Inhalt

  1. Cover
  2. Über das Buch
  3. Über den Autor
  4. Titel
  5. Hinweis
  6. Impressum
  7. Widmung
  8. I Ausgepowert oder: Geht uns allen die Puste aus?
  9. II Matt und müde: neue Normalität oder echte Krankheit?
  10. 1 Die erschöpfte Gesellschaft
  11. 2 Erschöpfung, Burnout, Depression: die verschiedenen Symptome
  12. 3 Alarmsignal Erschöpfung: wenn Stress krank macht
  13. 4 Der medizinische Check-up: was untersucht werden muss, wenn Sie dauernd erschöpft sind
  14. III Der moderne Stress und unsere schwindende Widerstandskraft: eine gefährliche Kombination
  15. 1 Ist das Smartphone wirklich schuld? Unser Stressempfinden unter der Lupe
  16. 2 Schutzschilde gegen stressbedingte Erschöpfung – und wie der gesellschaftliche Wandel sie zerstört
  17. 3 Warum es so schwierig ist, das Lebenstempo zu drosseln
  18. Im Gespräch mit Prof. Dr. Hartmut Rosa
  19. 4 Vom Irrlichtern gegen die Erschöpfung: was garantiert nicht hilft
  20. IV Unsere wichtigsten Kraftquellen
  21. 1 Die Atmungskette: wie Ihre Zellen gegen die Erschöpfung kämpfen
  22. Eisen: das unterschätzte Spurenelement
  23. Vitamin B12: Kraftspender aus Bakterien
  24. 2 »Gutes Brot ist für mich wie Kaviar!«: im Gespräch mit Dietmar Priewe
  25. 3 Bewegung: Krafttraining für Körper und Geist
  26. 4 Media- und News-Detox: Das bringt Sie wieder runter!
  27. 5 Richtig schlafen
  28. 6 Schluss mit dem Freizeitstress
  29. 7 Richtig abschalten und auftanken in der »schönsten Zeit des Jahres«
  30. 8 Das große Los des kleinen Glücks
  31. 9 Innere Ruhe finden
  32. V Kraftquellen aktivieren! Das Recharge-Programm für ein gutes Leben
  33. 1 Lebens-Check-up: die Bestandsaufnahme
  34. 2 Plane deinen Tag!
  35. 3 Nachhaltigkeits-Check
  36. 4 Energie zum Genießen
  37. 5 Laufend in ein gutes Leben
  38. 6 Der inneren Kraft auf die Sprünge helfen: Ihr Substitutionsplan
  39. 7 Der gute Tag
  40. 8 Auf die innere Haltung kommt es an!
  41. 9 … und hier noch einige Entschleunigungs-Tipps auf einen Blick
  42. Anhang
  43. Gesundheitsfragebogen für Patienten (PHQ-9)
  44. Maslach-Burnout-Selbsttest (MBI)
  45. Trainingsplan
  46. Substitutionsplan
  47. Quellenverzeichnis
  48. Fußnoten

Dr. Matthias Marquardt
mit Swantje Steinbrink

ERSCHÖPFT

Warum uns allen
die Kraft ausgeht –
und was wir dagegen
tun können

Mit dem Recharge-Programm
für ein gutes Leben

Hinweis

Die Ratschläge in diesem Buch sind vom Autor und vom Verlag sorgfältig erwogen und geprüft worden. Sie ersetzen jedoch keinen Arztbesuch. Sprechen Sie lieber einmal zu viel als zu wenig mit Ihrem behandelnden Arzt. Alle Angaben in diesem Buch erfolgen daher ohne jegliche Gewährleistung oder Garantie seitens des Verlags oder des Autors. Eine Haftung des Verlags oder des Autors und seiner Beauftragten für Personen-, Sach- und Vermögensschäden ist ebenfalls ausgeschlossen. Zum Schutz der Persönlichkeitsrechte wurden in diesem Buch zudem die Namen einiger im Text erwähnter Personen verändert.

 

Für Charlotte und unsere drei Kinder
Rosemarie, Heinrich und Hans

I
Ausgepowert
oder: Geht uns allen
die Puste aus?

Fühlen Sie sich auch oft völlig matt, schlapp, groggy, wie erschlagen oder chronisch müde? Dann sind Sie in bester Gesellschaft. Oder sollte ich lieber sagen: in schlechter Gesellschaft? Erschöpfung ist jedenfalls alles andere als ein gutes Gefühl und hat zudem die unangenehme Eigenschaft, nach und nach sämtliche Lebensbereiche zu überschatten. Nichts macht mehr so richtig Spaß, weil einfach die Energie dafür fehlt. Am liebsten nur noch auf die Couch, Füße hoch, Fernseher an- und Kopf ausschalten. Aber besser wird’s dadurch trotzdem nicht …

Seit ich meine eigene Praxis für Check-up- und Sportmedizin gegründet habe, kommen tagtäglich Menschen zu mir, die sich »wie gerädert« fühlen. Nicht nur gestresste Führungskräfte klagen über zunehmende Kraftlosigkeit, sondern auch Angestellte, Kleinunternehmer, Mütter in Elternzeit, Lehrer: »Ganz egal, wie lange ich geschlafen habe, ich fühl mich schon morgens ausgelaugt.« – »Nach der Arbeit habe ich keine Energie für nix mehr.« – »Ich bin immer ein total aktiver Mensch gewesen, aber jetzt ist mir eigentlich alles zu viel.« Solche Sätze höre ich oft. Wer deshalb den Weg in mein Behandlungszimmer findet, will, dass ich ihn/sie körperlich durchchecke, um die Ursache der Erschöpfung herauszufinden und gegebenenfalls ein passendes Arzneimittel zu verschreiben.

Tatsächlich darf ich als Arzt niemals körperliche Ursachen ausschließen. Immerhin könnte eine Herz- oder Schilddrüsenerkrankung für die beklagten Symptome verantwortlich sein, ebenso wie ein Eisen- oder Vitamin-B12-Mangel. Der medizinische Check-up sowie ein Blick auf die Mikronährstoffe und Vitamine sind in solchen Fällen also zwingend erforderlich. Doch selten liefern die internistische und die orthomolekulare Medizin allein eine Erklärung für das lähmende Gefühl der Erschöpfung. Und selbst eine körperliche Ursache hat häufig einen tieferen Grund. Immerhin gehören psychosomatische Erscheinungen zu unserem Menschsein dazu. Ganz typisch sind der schmerzende Kopf, der verspannte Nacken, der drückende Magen und Schwindelgefühle, wenn beispielsweise psychosoziale Belastungen zu groß werden. Genauso gibt es natürlich auch positive Anlässe für psychosomatische Erscheinungen wie das herrliche Herzklopfen, Bauchkribbeln und Erröten kurz vor dem sehnsüchtig erwarteten Rendezvous.

