Mathilda Grace

NACHTFALTER

 

 

Band 1 der Nacht – Trilogie

 

 

Nachtfalter

1. Auflage, Dezember 2015

 

 

 

Impressum

© 2015 Mathilda Grace

Am Chursbusch 12, 44879 Bochum

Text: Mathilda Grace 2013/2014

Foto: Hans, Pixabay

Coverdesign: Mathilda Grace 

Korrektorat: Sprachwelten

 

Web: http://mathilda-grace.blogspot.de/

 

Alle Rechte vorbehalten. Auszug und Nachdruck, auch einzelner Teile, nur mit Genehmigung der Autorin.

 

Sämtliche Personen und Handlungen sind frei erfunden. Diese Geschichte spielt in einer fiktiven Kleinstadt in den USA.

 

Nachtfalter enthält homoerotische Beschreibungen.

 

 

 

 

 

 

- Roman -

 

 

Hollywoodstar Trent Morgan hat von seinem Job als Schauspieler gestrichen die Nase voll und verabschiedet sich mit dem Kinostart seines Films 'Nachtfalter' aus dem Filmgeschäft. Das gefällt einem seiner Fans gar nicht, der Trent fortan mit Briefen belästigt und ihm schließlich eine getötete Katze vor die Tür legt. Da die Polizei gegen den unbekannten Stalker machtlos ist, engagiert Trents Agent Greg Rivers den Bodyguard Sebastian Monroe, um Trent zu beschützen. Greg ahnt nicht, dass Trent und Sebastian eine gemeinsame Vergangenheit haben.

 

 

Prolog

- Sebastian -

 

 

 

 

„Er kann nicht dein Mann werden.“

„Aber wieso nicht? Ich weiß, dass er ein Tier ist.“

„Dein Tier ist erwacht, Sebastian, und du bist gerade erst fünfzehn. Er ist achtzehn und ich kann bei ihm keine Anzeichen erkennen.“

Sebastian sah seinen Vater voller Trotz an. „Vielleicht dauert es nur länger.“

„Es tut mir leid, mein Sohn.“

Das war nicht die Antwort, die Sebastian erhofft hatte und er wusste, dass ihm der Verlauf dieses Gespräches nicht gefallen würde. Sie diskutierten nicht zum ersten Mal über seine Gefühle für Trent, der seit vielen Jahren sein bester Freund war. Sein Vater hatte in den letzten Monaten mehrfach versucht, ihm das Ganze auszureden.

Ohne Erfolg.

Sebastian war sich seiner Liebe zu Trent sicher, doch er spürte, dass sein Vater heute nicht nachgeben würde. Nicht, nachdem er sich letzte Nacht zum ersten Mal in sein Tier verwandelt hatte.

„Ich liebe ihn“, erklärte Sebastian leise und erwiderte den Blick seines Vaters. Grüne Augen, die ein Ebenbild seiner eigenen waren, verdunkelten sich kurz, doch dann seufzte sein Vater und nickte.

„Ich weiß, Bast. Ich weiß es schon so lange, aber deine Mutter und ich hofften dennoch.“ Sein Vater grinste ihn schief an. „Ich hätte gerne Enkelkinder gehabt.“

Sebastian spürte, wie er rot wurde. „Dad.“

Sein Vater zwinkerte ihm zu und setzte sich danach zu ihm auf die breite Treppe, die von der Veranda auf den Gehweg führte. Es war bereits dunkel draußen und der Vollmond erhellte ihre Straße mehr, als es die Laternen taten, deren diffuses Licht dafür zu schwach war.

„Ich wünschte, ich müsste dir nicht wehtun, aber mir bleibt keine Wahl, Sebastian. Du musst gehen, solange du es noch kannst. Du darfst dich ihm nicht aufzwingen. Mach' euch beide nicht unglücklich.“

Sebastian biss sich auf die Unterlippe. Er wollte nicht gehen, aber sein Vater hatte recht und meinte es nur gut. Sebastian musste San Francisco so schnell wie möglich verlassen, um Trent nicht unbeabsichtigt in Gefahr zu bringen. Und er durfte ihm den Grund nicht nennen.

„Er wird mich dafür hassen.“

„Anfangs, ja“, gab sein Vater nach langem Schweigen ehrlich zu und legte Sebastian dabei einen Arm um die Schultern. „Aber möglicherweise werden die Menschen irgendwann bereit sein, zu akzeptieren, dass es uns gibt. Dann kannst du ihm erklären, warum du gegangen bist. Trent ist klug, er wird es verstehen.“

„Ich will nicht von hier weg, Dad.“

„Ich weiß, es ist unfair, das von dir zu verlangen, denn dein Herz ruft nach ihm, aber wir dürfen ihm nicht die Wahrheit sagen. Wir müssen gehen, damit ihr beide eines Tages vielleicht eine Chance habt.“

„Wir?“, fragte Sebastian ungläubig und blickte seinen Vater fragend an. „Du kommst mit?“ Als sein Vater samt einem Lächeln nickte, schüttelte Sebastian den Kopf. „Aber dein Laden und Mums Grab und deine Freunde und ...“

Sebastian verstummte, als sein Vater ihm sanft einen Finger auf die Lippen legte. „Du bist mein Sohn, Bast, ich lasse dich damit nicht allein. Ein Geschäft kann ich auch in einer anderen Stadt aufbauen. Wir gehen zusammen. Sieh es als ein Abenteuer fürs College oder die Uni. Du wolltest doch ohnehin nach New York City, sobald du erwachsen bist. Warum nicht schon jetzt? Ich war bereits bei deiner Mum und habe es ihr erzählt. Ich glaube, sie ist einverstanden, dass wir für ein paar Jahre woanders leben. Wir werden sie besuchen, so oft wir können.“

„Ich könnte auch alleine gehen“, schlug Sebastian vor, denn er wusste, wie sehr seine Eltern San Francisco und ihr Leben hier liebten. Seine Mutter hatte nie woanders gelebt und sie war hier begraben worden.

Sein Vater lachte und schüttelte den Kopf. „Du bist so erwachsen für dein Alter, das ist manchmal unheimlich. Aber, nein, ich komme mit. Wir fangen neu an, nur wir beide. Ich habe mit Rick gesprochen. Er hat Kontakt zu einem Rudel in New York aufgenommen. Wir sind ihnen willkommen und sie haben Kinder in deinem Alter. Rick will ebenfalls fortgehen und schließt sich einem Rudel in Sanoro an. Das ist eine Kleinstadt in Maine.“

„Gehen die anderen Tiere mit ihm?“, fragte Sebastian neugierig, denn bei den Rudelangelegenheiten blickte er noch nicht durch. Er wusste nur, dass Gestaltwandler in Rudeln lebten, sich vor den Menschen verborgen hielten und mit ihnen keine Beziehungen eingingen. Jedenfalls keine ernsthaften. Aus Gründen der Sicherheit.

