Die besten Blattgemüse
Giersch
Sein mild-würziges möhrenähnliches Aroma macht ihn roh wie gedünstet zum Top-Favoriten der Wildkräuterküche. Unbedingt probieren!
Löwenzahn
Die jungen Blätter eignen sich für einen feinbitteren, chicorée-artigen Salat. Die gedünsteten Blütenknospen sind eine Delikatesse.
Brennnessel
Die jungen Blätter und Triebspitzen entfalten als Spinat ihren würzigen Geschmack. Lecker ist auch der aromatisch-nussige Samen.
Spitz-Wegerich
Die jungen Blätter entwickeln beim Dünsten ein pilzähnliches Aroma. Noch intensiver sind – roh geknabbert – die ganz jungen Knospen.
Wiesen-Knöterich
Mit seinem mild-säuerlichen, spinatähnlichen Geschmack ist er ein Top-Wildgemüse: roh wie gedünstet ein Erlebnis.
Rot-Buche
Die zarten Frühlingsblätter eignen sich mit ihrem angenehm säuerlichen Aroma sehr gut für Salate. Die gerösteten Samen schmecken nussig.
Wildkräuter erobern die Küche
Jahrzehntelang hatte die »wilde« Kost aus Wald und Wiese ein Negativimage als Nahrung für Notzeiten. Gerade in Kriegszeiten waren die »Unkräuter« eine Ressource, um zu überleben. Doch spätestens mit dem Wirtschaftswunder in den 1950er-Jahren waren Wildkräuter auf dem Teller endgültig passé. Erst in den letzten beiden Jahrzehnten gelang es den essbaren Wildpflanzen, ihr Armutsimage abzuschütteln. Bei professionellen Köchen traten sie in den vergangenen Jahren sogar als exklusive Zutaten auf, die eine Fülle neuer Geschmacksnuancen eröffneten: Selbst die Sternegastronomie hat inzwischen das ein oder andere Wildkraut gerade für exquisite Kreationen wiederentdeckt. Die Wildkräuterküche erlebt heute eine unglaubliche Renaissance.
Bärlauch ist eines der ersten frischen Kräuter nach der langen Winterzeit.
Foto: Frank Hecker
GESUNDE URNAHRUNG
Heute ist den wenigsten Zeitgenossen bewusst, dass Wildpflanzen einst die Grundlage für Nahrungs- wie Heilmittel waren, über die gesamte Menschheitsgeschichte hinweg. Hunderttausende Jahre lang sammelten Steinzeitfrauen Kräuter, Gräsersamen, Wurzeln, Pilze und Wildfrüchte. Sie deckten damit 80% der Ernährung – Wildkräuter sind die Urnahrung der Menschen. Die Kulturstufe der »Sammler und Jäger« macht etwa 99% der Menschheitsgeschichte aus. In der Altsteinzeit zogen kleine nomadisierende Gruppen zu wechselnden Lagerplätzen. Es existierte eine geschlechterspezifische Arbeitsteilung, wobei die Männer zur Jagd gingen und die Frauen Nahrungspflanzen sammelten und sich um die Kranken kümmerten. Die Sammlerinnen sicherten mit einer täglichen Sammelzeit von drei bis vier Stunden die Grundernährung der Gruppe. Die Rolle der Jäger war dagegen viel kleiner – sie wurde lange Zeit überbewertet.
Die damalige Ernährung war nun keineswegs durch Mangel gekennzeichnet, sondern vielseitig und gesund. Neuere Forschungen und Skelettuntersuchungen haben gezeigt, dass die Sammlervölker der Altsteinzeit keineswegs schlecht versorgt waren. Im Gegensatz zu den Ackerbauern der Jungsteinzeit waren sie gesünder und wurden größer und älter.
DIE FRÜHLINGSGÖTTIN BESCHENKT DIE MENSCHEN
Die Grüne-Neune-Suppe lässt sich auch im Freien zubereiten – ein archaisches Erlebnis.
Foto: Frank Hecker
Vor etwa 12 000 Jahren begann dann das Zeitalter des Ackerbaus. Auch hier wurde durch das Sammeln von Wildkräutern der Speiseplan bereichert. Essbare Wildpflanzen wuchsen in großen Mengen nahe den Siedlungen und standen fast ganzjährig zur Verfügung. Vor allem im zeitigen Frühjahr, wenn die Lagervorräte aufgebraucht waren und die Entbehrungen des Winters die Menschen geschwächt hatten, war die wichtigste Sammelzeit. Viele Wildpflanzen sind in unseren Breiten bereits im März verfügbar, zu einem Zeitpunkt, an dem in den Gärten und auf den Feldern noch keine Ernte in Sicht ist.
Dieses erste Grün im Speiseplan galt in der Weltanschauung der damaligen Menschen als Geschenk der Frühlingsgöttin. Die Mutter Erde ließ ihre Kinder nicht im Stich, sie schickte ihnen zur richtigen Zeit die ersten grünen Triebe. Damals wurden Pflanzen als beseelte Wesen erkannt, als Geschenke der Erdgöttin, denen man ganz selbstverständlich Respekt und Dankbarkeit entgegenbrachte.
Die Jungsteinzeitler feierten ihr zu Ehren ein Frühlingsfest mit einer grünen Kultspeise – als Gründonnerstagssuppe oder Grüne Neune bekannt. Die Suppe enthielt die ersten Wildkräuter des Jahres und entfaltete mit der heiligen Zahl Neun die größte Wirkung: Brennnessel, Bärlauch, Löwenzahn, Giersch, Gundermann, Gänseblümchen, Sauerampfer, Spitzwegerich und Schaumkraut. Auch später, in christlicher Zeit, achtete das Volk die Kraft der ersten grünen Wildkräuter. Die alten Rituale fanden Eingang in den kirchlichen Jahreskreis und die Gottesmutter Maria trat immer mehr an die Stelle der heidnischen Frühlingsgöttin.
Das Sammeln von Wildkräutern und -obst besaß natürlich nicht nur im Frühling, sondern ganzjährig einen hohen Stellenwert. Gesammelt wurden vor allem Früchte, die sich am Rande der Rodungsflächen üppig ausgebreitet hatten: Schlehen, Holunder, Weißdorn, Hagebutten und Haselnüsse. Viele Wildpflanzen waren sogar so beliebt, dass sie als Gartengemüse in das kultivierte Land Einzug hielten. Dazu gehörten beispielsweise Barbarakraut, Brennnessel, Gänsedistel, Gänsefuß, Glockenblume, Guter Heinrich, Teufelskralle, Portulak, Rainkohl und Sauerampfer.