Schon als Medizinstudent hat mich die Frage interessiert: Was macht ein gutes Leben aus? Und wie gelingt es, ein gutes und somit glückliches Leben zu führen? Denn als Arzt behandle und begleite ich ja Menschen, die natürlicherweise genau danach streben. Wenn heute also jemand zu mir zum Check-up kommt, weil er sich unwohl fühlt, und ich stelle fest, dass Gewicht und Blutdruck zu hoch sind, dann geht es dem Patienten allein darum: Wie ändere ich das, um in Zukunft möglichst gesund und glücklich leben zu können? Dafür muss ich jedoch wissen: Welche Faktoren haben denn zu Gewichtszunahme und Bluthochdruck geführt? Meist ist Übergewicht ein Resultat von Stress, Schlafmangel, Ängsten, Sorgen und einer dadurch gestörten Balance. Welche inneren und äußeren Einflüsse belasten diesen Menschen also und haben sein Leben aus dem Gleichgewicht gebracht? Nicht anders ist es bei einem Patienten, den ein dumpfer Erschöpfungszustand plagt. Dieser Mensch führt ganz sicher kein gutes Leben mehr und will daran etwas ändern. Also gilt es wieder herauszufinden, welche Faktoren dafür verantwortlich sind. Meine Motivation als Arzt ist es, dem Patienten auf seinem Weg zurück in ein ebenso kraft- wie freudvolles Leben zur Seite zu stehen.

Wie kommt es, dass Menschen in diese Falle völliger Kraftlosigkeit geraten? Und warum häufig jene, die bislang alles in ihrem Leben gewuppt haben? Die Antwort lautet: weil sie es gewohnt sind, erfolgreich zu sein, und jedes Kürzertreten um der eigenen Kräfte willen als Niederlage betrachten.

Zum Beispiel jene Physiotherapeutin, die zu mir in die Sprechstunde kam und sagte, ich solle sie unbedingt untersuchen. »Ich bin total erschöpft. Und ich nehme immer weiter zu, obwohl ich schon zig Diäten ausprobiert habe. Inzwischen bin ich vollkommen demotiviert und verunsichert. Ob mit meinem Stoffwechsel etwas nicht stimmt?«

Der Check-up zeigte, was ich vermutet hatte: erhöhtes Gewicht, erhöhter Körperfettanteil, geringe Ausdauer, miese Mikronährstoffwerte und ein mauer Fettstoffwechsel, der für die Gewichtszunahme verantwortlich war. So etwas fällt nicht vom Himmel, sondern ist meist auf konkrete Lebensumstände zurückzuführen. Natürlich konnte ich mit Mikronährstoffinfusionen die Müdigkeit etwas lindern, aber die eigentliche Ursache musste woanders liegen. Daher erkundigte ich mich nach ihrem Privat- und Berufsleben. Da war der Ehemann, der sehr gut verdiente, aber selten zu Hause war. Und da war sie selbst, die sich um die beiden noch kleinen Kinder fast allein kümmerte und daneben noch ihre eigene Praxis aufbauen wollte. »Wofür habe ich denn sonst meine Ausbildung gemacht?«, sagte sie und war den Tränen nah.

Diese Frau war sichtlich an ihrer Belastbarkeitsgrenze angelangt. Das Bankkonto gut gefüllt, aber Stress ohne Ende. Alle Kraftreserven waren aufgebraucht. Wie sollte da eine konsequente, gute Ernährung gelingen, fragte ich mich. Wie konnte ich sie zum Joggen motivieren? Dadurch würde ihr Stresspegel ja nur noch mehr steigen. Und Stress macht krank, wie wir noch sehen werden. Also haben wir sehr offen die verschiedenen Optionen besprochen – Praxis an den Nagel hängen? Haushälterin und Kindermädchen einstellen? Den Ehemann integrieren und auf etwas Gehalt (das sie eh nicht ausgeben konnten!) verzichten? Wobei sich später herausstellen sollte, dass sie in dieser schlauchenden Rushhour-of-life-Situation die Hilfe eines professionellen Coachings brauchte, um wirklich weiterzukommen. Erste Ernährungs- und Trainingstipps konnten jedoch schon nach unserem ersten Gespräch dazu beitragen, ihr Kraftreservoir nach und nach wieder aufzufüllen.

Auch am eigenen Leib habe ich erfahren, was es bedeutet, am Ende seiner Kräfte zu sein, »fertig mit Jack und Büx«, wie der Hamburger sagt, regelrecht ausgeknockt. Beim ersten Knock-out war ich mitten im Studium … Rückblickend ist der Faktorenmix, der dazu geführt hat, nicht zu übersehen. Schon als Kind neigte ich dazu, mich voll und ganz auf eine Sache zu fixieren. Nach Aussage meiner Mutter war es erst die Sandkiste, in der ich mich statt als »Förmchenspieler« als Kanalbauer versuchte, während ich meine beiden Brüder geschickt von meinem Territorium fernhielt, später dann meine Eisenbahn im Keller. Sie glauben ja gar nicht, wie oft man die planen und wieder umbauen kann. War die eine Idee realisiert, musste gleich die nächste her. »Die große freudige Entspannung«, so meine Mutter, »blieb aus.«

Jahre danach löste der Sport die Eisenbahn ab. Erst probierte ich mich als Skateboarder, weil Skaten bei uns im Dorf gerade angesagt war. Als meine Knie rebellierten und irgendein schräger Sportarzt meinte, ich hätte Arthrose (»Du hast Knie wie ein Siebzigjähriger«), verließ ich heulend die Praxis, befolgte aber seinen Tipp, aufs Rad umzusatteln. Die Diagnose Arthrose war natürlich völliger Blödsinn gewesen; und so entdeckte ich dank eines kompetenten Arztes mit 16 Jahren den Triathlon-Leistungssport für mich. Das war erstens relativ spät und zweitens vielleicht nicht die allerbeste Wahl, denn Triathlon ist ein orthopädisch ziemlich belastender Sport. Prompt entwickelte ich nervige Probleme an den Sehnen, die mir das Training verleideten. Aber da war ich schon infiziert und mal wieder »on the case«.

Wie ein Nerd habe ich mich daran abgearbeitet, diese Sehnenprobleme in den Griff zu bekommen und meine Belastbarkeit zu steigern. Mich interessierte die Lösung, also musste ich die Zusammenhänge verstehen. Ärzte, die ich aufsuchte, konnten mir das nicht richtig erklären. Trotz aller Ehrfurcht vor den Weißkitteln hatte ich den Eindruck, dass sie selbst nicht wussten, was hier zu tun war. Daraufhin vertiefte ich mich in Anatomiebücher, um herauszubekommen, was genau da an der Wade wehtat. Und ich wollte herausbekommen, wie sich die unterschiedlichen Lauftechniken auf den Bewegungsapparat auswirkten. Ich setzte mich mit orthopädischen Einlagen auseinander, mit speziellen Schuhen und Bewegungsanalyse, verbiss mich regelrecht in das Thema; denn ich wollte laufen, obwohl immer wieder eine Sehne oder ein Gelenk wehtat. Und dass dagegen auf Dauer kein Schmerzmittel hilft, habe ich schon als 18-Jähriger kapiert. Meine These lautete: Du musst deine Belastbarkeit steigern, damit du die Belastung aushältst.