Sein Vater nickte. „Soweit ich weiß, ja. Einige bleiben und haben beschlossen autark zu leben. Das ist zwar sehr selten, aber nicht verboten.“

Daran erinnerte sich Sebastian. Er nickte. „Und wann fahren wir?“

„In zwei Tagen.“

Sebastian sah zu Boden. „Dad, ich ...“

„Ich weiß“, unterbrach ihn sein Vater und strich ihm über den Kopf. „Gib die Hoffnung niemals auf, Bast. Wer weiß, was in einigen Jahren ist. Eure Zeit wird kommen, daran glaube ich fest.“

„Ich verstehe das einfach nicht“, murmelte Sebastian unglücklich. „Ich war mir sicher. Mein Herz ist es immer noch. Mein Jaguar auch. Trent ist ein Tier, Dad, ich weiß es. Ich weiß es!“

Sein Vater schwieg eine Weile und streckte die Beine aus. „Vielleicht kann er sich nicht wandeln. Vielleicht ist das Tier in ihm nicht bereit dazu. Ich habe gehört, dass es so etwas geben soll. Aber wir müssen sicher sein. Wir dürfen ihn nicht gefährden, Sebastian, und das tust du, wenn du etwas von ihm verlangst, was er dir nicht geben kann. Manchmal soll es einfach nicht sein.“

Sebastian verstand, dass er keine andere Wahl hatte, als San Francisco in zwei Tagen hinter sich zu lassen, aber eines stand für ihn fest; er würde niemals einem anderen Mann sein Herz schenken.

Er würde seine Liebe bewahren.

Für Trent.

Für die Chance, die sie, wenn sein Vater recht behielt, eines Tages haben würden.

 

 

Kapitel 1

- Trent -

 

 

 

 

Hollywood war eine Zwischenstation auf dem Weg zur Hölle.

Einer Hölle, der man nicht mehr entkam, sobald man zu tief in ihr steckte, und Trent steckte bis zum Hals in dieser Welt aus Lug und Betrug, in der sich alles nur um zwei Dinge drehte. Ein gutes Aussehen und ausreichend Kleingeld, um nachzuhelfen, falls es mit dem Aussehen nicht allzu weit her war.

Um sein Aussehen musste er sich momentan keinerlei Sorgen machen, was ein Teil seines Problems war, denn nachdem Trent genügend Geld verdient hatte, um sich irgendwo niederzulassen, möglichst weit weg von Hollywood, ließ diese verlogene Welt ihn nicht gehen. Trent brachte den Studios zu viel Geld ein, als dass sie auf ihn verzichten wollten. Dass ihn das Leben im Fokus der Öffentlichkeit und das falsche Getue auf dem Roten Teppich ankotzten, interessierte niemanden. Dass er seit mehr als fünfzehn Jahren nur im Geheimen ein bisschen Privatleben haben konnte, interessierte ebenfalls nicht.

Mit Ende dreißig war von dem neugierigen, jungen Mann nichts mehr übrig, der Trent mit zweiundzwanzig gewesen war, als er nach Hollywood zog, um ein Star zu werden. Stattdessen hatte er sich in einen verbitterten, zynischen Schauspieler verwandelt, der außerhalb seines Hauses lächelte, als würde er ein perfektes Leben führen. Fiel die Tür hinter ihm zu, verschwand das Lächeln und machte einem missmutigen Gesichtsausdruck Platz, der Trents ständiger Begleiter war, während er die Wände in seinem Haus anstarrte und darauf wartete, dass Greg ihn mit einer neuen Dose Lebensretter versorgte.

So nannte man in seinem Dunstkreis die kleinen, aber feinen Helfer, die unzählige Schauspieler über ihre Tage und oftmals auch durch Dreharbeiten brachten.

Trent kannte Kollegen, die ohne Alkohol oder dem weißen Pulver nicht mehr zurechtkamen. Er hatte selbst schon die eine oder andere Line durch die Nase gezogen, war aber nie voll drauf gewesen. Wer harte Drogen nahm, bekam zu wenig von seiner Umwelt mit, das war gefährlich. Deswegen hatte sich Trent von Anfang an auf bunte Pillen und Alkohol beschränkt, bis sein Dealer erwischt worden war.

Der Skandal konnte damals nur abgewendet werden, weil die Studios Unmengen an Geld bezahlt hatten, um dafür zu sorgen, dass dieser schmutzige Vorfall nicht ans Licht der Öffentlichkeit kam, denn Trent war nicht der einzige Kunde des verhafteten Dealers gewesen.

Danach stieg er auf Medikamente um. Die konnte man leichter beschaffen, fast so einfach wie Alkohol. Er durfte sich nur nicht beim Kauf erwischen lassen. Aus dem Grund kümmerte sich Greg darum. Wozu war der schließlich sein Agent? Filmrollen musste Greg für ihn seit Jahren keine mehr suchen, die landeten von allein auf seinem Schreibtisch. Dank ihm hatte der liebe Greg ein Vermögen gemacht, da war es ja wohl das Mindeste, dass er sich dessen erkenntlich zeigte und ihn mit Pillen und Alkohol versorgte.

Allerdings schien Greg das gerne zu vergessen.

Trent fluchte und warf die Tür vom Küchenschrank zu, denn außer Staubflusen hatte er in der hinteren Ecke nichts gefunden. Dabei war er sicher gewesen, irgendwo noch eine Notration aufzubewahren. Bloß wo? Er hatte sein gesamtes Haus auf den Kopf gestellt, ohne fündig zu werden. Dass die Pillen alle waren, wusste er, aber dass er nicht mal mehr eine Flasche Alkohol hier hatte, ärgerte ihn tierisch.

Und das ausgerechnet heute, wo er in weniger als vier Stunden auf einer Spendengala erwartet wurde, um Geld für eine neue Kinderstation im hiesigen Krankenhaus zu sammeln. Was ging ihn das an? Er hatte keine Kinder, würde auch nie welche haben. Um ehrlich zu sein, Trent konnte Kinder nicht ausstehen. Aber er hatte ein schönes Gesicht und war jederzeit in der Lage, den kinderlieben Schauspieler perfekt zu spielen, deswegen hatte man ihn eingeladen.

Was hätte er jetzt nicht alles für ein Glas Wodka oder Whisky gegeben? Im vergangenen Jahr hatte Trent alles getan, um von dem Image als Schönling wegzukommen. Zumindest alles, was möglich war, ohne dabei Ärger mit der Polizei zu kriegen. Doch nicht einmal seine Rolle in dem Thriller 'Nachtfalter' hatte geholfen.

Ein Sunnyboy, der einen sadistischen Mörder spielte? Undenkbar. Mit seiner Darstellung eines Psychopathen hatte er die Studios verschrecken und die Leute von sich wegbringen wollen.

Stattdessen war das Gegenteil passiert.

Trent hatte die Rolle nur angenommen, weil er damit gerechnet hatte, dass es die letzte in seiner Karriere sein würde. Von wegen. Regisseure von überall auf der Welt rannten Greg die Bürotür ein, seit der Film in die Kinos gekommen war, und wenn Trent Pech hatte, würde er im kommenden Jahr für seine Rolle geehrt werden.

Ein Golden Globe oder schlimmer, ein Oscar.

Er hatte von Hollywood weggewollt, doch der Schuss war eindeutig nach hinten losgegangen.

Zu allem Überfluss war dann herausgekommen, dass seine Rolle in diesem Film für ihn eine Art Abschied sein sollte. Das wiederum hatte dafür gesorgt, dass er neben Hollywood und Millionen weiblicher Fans, von denen ein Großteil altersmäßig seine Töchter hätten sein können, jetzt auch noch einen Stalker am Hals hatte, der sich Fan nannte, ihn mit Briefen und Greg mit Anrufen belästigte. Ihm offen androhte, dass Trent es bereuen würde, falls er das Filmgeschäft wirklich verließ.