Das schöne Barbarakraut war früher in Bauerngärten sehr beliebt.
Foto: Frank Hecker
SAMMELN MACHT GLÜCKLICH
Und wie steht es heute? Längst hängt unser Überleben nicht mehr von gesammelten Wildpflanzen ab. Doch der enorm lange Zeitraum des »Sammler- und Jägertums« steckt uns noch in den Genen. Aus diesem Grund sind Wildpflanzen für den menschlichen Organismus so verträglich und gesund.
Das Sammeln in der Natur ist in den alten Strukturen unseres »Steinzeitgehirns« verankert. Es erfreut die meisten Menschen, draußen in der Natur zu sein, essbare Pflanzen zu entdecken und zu ernten. Es macht Spaß, sein Essen selbst zu sammeln, und gleichzeitig tun wir etwas für unsere Gesundheit: Sammeln ist Bewegung, Naturerlebnis, Erholung und frische Luft. Außerdem gewinnen wir mit dem Wissen um die Nutzbarkeit der Wildpflanzen die Fähigkeit, uns in Notsituationen unabhängig zu ernähren. Neuerdings lernen viele Menschen, sich durch Überlebenskurse in der »Wildnis« zurechtzufinden. Um einen solchen Lernprozess kommen wir nicht umhin, denn das wertvolle Wissen über die Wildkräuter und Heilpflanzen ging in den vergangenen Jahrzehnten mehr und mehr verloren.
BESTE WERTE IN PUNCTO QUALITÄT UND HEILKRAFT
Wild wachsende Pflanzen sorgen nicht nur für eine geschmackliche Bereicherung unseres Speiseplans, sondern sind einfach sehr gesund: Sie enthalten wesentlich mehr Vitamine, Mineralien und Spurenelemente als Kulturpflanzen. Im Durchschnitt sind das etwa 3-mal mehr Vitamin C, 3-mal mehr Eiweiß und auch 3-mal mehr des Spurenelementes Eisen. Manche Wildpflanzen stechen besonders hervor: Die Brennnessel enthält beispielsweise 15-mal mehr Vitamin C, 2,5-mal mehr Eisen und 5-mal mehr Vitamin A als Kopfsalat. Das Gänse-Fingerkraut beherbergt 15-mal mehr Vitamin C als Chinakohl, Giersch hat den 15-fachen Eiweißgehalt von Endiviensalat und das Franzosenkraut liefert uns 3,5-mal mehr Eisen als Spinat. Wildkräuter versorgen uns gerade durch ihre Vielfalt mit den notwendigen Nahrungsstoffen – besser als Kulturgemüse.
Viele Blüten schmecken direkt gezupft am besten.
Foto: Frank Hecker
Bei solchen Gesundheitspaketen können Sie Nahrungsergänzungsmittel getrost im Regal stehen lassen. Und das Faszinierende dabei ist: Wildkräuter und Bäume gibt es gratis vor der Haustür. Da die meisten von ihnen gleichzeitig Heilpflanzen sind, enthalten sie zudem viele die Gesundheit fördernde oder gesundmachende Wirkstoffe. Sie wirken unter anderem zellschützend, stark basisch und sie entgiften und entsäuern unseren Körper. Der Ausspruch des griechischen Arztes Hippokrates »Deine Nahrung sei deine Medizin« bringt das auf den Punkt.
Warum aber schneidet Wildgemüse ernährungsphysiologisch so viel besser ab als das Gemüse auf unseren Feldern? Unsere Kulturpflanzen waren ja schließlich auch einmal Wildpflanzen. Doch bei der Züchtung wurde vor allem auf Größe und Aussehen oder etwa milden Geschmack Wert gelegt. Dabei gingen sehr viele Inhaltsstoffe verloren. Zum einen Vitamine und Mineralien, zum anderen auch heilsame Wirkstoffe wie die verdauungsfördernden Bitterstoffe, die im Kulturgemüse aus Geschmacksgründen nicht erwünscht sind.
Giersch steht oftmals massenweise zur Verfügung. Er liefert wertvolle Mineralien und Vitamine.
Foto: Frank Hecker
GIFTPFLANZEN ZU KENNEN GEHÖRT UNBEDINGT DAZU
Mehr als 12 000 Pflanzen wachsen in Europa. Mindestens 1500 davon sind als essbar bekannt, es dürften vermutlich aber sehr viel mehr sein. Im Vergleich dazu gibt es nur wenige Giftpflanzen, etwa 200. Viele davon führen nur zu leichten Vergiftungen wie Übelkeit und Erbrechen. Doch sind einige auch so giftig, dass schon kleine Mengen lebensgefährlich werden können. Diese Pflanzen sollten dem Sammler unbedingt bekannt sein – vor allem, wenn wir sie mit essbaren Wildpflanzen verwechseln können, zum Beispiel die Blätter des Maiglöckchens oder der Herbstzeitlose mit jenen des leckeren Bärlauchs.
Es ist also ganz wichtig, nur jene Pflanzen zu ernten, die Sie sicher erkennen oder bestimmen können. Zum Glück sind Vergiftungen durch heimische Wildpflanzen recht selten, im Gegensatz zu Zimmerpflanzen und Zierpflanzen aus Parks und Gärten. Die meisten Vergiftungen gehen heutzutage auf Arzneimittel und Haushaltschemikalien zurück – nicht auf Pflanzen.
Pflanzen in klar unterscheidbare Grade der Gefährlichkeit einzuteilen ist schwierig, da der Giftgehalt von vielen Faktoren abhängig ist. So sind neben dem Standort auch Klima, Jahreszeit und Reifezustand der Pflanze entscheidend für die Stärke ihrer Wirkstoffe. Vollreife Früchte von Giftpflanzen sind beispielsweise oftmals weniger giftig als unreife Früchte. Fingerhut oder Bilsenkraut bilden an einem nährstoffreichen, sonnigen Standort wesentlich mehr Giftstoffe aus, als an einem schattigen, nährstoffarmen Platz. Auch der gesammelte Pflanzenteil spielt eine Rolle: Bei den Eibenfrüchten ist der rote Samenmantel ungiftig, während der Kern hochgiftig ist.
Eiben sind hochgiftig! Einzig der rote Samenmantel ist – ohne den schwarzen Kern darinnen! – essbar.
