ihre Rede wurde durch ein schneidendes Geräusch unterbrochen. Es pochte jemand gegen eine Fensterscheibe, zwar im Erdgeschoß, aber so heftig, daß die Scheiben des oberen Zimmers klirrten.
Amalie wurde blaß: »Ist er wahnsinnig?«
»Was ist das, Amalie?«
»Hier nicht«, rief diese und stürzte in den Korridor, das Fenster nach dem Hofe aufzureißen. Dort klopfte ein Feldwebel an das Fenster der Einquartierung; man hörte ihn rufen: »Herr Major – Herr Major – ich komme, Ihnen zu melden, daß die Kürassiere Ordre haben, in der Stille aufzusitzen.«
»Gott sei Dank, es ist nichts«, sprach das Fräulein mit gepreßter Stimme, als sie ins Zimmer zurücktrat. Eugenie hatte jede ihrer Bewegungen verfolgt. Jetzt fiel ihr Auge wieder auf das Tuch am Fenster, die Ahnung durchzuckte sie mit der Schärfe der Gewißheit: »Was hast du getan?«
Ohne ein Wort zu sprechen, ließ sich das Fräulein auf ihre Knie nieder. Sie ergriff die Hände der Gräfin und küßte sie schmeichelnd. Endlich sah sie verstohlen auf, und als sie mehr Angst und Bewegung als Zorn zu lesen vermeinte, lispelte sie: »Er kommt.«
»Wann?«
»Gleich.«
»Vergessene!«
»Ich habe nichts vergessen. – Er hat den Schlüssel zur Gartenpforte.«
Eugenie riß sich von ihr los: »Ich hoffe, du spielst. – Gütiger Himmel, es wäre unerlaubt! Verwegene, straft mich so meine Nachsicht? Darfst du mit anderer Ehre und Ruf dein Spiel treiben?«
»Mit der Ehre nicht, Komtesse, aber ich wußte nicht, daß Sie sich um den Ruf bekümmern, wenn die Seligkeit im Spiel ist.«
»Unglückselige, was hast du getan?«
»Ihn betrogen, aber nicht Sie. – Der Mond ist nicht unbefleckter, als Ihr Ruf bleiben soll. Er schleicht durch den Garten, dort steht nicht Mensch, nicht Hund, die Fenster der Bedienten sind durch Laden von außen verschlossen. Ich führe ihn herauf, ich ihn hinunter. Hat jemand Augen, durchs Dunkel zu sehen, so trifft mich der Verdacht. Aber er glaubt, Sie haben ihn zum Rendezvous geladen; das ist mein Verbrechen. Sie haben noch immer Zeit, ihn zu enttäuschen, und ich bin weit entfernt, zu leugnen. Ihre Ehre steht bei Ihnen, für Ihren Ruf habe ich zu sorgen.«
»Morgen – morgen sehen wir uns zum letztenmal.«
»Und wenn auch, Freundin«, sprach Amalie ernster und heiterer als sonst, »ich bereue nichts. Würde heute noch einmal gestern, ich ginge wieder zu ihm und brächte ihm wieder die süße Lüge. Ich liebe Sie heiß, herzlich, ich liebe Sie, wie Sie mich nicht lieben. Sie sollen nicht leiden, Sie sollen glücklich werden wider Ihren Willen. Ich hab’s mir geschworen. Aber wer den günstigen Augenblick versäumt, verspielt das Leben, und ein Tor nährt sich von der Hoffnung, daß die Sterne wieder geradeso zusammenkommen. Oh! Den Vater werden Sie überwinden, die Verhältnisse verspotten, aber Ihr Stolz ist mächtiger als Ihr Herz. Da schien mir’s die Stunde, wo einmal das arme Herz lebendig sprach, wo meine Eugenie Weib war, ein fühlendes Mädchen. Die Seligkeit schwebte auf dem Sekundenzeiger. Morgen, wer weiß, was morgen ist, ob er am Rhein steht und Sie in Polen, ob er noch so glüht und Sie noch so fühlen, und wenn Sie wollen und er will und alles will, ob’s mit dem Willen noch getan ist; auch der Stern der Hoffnung kann untergehen. – Wenn sein scheues Pferd den blutenden Freund aus der Schlacht trägt, wenn er niederstürzt vor Ihren Augen, wenn der brechende Blick Sie sucht, wenn er die Hand ausstreckt nach Ihnen – dann überwinden Sie – ich weiß es – Ihren Stolz, Sie stürzen, Sie drücken ihn an die Brust, Sie schreien’s vor aller Welt aus: daß Sie ihn lieben, aber dem Sterbenden fristen Sie damit keine Sekunde Leben, er sieht es nicht mehr, er erfährt nichts mehr davon, und er schiede doch vielleicht zufrieden von der Welt, wenn er es noch wüßte.«
Eugenie hatte, als Amalie zu reden anfing, das Tuch vom Fenster gerissen. Den Kopf gegen die Scheibe gedrückt, hörte sie ihr zu; es entging ihr keine Silbe. Umgewandt, mit starrem Blick hörte sie die letzten Worte.