Hollywood war eindeutig eine Zwischenstation auf dem Weg in die Hölle, und offensichtlich rannten in Los Angeles jede Menge Verrückte auf den Straßen herum, wenn man als Schauspieler mittlerweile schon bedroht wurde, weil man auf den Scheißjob keinen Bock mehr hatte.

Liebesbriefe war Trent gewöhnt. Autogramme geben und dabei ein strahlendes Lächeln zeigen, hatte er sich lange vor dem Spiegel antrainiert. Er kannte auch das Gegenteil in Form von neidvollen, hasserfüllten Texten, die alle Nase lang in seiner Post auftauchten. Ein Stalker war jedoch neu und es nervte Trent, dass da ein Spinner war, der offenbar glaubte, ihm sein Leben vorschreiben zu können. Als wären die Paparazzi nicht schon schlimm genug.

Trent hätte diesem Typen gern ein paar Takte erzählt, aber das konnte er sich nicht erlauben. Für die schnöde Welt außerhalb seiner Haustür war er seit vielen Jahren der perfekte Schwiegersohn und musste es bleiben.

Das Problem war, er wollte niemandes Schwiegersohn sein. Trent wollte raus aus diesem Leben, aus der Stadt. Er wollte weg von seinen bunten Pillen und dem Alkohol, ohne deren Hilfe er dämliche Veranstaltungen, wie diese Gala, schon lange nicht mehr überstand.

Er wollte frei sein.

Einfach Trent Morgan.

Nicht der Superstar, das Sexsymbol, Hollywoods Goldesel, der erstklassige Schauspieler.

Aber vor allem wollte er sich nicht länger verleugnen. Trent wollte leben, wie all die anderen Männer es taten, die händchenhaltend mit ihren Freunden durch die Stadt liefen. Er wollte beim Gay Pride mitlaufen, weil er es wollte, nicht, weil es chic war, Schwule und Lesben zu unterstützen. Trent wollte leben und lieben. Er war es leid, allein zu sein, doch als Schauspieler Trent Morgan hatte er keine Chance, eine Beziehung mit einem Mann zu führen. Ihm blieben nur heimliche Treffen in Clubs und einschlägigen Bars, oder ein schnelles Abenteuer in einer dunklen Seitenstraße.

Trent hasste diese Welt, die ihm Geld dafür bezahlte, dass er hetero blieb. Wenn er jemals ein eigenständiges Leben führen wollte, musste er schnellstens einen Weg aus diesem Irrsinn finden.

Die Türklingel riss ihn aus seinen Gedanken.

Da er niemanden erwartete, lehnte Trent sich an die Küchenzeile. Er hatte nicht vor, die Tür zu öffnen. Seine Post wurde bei Greg abgeliefert und mit dem war er erst in ein paar Stunden verabredet. Greg würde schon dafür sorgen, dass er eine Dusche nahm, einen seiner Anzüge anzog, die ihm die Designer hinterher warfen, und eine perfekte Maske aufsetzte, um die Spendengala zu einem Erfolg zu machen.

Aber vor allem würde Greg, wenn ihm sein Leben lieb war, an den Nachschub denken.

Trent runzelte die Stirn, als es erneut klingelte. Was sollte der Mist? Er hatte keine Freunde, die ihn besuchten, jedenfalls keine richtigen. Vermutlich irgendein Fan, dem es gelungen war, am Wachpersonal seiner Wohnanlage vorbeizuschleichen, welches rund um die Uhr dafür sorgte, dass Leute wie er ihre Ruhe hatten. Es kam nicht oft vor, aber ab und zu, und meistens gaben sich Fans mit einem Autogramm und einem Foto zufrieden.

Heute hatte Trent jedoch keinen Bock auf kichernde, aufgedonnerte Teenager, die herumliefen, als kämen sie vom nächsten Straßenstrich. Es war ihm ein Rätsel, was in der Jugend von heute vorging, die sich nur noch für die Kürze ihrer Miniröcke, Highheels, Computerspiele oder das neueste Handy zu interessieren schien.

Es klingelte ein drittes Mal.

„Jetzt reicht's aber“, zischte er und machte sich auf den Weg zur Tür. „Was?“

Trent stöhnte genervt, als er keine Antwort bekam. Das Gegenteil hätte ihn auch gewundert, denn draußen war niemand. Er ließ seinen Blick über den Vorgarten bis zur Straße schweifen, doch dort war ebenfalls niemand zu sehen. Toll, dachte Trent frustriert und wollte die Tür gerade wieder zuwerfen, als er aus dem Augenwinkel etwas Schwarzes auf dem Boden entdeckte.

Was war das denn? Trent brauchte einen Augenblick, um zu begreifen, was da auf dem Treppenabsatz lag. Das konnte gar nicht sein. Trent schloss kurz die Augen, um sicherzugehen, dass er sich das nicht einbildete, aber als er sie wieder öffnete, lag immer noch eine tote Katze vor ihm, die vom Hals abwärts bis zum Bauch aufgeschlitzt worden war.

Trent wurde übel. Er liebte Katzen. Überhaupt Tiere. Er mochte alle, egal ob sie hässlich, giftig, exotisch oder schleimig waren. Es gab kein Tier auf der Welt, vor dem er sich fürchtete. Wie konnte jemand so widerwärtig sein und ihm eine ausgeweidete Katze vor die Haustür legen? Trent wusste, dass es verkehrt war, aber es war wie ein innerer Zwang. Er ging in die Hocke und strich der Katze über das Fell.

Ihr Körper war noch warm.

Trent unterdrückte ein Würgen und wandte den Blick von der Katze ab, um aufzustehen und nach dem Handy zu greifen. „Sag' die Spendengala ab!“, befahl er, als Greg abgenommen hatte.

„Warum?“, fragte Greg verwundert. „Geht es dir nicht gut? Ich bringe später Nachschub mit, falls du ...“

„Greg!“, unterbrach Trent seinen Agenten verärgert. „Vor meiner Haustür liegt eine ausgeweidete Katze, die irgendwer eben erst hier abgelegt hat, ihr Körper ist noch warm. Ich denke, wir beide wissen sehr genau, von wem sie stammt.“

Der Stalker.

Eine andere Möglichkeit kam für Trent nicht infrage und langsam hatte er genug von diesem Spinner. Es war eine Sache, ihn mit Briefen zu belästigen, aber eine tote Katze vor seine Tür zu legen, das war ein ganz anderes Kaliber. Wer immer dieser Typ auch war, er würde nicht damit aufhören, und es stellte sich jetzt die Frage, wie weit ein Mensch zu gehen bereit war, der auf so brutale Weise ein unschuldiges Tier ermordete?

Greg atmete hörbar ein. „Ich rufe die Cops an. Auf die Gala solltest du aber trotzdem gehen. Das bringt dir du jede Menge Pluspunkte ein.“

Trent legte wortlos auf.

Er würde den Teufel tun, mit dem Bild einer unschuldigen, ermordeten Katze vor Augen, Punkte bei reichen Spendenschnöseln zu sammeln. Greg konnte manchmal wirklich abartig sein. Vielleicht sollte er sich nicht nur nach einem neuen Leben, sondern auch nach einem neuen Agenten umsehen.

