Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
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Satz, Fotoeditierung, Umschlag und Redaktion:
© 2016 Peter Jäger
p.jaeger.metrologie@web.de
Vor- und Nachwort:
Angela und Harald Lux
Herstellung und Verlag:
BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN: 978-3-7431-5577-0
Auf Grund der Grauen des 2. Weltkriegs ist es nicht verwunderlich, dass über den Krieg in vielen deutschen Familien nicht gesprochen wurde. So war es auch in unserer Familie. Wir wussten nur, dass unser Vater und Schwiegervater Emil Lux den Russlandfeldzug mitgemacht und dabei seinen rechten Arm verloren hatte. Ein wenig offener wurde Emil Lux als er Kontakt mit einem amerikanischen Studenten bekam, der seine Promotionsarbeit über Halbjuden im Krieg schrieb und unseren Vater und Schwiegervater, der ja Halbjude war, interviewte. Das Erscheinen der Arbeit in Buchform wurde Anlass auch im Hause Lux über den Krieg zu sprechen. Am 1. September 1939 wurde Emil Lux zur Wehrmacht eingezogen. Am 1. Januar 1941 begann für ihn der Russlandfeldzug. Seine Aufgabe war es, als Melder alle Befehle und Berichte weiterzugeben. Am 1. August wurde er zum Unteroffizier ernannt.
Der mörderische Russlandfeldzug endete für ihn am 4. März 1942 bevor er Stalingrad erreicht hatte. Im Kampf verlor er bei Nikolaijevka seinen rechten Arm. So entging er der verlustreichen Schlacht um Stalingrad. Er wurde nach Deutschland transportiert und im Militärlazarett von Würzburg gesund gepflegt. Als Auszeichnung erhielt er das Eiserne Kreuz.
Aber viel mehr erfuhren wir erst nach dem Tod unserer Eltern und Schwiegereltern. Wir entdeckten Unterlagen, Fotos und, was uns besonders faszinierte, ein handgeschriebenes Kriegstagebuch.
Zwar enthielt dieses Tagebuch nicht nur Text, sondern auch Zeichnungen und Fotografien, die einen spannenden Inhalt versprachen – jedoch wurde es in Stenografie geschrieben und war zunächst für uns nicht lesbar. Der Zufall half – eine pensionierte Lehrerin aus Wermelskirchen konnte Stenografie lesen und nahm sich des Tagebuchs an. Fein säuberlich wurde Seite um Seite entziffert und lesbar handschriftlich mit Tinte niedergeschrieben.
Nachdem der Weg von Emil Lux im frühen 2. Weltkrieg nun als spannendes Manuskript nacherlebbar war, kam schnell die Idee auf, den Inhalt auch Familie und Freunden als Andenken an den berühmten Remscheider Unternehmer zugänglich zu machen. Die Idee dazu hatte Angela Lux, die im Januar 2016 in der Zeitung einen Artikel über ein Kriegstagebuch eines Soldaten aus Remscheid las, das als Buch veröffentlicht worden war. Und so entstand dieses Buch.
Die Nummerierung der Seitenzahlen oben entsprechen der Nummerierung des Tagebuchs.
Stilelemente wie unterstrichene Texte o.ä. wurden übernommen und sind auch im Original nicht immer konsequent eingesetzt worden.
Freie Seiten wurden wie im Tagebuch belassen. Freie Tagebuchseiten sind an der fortlaufenden Seitennummerierung oben zu erkennen.
Worte, die nicht entziffert werden konnten, werden im Text mit ... markiert.
Die im Original verwendete stenographische Kurzschrift erlaubte Emil Lux, mehr auf eine Seite zu schreiben, als es im Druck möglich ist. Daher werden einige Seiten auf einer Folgeseite fortgesetzt. Damit die dadurch entstehende Seitenlage (rechts ist immer eine Seite mit ungerader Seitenzahl) wieder korrigiert wird, wurden weitere freie Seiten (ohne Seitennummerierung oben) eingefügt.
Fotos wurden wie im Tagebuch vorhanden eingefügt.
des
Emil Lux
Erlebnisreiches 1941
Tagebuch, Aufzeichnungen und Skizzen mit Bildern aus dem Südosten und aus Russland.
Begonnen auf einem Marsch durch Rumänien und Bulgarien.
- Winter in Liebenberg -
(als Schütze)
- Start zur Meldefahrt -
Liebenberg in Masuren
- Gefangenenlager –
- Dorfstraße -
Die Reise zum Balkan
Abfahrt am 09. März 1941 um ½ 8 Uhr.