Ich habe angefangen, barfuß zu laufen, um die Fußmuskeln zu trainieren, bin im Winter im Fluss baden gegangen, um mich abzuhärten und dadurch mein Immunsystem zu stärken. Da müssen Sie spontan an Kneipp-Kuren denken? Tatsächlich hat mich der gute alte Pfarrer Kneipp mit seinen Therapieansätzen sehr geprägt. Ich habe mich sogar durch die Sütterlin-Schrift der alten Ausgaben seiner Bücher geackert. Kneipp rocks! Und weil ich irgendwo mal gelesen hatte, dass Rheumatiker ihre schmerzenden Gelenke in Ameisenhaufen halten, griff ich – da ich gerade keinen Ameisenhaufen zur Hand hatte – auf Brennnesseln zurück: Mit den Schmiedehandschuhen aus der väterlichen Werkstatt bewaffnet ging ich ans Flussufer vor unserem Haus, rupfte Brennnesseln ab und rubbelte damit, so fest ich konnte, meine Sehnen und Gelenke. Tut sauweh. Geholfen hat es auch nicht, aber so eine Aktion macht etwas mit dem Kopf – alles eine Frage der Willenskraft –, und es zeigt einmal mehr, wie verbissen ich damals war. Deshalb hat es mich auch nicht gestört, dass mich niemand verstand und meine Erkenntnisse nicht den gängigen Thesen entsprachen. Stur betrieb ich meine autodidaktischen Forschungen weiter. Auch gegen den Strom.

Zu meinem Spezialgebiet entwickelte sich die Bewegungsanalyse: Wie muss ein Mensch laufen, damit sein Bewegungsapparat beschwerdefrei funktioniert? Schon als Student veröffentlichte ich Artikel zu der Frage in Fachmagazinen und erklärte, woran es bei der Schuhberatung im Sportfachhandel hapere. Damit trat ich eine richtige Welle los. Die einen liebten mich, die anderen hassten mich. Doch da ich mit meinen Hinweisen richtiglag, wurde ich von Runners Point1 an einen runden Tisch eingeladen. Die Herren wollten von mir Jungspund wissen, wie sich die Beratung in den Läden verbessern ließe.

Als wenig später ein Fitnessguru meine Running-Expertise kaufen wollte, beschloss ich, lieber ein eigenes Buch zu schreiben. Mein ganzes Wissen über Lauftechnik musste einfach raus. Ich realisierte das Projekt innerhalb weniger Monate zusammen mit dem Chef einer Triathlon-Zeitschrift. Mit unseren Ersparnissen finanzierten wir die Herstellungskosten, lagerten die Bücher in der Garage meines Onkels und verkauften auf Anhieb 10 000 Stück. Bäääm! Parallel dazu hatte ich damit begonnen, für den Ironman-Wettkampf auf Hawaii zu trainieren – natürlich 150-prozentig, was sonst? – und mich auf das erste Staatsexamen vorzubereiten. Wird schon zu schaffen sein, dachte ich. Dumm nur, dass der Tag nicht mehr als 24 Stunden hat.

Entsprechend durchgetaktet war mein Tagesablauf; jeden Handgriff hatte ich geplant. Ich kam zum Beispiel aus der Uni und hatte nur eine Stunde Zeit, bis ich zum Training musste: schnell die Post aus dem Briefkasten geholt, mit der Post in der Hand zum Computer, On-Knopf gedrückt (damals dauerte es ja noch einige Minuten, bis er hochgefahren war), dann in die Küche, Nudelwasser aufgesetzt, rasch aufs Klo und dabei die Post gelesen, zurück zum PC, E-Mails gecheckt, wieder in die Küche, Nudeln ins kochende Wasser, nochmals zum PC und E-Mails beantwortet, sobald Nudeln fertig, Nudeln verschlungen und ab zum Training … Heute würde ich sagen: Wenn einer auf dem Klo seine Post liest, hat er ein Problem. Aber ich war unfassbar effektiv – und nur das zählte. Keine Ahnung, wie mein Umfeld das ertragen hat, aber dass meine damalige Partnerin inzwischen ausgewandert ist, wird wohl trotzdem Zufall sein …

Um mich noch intensiver auf den Ironman vorzubereiten, absolvierte ich ein dreiwöchiges Trainingslager auf Lanzarote. Das kann man sich in etwa so vorstellen: Junge Leute fahren den ganzen Tag Fahrrad, schwimmen und laufen. Danach essen sie das Büfett leer, um den Kalorienverbrauch von 5000 Kilokalorien auszugleichen, und dann ab ins Bett, denn am nächsten Morgen um 7 Uhr heißt’s bereits: Lauftechnik am Strand trainieren. Wenn man in der letzten Woche täglich fünf Stunden netto trainiert hat, kommt man – planmäßig – ziemlich geplättet nach Hause. Leistungssportler spielen stets mit dem bewussten Wechsel zwischen Be- und Entlastung. Sie lernen früh, die Ermüdung exakt so weit zu treiben, dass der Körper sich in der vorgegebenen Regenerationsphase wieder erholt und an die erhöhte Anforderung anpasst, wodurch die Leistungsfähigkeit nochmals steigt. Eine Erfahrung, von der ich heute als Sportmediziner und Internist sehr profitiere.

Als ich aus dem Trainingslager zurückkehrte, hielt ich mich – anders als viele andere Sportler – exakt an die vorgeschriebene Regenerationswoche. Es nicht zu tun, das wusste ich, kann zu schwerer Überlastung führen – und das hätte ich mir bei meinem Tagespensum nicht leisten können. Anschließend wollte ich mein Radtraining bei einer Freundin im Weserbergland fortsetzen. Ich freute mich schon auf die zusätzlichen Steigungen. Doch es erwischte mich eiskalt: Ich setzte mich zum ersten Mal aufs Rad, rollte die Straße entlang – und schon war mein Puls auf 140. Scheiße. Da haste wohl überzockt, dachte ich. Das mit der Be- und Entlastung ist nämlich eine ganz schön komplizierte Angelegenheit. Mein Trainingsplan war absolut korrekt gewesen. Aber wenn die Belastung sehr groß ist und die Erholungsphase aufgrund anderer Stressoren nicht effektiv genug (ich sag nur »Buchautor« und »Staatsexamen«), dann kann das System leicht entgleisen.