Andererseits brauchte er keinen Agenten mehr, wenn er aus Hollywood weg war. Was Trent brauchte, war ein Wachhund. Ein richtig bissiger, den er auf diesen Stalker hetzen konnte, sollte der sich in seine Nähe trauen, was leider nicht so abwegig war, denn die Polizei bekam es ja nicht auf die Reihe, diese Person zu finden.

Trent sah wieder zu Boden. Das arme Tier. Von dem ganzen Blut nicht zu reden. Greg musste ihm eine Reinigungsfirma besorgen, die sich auf derartige Dinge spezialisiert hatte, denn er würde diese Lache auf keinen Fall mit der Hand wegputzen.

Obwohl er es nicht wollte, ging er erneut in die Hocke und schloss der Katze die Augen.

Das war alles, was er noch für sie tun konnte.

 

 

Kapitel 2

- Sebastian -

 

 

 

 

„Hast du noch alle Tassen im Schrank? Du kannst mir doch nicht einfach einen Bodyguard aufs Auge drücken.“

„Hättest du zugesagt, wenn ich vorher gefragt hätte?“

„Nein!“

„Siehst du.“

„Ich glaub' das nicht. Du weißt genau, wie wichtig mir mein Privatleben ist, Greg. Ich will nicht, dass irgendein Typ um mich herumschnüffelt, der ...“

„Sebastian Monroe ist momentan der beste Mann, den man in diesem Land für Geld kriegen kann, und darum habe ich ... Was ist?“

Sebastian grinste stumm in sich hinein, präsentierte der neugierigen Empfangsdame von Greg Rivers jedoch einen nichtssagenden Gesichtsausdruck. Sobald Trent sich von dem Schock erholt hatte, dass Sebastian auf ihn aufpassen sollte, würde die Frau eine Show vom Feinsten erleben. Darauf hätte er sein letztes Hemd verwettet und insgeheim wartete er schon darauf, seit Greg Rivers Büro vor zwei Tagen an 'Culpeo Inc.' herangetreten war, um für Trent Morgan, der von einem Stalker belästigt wurde, einen Personenschützer zu finden.

An sich keine bedrohliche Situation. Stalker waren im Allgemeinen einfach nur lästig in ihren Bemühungen, die Aufmerksamkeit ihrer Opfer zu erregen. Eine wirkliche Gefahr ging von den Wenigsten aus, aber Trents Stalker gehörte für Sebastian in diese Kategorie. Das hatte der Mord an der Katze bewiesen. Laut Polizei war das Tier mit einem Messer fachmännisch getötet worden, und das innerhalb kürzester Zeit, weil sie noch nicht ausgekühlt gewesen war, als Trent sie gefunden hatte.

So etwas bekam ein Anfänger niemals zustande. Wer auch immer sich an Trents Fersen geheftet hatte, meinte es ernst mit seiner Drohung. Das brachte 'Culpeo Inc.' und seinen Boss Rick Malloy ins Spiel, denn der leitete eine im gesamten Land erfolgreiche Sicherheitsfirma, die sich auf Personen- und Wachschutz spezialisiert hatte.

Rick war vor Lachen fast vom Bürostuhl gerutscht, nachdem er ihm befohlen hatte, den Job anzunehmen, denn Sebastian war nicht in der Lage gewesen, seine Verblüffung zu verbergen. Normalerweise ließ Rick seine Leute selbst entscheiden, für wen sie arbeiten wollten und für wen nicht, doch in dem Fall war Sebastian von Beginn an klar gewesen, dass er keine Wahl hatte und Widerworte Zeitverschwendung sein würden. Auf die Gelegenheit wartete Rick, seit er wusste, was sich zwischen Trent und ihm vor zwei Jahrzehnten abgespielt hatte, und aus diesem Grund hatte sein Boss die Chance genutzt und Rivers zugesagt.

„Du läufst seit zwanzig Jahren vor ihm davon, das ist genug. Klär' das endlich, sonst kommst du nie zur Ruhe, und er auch nicht“, hatte Rick lässig gefordert und ihn hinterher Packen geschickt.

Seit heute Morgen befand er sich nun in Los Angeles, hatte im für ihn gemieteten Hotel eingecheckt und war nach einer Dusche und einem Frühstück hergefahren, um mitten in den Streit zwischen Greg Rivers und Trent zu platzen, deren Gebrüll trotz geschlossener Türen für ihn wunderbar zu verstehen war.

Um der Wahrheit die Ehre zu geben, Sebastian hatte sie schon vor dem Haus streiten gehört, als er sich einige Minuten in der Umgebung umgeschaut und dabei seinen besseren Sinnen freien Lauf gelassen hatte. So konnte er ihm unbekannte Stimmen und Gerüche später leichter zuordnen, ohne dabei zu verraten, was er war. Das wäre seinem Leben und seinem Job nicht zuträglich gewesen, denn 'Culpeo Inc.' war nur für Außenstehende eine reine Sicherheitsfirma. Für Sebastian und die anderen Männer und Frauen, die für Rick arbeiteten, war diese Firma die beste Möglichkeit, um unauffällig nach anderen ihrer Art Ausschau zu halten.

„Du hast Sebastian Monroe engagiert?“ Trents eisige Stimme fühlte sich an wie ein Peitschenschlag. „Vergiss' es! Ich lass' mich nicht von diesem Arschloch bewachen. Eher springe ich vom nächsten Hochhausdach.“

„Trent, was …? Augenblick mal, kennst du ihn etwa? Herrgott, du ... Jetzt warte doch mal!“

Sebastian sah zu den Büros, als eine Tür aufgerissen wurde, und dann musste er sich heftig zusammenreißen, um nicht zu zeigen, was Trents Anblick in ihm auslöste. Sie hatten sich seit einer gefühlten Ewigkeit nicht mehr gesehen und dennoch, die anziehende Wirkung auf ihn war unverändert stark.

Obwohl er drei Jahre jünger war, hatte Sebastian in ihrer Freundschaft immer den Ton angegeben und Trent sich ihm von Anfang an untergeordnet. Aber das würde er heute nicht tun. Ganz im Gegenteil. Trents Blick war mörderisch, als er ihn entdeckte und auf ihn zukam. Er schien so wütend, dass Sebastian sich darauf einstellte, gleich geschlagen zu werden, doch stattdessen hielt sein ehemaliger Jugendfreund vor ihm an und musterte ihn feindselig.

„Na wie schade. Ich hatte gehofft, du wärst längst von einem Auto überfahren worden“, erklärte Trent bösartig und verschränkte die Arme vor der Brust.

Rivers schnappte hinter ihm fassungslos nach Luft, während die Empfangsdame mit offenem Mund dasaß. Sebastian kommentierte Trents bissige Worte nicht, weil er dessen Wut nach seinem Abgang verdiente. Er erhob sich ruhig von dem Besucherstuhl, auf dem er gesessen und abgewartet hatte, dass die Männer mit ihrem Streit fertig wurden, nickte Rivers knapp zu und wandte sich danach an seinen zukünftigen Schützling.

Ein Blick in Trents Gesicht bestätigte ihm, was er seit der Durchsicht einiger Fotos von dessen letzter Filmpremiere ahnte. Trent hatte weit größere Probleme als diesen unbekannten Stalker, und eines davon konnte Sebastian deutlich an ihm riechen.