Güterwagen mit Bänken und Stroh, in jedem Wagen 35 Mann. Es ist kalt.
24 Uhr Warschau
12.03.1941
Weiter über Budapest. Überall auf den Bahnhöfen herzlicher Empfang durch die Volksdeutschen, der uns noch lange in Erinnerung bleiben wird. Immer wieder schneit und regnet es und so wir sind froh, als wir am 19.03.1941 gegen Mittag in Bukarest landen.
Anschließend ausladen und dann ein 50 km-Marsch bis zum Dorf Potlogi, wo wir in Quartiere gestopft werden.
10 Tage Potlogi
Ich bin weiter als Gruppenführer eingeteilt- Es wird harter Dienst geschoben. Für geringfügige Sachen gibt es einen Übungsmarsch. Zum ersten Male Unterführerausbildung mit viel Dampf. Die Schreibstube funktioniert sehr schlecht. Nach ein paar Tagen bekomme ich ein fabelhaftes Quartier mit 2 anderen Kameraden. Flocker heißt der dienstbare Geist, der uns für wenige Lei alle Herrlichkeiten, hauptsächlich Eier, in Windeseile beschafft.
Die Sonne brennt, die Nächte sind kühl. Kein Mensch ahnt etwas. Am 28.03. Übungsmarsch mit mittlerem Sturmgewehr in glühender Sonne. Kragen darf nicht geöffnet, Mütze nicht abgesetzt werden. Nach 3 Stunden Marsch fallen die ersten um. 10 Mann der Kompanie fallen aus, bis endlich der Befehl kommt: Kragen auf! Alles ist froh, als man um 2 Uhr wieder zu Hause ist
Alles freut sich auf die schöne Nachtruhe, da gibt es abends „Alarm“. Das war eine Überraschung!
Zuerst sollte um 22 Uhr abmarschiert werden, dann wird es auf den nächsten Morgen 7 Uhr verschoben.
„Ungarn“
- Budapest -
- Zigeunerin -
Ein Marsch durch den Balkan
1. Tag
29.3.41
Potlogi – Popesti 58 km
Antreten um 5 Uhr. Gott sei Dank ist leichtes Sturmgewehr befohlen. 50 km sind zu marschieren. Viele haben die Füße vom gestrigen Marsch noch kaputt und humpeln mühsam mit. Um 11 Uhr fallen die ersten beiden um. Umgehend wird Kragen geöffnet, Mütze abgenommen. Alles rechnet sich aus: Heute Abend um 19:00 Uhr sind wir am Ziel. Bei einer Marschpause wird auf einmal bekannt, dass nicht 48, sondern 60 km zu marschieren sind. In den letzten 18 km gibt es keine Pause mehr, immer mehr Leute fallen um. Die Gefechtwagen sind schon stark überladen. Als wir endlich um 21 Uhr ankamen, hatten die Herrn Quartiermacher bei der Einweisung noch Schwierigkeiten und so dauerte es beinahe 1 ½ Stunden, bis man im Quartier war.
Kaum Platz zum Schlafen vorhanden, aber auf dem Boden schläfts sich in dieser Nacht auch gut. Lange Zeit konnte man nicht einschlafen, so brannten die Fußsohlen.
2. Tag
30.3.41
Popesti - Uzumi 24 km
Alles hatte sich schon auf einen Ruhetag gefreut, da blies jemand um 6 Uhr fürchterlich falsch „Alarm“. Mit Müh und Not stand die Armee zur rechten Zeit und gleich gings weiter. 22 km solltens sein, man trabt trotzdem in einem verrückten Tempo los. Schon nach 5 km gibt einer auf. Auf den Gefechtwagen sitzen noch die Marschkranken von gestern. Die Sanis haben alle Hände voll zu tun. Aber alles kommt mit, wenn auch viele mit dem Gefechttross. Um 14:30 Uhr sind wir am Ziel, einem kleinen rumänischen Dörfchen. Hauptgesprächsthema: die Füße.
Meine stecke ich gleich ins Wasser und creme sie ordentlich ein. Dann wird gegessen, die Waffen gereinigt und geschlafen. Einen wunderbaren Wein gab es.