Aufgrund meines Trainerscheins und Medizinstudiums wusste ich, wie der Körper auf sogenanntes Übertraining reagiert, und beschloss, noch eine Woche länger zu pausieren. Das war zwar vernünftig, half aber nichts. Auch in den folgenden vier Wochen wurde es nicht besser. Mein Puls wollte einfach nicht runtergehen. Erst schlief ich total schlecht, dann schlief ich irgendwann jede Nacht elf Stunden. Es wurde immer schlimmer. An körperliche Aktivitäten war überhaupt nicht mehr zu denken. Selbst Treppensteigen fiel mir schwer, nach zwei Stockwerken war ich platt. Das sollte ich sein, ich, der zuletzt 35 Stunden pro Woche auf hohem Niveau trainiert hatte und Trainingsläufe über zehn Kilometer in 37 Minuten absolvierte? Allmählich bekam ich Angst. Mir blieb nichts anderes übrig, als mich in ärztliche Hände zu begeben.

Sowohl an meiner Uniklinik als auch an der sportmedizinischen Abteilung einer weiteren Uniklinik wurde ich durchgecheckt, doch es kam nicht mehr dabei heraus. In Ermangelung einer anderen Diagnose wurde dann anhand der typischen Symptome die Diagnose »Übertraining« gestellt. Eine Besserung sollte sich im Laufe der nächsten drei Monate einstellen. Mit jeder Woche, die danach verging, ohne dass sich mein Zustand verbesserte, wuchs meine Sorge. Was war bloß mit mir los?

Nach drei Monaten rief ich die Sportmediziner wieder an. »Tja, wenn es jetzt immer noch nicht besser ist«, erklärte man mir, »dann haben Sie offenbar ein chronisches Erschöpfungssyndrom.« Das war das erste Mal, dass ich mit dem Thema Erschöpfung konfrontiert wurde. »Und nun?«, fragte ich. »Was kann ich dagegen unternehmen?« Die Antwort war wenig befriedigend, denn es gab weder ein Arzneimittel noch einen Therapieplan. Ich solle mal weiter abwarten. Blöd nur, dass ich bereits sechs Monate des erfolglosen Abwartens hinter mir hatte. Ich bekam zwar noch mein Studium auf die Reihe, aber meine Lebensqualität war gleich null. So konnte es nicht weitergehen. Irgendetwas musste ich tun.

Schließlich erinnerte ich mich an das Buch The Seven Habits of Highly Effective People. Darin empfiehlt der Autor Stephen Corvey, bei einem Problem nicht in einsames Brüten zu versinken, sondern sich an Menschen zu wenden, deren Know-how einem aus der Klemme helfen könne. Probleme werden aktiv gelöst, nicht passiv – und ganz wichtig: Menschen freuen sich, wenn man sie um Rat fragt. Alles, was Sie dafür tun müssen, ist, offen zu sein und ehrlich von Ihrer Misere zu berichten. Also überlegte ich, wer das in meinem Fall sein könnte. Wenn’s die Sportmediziner nicht sind, dann vielleicht ja jene Menschen, die ganz nah an der Sportelite dran sind: die Trainer.

Kurzerhand rief ich verschiedene Trainer an, schilderte meine Situation – und siehe da: Alle kannten jemanden, der so etwas auch schon erlebt hatte. Chronisches Erschöpfungssyndrom, das wusste ich inzwischen aus der Fachliteratur, ist in unserer Gesellschaft zwar ziemlich verbreitet, eine Therapie gibt es aber tatsächlich nicht. Umso gespannter war ich darauf, mit Spitzensportlern reden zu können, die es geschafft haben, sich daraus zu befreien. Ihr Rezept: abwarten, abwarten, abwarten. Und wenn das nicht hilft, irgendwann das Training wiederaufnehmen. Auf einem angemessenen Niveau. Geduldig sein und Rückschläge akzeptieren. Beharrlich sein, auch wenn die Leistungsfähigkeit Lichtjahre von dem ursprünglichen Level entfernt ist. Damit hatte ich immerhin wieder ein Ziel: raus aus dieser zermürbenden Erschöpfungsfalle – und zwar Schritt für Schritt …

Anfangs sah mein selbst gezimmerter Trainingsplan (einen Arzt zu fragen hatte ich mir schon abgewöhnt) folgendermaßen aus: 50 Meter gehen, 50 Meter traben, 50 Meter gehen, 50 Meter traben für maximal zehn Minuten. Natürlich kam ich mir zunächst vor wie im falschen Film. Meine Kameraden ballern gerade die 1000 Meter in drei Minuten durch, und ich gehe und trabe hier mühsamst eine 400-Meter-Runde, nach der ich auch noch Muskelkater haben und richtig im Eimer sein werde … Der Höhe- oder besser Tiefpunkt dieses schmerzvollen Neuanfangs war bei einer Rennradausfahrt mit meinem jüngeren Bruder. »Das wird aber nicht schnell«, warnte ich ihn vor. Und so rollerten wir auf unseren Rädern die Straße entlang – als uns plötzlich ein alter Mann auf seinem rostigen Drahtesel überholte. Das war schon krass. Spätestens ab dem Augenblick wusste ich aber, wo ich – mit gerade mal Mitte zwanzig – kräftemäßig stand.

»Krankheit« habe ich mein Problem zwar nie genannt, aber wenn du deinen Sportkumpels erzählst, dass du ein Erschöpfungssyndrom hast, dann erwarten alle, dass du nach einigen Wochen wieder beim Training bist. Bist du nach drei Monaten immer noch nicht zurück, ohne dass ein gebrochenes Bein oder eine Lungenentzündung, also eine »richtige« Erkrankung«, vorliegt, wird schnell gemunkelt, dass du nicht alle Latten am Zaun hast. Meine Trainingskameraden waren zum Glück gnädig mit mir und haben mich nach Kräften unterstützt.

Allerdings ploppten bei mir nun immer häufiger Fragen auf wie: War das alles gut, was und wie ich es bisher gemacht habe? Was ist denn das Learning aus dieser ganzen Geschichte? Ich neige wirklich nicht zur Esoterik, doch dieser Knock-out zwang mich regelrecht, mal einen Schritt zurückzutreten und mir mein Leben anzugucken.

Eines Tages spürte ich dann auch, dass es wieder aufwärtsging. Ich konnte mein Trainingspensum peu à peu steigern. Über den Berg war ich allerdings noch längst nicht. Offenbar fehlte noch der typische Wink mit dem Zaunpfahl: Zusammen mit ein paar Freunden hatte ich im Nachbarort gefeiert und, ich geb’s zu, so manchen Drink intus, als wir auf dem Rückweg waren. Auf einmal kam jemand auf die Idee, wir sollten einen Liegestütz-Contest am Straßenrand einlegen. Und siehe da, ich schnitt gar nicht so schlecht ab; noch überraschender war jedoch, dass ich anschließend, zwar besoffen, aber relativ schnell und relativ lange, neben dem fahrenden Auto hergelaufen bin. (Aus Sicht des nüchternen Fahrers hatte ich wohl etwas zu ausgiebig die Drinks entsorgt.) Eine krude Situation. Ich kam mir vor wie im Nebel. Was war das denn plötzlich?