„Hallo Trent. Lange nicht gesehen.“

Trents hellblaue Augen verfinsterten sich bedenklich. „Das ist alles, was dir nach zwanzig Jahren einfällt? Fick dich, Monroe!“

Wenig später knallte die Tür hinter Trent ins Schloss, als er aus Rivers Büro stürmte. Sebastian sah zu Trents Agenten, der sichtlich nach Worten suchte. Er winkte ab, als der Mann den Mund öffnete.

„Ich regle das.“

„Sind Sie sicher?“, fragte Rivers leicht zweifelnd, was Sebastian leise lachen ließ.

„Keine Sorge. Schwierige Kunden gehören zu meinem Spezialgebiet.“

Vor allem Sturköpfe wie Trent. Sebastian konnte sich noch recht gut an dessen Dickschädel erinnern. Er mochte in ihrer Freundschaft zwar den Ton angegeben haben, aber wenn Trent etwas nicht gewollt hatte, war es ihm fast nie gelungen ihn umzustimmen. Aus diesem Grund würde Sebastian zu hinterhältigen Mitteln greifen müssen, um Trent dorthin zu bekommen, wo er ihn haben wollte. Er konnte niemanden schützen, wenn er dazu gezwungen war, jede Entscheidung erst zu erklären oder darüber zu streiten.

Als Sebastian das mehrstöckige Bürogebäude verließ, war Trent längst nicht mehr zu sehen, aber sein Geruch hing noch in der Luft. Er heftete sich an seine Fersen und schloss einen Block später zu Trent auf, der ihn erst überrascht ansah, dann aber ignorierte. Zumindest für einige Minuten; länger hielt Trents Geduldsfaden nicht, bevor er stehenblieb.

„Was soll das?“

Sebastian verkniff sich ein überlegenes Grinsen, weil Trent aussah, als würde ihm eine Schlägerei auf offener Straße nichts ausmachen, doch auf solche Schlagzeilen konnte Sebastian verzichten. „Ich mache meinen Job.“

„Wie schön für dich.“ Trent wandte sich ab. „Du bist gefeuert.“

Das hättest du wohl gerne, dachte Sebastian amüsiert und setzte sich in Bewegung. Dieses Mal hielt Trent nicht mal eine Minute durch, bevor er sich zu ihm umdrehte.

„Ich brauche keinen Aufpasser.“

Was du brauchst, ist eine Therapie. Sebastian sprach den Gedanken nicht aus. „Dein Agent sieht das anders und ich glaube, die tote Katze vor deiner Tür würde ihm zustimmen, wenn sie könnte.“

Trent schluckte schwer, sagte aber nichts.

„Du brauchst nicht nur Schutz, sondern eine Auszeit, und ich bezweifle, dass du die in dieser versifften Stadt bekommst.“

„Versiffte Stadt?“ Trent runzelte die Stirn. „Wenn du L.A. so abartig findest, kannst du gern wieder gehen. Das kannst du doch ohnehin am besten. Mir gefällt es hier und ob ich eine Auszeit brauche oder nicht, hast du nicht zu entscheiden.“

Perfekter konnte Trent ihm nicht in die Hände spielen. Sebastian trat dicht vor ihn. Sie waren beinahe gleich groß und Trent viel zu stur, um seinem Blick jetzt auszuweichen. Er wollte aber nicht, dass die Fußgänger hörten, was er zu sagen hatte, deshalb beugte sich Sebastian ein Stück vor, um flüstern zu können.

„Es wäre natürlich äußerst unpraktisch für dich, diese Stadt zu verlassen, das verstehe ich. Ein neues Zuhause, ein neuer Dealer ...“ Sebastian ließ den Satz unbeendet und registrierte mit Genugtuung, wie Trent blass wurde. „Du stinkst wie eine Schnapsbrennerei und hast außerdem irgendetwas eingeworfen, deine Augen verraten dich. Du bist abhängig, und sofern du nicht willst, dass ich dich damit erpresse, wirst du tun, was ich sage.“

Eigentlich hatte Sebastian nicht vorgehabt, so rabiat zu werden, aber je länger er sich in Trents Nähe aufhielt, umso wütender wurde er. Was war nur aus seinem alten Freund geworden? Ein verdammter Junkie. Sebastian hasste Drogen und es ärgerte ihn maßlos, dass Trent sich von dem Dreckszeug hatte besiegen lassen. Gleichzeitig verfluchte er sich selbst, weil Trents Geruch ihm trotz Alkoholfahne die Sinne vernebelte. Er wollte ihn an sich ziehen und das tun, was er sich vor zwanzig Jahren aus gutem Grund verweigert hatte.

Wichtiger war für Sebastian allerdings, dass er Trent aus dieser Stadt schaffte. Weg von den Drogen, bevor sie ihn umbrachten. Es fragte sich bloß wohin? Das Einzige, was ihm einfiel, war, Trent mit nach Sanoro zu nehmen. Was vollkommen verrückt war, aber bevor er sich zur Räson bringen konnte, hatte Sebastian bereits weitergesprochen.

„Du bist ein verdammter Junkie, Trent, und ich hasse Junkies. Deswegen wirst du mitkommen. Raus aus der Stadt, weg von diesem Spinner, der tote Katzen vor deine Tür legt, und vor allem weg von deinen Flaschen, Pillen und was immer du sonst noch einwirfst. Wenn du dich weigerst, gehe ich zur Presse.“

Trent starrte ihn fassungslos an. „Das kannst du nicht machen.“

„Und ob ich das kann“, widersprach Sebastian sehr ruhig, obwohl er innerlich vor Wut brodelte. „Falls du bei der Filmpremiere nicht gelogen hast, bist du raus aus dem Geschäft, also wird sich niemand wundern, wenn du für eine Weile in Urlaub fährst.“

„Ich lasse mich doch nicht von dir ...“

„Willst du wissen, warum ich damals gegangen bin?“, unterbrach er Trent mitten im Satz, denn Rick hatte recht. Zwanzig Jahre Flucht waren genug. Trent verdiente eine Erklärung und er würde sie bekommen.

„Ich weiß, warum du gegangen bist. Du hast deutliche Worte benutzt.“

„Eine Lüge“, konterte Sebastian und Trent schaute ihn überrascht an. „Ich habe dich angelogen, weil ich dir die Wahrheit nicht sagen durfte.“

„Blödsinn.“

„Kein Blödsinn. Also? Wie lautet deine Antwort?“

Plötzlich nahm Sebastian unter dem Geruch von Wut und Alkohol etwas wahr. Seine Nackenhaare stellten sich auf, als er es roch. Kaum erkennbar, aber es war da. Was überhaupt nicht sein konnte. Nicht in diesem Alter, das war viel zu spät. Sebastian konnte sich nur mit Mühe davon abhalten, seine Nase an Trents Nacken zu vergraben und zu schnuppern. Stattdessen sog er unauffällig die Luft ein, um sicherzugehen, dass er sich nicht irrte. Der feine Duft vernebelte ihm die Sinne und ließ ihn innerlich erschauern.

Auf einmal roch er noch etwas anderes.

Erregung.

Verdammt noch mal, Trent wollte ihn.

Immer noch.