Type aus Potlogi (Rumänien)
Potlogi
„Auf dem Marsch“
- am 2. Marschtag – (Gefreiter)
3. Tag
31.03.1941
Uzumi - Russe 38 km
06:15 wecken. 08:00 Abmarsch. Heute geht es nach Bulgarien- 40 km sollen es werden und die Grenze überschritten werden. Ich bin mir nicht ganz klar, ob ich alle Leute meiner Gruppe mit bekomme. Meine Füße sind ganz in Ordnung, nur eine fürchterliche Müdigkeit in den Beinen. Stundenlang geht es über eine schnurgerade Asphaltstraße, der Tod für meine Füße. Als wir an die Donaubrücke kommen, 18:52 Uhr, die unsere Pioniere meisterhaft erbaut haben, ist es schon halbdunkel und fotografieren hat keinen Zweck mehr. 110 m breit ist die Donau hier breit und dann sind wir in Bulgarien. Jubelnder Empfang: Zigaretten, Zitronen und Blumen, Blumen, Blumen. Wir marschieren durch Russe und dann umfängt uns wieder die schwarze Nacht. Um 22 Uhr sind wir endlich am Ziel: einem großen Zeltlager. Zu allem Unglück kippt ein Gefechtwagen noch um. Dann hieß es erst Zelte bauen und um 23:30 Uhr konnte man erst daran denken, sich schlafen zu legen.
4. Tag
01. April 1941
Russe – Obretenitz 32 km
04:30 Uhr wecken. Schlimm war das Anziehen der Stiefel. 6 Uhr Abmarsch. Alles hofft und spricht vom kommenden Ruhetag. Jetzt beginnt das Schlimmste. Wir schlagen eine Straße ein, die nur aus feinem Kalkstaub besteht, dazu starker Wind. In kurzer Zeit ist alles weiß von den Bärtchen bis zu den Stiefeln. Man kann kaum mehr atmen und nichts vor sich sehen. So geht das 20 km. Im Quartierdorf ist das Wasser sehr knapp. Ein ungeheuer tiefer Brunnen – der einzige im Dorf – bringt bei jedem Mal nur ein Kochgeschirr schmutziges Wasser heraus. Trotzdem ist man froh, ein paar Stunden Ruhe zu haben. Der erste Brief geht nach Hause. Von meinen armen Kerlen, die kaum noch laufen können, werden 3 als Wache eingeteilt. Dafür werden sie sicherlich morgen beim Marsch ausfallen. Mit diesem Gefühl lege ich mich auf der harten Matte zur Ruhe.
Auf der Kalkstraße (4.Tag)
Noch einmal die Kalkstraße:
Eine Qual für Mensch und Tier 4. Tag
5. Tag
02. April 1941
Obretenitz – Bjala 18 km
5 Uhr wecken, 7 Uhr geht’s los. Alles ist heilfroh, als der Bataillonskommandeur verkündet. Heute nur 18 km – Morgenspaziergang. Zum ersten Mal seit längerer Zeit klingt wieder ein Lied auf. Der Rechnungsführer wird sehr vermisst. Uns fehlen die Liras, um irgendetwas zu kaufen. In glühender Mittagssonne kommen wir endlich in einer kleinen Stadt an, aber leider gibt’s wieder kein Quartier, es wird gezeltet. Herrlich die Lage des Zeltplatzes an einem größeren Fluss.
Plötzlich wird die Kompanie zusammengerufen und es wird die Anerkennung für die gezeigten Marschleistungen ausgesprochen. Erstmals wird der Ausdruck „Marschgeld“ geprägt. Am späten Abend gibt es noch bulgarischen Wein.
6. Tag
03. April 1941
Bjala – Groß-Studena 35 km
So eine Schweinerei: Nachts um 2 Uhr wecken. Ein Drama ist das Zusammenpacken des Gepäcks. Jeder hat beim Marschieren mit dem Schlaf zu kämpfen und die Kompanie taumelt so in den Morgen hinein. In den späten Mittagsstunden kommen wir an. Die Kompanie ist in der Schule untergebracht und liegt auf Stroh. Die Dorfjugend jubelt uns begeistert zu. Heute bekam ich reichlich Post von zu Hause, dazu eine gute Flasche bulgarischen Weins, dann schläfts sich gut.
7. Tag
04. April 1941
Groß-Studena - Totleben 36 km
2 Uhr wecken. Alles nimmt sich vor, am nächsten Quartierort sich sofort hinzulegen, so vollständig kaputt ist man noch von den Anstrengungen des vorigen Tages.