Ein enger Freund, der dabei gewesen war, meinte am nächsten Tag beim Katerfrühstück: »Tja, geht ja wohl doch irgendwie mit dem Laufen …« Auf einmal verstand ich, dass mir mein Körper etwas signalisierte, das mit meinem Leben und wie ich es lebte zusammenhing. Okay Matthias, dachte ich, du musst dein Leben auf die Kette kriegen, sonst wirst du dieses Erschöpfungsding nie richtig los. Dieser Freund hat übrigens später, als es mir wieder besser ging, gesagt – und da kommen wir jetzt zum Learning: »Wenn du es zu dem Zeitpunkt nicht verstanden hättest, hätte ich dir die Freundschaft gekündigt.«

Fakt ist: Ich war ein kompletter Egozentriker. Immer hatte ich nur meinen Sport, meine Erfolge, meine Projekte gesehen. Muße, Freizeit, bewusstes Wohlfühlen, echter Gedankenaustausch mit anderen Menschen? Dafür hatte ich weder Sinn noch Zeit gehabt. Was fehlte, war ein Ausgleich zu dem ehrgeizigen »Höher-schneller-Weiter«, das mein Leben bis dahin ausgemacht hatte. Dieser Knock-out hat mir letztlich die Augen geöffnet. Er hat mir gezeigt, wie wichtig es für ein gutes Leben ist, rechtzeitig auf die Bremse zu treten, mehr Raum für andere Dinge und Bedürfnisse sowie mehr Lockerheit zuzulassen.

So gelang es mir tatsächlich, der Erschöpfungsfalle zu entkommen. Aber es hat insgesamt ein Jahr gedauert, bis ich wieder in der Lage war, in das Triathlon-Training einzusteigen. Im Gepäck meine neu gewonnene Lockerheit. Anfangs war ich manchmal selbst erstaunt, mit welcher Verbissenheit ich bislang an die Dinge herangegangen war. Einen Regentag während eines Trainingslagers auf Mallorca hätte ich als verschenkten Tag verflucht; jetzt zuckte ich nur mit den Schultern und freute mich über den unverhofften Ruhetag, ganz ohne inneren Stress.

Was danach passierte, klingt wie aus einem Anti-Stress-Lehrbuch: Meine Bestzeiten purzelten nur so. Beim Radfahren, beim Laufen, beim Schwimmen. Als wäre ein Knoten geplatzt. Obwohl ich Trainingseinheiten sausen ließ und mir Auszeiten gönnte, wenn mir danach war. Denn nun war da der Sinn für zwischenmenschliche Beziehungen, für Impulse und wertvolle Momente jenseits des Sports. Nun war da der nötige Ausgleich, der meine geistig-körperlichen Kraftreserven immer wieder auffüllte. Output und Input im Gleichgewicht. So konnte ich mir sogar – trotz intensiven Trainings und großer Ziele – am Abend vor dem Berlin-Marathon zwei Portionen Tiramisu schmecken lassen (ziemlich crazy vor so einem wichtigen Rennen!) und getrost auf das ganze Vorbereitungs-Tamtam, mit dem ich mich früher gestresst hätte, verzichten. Ich wusste ja, dass ich topfit war; daran würden auch so eine leckere Süßspeise um 23 Uhr und eine unruhige Nacht nichts ändern (niemand schläft vor einem wichtigen Rennen gut!). Selbst das Tiramisu-bedingte Magengrummeln am nächsten Morgen habe ich gelassen weggesteckt. Und genau diese Gelassenheit hat für den nötigen Bestzeit-Kick gesorgt. Ich spulte ab, was ich mir erarbeitet hatte – und als ich nach 2 Stunden und 51 Minuten (inklusive 16-sekündigem WC-Aufenthalt) über die Ziellinie lief, war ich stolz und überglücklich.

Normalerweise hätte ich gleich im nächsten Moment gedacht: Was kommt als Nächstes? Diesmal aber war es anders. Diesmal wusste ich: Das ist deine Bestzeit! Dafür hast du zehn Jahre gearbeitet. Dich gegen alle Verletzungen gestemmt, die es mehr als gerechtfertigt hätten, diesen Sport an den Nagel zu hängen und Schachspieler zu werden. Du hast es trotzdem durchgezogen. Du hast all deine Erfahrungen eingesetzt. Schweiß, Blut, Tränen. Alles für dieses eine Rennen. Mehr wirst du niemals geben können. Scheiß auf den amerikanischen Traum, dass du alles schaffen kannst. Scheiß auf: »The sky is the limit.« Es gibt Grenzen. Auch für meinen Körper. Und die waren jetzt erreicht. Eine Erkenntnis, die mich schwer schlucken ließ. Es folgten zwar noch einige Triathlon-Wettkämpfe und auch die Ironman-Teilnahme, aber nie wieder trainierte ich mit dieser Ausschließlichkeit. Der Drang, nun als Arzt zu arbeiten und vieles in meinem Leben anders zu machen, überwog.

Sicherlich rührt mein besonderes Interesse an dem Phänomen Erschöpfung auch aus dieser extremen Erfahrung her. Eigentlich sind mir Therapeuten, die aufgrund ihres eigenen Schicksals meinen, ihre Berufung gefunden zu haben, suspekt. Denn ein guter Arzt muss in den entscheidenden Momenten die nötige Distanz haben und darf seine Patienten nicht durch eine subjektiv gefärbte Brille betrachten. Wissenschaft und eine gute Ausbildung sind dafür die unabdingbare Basis. Andererseits helfen eigene Erfahrungen, Verständnis für andere Menschen zu entwickeln. Auf diese Weise spreche ich dieselbe Sprache wie meine Patienten. Egal, ob Sportler oder nicht. Wenn ein Patient mir zum Beispiel erzählt, wie ausgepowert er sich fühle (»Als wäre der Stecker gezogen worden«), weiß ich sofort, was er meint.

Aus dem Leben gegriffen …

Als Manager eines DAX-Konzerns ist Herr Johnson verantwortlich für die internationalen Lieferketten. Ich kenne ihn bereits seit Jahren durch seine jährlichen Gesundheits-Check-ups. Dabei waren die Themen immer wieder die gleichen: zu viel Gewicht, zu wenig Bewegung, zu viel Cholesterin, zu wenige Vitamine, zu viel Stress, zu wenig mentale Entspannung. Dazu die häufigen Jetlags und eine Familie, die auch beachtet werden wollte. Johnson hatte jedoch stets Freude an seinem Beruf, und mithilfe kleiner, aber entscheidender Stellschrauben hatten wir seine Gesundheit immerhin auf ein Niveau gebracht, mit dem ich als Internist zufrieden war.

Dann aber drängte sich COVID-19 in sein Leben. Als Johnson Anfang März 2020 zu mir in die Sprechstunde kam, sagte er: »Diesmal hat meine Frau mich geschickt, weil ich seit ein paar Wochen ständig so müde und erschöpft bin. Könnten Sie mal schauen, ob meine Blutwerte okay sind?« Das waren sie. Dann aber erfuhr ich, was bei ihm seit der Corona-Pandemie beruflich los war. Das Virus machte ihm die Hölle heiß. Dazu der Strukturwandel … Johnson war merklich am Anschlag. Er bat um Aufbauinfusionen. Ich empfahl Auszeiten, Meditieren und Joggen. Wir einigten uns darauf, mehrgleisig zu fahren – und tatsächlich ging es ihm zunächst auch etwas besser. Aber ein gutes Gefühl hatte ich angesichts der Gesamtsituation nicht.