Nach all den Jahren und trotz ihres Streits vor seinem Weggang. Wieso war ihm das im Büro nicht aufgefallen? Die Antwort auf die Frage konnte Sebastian sich selbst geben, denn er hatte nicht damit gerechnet. Weder mit der feinen Duftnote, die alles zwischen ihnen veränderte, noch mit Trents herbem Geruch nach Lust.

Letztere hätte er mit sehr viel gutem Willen vielleicht ignorieren können. Ersteres aber nicht, denn es erklärte so gut wie alles. Den Alkohol, die Drogen, den zynischen Blick, der ihm auf vielen von Trents Bildern aufgefallen war. Trent spielte die Rolle des Schönlings von Hollywood perfekt, aber Sebastian hatte genauer hingesehen und einiges entdeckt, was ihm nicht gefiel. Jetzt hatte er eine Erklärung und er würde Trent zu Rick bringen, damit der überprüfen konnte, ob seine Vermutung stimmte. Ob Trent wirklich das war, was Sebastian glaubte.

„Du dreckiger Mistkerl.“

Trents Augen verdunkelten sich vor Wut, was ihn für Sebastian nur anziehender machte. Er riss sich mit aller Macht zusammen und trat zurück, bevor er etwas sehr Dummes tat. „Greg weiß, in welchem Hotel ich abgestiegen bin. Ich fliege heute Abend zurück nach Hause. Sei pünktlich, wenn du eine Erklärung willst.“

Trent verspannte sich spürbar. „Ich gehe nicht zurück nach San Francisco.“

Sebastian stutzte kurz, dann begriff er und schüttelte den Kopf. „Musst du nicht. Ich lebe seit ein paar Jahren in Sanoro.“

„Sanoro? Nie gehört.“

„Eine Kleinstadt in Maine, sehr kuschelig.“ Sebastian verkniff sich ein Lächeln, als Trent die Hände zu Fäusten ballte. „Ich wollte raus aus New York. Sanoro kam mir da gerade recht. Dort kennt dich übrigens kein Schwein. Du kannst ganz du selbst sein, wenn du dich traust.“

Trent verstand ihn, ohne dass er deutlicher werden musste. Seine geröteten Wangen verrieten es. „Was heißt 'heute Abend' bei dir?“

„Sonnenuntergang“, antwortete Sebastian zufrieden, worauf Trent schnaubte.

„Woher soll ich wissen, wann die Sonne untergeht?“

Hatte Trent denn überhaupt nichts aus ihrer Kindheit behalten? Sebastian seufzte innerlich tief auf. „Wenn ich du wäre, würde ich es schnell herausfinden. Wir sehen uns nachher.“

Mit den Worten ließ er Trent stehen, obwohl es ihn in den Fingern juckte, ihn umgehend mitzunehmen und nie mehr gehen zu lassen. Aber diese Entscheidung durfte er nicht für Trent treffen. Rick würde ihn dafür zuerst grün und blau schlagen und dann eiskalt aus der Stadt werfen, sofern er es versuchte. Sie hatten Rudelgesetze, und was deren Einhaltung anging, war sein Boss unerbittlich.

 

Zurück in seinem Hotelzimmer ließ sich Sebastian auf das frisch bezogene Bett sinken und zückte sein Handy, um Rick anzurufen und ihn über seine Planänderung zu informieren. Er konnte keinen Schläfer in dessen Revier bringen, ohne vorher zu fragen.

„Culpeo Inc., was kann ich für Sie tun?“

Sebastian grinste. „Hi Sienna, ist er da?“

„Wen meinst du? Den brummigen Kerl, der gerade an seinem Kaffee nippt und mir böse Blicke zuwirft, weil ich mit dir flirte?“

„Sienna!“, hörte Sebastian Rick fluchen und fing an zu lachen, genauso wie Ricks Tochter, bevor sie ihn mit den Worten: „Ich reiche dich weiter.“, an ihren Boss übergab, der sofort fragte, was los war.

„Ich glaube, er ist ein Schläfer.“

Kurzes Schweigen.

„Welche Art? Hast du einen Verdacht?“

„Nein.“ Sebastian runzelte die Stirn. „Unter den Alkoholdünsten habe ich es zuerst nicht mal bemerkt, aber es ist da, ich bin mir sicher. Irgendwie süßlich.“

„Dann war dein Verdacht also richtig. Er ist süchtig.“

„Ja. Alkohol, Pillen, vielleicht sogar Drogen.“

„Hm“, machte Rick überlegend. „Insekten riechen oft süßlich. Ich werde Jasper anrufen, er kann mir mehr sagen. Wenn dein Junge tatsächlich ein Schläfer ist, müssen wir ihm helfen, bevor er sich umbringt. So wie die anderen, die wir leider zu spät gefunden haben. Gibt es eine Art, die du von vornherein ausschließen würdest?“

„Großkatze“, antwortete Sebastian wie aus der Pistole geschossen, obwohl er es nicht erklären konnte. Es war mehr ein Instinkt.

„Dachte ich mir. Du erkennst deine eigene Art immer. Das ist manchmal unheimlich, wie gut deine Nase ist. Bleib' kurz dran ...“ Sebastian hörte Rick mit Sienna sprechen, die Jasper, den Arzt ihres Rudels, anrufen sollte, dann klappte eine Tür und sein Boss war wieder am Apparat. „Wann bringst du ihn her?“

„Ich habe noch gar nicht gefragt.“

„Meinst du mich oder ihn?“, konterte Rick amüsiert, was Sebastian zum Lachen brachte. „Das dachte ich mir. Bring' ihn her, ich will ihn mir ansehen. Vielleicht finden wir am Geruch heraus, was er ist, sobald er ausgenüchtert und clean ist. Wenn er wirklich ein Insekt ist, dürfte es unmöglich sein, die genaue Art zu erkennen.“

„Und wenn er etwas anderes ist?“

„Du weißt, dass Schläfer sich nicht wandeln. Die Tiere in uns entscheiden selbst, und wenn Trents Tier nicht will oder durch seine Größe nicht kann, können wir es nicht erzwingen. Wir können nur helfen.“

Sebastian seufzte, weil er diese Antwort erwartet und zugleich gefürchtet hatte. „Ich werde Probleme kriegen, wenn er ständig um mich ist.“

„Dein Jaguar hat ihn also wiedererkannt.“ Es war eine Feststellung, keine Frage.

„Er war kaum zu halten, als mir Trents Geruch in die Nase stieg“, gab Sebastian zu.

„Hat es jemand gemerkt?“

„Sehe ich wie ein Anfänger aus?“

Rick lachte. „Nein. Aber du weißt, dass unsere Tiere ab und zu ungestüm reagieren. Vor allem, wenn sie seit zwanzig Jahren unglücklich verliebt sind.“

Sebastian verdrehte genervt die Augen zur Decke. Musste Rick jetzt wieder davon anfangen? „Du weißt, dass ich nichts anderes tun konnte. Ich musste weg, damit ich nicht ...“

„Das war kein Vorwurf“, unterbrach Rick ihn ruhig. „Du warst ein Teenager und Trent schien ein Mensch zu sein. Dein Vater hat die richtige Entscheidung getroffen. Wir paaren uns nun mal nicht mit Normalen. Mir ist also bewusst, dass du keine Wahl hattest. Auch wenn ich es falsch finde, dass dein Vater und du ...“

„Halt' dich da raus!“, presste Sebastian zwischen den Zähnen hervor und Rick seufzte.