Foto: Frank Hecker
DIE DOSIS MACHT DAS GIFT
Der Ausspruch des berühmten mittelalterlichen Arztes Paracelsus »Alle Dinge sind Gift und nichts ist ohne Gift, allein die Dosis macht, dass ein Ding kein Gift ist« ist heute bekannt. So sind eine Handvoll roher Beeren des Schwarzen Holunders völlig unbedenklich, während größere Mengen Durchfall und Erbrechen auslösen. Deshalb ist es wichtig, bei einigen Wildpflanzen in den Porträts auf Inhaltsstoffe hinzuweisen, die in größeren Mengen (!) gegessen schädlich sein können, in überschaubaren Mengen aber unbedenklich sind. Namentlich sind dies Substanzen wie Oxalsäure, Pyrrolizidin-Alkaloide und Kumarine. Bei diesen Stoffen gilt: Ein gelegentlicher Verzehr birgt nach heutigem Wissen keine Gefahr.
Oxalsäure kann im Übermaß genossen Nierenschädigungen hervorrufen und die Resorption von Eisen im Darm erschweren. In großen Mengen kommt sie in Rhabarber vor, aber auch in anderen Lebensmitteln wie Spinat oder Mangold. Bei den Wildpflanzen ist Oxalsäure beispielsweise in Sauerampfer, Sauerklee und Weißem Gänsefuß vertreten.
Pyrrolizidin-Alkaloide sind in den letzten Jahren in Verruf geraten, weil im Tierversuch krebserregende und leberschädigende Wirkungen festgestellt wurden. Voraussetzung für derartige Phänomene sind allerdings eine deutlich hohe Dosierung und eine Einnahme über einen längeren Zeitraum. Huflattich, Beinwell, Lungenkraut und Natternkopf enthalten geringe Mengen davon. Es gilt hier bei aller Vorsicht auch immer zu bedenken, dass diese Pflanzen eine lange Tradition als Heil- und Nahrungspflanzen besitzen, ohne dass eine Schädigung bekannt geworden wäre. Die Verantwortung für den Verzehr pyrrolizidinhaltiger Pflanzen liegt letztendlich bei Ihrer eigenen Abwägung auf Basis der aktuellen Erkenntnisse.
Kumarine kommen zum Beispiel in Liebstöckel, Kamille, Steinklee und Waldmeister vor. Wegen ihres Duftes werden diese Pflanzen seit Jahrhunderten zum Aromatisieren von Speisen wie Getränken verwendet. Hohe Dosen können zu Leberschäden, Übelkeit und Kopfschmerz führen. In geringen Mengen verursachen sie jedoch keine Nebenwirkungen.
VERGIFTUNGEN DURCH PFLANZEN SIND SELTEN
Eine Gefährdung durch Pflanzengifte wird oftmals sehr hoch eingeschätzt, obwohl schwerwiegende Vergiftungen oder gar Todesfälle äußerst selten sind. Die meisten Vergiftungen werden von Arzneimitteln, Kosmetika und chemischen Haushaltsmitteln verursacht. Pflanzen machen nur etwa 10% der Fälle aus, wobei häufig eine Absicht unterstellt werden kann, da auch Suizidversuche und Experimente mit Rauschdrogen eine Rolle spielen. Zu ernsthaften Vergiftungen durch den Verzehr von Wildgemüse, Wildfrüchten oder Heilpflanzen kommt es dagegen absolut selten. Am häufigsten treten bei wild gesammelter Nahrung Vergiftungen in Verbindung mit falsch bestimmten Pilzen auf.
Die giftige Hundspetersilie ...
Foto: Frank Hecker
Das größte Verwechslungspotenzial mit gefährlichen Giftpflanzen besitzt der Bärlauch, denn er hat gleich drei giftige Doppelgänger. Und diese wachsen zu allem Überdruss immer wieder auch am gleichen Standort. Eine weitere Schwierigkeit besteht bei einigen Pflanzen aus der Familie der Doldenblütengewächse. So besitzen beispielsweise die essbaren Wildpflanzen Wiesen-Kümmel und Wilde Möhre äußerst gefährliche Doppelgänger. Deshalb müssen gerade solche Pflanzen sehr gewissenhaft bestimmt werden. In den Kästen sind die Verwechsler-Kandidaten auf einen Blick gegenübergestellt.
... und ein ebenfalls weiß blühender Doldenblütler, aber essbarer Doppelgänger: Wiesen-Kümmel.
Foto: Frank Hecker
BÄRLAUCH UND SEINE 3 GIFTIGEN DOPPELGÄNGER |
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Geruch |
Blattnervatur |
Blattstiel |
Blattwuchs |
Blattfarbe und -form |
Wurzel |
Blüte |
|
Bärlauch q essbar |
nach Knoblauch (!) |
parallelnervig |
einzelnes Blatt an langem Blattstiel |
direkt aus dem Stängel wachsend |
hellgrün, unterseits matt |
Zwiebel |
Sammelblüte, anfangs in Hülle |
Herbst-Zeitlose q sehr giftig |
kein Knoblauchduft |
parallelnervig |
Blätter zu mehreren (meist 3) am gleichen Stängel, kein Blattstiel |
direkt aus dem Boden, grundständig, Stängel umfassend, ineinandergewickelt |
oberseits stark glänzend, fleischig, am Mittelnerv deutlich gekielt |
Zwiebel |
Samenkapsel in Blattrosette, Blüte erst im Herbst |
Maiglöckchen q sehr giftig |
kein Knoblauchduft |
parallelnervig |
Blätter paarweise am gleichen Stängel, kein Blattstiel |
direkt aus dem Boden, grundständig, Stängel umfassend, zusammengerollt |
blaugrün, unterseits glänzend |
keine Zwiebel, sondern Wurzelstock |
glockenförmige Blüten am Stängel |
Aronstab q ätzend |
kein Knoblauchduft |
netz-nervig |
einzelnes Blatt am Blattstiel |
direkt aus dem Boden, grundständig |
ältere Blätter pfeilförmig, oft violett gefleckt |
keine Zwiebel, sondern Wurzelstock |
kolbenförmiger Blütenstand mit Hochblatt |
DOLDENBLÜTENGEWÄCHSE MIT VERWECHSLUNGSPOTENZIAL
Anhand der Farbzeichnungen können Sie mithilfe der Tabelle prüfen, welche Merkmale der einzelnen Pflanzen Sie bereits kennen. Wenn Sie diese Übung immer wieder durchführen, werden Sie im Lauf der Zeit mehr und mehr Sicherheit für das Sammeln draußen in der Natur bekommen.