Im August saß Johnson wieder vor mir. »Ich kann nicht mehr.« Verblüfft, so etwas von einem gestandenen Manager zu hören, fragte ich nach, was genau denn los sei. »Ich fühle nichts mehr. Und schon seit über einer Woche habe ich nicht mehr mit meiner Frau geredet. Es ist, als hätte ich eine Haube auf dem Kopf.« Jetzt war es ganz offensichtlich da. Das jahrelange Erschöpfungssyndrom hatte sich als handfester Burnout manifestiert. Der Bogen war überspannt, die Situation ernst. Herr Johnson brauchte jetzt breite medizinische Unterstützung, musste seine Tätigkeit ruhen lassen. Zur weiteren Behandlung empfahl ich ihm eine psychosomatische Klinik.

Bei starker Erschöpfung sind natürlich erst einmal alle denkbaren körperlichen Ursachen abzuklären, parallel dazu – das macht das oben genannte Beispiel deutlich – frage ich aber immer nach, ob es im Leben des Patienten irgendwo hakt. Manchmal mündet die medizinische Behandlung dann in ein Coaching. Mir ist wichtig, dass der Patient für kraftraubende Faktoren sensibilisiert wird und genau auf seine Situation blickt. Welche das sein können, dazu später mehr … Bei mir war es eindeutig die fehlende Lockerheit. Dazu die viel zu vielen Projekte bei zu wenig Regeneration.

Der Knock-out hat mich demütig gemacht, denn mir ist klar, dass es auch hätte ins Auge gehen können. Es gibt Menschen, die nie wieder arbeitsfähig werden, weil sie nicht zu ihrer Energie zurückfinden. Darum habe ich mir damals geschworen, von nun an meine Grenzen anzuerkennen; sie nicht als Schwäche zu bekämpfen, sondern sie als Voraussetzung für ein gutes Leben wertzuschätzen. Als ich dann beruflich durchstartete, war es mir wichtig, meinen Arbeitsalltag so zu organisieren, dass ich immer ausreichend Freiräume für meine Familie, für Freunde und Sport, für Muße und Spontaneität habe, um ja nicht noch mal derart zu kollidieren. Das ist auch jahrelang gut gegangen. Allerdings ist die Tendenz geblieben, meine ganze Energie – und manchmal etwas mehr – in Projekte zu investieren und mein Umfeld mit überschäumenden Ideen und funkenschlagender Motivation in den Wahnsinn zu treiben. Einmal Junkie, immer Junkie. Und so kam schließlich der Tag, an dem ich das Stoppschild ein zweites Mal übersehen habe.

Es begann eigentlich ganz simpel. Denn im Leben geht’s ja permanent rauf und runter. Im Herbst 2019 lief es gerade nicht so rund; sowohl in der Praxis als auch zu Hause mit drei kleinen Kindern war es mitunter recht anstrengend. Ich hatte das Gefühl, etwas ändern zu müssen, wusste aber nicht genau, was. Dieses Gefühl stand auch schon auf meiner Agenda für die nächste Standortbestimmung, die meine Frau und ich ein- bis zweimal im Jahr vornehmen, damit wir mit den wirklich wichtigen Dingen auf Kurs bleiben. Als ich zudem merkte, dass ich manchmal, was für mich untypisch ist, nicht so richtig gern zur Arbeit fahre (mit dem Fahrrad versteht sich), habe ich mich sogar gefragt, ob ich mal auf die Bremse treten sollte.

Als dann im November ein lange geplanter und aus meiner Sicht wichtiger Vortragstermin anstand, plagte mich eine heftige Erkältung. Vernünftigerweise hätte ich den Vortrag absagen müssen, aber als ein zu Pflichtbewusstsein erzogener Mensch widerstrebte mir dieser Schritt. Schließlich hatte ich noch nie einen Vortrag abgesagt. Auf Marquardt war Verlass, ein Mann, ein Wort, so mein Mantra, das es zu erfüllen galt. Also nahm ich mir vor, die Veranstaltung im Schongang zu absolvieren.

In solchen Fällen setze ich mir eine imaginäre Haube auf: nix an mich ranlassen. Regenerationsmodus. Vor Ort ließ ich mir einen Tee servieren, und wer mich kennt, weiß, dass ich dann schon ein ziemliches Problem haben muss. Vorsichtshalber teilte ich den Verantwortlichen auch mit, ich sei krank, und zog mich in eine stille Ecke zurück. Für den Vortrag gab ich dann einmal richtig Gas, um nach einem weiteren Tee zurückzufahren. Doch mit diesem Kraftakt hatte ich den Bogen überspannt, wie ich in den kommenden Monaten zu spüren bekam. Ständig kränkelte ich, nie so stark, dass ich hätte im Bett bleiben müssen, ich hatte ja kein Fieber, aber ich war definitiv angezählt, sodass ich mich mehr oder weniger durch den Alltag quälte. Mit angezogener Handbremse durch die Praxis. Immer wieder bat ich mein Team, mir einen Tee zu bringen, was dieses besorgt aufhorchen ließ. Auch meine Frau und meine Kinder hatten darunter zu leiden: Für niemanden hatte ich so recht Kraft übrig. Für meine Patienten machte ich vordergründig einen guten Job, doch das Team war führungslos und meine Familie ohne Mann und Vater.

Drei Monate lang jagte ein Infekt den anderen. Immer dachte ich, es wird schon vorbeigehen. Bis ich im folgenden Februar – zum ersten Mal in meinem Leben – eine Mittelohrentzündung bekam. Da ich höchst ungern zu Antibiotika greife, behandelte ich mich mit allem (und wenn ich alles sage, meine ich alles!), was sonst noch dagegen hilft. Normalerweise. Denn bei mir wurde und wurde es nicht besser. Einmal nahm ich sogar ein Schmerzmittel, weil das Ohr so verflucht wehtat. Wenn ich abends aus der Praxis nach Hause kam, war ich fix und fertig, lag nur auf dem Sofa und kriegte nichts mehr geregelt. Und wollten meine Kinder am Wochenende zum Beispiel ein Hochbeet mit mir bauen, raffte ich mich zwar tapfer auf, musste mich aber nach jedem gesägten Balken hinsetzen, weil ich so schwach war … Dass das nicht normal ist, war natürlich auch dem Internisten klar, aber ich schob es auf die Infekte. Und weiter ging’s …

Inzwischen hatte das Coronavirus nach Südeuropa auch Deutschland in die Zange genommen. Als Arzt an der Front musste ich natürlich up to date sein. Die Patienten hatten viele Fragen. Wir selbst auch. Von früh bis spät war Corona Thema. Ich beendete meinen News-Detox, der mich sonst vor Reizüberflutung schützt, und hörte oder las nun wieder rund um die Uhr Nachrichten, um über die Corona-Entwicklung auf dem Laufenden zu sein; in der Praxis kümmerte sich ein Medizinstudent im Praktikum um das Corona-Tracking und versorgte uns stündlich mit aktuellen Informationen. Eine unfassbar stressige Zeit voller Unsicherheit und Orientierungslosigkeit. Sollten wir ohne Schutzausrüstung und ohne Desinfektionsmittel weiterarbeiten? Würden wir die Praxis schließen müssen? Würde ich bei einer Zuspitzung der Situation im Krankenhaus wieder auf der Intensivstation arbeiten müssen? Würde das Team in Kurzarbeit gehen?