„Ihr seid beide Sturköpfe, aber ich werde nichts mehr dazu sagen. Vorerst. Und was Trent angeht, ich weiß, wo eine unerfüllte Liebe wie deine enden kann, also schaff' deinen Mann her. Wenn er ist, was du glaubst, habt ihr jetzt vielleicht eine Chance, glücklich zu werden.“

 

 

Kapitel 3

- Trent -

 

 

 

 

Trent ignorierte den Blick von Jane stoisch, als er ins Büro zurückkam. Er konnte sich lebhaft vorstellen, dass Gregs Sekretärin bereits jede Menge Anrufe getätigt hatte, um diverse Freundinnen über seinen Ausbruch vorhin zu informieren, und Trent wollte ihr nicht noch mehr Stoff für Geschichten liefern. Andererseits hätte sie schon blind sein müssen, um nicht zu sehen, wie sauer er war. Trent war sogar so sauer, dass er auf dem Rückweg ernsthaft darüber nachgedacht hatte, Greg zu feuern, um Sebastian wieder loszuwerden. Er hatte diese Idee am Ende nur verworfen, da ihm klar geworden war, dass es nichts nutzen würde.

Sebastian war schon früher wie eine Klette gewesen und an seinem Charakter hatte sich scheinbar nichts geändert. Ganz im Gegensatz zu seinem Äußeren. Trent verfluchte sich dafür, Sebastians Anblick wie einen Schwamm aufgesaugt und abgespeichert zu haben, obwohl er es nicht wollte. Die gleichen braunen Locken wie früher, dieselben grünen Augen mit diesem Stich ins Braune, der ihn vom ersten Moment an fasziniert hatte. Dazu kam heute ein Körper, der mit Sicherheit jede Frau und auch eine Menge Männer im Umkreis von hundert Metern dazu brachte, sich nach Sebastian umzudrehen. Aus dem schlaksigen Teenager von einst war ein Mann geworden, den er zu gerne nackt gesehen hätte.

Doch dazu würde es nicht kommen. Er würde es nicht zulassen. Damals war er dumm genug gewesen, sich in Sebastian zu verlieben, das würde ihm kein zweites Mal passieren. Aber um das zu schaffen, musste er unbedingt an seiner Selbstbeherrschung arbeiten. Wenn Sebastian bemerkte, was er in ihm auslöste, war er geliefert. Es war ihm schon vorhin nur mit Mühe und Not gelungen, sich seine körperliche Reaktion nicht anmerken zu lassen. Es ging auf gar keinen Fall, dass Sebastian sein Leibwächter wurde. Trent würde den Mann entweder umbringen oder über ihn herfallen und beides war keine Option.

Was hatte Greg sich nur dabei gedacht, ausgerechnet Sebastian Monroe zu engagieren, seinen besten Freund aus Kindertagen, der ihn eiskalt verlassen hatte. Zwanzig gottverdammte Jahre war das her, trotzdem hatte sein Körper auf Sebastians Anblick reagiert. Dabei war Trent sicher gewesen, in der Hinsicht über ihn hinweg zu sein, doch offenbar hatte sich nichts geändert. Trent war mit Achtzehn bis über beide Ohren in Sebastian verknallt gewesen und er war es immer noch.

Scheiße.

Was hatte er nicht alles versucht, um die Gefühle für seinen Freund loszuwerden. Er war nie mit Männern ins Bett gegangen, die Sebastian irgendwie ähnlich sahen, er hatte niemals versucht ihn zu finden, aus Angst, erneut abgewiesen und dadurch noch mehr verletzt zu werden. Eine Weile war er sogar mit Frauen ausgegangen, in der Hoffnung, dass es funktionieren könnte. Fehlanzeige. Es hatte rein gar nichts gebracht. Ein kurzes Gespräch war ausreichend gewesen, um alles, was Trent so mühsam in sich vergraben hatte, wieder an die Oberfläche zu holen. Allein Sebastians Anblick hatte ausgereicht, um die alten Wunden aufreißen und bluten zu lassen und dafür hasste Trent ihn. Genauso wie er Greg hasste, weil der an allem Schuld war.

„Hat er dich gefunden?“, fragte Greg ruhig, nachdem Trent dessen Bürotür hinter sich zugeschlagen hatte.

„Ja, das hat er, und ich hätte gern eine Erklärung von dir, was diese Scheiße soll.“

„Du brauchst Hilfe und Schutz.“

Trent schnaubte. „Ach, hast du etwa Schiss, dass ich dir kein Geld mehr einbringe, wenn ich ausgeweidet in meiner Einfahrt ende, so wie diese Katze?“

Greg sah ihn schockiert an, doch im nächsten Moment wandelte sich das Entsetzen in seinen Augen in Resignation. „Auch wenn du mir nicht glaubst, es gibt tatsächlich Menschen, die dich gern haben. Denen es nicht nur um dein gutes Aussehen und deinen Körper geht. Denen scheißegal ist, dass du mit deinen blonden Haaren und diesen umwerfenden, hellblauen Augen wie ein Engel aussiehst. Ich mochte dich, weil du ein netter Kerl warst und weil ich genau wusste, der Junge bringt es zu was, als wir uns damals über den Weg liefen.“

Greg stand auf und kam um den Schreibtisch herum auf ihn zu, trat direkt vor ihn. Was ihm an Körpergröße fehlte, machte er mit seinem unbeugsamen Charakter tausendfach weg, das hatte Trent schon oft erlebt. Er selbst war bislang jedoch nur wenige Male das Ziel von Gregs Wut gewesen.

„Du willst wissen, was diese Scheiße soll? Das erkläre ich dir gerne, Morgan, denn das junge Talent von damals existiert nicht mehr. Stattdessen ist aus dir ein oberflächliches und egoistisches Arschloch geworden. Du siehst nur noch dich selbst. Es geht immer nur um dich. Von morgens bis abends, Trent, und weißt du was, ich bin es leid. Ich will den Mann zurück, der du warst, als wir uns kennenlernten.“ Greg wurde immer lauter. „Ich will den Trent, der Hollywood erobern wollte, statt sich von dieser Stadt unterbuttern zu lassen. Du hast keine Vorstellung, was ich darum geben und wie viel ich dafür bezahlen würde, um dich wenigstens ein Mal wieder ehrlich und lauthals lachen zu sehen.“

Das war die längste Ansprache, die er seit langer Zeit von Greg gehört hatte und Trent drängte den Anflug von schlechtem Gewissen radikal zurück. Er war nicht schuld an dem ganzen Mist, er wollte seit Ewigkeiten raus. Doch Greg hatte ihm nicht geholfen, niemand hatte das getan. Alle sahen in ihm nur den Goldesel.

„So viel kann ich dir nicht bedeuten, sonst hättest du mir nicht immer die Pillen und Flaschen besorgt.“

Trent wandte sich ab, blieb aber abrupt stehen, als er Greg plötzlich so bitter lachen hörte, dass er davon eine Gänsehaut bekam. Er schaute über die Schulter zurück, direkt in Gregs enttäuschtes Gesicht.