DOLDENBLÜTENGEWÄCHSE MIT VERWECHSLUNGSPOTENZIAL |
|||||
Geruch |
Stängel |
Hülle/Hüllchen |
Blattfiederung |
Behaarung |
|
1. Pastinak q essbar |
möhrenartig |
kantig |
fehlen |
1-fach |
wenig |
2. Kleine Bibernelle q essbar |
schwach würzig |
gerillt |
fehlen |
1-fach |
flaumig |
3. Wiesen-Bärenklau q essbar |
unauffällig |
gefurcht |
Hülle fehlt, Hüllchen bortenartig und zurückgeschlagen |
1-fach |
borstig |
4. Giersch q essbar |
möhrenartig |
gefurcht |
fehlen |
1–2-fach |
fast kahl |
5. Wald-Engelwurz q essbar |
schwach würzig |
violett überlaufen |
Hülle fehlt, nur wenige schmale Hüllchen, oft auch fehlend |
2–3-fach |
fast kahl |
6. Bärwurz q essbar |
fenchelartig |
gerillt |
Hülle fehlt, Hüllchen klein und fadenartig |
3–4-fach |
kahl |
7. Wiesen-Kümmel q essbar |
möhrenartig |
gerillt |
fehlen |
2–3-fach |
kahl |
8. Wilde Möhre q essbar |
möhrenartig |
gefurcht |
große fiederspaltige Hüllblätter, zahlreiche Hüllchen |
2–3-fach |
rau |
9. Hundspetersilie q giftig |
unangenehm lauchartig |
rötlich überlaufen |
Hülle fehlt, 3–5 Hüllchen lang und schmal, seitlich herabhängend |
2–3-fach |
kahl |
10. Gefleckter Schierling q sehr giftig |
äußerst widerlich |
violett gefleckt |
3–6 kleine zurückgeschlagene Hüllblätter und 3–5 nach außen gerichtete Hüllchen |
2–3-fach |
kahl |
11. Hecken-Kälberkropf q schwach giftig |
schwach würzig |
violett gefleckt |
Hülle fehlt, 4–8 lanzettliche Hüllchen |
2–3-fach |
borstig |
ZUR SICHERHEIT: MASSNAHMEN DER ERSTEN HILFE
Was ist zu tun, wenn es zu einer Vergiftung kommt? Meist tauchen schon kurz nach dem Verzehr typische Anzeichen wie Brennen in Mund- und Rachenraum, Schwindel, Übelkeit und Erbrechen auf. In diesem Fall sollte sofort ein Notarzt oder eine Giftnotruf-Zentrale verständigt werden. Die neun Notrufzentren haben alle die Rufnummer 19240. Die jeweilige Vorwahl von Berlin, Bonn, Erfurt, Freiburg, Göttingen, Homburg/Saar, Mainz, München oder Nürnberg muss noch vorangestellt werden. Die geschulten Mitarbeiter der Zentralen leisten Hilfestellung zum Vorgehen bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes. Vermeiden Sie unbedingt Panik und Aufregung, ergreifen Sie in möglichst großer Ruhe die folgenden Maßnahmen:
• Auf keinen Fall fetthaltige Flüssigkeiten wie Milch trinken, weil sie die Giftaufnahme im Körper begünstigen können. Gleiches gilt für alkoholische Getränke.
• Stattdessen viel lauwarmes Wasser oder Tee trinken, um die Giftstoffe zu verdünnen und das Erbrechen zu erleichtern.
• Lösen Sie durch mechanisches Reizen des Rachens Erbrechen aus. Nehmen Sie den Finger oder eine Zahnbürste. Keinesfalls sollten Sie eine Kochsalzlösung einnehmen oder der betroffenen Person einflößen, um das Erbrechen auszulösen. Gerade bei Kindern führt das zu schweren Vergiftungen.
• Im Anschluss medizinische Kohle als wässrige Lösung (0,5–1 g pro kg Körpergewicht) verabreichen. Das bindet die giftigen Stoffe und verhindert die weitere Resorption im Organismus. Medizinische Kohle gehört daher unbedingt in Ihre Hausapotheke.
• Keine Abführmittel einnehmen. Falls eine Entleerung des Darmes nötig sein sollte, ausschließlich salinische Abführmittel (Glaubersalz) verwenden.
Alle weiteren Maßnahmen sollten dem Arzt vorbehalten bleiben. Um die Schwere der Vergiftung festzustellen ist es hilfreich, wenn der Arzt oder die Rettungskräfte die Giftpflanze identifizieren können. Falls Sie diese nicht zuordnen können, beschreiben Sie sie möglichst genau. Gut ist auch, Pflanzenteile vorlegen zu können. Wichtig ist es zudem, zu wissen, welche Menge und welche Teile davon gegessen wurden.
Die Blätter des Bärlauchs (links) sehen jenen des giftigen Maiglöckchens (rechts) ähnlich.
Foto: Frank Hecker
WILDKRÄUTER DAS GANZE JAHR ÜBER SICHER BESTIMMEN
Da uns Wildpflanzen prinzipiell ganzjährig zur Verfügung stehen, kann es mit dem Sammeln jederzeit losgehen. Mithilfe der Pflanzenfotografien und der beschriebenen Merkmale sollten Sie die Pflanzen zuverlässig bestimmen können. Sammeln Sie nur Kräuter und Teile von Bäumen, die Sie eindeutig bestimmen können. Wenn Sie sich nicht sicher sind, verzichten Sie darauf, Sammelgut mitzunehmen. Alternativ können Sie natürlich auch Experten zurate ziehen.
Als Neuling konzentrieren Sie sich mit dem Sammeln zunächst auf jene Arten, die sicher zu erkennen sind. Davon gibt es bereits unglaublich viele! Seien Sie achtsam bei Pflanzen, die einen giftigen »Doppelgänger« haben. Sie finden bei den im Porträtteil vorgestellten Arten Hilfestellung unter der Rubrik »Verwechslung«. Hilfreich ist, an einer geführten Wildkräuter-Exkursion teilzunehmen und auf diese Weise mehr und mehr Arten am heimatlichen Naturstandort mit allen Sinnen kennenzulernen.
Blühende Pflanzen sind meist relativ leicht zu bestimmen. Im Frühjahr, wenn sie frisch austreiben, ist das Identifizieren für den unerfahrenen Sammler allerdings nicht so einfach. Da viele Wildkräuter im Jugendstadium geerntet werden, weil sie dann besonders gut schmecken, entsteht ein Dilemma. Sie lösen es, wenn Sie eine Pflanzenart über die gesamte Vegetationsperiode lang beobachten und so die verschiedenen Entwicklungsstadien kennenlernen. Auch auf den Pflanzenporträts sehen Sie immer wieder Fotografien, die die Objekte der Sammlerbegierde im Jugendstadium abbilden.
Mit Übung und Achtsamkeit können Sie die Blätter der Wilden Möhre auch ohne Blüte sicher zuordnen.