Nichts war mehr wie vorher – und niemand wusste, wie es morgen weitergehen würde. Jede Mittagspause war jetzt eine Teambesprechung. Und wenn ich in den zurückliegenden Wochen auf Sparflamme agiert hatte, so musste ich das Steuer nun wieder fest in die Hand nehmen. Mein Team würde ich nie im Regen stehen lassen; und ich hatte schließlich eine Familie zu ernähren. Alles andere war zweitrangig. Notfallmodus: Die Kräfte waren kurzzeitig wieder da.

Deshalb fuhr ich auch eines Abends zur Apotheke und holte es doch: das Antibiotikum. Sogar Patienten, die zu mir ins Sprechzimmer kamen, sagten nämlich immer öfter: »Oh, Sie sehen aber schlecht aus, Herr Doktor.« Also überwand ich meinen Widerwillen gegen das Antibiotikum, um meine anhaltenden Ohrenprobleme endlich in den Griff zu bekommen.

Zum x-ten Mal baute ich darauf, dass es jetzt besser werden würde, aber das Gegenteil war der Fall: Meine Kraft schwand zusehends – und keine vierzehn Tage später war der Ofen endgültig aus. Mit Schüttelfrost und starken Ohrenschmerzen landete ich im Bett. Ich bat mein Praxisteam, alle Termine für die nächste Zeit abzusagen. Ich, der erfolgreiche Internist, war völlig kraft- und ratlos. Keine Therapie hatte angeschlagen. Alles hatte ich versucht, nur – zugegebenermaßen – keinen Urlaub gemacht, sprich, ich hatte es versäumt, die Notbremse zu ziehen. Unterdessen erreichte die Corona-Krise ihren Höhepunkt, und ich realisierte, dass das hier keine einfache Mittelohrentzündung sein konnte. Vorsorglich entschied ich vom Krankenbett aus, die ganze Familie in Quarantäne zu schicken. Ich hatte nie Angst vor einer COVID-19-Infektion gehabt, aber in meinem geschwächten Zustand hätte es fatal werden können. An dieser Stelle ein Hoch auf mein Praxisteam, das nicht nur die Praxis über Wasser hielt, sondern uns auch noch die Einkäufe bis zur Haustür brachte.

Bis zu achtmal schwitze ich nachts das Bett durch und bekam es mit der Angst zu tun, weil das durchaus ein Anzeichen für sehr ernste Erkrankungen sein kann. Es musste dringend etwas passieren. Ich brauchte Diagnostik und ärztliche Hilfe. Um die Quarantäne aufrechtzuerhalten, beschloss ich, mir selbst Blut abzunehmen. Die erforderliche Hals-Nasen-Ohren-ärztliche Untersuchung war kaum möglich, weil eine Auflage des Berufsverbands die Nasen-Rachenspiegelung ohne Schutzausrüstung, die eh kaum jemand hatte, untersagte. Was für Zeiten! Also ein noch stärkeres Antibiotikum. Unterdessen traten neue Symptome auf. Blut und Eiter liefen mir aus der Nase, und allein der Weg zur Toilette war ein immenser Kraftakt. Nicht nur körperlich, auch nervlich war ich am Ende.

Per Handy organisierte ich schließlich die Diagnostik mit FFP2-Maske und Schutzbrille in einem von Corona lahmgelegten Land. Labor, CT, MRT, Endoskopie. Ergebnis: Der gesamte Nasen-Rachen-Raum war vereitert, und es griff bereits auf den Knochen über. Dagegen half glücklicherweise das Antibiotikum, doch meine Kraft kehrte nicht zurück. Ich konnte nicht einmal die paar Meter durch unseren Garten gehen, was bei 250 Quadratmetern durchaus als veritables Problem gelten kann.

Das Ende von diesem elend langen Lied: Ich hatte – on top – ein reaktiviertes Pfeiffersches Drüsenfieber. Eine Viruserkrankung, die mich als Jugendlichen schon mal erwischt hatte und nun infolge von Erschöpfung reaktiviert worden war. Sportler sind von dieser Rarität höchstens mal betroffen, wenn sie längere Zeit an ihr Limit und darüber hinaus gehen. Das Immunsystem ist dann wie bei HIV- und Krebspatienten extrem geschwächt, was dem Virus, das ja nach wie vor im Körper steckt, die Möglichkeit gibt, erneut auszubrechen. Und genau das war bei mir der Fall: Mein Immunstatus war eine Katastrophe. Kein Wunder, dass ich komplett im Eimer war.

Nun wusste ich aber immerhin, woran ich war, dass ich mich davon erholen konnte und wie ich damit umzugehen hatte. Vor allem musste ich aber erst einmal weiterhin in Quarantäne bleiben, um dem Coronavirus aus dem Weg zu gehen. Mehrere Wochen lang war die Praxis geschlossen, danach habe ich mich mit einer Viertagewoche und langen Pausen zwischen den einzelnen Patienten an den Alltag herangetastet. In der Mittagspause versorgte mich mein Team mit Pizza, bevor ich mich eine Stunde aufs Ohr legte. Die Pizzadiät hatte mir meine Frau verordnet, weil ich so stark abgenommen hatte. In der Zeit bin ich sogar mit dem Auto zur Arbeit gefahren, um keinen Rückfall zu riskieren. Autofahren finde ich noch grässlicher als Teetrinken. Ich tue es nur, wenn ich unbedingt muss.

So habe ich mich nach und nach berappelt, und nach vier Wochen bin ich auch endlich wieder aufs Rad gestiegen. Für den Weg in die Praxis nahm ich mir allerdings wesentlich mehr Zeit als sonst. Denn das Zaubermittel der Erschöpften lautet ja: unbedingt wieder anfangen, aber in ganz kleinen Schritten.