„Ist dir nie in den Sinn gekommen, dass ich das getan habe, um genau darüber im Bilde zu sein, wie tief du drin steckst?“, fragte sein langjähriger Agent und Trent blieb der Mund offenstehen. „Es war mir lieber, dir das Zeug zu besorgen, als nicht zu wissen, was du nimmst und wo du es her hast. Ich wollte nicht eines Tages vor deinem Bett stehen und auf deine Leiche starren. Verreckt an einer Überdosis. Du bist ein Junkie. Ein Süchtiger, den Hollywood kaputt gekriegt hat. Ich versuche schon seit Monaten dich zu entwöhnen, ich strecke die Pillen und verdünne den Alkohol, aber das dauert, weil du es nicht merken solltest. Ich lehne alle neuen Rollen ab, weil ich weiß, dass du keinen Bock mehr hast. Aber ich kann dich nicht rauskriegen, wenn du es nicht zulässt. Dieser Typ, dieser Bodyguard, hat nicht mal eine Minute gebraucht, um dir mehr echte Emotionen zu entlocken, als ich im vergangenen Jahr von dir gesehen habe. Bin ich froh, dass er jetzt da ist und auf dich aufpasst? Ja, verdammt, das bin ich. Auch wenn ich nicht wusste, dass ihr euch kennt. Aber um ehrlich zu sein, ist mir das scheißegal, denn ich glaube, Monroe wird es schaffen. Er wird dich clean kriegen, deinem süchtigen Arsch das Leben retten. Und jetzt verpiss dich und pack' deine Sachen, denn du wirst mit ihm gehen und wenn ich dich höchstpersönlich mit Handschellen an ihm festketten muss!“

Trent hatte das Gefühl, festgenagelt zu sein. Er wollte flüchten, weit weglaufen und Gregs Worte vergessen, sie als Lüge deklarieren, obwohl sie es nicht waren, denn er hatte ein Suchtproblem und wusste das. Trents Körper fühlte sich an, als wäre er mit Blei gefüllt, und er schaffte es nur mühsam sich wieder umzudrehen und Greg in die Augen zu sehen, dessen finsterer Blick sich jetzt langsam in einen mitfühlenden wandelte.

„Die Wahrheit tut weh, nicht wahr?“, fragte Greg und überbrückte den Abstand zwischen ihnen, um eine Hand zu heben und sie an seine Wange zu legen. „Du brauchst Hilfe, Trent.“

„Wieso hast du nie ...?“

„Etwas gesagt?“ Greg seufzte leise. „Das habe ich. Du hast mir nur nie zugehört. Du bist schon so lange damit beschäftigt, dich zu bemitleiden, dass du nichts anderes mehr hörst und siehst. Bei dir sind immer die Anderen schuld. Dass es an dir selbst liegt, etwas zu verändern, ist dir in den vergangenen Jahren nicht ein einziges Mal in den Sinn gekommen. Ich wollte helfen und dein Freund sein, aber du wolltest keinen Freund, also war ich keiner. Du wolltest nur einen Angestellten, der ein Auge auf dein Geld hat und tut, was du willst.“

„Das ist ...“

„Die Wahrheit!“ Greg schüttelte traurig den Kopf, als Trent ihm widersprechen wollte. „Sei endlich ehrlich zu dir selbst, Trent. Ich habe dir genau das gegeben, was du wolltest. Aber jetzt kann ich mehr sein, dank Sebastian Monroe, und ich werde die Chance nutzen, selbst auf die Gefahr hin, dass du mich am Ende dafür hasst.“ Greg trat von ihm zurück und deutete auf die Tür. „Verschwinde. Ich schicke dir die Adresse von Monroes Hotel und seine Zimmernummer aufs Handy.“

Trent schluckte beschämt. „Greg, ich ...“

„Nein. Geh' einfach. Ich kann dich im Moment nicht mehr sehen.“

 

Hatte er Greg tatsächlich so falsch eingeschätzt? Aber was noch wichtiger war, hatte Greg recht, wenn er ihn als oberflächlich und egoistisch bezeichnete? Behauptete, dass er nichts anderes tun würde, als sich zu bemitleiden? Trent wollte nicht darüber nachdenken und trotzdem tat er es. Sein Kopf ließ sich nicht davon abbringen, über ihr Gespräch zu grübeln, und Trent tat es immer noch, als er zwei Stunden später neben seinen gepackten Taschen zu Hause auf dem Bett saß, ohne zu wissen, wie er hierhin gekommen war und wann er gepackt hatte.

Oberflächlich. Egoistisch. Selbstmitleid. Alles Worte, die er oft genug in Bezug auf Kollegen gedacht hatte. War er wie sie? Selbstsüchtig, arrogant, unhöflich? Wann war er ihnen so ähnlich geworden, ohne es zu bemerken?

Trent dachte an seine letzte Filmpremiere. Erinnerte sich daran, wie sehr ihn das alles genervt hatte, wie stark er um ein Lächeln für die Kameras der Fotografen hatte kämpfen müssen, während er ihnen innerlich die Pest an die neugierigen Hälse gewünscht hatte. Trent strich sich durch die Haare. Er war ein Heuchler. Ein Lügner, der in der Öffentlichkeit die heile Welt spielte. Das taten jedoch so gut wie alle in Hollywood, es gehörte schon zum guten Ton, andere zu belügen und zu täuschen.

Ich freue mich sehr auf den Film.

Die Dreharbeiten haben sehr viel Spaß gemacht.

Ich möchte unbedingt noch ein weiteres Mal mit dem Regisseur zusammenarbeiten.

Die Kollegen waren sehr nett, ich mag sie.

Ich liebe meine Fans.

Ganz typische Lügen auf Filmpremieren. Abgesehen vom letzten Satz, schließlich wusste man, wem man den eigenen Erfolg verdankte. Kein Schauspieler würde sich öffentlich hinstellen und über seine Fans herziehen, falls die ihm nicht gerade eine tote Katze vor die Tür legten. Es gab Grenzen in dem Bereich und dieser Stalker gehörte in Trents Augen dazu. Dennoch blieb man als Darsteller meistens höflich und anständig, zumindest solange eine Kamera auf einen gerichtet war.

Von der einen oder anderen Ausfallerscheinung mal abgesehen, wenn ein Kollege an der Bar zu tief ins Glas schaute. Aber derartige Dinge wurden, sofern es möglich war, unter Verschluss gehalten. Und wenn es nicht mehr geheimgehalten werden konnte, tat der Betroffene Buße, und zwar vor der Kamera, und gelobte Besserung. Solche werbewirksamen Szenen, wenn man sich in eine Klinik einweisen ließ, funktionierten fast immer und bescherten neuen Filmen der Darsteller allgemein ein saftiges Plus in der Kasse.

Trent stützte sich mit den Ellbogen auf beiden Knien ab und vergrub sein Gesicht in den Händen. Hollywood hatte ihn untergebuttert und er hatte es zugelassen. Die schnöde Wahrheit, an der, auch wenn er es nicht hören wollte, nicht zu rütteln war. Und Greg hatte es gewusst. Wahrscheinlich schon sehr lange, wenn das mit dem gestreckten Alkohol und den Tabletten stimmte, und beides traute er ihm zu.

Apropos Pillen …

Trent richtete sich auf, zog sein Handy aus der Tasche und begann, nachdem er die neueste Nachricht von Greg gelesen hatte, im Internet nach dem Zeitpunkt des heutigen Sonnenuntergangs zu suchen. Er musste sich unbedingt Nachschub besorgen, bevor er zu Sebastian fuhr, denn Greg war als Quelle ab sofort gestorben.