Foto: Frank Hecker
Wildpflanzen richtig sammeln
Zum Sammeln benötigen Sie nur wenige Utensilien: Schere oder Messer zum Ernten der oberirdischen Pflanzenteile, Wurzelstecher oder Spaten für Wurzeln oder Zwiebeln, Handschuhe für stachelige Pflanzen. Als Gefäße eignen sich luftige Körbchen oder Papiertüten, die Sie stets nur locker füllen, damit das Erntegut keine Druckstellen bekommt. Plastiktüten kommen nicht infrage, denn darin beginnen die Kräuter schnell zu schwitzen und sich zu zersetzen. Für die Ernte von Beeren können auch kleine Eimerchen praktisch sein. Die beste Sammelzeit sind regenfreie Tage, von 10–15 Uhr. In dieser Zeit sind die meisten Pflanzen sehr stoffwechselaktiv und dementsprechend mit viel Aroma ausgestattet.
Junge, zarte Pflanzenteile sind zu bevorzugen, denn sie sind noch nicht hart, faserig oder voller unerwünschter Bitterstoffe. Ausschließlich saubere und gesunde Pflanzen landen im Körbchen. Dadurch sparen Sie sich hinterher viel Arbeit bei der Zubereitung. Am besten legen Sie die Pflanzen nach Arten getrennt in den Korb oder Sie verwenden gleich einzelne Papiertüten. Schauen Sie die Pflanzen zu Hause sicherheitshalber noch einmal genau an, um jeglichen Irrtum auszuschließen. Und verarbeiten Sie Ihre Beute möglichst bald, damit die wertvollen Inhaltsstoffe erhalten bleiben. Im Kühlschrank hält sich das Sammelgut maximal zwei Tage.
Sammeln Sie stets in gesunder Umgebung.
Foto: Frank Hecker
GEEIGNETE SAMMELORTE FINDEN
Viele essbare Wildpflanzen wachsen schon direkt vor der Haustüre: im eigenen Garten, auf der Rasenfläche, auf den umliegenden Wiesen und Feldern oder in angrenzenden Waldgebieten. Überall in der freien Natur dürfen wild wachsende Pflanzen geerntet werden, es sei denn, es handelt sich um gefährdete oder geschützte Pflanzen. Auskunft über die bedrohten und somit mit Sammel-Tabu belegten Pflanzen bekommen Sie bei Naturschutzbehörden oder im Landratsamt des jeweiligen Bundeslandes. Fragen Sie nach der Roten Liste! In ausgewiesenen Naturschutzgebieten dürfen Sie auf keinen Fall sammeln. Das betrifft auch Allerweltspflanzen wie die Brennnessel.
Sammeln Sie stets achtsam, sodass noch ausreichend Pflanzen stehen bleiben, um den Fortbestand zu sichern. Das gilt vor allem für Wurzeln. Denn wenn Sie von einer Staude die oberirdischen Teile ernten, dann treibt sie wieder aus. Anders ist das, wenn die Wurzeln ausgegraben werden. Ernten Sie also niemals rigoros und sammeln Sie nur so viel Material, wie Sie wirklich brauchen und verarbeiten können. Laut Naturschutzgesetz dürfen Wildpflanzen der Natur nur in Mengen entnommen werden, die nicht über einen großen Handstrauß oder ein Körbchen hinausgehen.
Wichtig ist, dass Sie im eigenen Interesse nur unbelastete Flächen nutzen. Halten Sie dementsprechend Abstand zu stark befahrenen Straßen, Bahndämmen sowie gespritzten und überdüngten Feldern und Weinbergen. Meiden Sie auch Industriegebiete und Wiesen, auf denen Tiere weiden. Und vergessen Sie nicht die beliebten Hundepipi-Plätze ...
Gerade im Frühling ist der Wildpflanzen-Tisch reich gedeckt.
Foto: R. Beiser
DAS THEMA FUCHSBANDWURM REALISTISCH EINSCHÄTZEN
Immer wieder wird der Fuchsbandwurm mit Wildkräutern und -beeren in Verbindung gebracht. Dazu sollten Sie Folgendes wissen: Eine durchaus gefährliche Infektion mit Eiern dieses Wurmes ist sehr selten. Neueste Erkenntnisse zeigen sogar, dass kein Zusammenhang zwischen dem Verzehr von Wildkräutern und einem erhöhten Infektionsrisiko besteht. Interessanterweise werden die Eier meist über Hunde und Katzen auf den Menschen übertragen, sodass es sinnvoll ist, die Tiere regelmäßig einer Entwurmungskur zu unterziehen. Ein Nebenaspekt ist, dass Füchse zunehmend auf Kulturland anzutreffen sind. Der Konsum von Freilandgemüse müsste demnach auch als riskant eingestuft werden. Doch gibt es auch hier keine Hinweise auf Fälle einer Infektion.
Auf jeden Fall ist es sinnvoll, das Sammelgut gründlich zu waschen. Wer ganz sicher gehen will, sollte auf den Rohverzehr verzichten und nur erhitzte Gerichte zu sich nehmen. Das Erhitzen tötet auf jeden Fall die Eier ab, das Einfrieren bietet allerdings keine 100%ige Sicherheit.
Tipps für den guten Geschmack
RICHTIG SAMMELN, AUSWÄHLEN UND VERARBEITEN
Moderne Geschmacksnerven sind vor allem auf milden Geschmack »trainiert«. Die Gemüse- und Salatpflanzen haben sich aufgrund der Züchtung weit von ihren Urahnen entfernt. Deshalb schmeckt Wildgemüse weniger mild, aber dafür nuancenreicher. Dies kann zunächst ungewohnt sein. Wer sich aber einmal darauf eingelassen hat, will das Feuerwerk der wilden Aromen meist nicht mehr missen. Folgende Tipps helfen, sich langsam an zunächst ungewohnte Geschmacksnuancen heranzutasten:
Junge Triebe und Blätter: Sie sind immer zarter und milder als ältere. Deshalb ist der Frühling die beste und ergiebigste Sammelzeit. Sobald die Pflanzen zu blühen beginnen, werden die Blätter meist hart, faserig, bitter und herb. Auf gemähten Flächen treiben Pflanzen wie der Giersch allerdings erneut aus und bieten auf diese Weise auch im Sommer noch mal ein zartes Grün. Das ist nun nicht ganz so mild wie die allererste Ernte, da die Pflanzen auf Abschneiden oder Abfressen mit der Produktion von Stoffen reagieren, die den Fressfeinden den Appetit verderben sollen: Gerbstoffe machen den zweiten Aufwuchs also etwas herber im Geschmack. Deshalb schmeckt der neu ausgetriebene Löwenzahn auf einer gemähten Wiese herber als die Frühlingstriebe im März.