»Wo gehst du hin?« fragte sie, als das Fräulein mit derselben Ruhe einen Leuchter ergriff, um das Zimmer zu verlassen.
»Ich will den Riegel vor die Gartentür schieben.«
Sie war bis zur Zimmertür, sie hatte schon aufgeklinkt, als ein schwaches, zitterndes »Bleibe!« ihr Ohr traf. Eugenie wankte, blaß, mit unsicherem Blick sah sie nach der Freundin, ob sie doch ginge. Rasch sprang diese zurück und schloß die Wankende mit Heftigkeit in die Arme.
Das Tuch hing wieder an seiner Stelle. Die Frauen saßen still, Hand in Hand, auf dem Kanapee, so still, daß man das Nagen des Holzwurms hörte. Nur Amalie schlich dann und wann ans Fenster; bis Eugenie sie bat, wiederzukommen. »Es hilft nichts, Liebe. Wir müssen uns zwingen, gar nicht daran zu denken.«
»Dann kommt er, meinen Sie. – Ich glaube, ich werde bald sterben, da mir die Lust zum Spaßen ausgeht – selbst über den Aberglauben.«
»Still – ich höre etwas …«
»Es war nur der Kater auf der Bodentreppe.«
Sie hörten die Mäuse auf dem Flur rascheln, der Morgenwind stöhnte im Kamin und knarrte in den Angeln einer halb offenen Tür. Aber kein Schlüssel in der Gartentür – kein Tritt im Garten … Es schlug vom Kirchturm drei Uhr – vier Uhr – ein viertel – halb … Eugenie atmete tiefer und tiefer, sie zitterte, ein Frost fing an, sie zu schütteln. Amalie wurde besorgt vor einem Fieberanfall.
»Horch, Liebe! …«
Es schlug dreiviertel. Die Natur wollte ihr Recht. Ein Tränenstrom brach aus den Augen der Gräfin, so heftig, so ununterbrochen, als wolle der Schmerz, seit Jahren in der festen Brust zurückgehalten, auf einmal heraus. Sie umschloß die Freundin und weinte an ihrem Busen, bis auch die Kraft zum Weinen aus war. »Er kommt nicht«, sagte sie mit erstickter Stimme.
»Er wurde vielleicht kommandiert.«
»Ich sehe ihn nie wieder … Ich hätte ihn so gern gesprochen, für mein Leben gern – nur einmal – nur ein einziges Mal noch …«
»Kommen Sie zu Bett – ich will zu ihm …«
Es schlug fünf Uhr vom Hochkirchener Turm, am 13. Oktober 1758. – Die Glocke hatte noch nicht ausgeschlagen, als ein Musketenschuß fiel – ein zweiter – ein dritter – Schuß auf Schuß – Säbelklirren – darauf ein fürchterliches Gebrüll von tausend Kehlen. Wenn es einen Moment verstummte, brach es gleich darauf fürchterlicher und schrecklicher aus, wie die Würgengel auf neue Opfer stießen – ein Schrei barbarischer Mordlust, von dem die Berge widerdröhnten und das Dorf erschütterte.
Jetzt wirbelte die erste preußische Trommel aus dem Lager – sie verstummte; ein feindliches Bajonett hatte vielleicht den beherzten Tambour niedergestoßen. Die österreichische Musik spielte von den Bergen her, Regimentschöre im Triumphmarsch, verkündend, daß es kein Vorpostengefecht, kein leicht gemeinter Husarenanfall war, daß das ganze kaiserliche Heer zur ernsten Schlacht anrückte, und sein Ziel war: Vernichtung der Preußen. Aber nun wirbelten hier zehn Trommeln zugleich – zwanzig Trommeln antworteten; als sollten sie zum letztenmal dienen, schlugen die preußischen Tamboure drauf. »Der Feind!« – »Wir sind überfallen!« Kommandoworte, Flüche – doch keiner der Verzweiflung – drangen durch die Luft. Türen wurden zugeschlagen, Fenster aufgerissen, eingeschlagen, Treppen und Böden dröhnten von den Tritten der schrecklich geweckten, der hinausstürzenden Soldaten. Die Stalltore wurden gesprengt, die Pferde herausgerissen. Dazwischen schmetterte eine Trompete. Hier Hufschläge der Husaren, welche durch die enge Straße galoppierten, dort riefen die Pauken die Dragoner zusammen. »Lichter ans Fenster!« schrie es, denn der Oktobermorgen war noch dunkle Nacht.
Wie durch einen Zauberschlag war die Totenstille aus dem Hause verscheucht, die Wände selbst schienen belebt, denn sie zitterten. Der Kürassiermajor war aus dem Fenster gesprungen und kommandierte im Hofe vom Pferde herab. Sie warteten, bis Platz wurde auf der Straße, um hinauszusprengen.