Blüten: Sie sind immer milder als die anderen Pflanzenteile. Am besten schmecken sie, wenn sie gerade aufgeblüht sind. Manche Blüten wie jene der Nachtkerze werden nur wenige Stunden alt und beginnen schnell, schlaff zu werden und zu verwelken. Interessant ist, den Blüh-Rhythmus verschiedener Pflanzen zu beobachten. Sie werden feststellen, das manche nur vormittags blühen, andere hingegen erst in den Abendstunden und manche sogar über mehrere Tage hinweg. So sind zum Beispiel die süßlich schmeckenden Blüten der Königskerze in den frühen Morgenstunden noch prall und knackig, während sie nachmittags schon unansehnlich schlaff geworden sind.
Wurzeln: Sie sind im Herbst am gehaltvollsten. Bei zweijährigen Pflanzen gilt zu beachten, dass die Wurzel im 2. Jahr verholzt und ungenießbar wird. Zweijährige wie die Klette oder die Nachtkerze bilden im 1. Lebensjahr eine bodennahe Rosette und erst im 2. Jahr treibt der Blütenstängel aus. Diese Pflanzen müssen Sie im Herbst des ersten Jahres ernten. Sie können sie auch im zeitigen Frühjahr des 2. Jahres graben, allerdings bevor der Austrieb beginnt. Dies gilt auch für die Wilde Möhre, den Wiesen-Bocksbart und den Pastinak.
Samen: Ernten Sie sie im ausgereiften Zustand im Sommer oder Herbst. Die Fruchtwand von Schoten und Kapseln wie beim Klatschmohn sollte trocken sein. Falls das noch nicht der Fall ist, können Sie sie künstlich nachtrocknen. Das Nachtrocknen ist auch deshalb nötig, weil viele Samen etwas vor der endgültigen Reife geerntet werden. Denn sobald sie reif sind, samen sie leicht aus und fallen dann beim Erntevorgang auf die Erde. Das betrifft Doldenblütler wie Wiesen-Kümmel oder Kreuzblütler wie Acker-Senf und Knoblauchsrauke.
Samen wie Haselnüsse immer erst ernten, wenn sie voll ausgereift sind.
Foto: Frank Hecker
Wildfrüchte: Sie sind oftmals erst dann genießbar, wenn sie voll ausgereift sind. Solange Hagebutten nicht knallrot und fast schon überreif sind, entwickeln sie kaum Aromen. Manche spät reifenden Früchte wie die Schlehen benötigen sogar Frost, um schmackhaft zu sein. Dem können Sie nachhelfen, indem Sie die Früchte einige Tage in die Gefriertruhe legen und erst danach verarbeiten.
Manche Früchte wie die Beeren der Schlehe brauchen Frost, um einen guten Geschmack zu entwickeln.
Foto: Frank Hecker
Stark bitter schmeckende Pflanzen: Falls Ihnen der Geschmack zu unangenehm ist, lässt er sich mildern, indem Sie das Pflanzengut in lauwarmem Wasser einweichen und waschen. Bitterkeit, Schärfe und »Wildheit« können Sie bei Bedarf auch durch die Zugabe von Sahne, Sauerrahm oder Crème fraîche wunderbar mildern. Ein bewährter Tipp ist, die herben und bitteren Wildkräuter durch mild schmeckende auszugleichen. Eine abmildernde Wirkung haben Brennnessel, Giersch, Gänseblümchen, Franzosenkraut, Vogelmiere, Wiesen-Bocksbart und Weißer Gänsefuß.
Pflanzen mit rauer Behaarung: Kandidaten wie Beinwell oder Wiesen-Bärenklau werden gaumenfreundlicher durch kurzes Blanchieren. Sie können alternativ auch einmal ausprobieren, raues Material mit einem Nudelholz abzuwellen.
DIE GRUNDREZEPTE KENNEN: GESUNDE VIELFALT GENIESSEN
Bei den Pflanzenporträts finden Sie immer einen passenden Rezeptvorschlag. Die meisten Wildkräuter und -beeren eignen sich natürlich für eine Vielzahl von Verarbeitungen. Seien Sie kreativ! Als Basis dafür können Ihnen die folgenden Grundrezepte dienen. Kochbücher mit ausführlichen Rezepten zum Thema Wildkräuter finden Sie hier.
WILDE SALATE ZAUBERN – NATURKRAFT UND ECHTER GESCHMACK PUR
Eine große Fülle an Wildpflanzen eignet sich ausgezeichnet für Salat. Gerade milde und neutrale Arten können Sie in großen Mengen verwenden. Dazu zählen Blätter von Gänseblümchen, Gänsedistel, Giersch, Labkraut, Löwenzahn, Spitz-Wegerich. Scharf schmeckende oder sehr würzige Pflanzen schneiden Sie klein und fügen sie als Gewürz bei: Probieren Sie es mit Acker-Senf, Bärlauch, Bärwurz, Beifuß, Dost, Knoblauchsrauke, Quendel, Sauerklee, Schafgarbe oder Schaumkraut.
Wenn Sie sich noch an den wilden Geschmack gewöhnen müssen, können Sie als Basis Kopf- oder Eissalat verwenden und diesen mit den Wildpflanzen mischen. Auch gewürfelte Äpfel oder Birnen können Sie beifügen – das macht die Mischung milder. Gleiches gilt für die Salatsoße, die – mit Sahne oder Crème fraîche verfeinert – herbe Kräuter neutralisiert. Der Salatsoße können Sie durch die Zugabe von etwas Apfel-, Mango- oder Multisaft schnell eine milde Note verleihen. Auch Mandelmus ist eine ideale Ergänzung, die eine bittere Note ausgleicht.
Als Dekoration steht Ihnen eine große Palette appetitlich aussehender Blüten zur Verfügung: Blüten von Ehrenpreis, Gänseblümchen, Klee, Löwenzahn oder Taubnessel. Derart garnierte Salatteller sind nicht nur Nahrung für die Seele, sie schmecken auch vorzüglich. Zur Abrundung können Sie in einer trockenen Pfanne geröstete Kerne von Sonnenblume oder Kürbis nach Belieben darüberstreuen.
Salat aus Blättern und Blüten: Vitaminbombe und Augenschmaus in einem.
Foto: R. Beiser
GRÜNE SUPPE – DIE EIGENE KULTSPEISE
Suppen und Eintöpfe aus Wildkräutern haben eine lange Tradition. Zur Osterzeit wurde früher mit einer grünen Kultspeise ein Frühlingsfest zelebriert – der Gründonnerstagssuppe. Sie enthielt die ersten wilden Frühlingskräuter. Je nach Region waren das Brennnessel, Bärlauch, Brunnenkresse, Löwenzahn, Giersch, Gundermann, Gänseblümchen, Sauerampfer, Schafgarbe, Spitz-Wegerich, Schaumkraut, Vogelmiere oder Wiesenknopf.
Als Basis nehmen Sie am besten eine Gemüse- oder Fleischbrühe, die entweder mit Kartoffeln, Mehlschwitze, Ei oder Getreideschrot gebunden wird. Fügen Sie dann Ihre fein geschnittenen Wildkräuter hinzu. Wer mag, kann die Suppe cremig pürieren. Zum Schluss wird mit etwas Sahne verfeinert und mit gerösteten Brotwürfeln (Croûtons) serviert. Mit schönen, schmackhaften Wildblüten lässt sich zur Abrundung wunderbar dekorieren.
WILDGEMÜSE – DER KREATIVITÄT FREIEN LAUF LASSEN
Wie beim Kulturgemüse gibt es auch für Wildgemüse eine Vielzahl von Zubereitungen: Sie können die Kräuter dünsten, wie Spinat zubereiten, als Belag für eine Quiche oder in Nudel- und Kartoffelaufläufen und als Wildkräuter-Rührei verwenden. Sehr gut lassen sie sich in Knödel-, Pfannkuchen-, Nudel- oder Frikadellenteig einarbeiten oder als würzig-wilde Füllung für Teigtaschen, Crêpes oder Pfannkuchen gebrauchen.
Duftende Holunder-Blüten: Hollerküchle ...
Foto: Frank Hecker
... für süße Gaumenfreuden.
Foto: Frank Hecker
Herzhafter Pfannkuchen mit Gänseblümchen und Löwenzahn.
Foto: Frank Hecker
Großblättrige Kräuter wie vom Huflattich oder Beinwell können als Basis für Blattrouladen dienen, die Sie in der Pfanne braten oder im Ofen schmoren. Etwas Besonderes ist es, Blätter und Blüten in Pfannkuchenteig zu tauchen und anschließend goldbraun zu backen. Oder junge Blatt- und Blütenstängel wie Spargel zuzubereiten. Wurzeln können Sie wie Möhren dünsten oder als Püree servieren. Ihrer Fantasie sind natürlich keine Grenzen gesetzt.
PESTO – AUCH ALS VORRAT FÜR DEN SOMMER UND HERBST
Für ein leckeres Pesto können Sie sich an der Basilikum-Spezialität aus Ligurien orientieren. Dort wird es traditionell zum Würzen von Salatsoßen oder für Nudelgerichte eingesetzt. Mischen Sie 120 g feinst gewiegte Wildkräuter mit 150 ml Olivenöl, dem Saft einer 1/2 Zitrone, 15 g Knoblauch, 30 g geriebenem Parmesan, 30 g gemahlenen Nüssen und 1 TL Salz. Es eignen sich dazu Brennnesseln (wegen der Brennhaare blanchiert), Bärlauch, Brunnenkresse, junger Giersch, Knoblauchsrauke, Löwenzahn, Spitz-Wegerich oder Vogelmiere. Füllen Sie die Masse in Gläser: Ohne Nüsse und Käse hält sich das Pesto bis zu acht Monate.
WURZELKAFFEE – MIT WILDER WÜRZE DURCH DEN TAG
Kaffee aus Wildpflanzen verbinden wir oftmals mit Notzeiten, in denen echte Kaffeebohnen rar waren. Es lohnt sich, auch in der heutigen Überflussgesellschaft darauf zurückzugreifen. Dafür eignen sich vor allem stärkehaltige Wurzeln wie von Wegwarte und Löwenzahn. Die geernteten Pflanzenteile werden auf die Größe von Kaffeebohnen zerkleinert und 1–2 Tage in der Sonne oder auf der Heizung angetrocknet. Rösten Sie sie danach in einer trockenen Pfanne oder im Backofen (200 Grad) bei leicht geöffneter Tür, bis die Stückchen braun sind und ein feines Röstaroma verströmen (10–15 Min.). Am besten ist, die gerösteten Wurzelstückchen direkt vor dem Gebrauch in einer Kaffeemühle zu mahlen. Das ergibt einen frischen, würzigen Geschmack.
Eine interessante Variante ist, einen solchen Wurzelkaffee mit echten Kaffeebohnen zu mischen. Das ist auch ein guter Trick für jene Menschen, die sich von übermäßig viel Kaffeegenuss lösen möchten. Sie können dabei schrittweise vorgehen und das Mischungsverhältnis mehr und mehr zugunsten des Wurzelkaffees verändern. Probieren Sie es aus ...
SÜSSE KRÄUTERFREUDEN MIT ZUCKER ODER SCHOKOLADE
Beliebt sind kandierte Blüten von Veilchen oder Rose. Kenner wissen, dass es darüber hinaus eine Vielzahl mild-süßlich schmeckender Wildblüten gibt, die sich ebenso eignen. Probieren Sie es einmal mit Gänseblümchen, Wiesen-Salbei oder der Nachtkerze.
Und so geht es: Schlagen Sie Eiweiß mit wenig Puderzucker halbsteif. Schöne Blütenblätter ziehen Sie mit einer Pinzette durch die Eischnee-Masse oder bepinseln sie damit. Anschließend bestreuen Sie die Blüten rundum mit Zucker, legen sie auf Backpapier und trocknen sie bei 50° C etwa 1 Stunde im warmen Backofen. Fertig ist die Dessert-Dekoration! Beachten Sie: Die kandierten Blüten sollten Sie innerhalb von zwei Tagen verbrauchen.
Länger haltbar sind sie, wenn Sie sie auf Basis von Gummi arabicum kandieren. Rühren Sie 10 g Gummi arabicum (Apotheke) und 10 g Zucker in 30 ml kaltes Wasser, lösen Sie alles im heißen Wasserbad auf. Während der Ansatz erkaltet, lösen Sie separat 150 g Zucker in 50 ml Wasser auf. Kühlen Sie auch diese Zuckerlösung nach dem Aufkochen ab, bis sie handwarm ist. Dann bepinseln Sie die Blüten zuerst mit der Gummi-arabicum-, im Anschluss mit der Zuckerlösung. Zum Schluss bestreuen Sie die filigranen Köstlichkeiten mit feinem Kristallzucker und lassen alles trocknen.
Alternativ können Sie Wildblüten auch mit Schokolade überziehen. Dazu schmelzen Sie Schokoladenkuvertüre zusammen mit einem Schuss Sahne im Wasserbad. Mit einer Pinzette ziehen Sie dann Blüten durch die Schokolade, legen sie auf Backpapier und im Anschluss in den Kühlschrank zum Abkühlen. Ob kandiert oder mit Schokoladenüberzug: Sie kreieren ein wunderbares Dekor für Eis oder süße Quarkspeisen. Neben Blüten eignen sich natürlich immer auch junge Blätter wie jene von Gundermann oder Wasser-Minze.
Betörende Quarkspeise dank farbenfroher und süßlich schmeckender Blüten.
Foto: R. Beiser
FALSCHE KAPERN – SALZIGE SPEZIALITÄTEN AUS MITTELEUROPA
Eingelegte Kapern sind eine Spezialität des Mittelmeerraumes. Doch wir Mitteleuropäer müssen mit etwas Erfindergeist auf einen solchen Genuss nicht verzichten: Die Blütenknospen des Kapernstrauches können Sie wunderbar durch heimische Blütenknospen wie von Bärlauch, Gänseblümchen oder Löwenzahn oder durch unreife Samen wie vom Sauerklee oder von der Kapuzinerkresse ersetzen.
Das Grundrezept ist einfach: Bestreuen Sie die Pflanzenteile mit Salz und lassen Sie alles einige Stunden stehen. Dann spülen Sie kurz mit heißem Wasser ab und lassen abtropfen. Kochen Sie die falschen Kapern danach mit ein paar Pfefferkörnern in Essig auf. Die salzigen Spezialitäten füllen Sie zusammen mit dem Essig in Gläser, die Sie dicht verschließen. Wichtig dabei: Alles sollte mit Essig bedeckt sein, um Schimmelbildung zu vermeiden.
LIKÖR AUS WILDEN KRÄUTERN UND FRÜCHTCHEN – EIN SÜFFIGER GENUSS
Für Likör ziehen Sie grob zerkleinerte Pflanzen oder Früchte eine Woche lang in Alkohol aus. Sie benötigen für 1 l Alkohol etwa 100–150 g Blätter, Blüten oder Früchte. Wichtig ist dabei, dass die Masse mit Alkohol bedeckt ist. Dann entsteht kein Schimmel. Am besten verwenden Sie milde Spirituosen wie Korn oder Wodka, die den Eigengeschmack der Wildpflanzen bewahren. Es eignen sich aromatisch duftende Kräuter wie Bärwurz, Dost, Quendel und Minze, auch die säuerlich-fruchtigen Aromen von Wildfrüchten wie Sanddorn, Heidelbeeren und Schlehen. Sie können auch mit duftenden Wildblüten von Linde, Mädesüß oder Holunder experimentieren. Gewürze wie Zimt, Vanille, Nelke oder Zitronenschalen betonen und verfeinern das Aroma.
Nach dem Ausziehen gießen Sie durch einen Kaffeefilter ab und süßen mit einer Zuckerlösung aus Zucker zu Wasser = 1 : 1. Nehmen Sie also beispielsweise 100 ml Wasser mit 100 g Zucker. Die Lösung kochen Sie kurz auf. Falls sich Schaum bildet, schöpfen Sie diesen ab. Nach dem Abkühlen fügen Sie die fertige Zuckerlösung dem alkoholischen Auszug bei: Auf 1 l Auszug benötigen Sie eine Zuckerlösung mit 200 g Zucker. Sehr saure Früchte (Berberitze, Schlehe) können auch eine stärkere Zuckerlösung vertragen. Vor Gebrauch sollten Sie den Likör einige Wochen reifen lassen: je länger, desto besser!
SEKT AUS BLÜTEN – EINE PRICKELNDE GAUMENFREUDE
Wildblüten, die wie Holunder oder Mädesüß einen blumigen Duft besitzen, legen Sie in 7 l Zuckerwasser (Wasser zu Zucker = 7 : 1) ein. Sie brauchen 20–30 Handvoll Blüten. Das entspricht etwa 20 großen Blütendolden des Holunders. Nun rühren Sie 30 g Zitronensäure oder den Zitronensaft von zwei Zitronen sowie eine in Scheiben geschnittene Bio-Zitrone darunter. Mit einem Tuch abgedeckt, stellen Sie den Ansatz 2–3 Tage an einen warmen Platz. Gelegentlich rühren Sie um.
Sobald durch den einsetzenden Gärprozess Perlen aufsteigen, sieben Sie ab und füllen das prickelnde Getränk in dickwandige Flaschen. Füllen Sie die Flaschen nicht ganz auf. Am allerbesten eignen sich Sektflaschen, die wie beim echten Original mit einem Draht verschlossen werden. Dünnwandige Flaschen mit ungenügendem Verschluss können unter dem Druck durchaus zerbrechen.
Lagern Sie die Flaschen 1–2 Monate im Keller und lassen Sie sie nachgären. Danach steht einer wilden, genussvollen Zecherei nichts mehr im Wege ...
ESSIG – WILDE WÜRZE AUS DER FLASCHE
Das Einlegen von Pflanzen in Essig ist eine traditionelle und sehr gute Methode, um Aromen einzufangen und auf diese Weise Salate auch im Winter wild würzen zu können. Sie schneiden aromatische Kräuter wie Bärlauch, Bärwurz, Dost, Blüten vom Holunder, Quendel, Schafgarbe oder Blüten vom Veilchen klein und übergießen sie mit Weinessig, sodass alles gut bedeckt ist. Auf gleiche Weise können Sie Wildfrüchte wie Wald-Erdbeeren, Himbeeren oder Holunderbeeren verwenden.
Sie benötigen etwa 100 g frische Pflanzen oder Früchte auf 1 l Essig. Nach zwei Wochen Ausziehzeit filtern Sie ab und füllen den Kräuteressig in schöne Flaschen. Geben Sie als Deko gerne einige passende hübsche Blüten oder Früchte dazu. Auf diese Weise eignet sich der Wildkräuter-Essig auch sehr schön als Geschenk.
ÖL AUS KRÄUTERN UND SAMEN – FÜR DEN PERSÖNLICHEN GESCHMACK
Öl ist ein ausgezeichneter Geschmacksträger. Deshalb lassen sich darin die Düfte aromatischer Wildpflanzen bestens einfangen. Geeignet sind alle Speiseöle wie aus Olive, Sonnenblume oder Raps. Da sich Öl und Wasser nicht so gut vertragen, das heißt nicht vermischen, sollten Sie am besten getrocknete Wildkräuter nehmen. Das macht das Kräuteröl insgesamt auch haltbarer.