Natürlich muss ich mir die Frage stellen: Wie konnte mir so ein Knock-out ein zweites Mal passieren? Sicher war es auch eine Verkettung ungünstiger Umstände. Shit happens? Das wäre eine zu kurze Analyse. Fakt ist, dass ich knapp zwanzig Jahre nach meiner ersten Lehrstunde wieder meine Grenze ignoriert und stattdessen Pflichtbewusstsein und Ehrgeiz mehr Raum gegeben habe, als mir und damit meiner Familie gutgetan hätte. Und dann noch die Corona-Krise obendrauf. Selbst kerngesunde, zupackende Kollegen wurden von dieser völlig unbekannten und bedrohlichen Situation, in der die eigenen Gestaltungsmöglichkeiten plötzlich extrem eingeschränkt waren, aus der Bahn geworfen. Wenn der Stress jedoch als nicht handhabbar empfunden wird, löst das Unsicherheit aus, was das Stresslevel, die Fehleranfälligkeit und den gefühlten Druck nochmals verstärkt. Spätestens jetzt meldet sich der erschöpfte Organismus in der Regel lautstark, zum Beispiel in Form einer Gürtelrose oder eines Reizdarmsyndroms: STOPP.

Nach dem April 2020 erlebte ich viele Patienten wie besagten Herrn Johnson, die ich schon seit mehreren Jahren medizinisch betreue und bei denen die Belastungen der Corona-Monate deutliche Spuren hinterlassen haben, sei es, dass auf einmal der Blutdruck ungewöhnlich hoch ist, der Bauchumfang erheblich zugelegt hat oder Ängste auftreten, die bislang kompensiert werden konnten. All das sind Reaktionen auf eine Zeit, die in besonderer Weise von Unsicherheit (bis hin zu Existenzangst) und sozialer Isolation geprägt ist und jeden Einzelnen entsprechend fordert. Jeder und jede Einzelne reagiert natürlich anders auf solche Belastungssituationen – je nach Konstitution und Lebenslage. Doch eines lässt sich bestimmt nicht leugnen: Die Corona-Krise hat uns allen unsere Verletzlichkeit aufgezeigt. Individuell und als Gesellschaft. Keine Frage: Das macht Angst. Und auf einmal rücken die Aspekte, die für das Wohlbefinden – ich nenne es: ein gutes Leben – entscheidend sind, verstärkt in den Blickpunkt. Dazu gehört vor allem das grundlegende Gefühl der (wirtschaftlichen) Sicherheit und sozialen Zugehörigkeit. Beides geriet bei vielen Menschen ins Wanken, als die Lockdown-Maßnahmen im Frühjahr 2020 einsetzten.

Die Belastungen, Ängste und Stressreaktionen, die aus der Corona-bedingten Ausnahmesituation resultierten, sind jedoch nur die Spitze des Eisbergs. Ich behaupte: Unter der gesellschaftlichen Oberfläche hat das Gefühl, nicht mehr hinterherzukommen, sich tagtäglich abzustrampeln, ohne dass der empfundene Druck weniger wird, den Herausforderungen des Lebens nicht gewachsen zu sein, für nichts mehr Zeit und Kraft zu haben, schon vor der Corona-Krise tiefe Spuren der Erschöpfung hinterlassen.

Umso wichtiger, dass jeder Einzelne sich der energieraubenden Einflüsse in seinem Leben bewusst wird und für sich Wege findet, die eigene Widerstandskraft zu stärken. Genau das war die Motivation für mich, dieses Buch zu schreiben. Abgesehen davon, dass ich ja selbst dazu neige, bei Stoppschildern auf meinem Lebensweg noch mal richtig Gas zu geben, statt auf die Bremse zu treten, kulminiert in dem Thema »Erschöpfung – und was ich dagegen tun kann« mein umfassendes Wissen als Internist und Sportmediziner, zum Beispiel über Mikronährstoffe und Training, sowie als coachender Arzt, der seine Patienten dazu anleitet, die nötigen Veränderungen anzupacken.

Für ein gutes Leben.

II
Matt und müde:
neue Normalität oder
echte Krankheit?

1
Die erschöpfte Gesellschaft

»Wie geht’s dir denn?« – »Ach, eigentlich ganz okay, hab nur zu viel um die Ohren. Wie immer. Ich komm einfach zu nichts mehr.«

Hört sich ziemlich vertraut an, oder? Wir erledigen, antworten, haken ab, machen neue Termine, To-do-Listen, Pläne, hetzen von Event zu Event, von Verpflichtung zu Verpflichtung und nutzen jede kleine Verschnaufpause, um bloß schnell noch mal auf die Spiegel-Online-Seite zu gucken und ein paar WhatsApp-Nachrichten zu verschicken, bevor wir uns abends »völlig durch« mit einem Glas Wein aufs Sofa hauen und die Glotze anmachen. Erholung muss schließlich sein. Irgendwann schleppen wir uns ins Bett, greifen vielleicht noch zu dem Krimi, den wir schon vor drei Wochen angefangen haben – da sind die Augen bereits zugefallen. Doch keine drei Stunden später beginnt das Gedankenkarussell zu rotieren und uns mit bohrenden Ich-muss-noch-da-war-doch-noch-warum-hat-sie-nicht-eigentlich-müsste-ich-Fetzen vom Schlafen abzuhalten, bis wir dann vom Wecker in den nächsten vollgepackten Tag gerissen werden und uns mit einem steifen Nacken und tiefen Seufzer aus dem Bett quälen. Von Erholung keine Spur. Und wer sich jetzt noch die Morgennachrichten mit den neuesten Corona-Meldungen zum Kaffee reinzieht, bekommt sofort die ersten Hiobsbotschaften des Tages serviert.

Aber was bleibt uns übrig? Einfach aus dem Hamsterrad aussteigen? »Das kann ich mir nicht leisten.« – »Das ist was für Hippies.« – »Wie soll das gehen?« Zähne zusammenbeißen und auf den nächsten Urlaub hoffen? »Ach herrje, wir haben ja noch gar nicht entschieden, ob wir das Appartement auf Korsika buchen oder mit den Meiers nach Rügen fahren sollen.« – »Meinen letzten richtigen Urlaub hatte ich als Student.« – »Im Urlaub nehme ich ja bloß wieder drei Kilo zu.« Endlich zum Autogenes-Training-Kurs anmelden? »Soll das ein Witz sein? Mein Kalender platzt ja jetzt schon aus allen Nähten.« – »Dazu fehlt mir die Ruhe.« – »Das klappt bei mir eh nicht.« Also wieder aufgerafft und weiter im Takt. Wofür gibt es schließlich Kopfschmerztabletten, Smoothies und (teure) Wellnesspakete …

Innere Unruhe, Dauerstress, schlechter Schlaf und Anspannung gehören zum modernen Leben offenbar zwingend dazu – und damit auch das Gefühl, an seinem Kraftlimit, sprich ganz schön ausgepowert zu sein. Aber wer ausgepowert ist, hat ja immerhin was geleistet. Und darum geht es schließlich, oder nicht? Dabei sein, dazugehören, zeigen, was man kann und dass man wer ist. Dafür sorgen, dass alles wie am Schnürchen läuft und nichts auf der Strecke bleibt. Rund um die Uhr. Das kostet allerdings nicht nur Energie, sondern nagt auch an der Lebensqualität. All dieses Machen, Entscheiden, Schaffen, Terminieren und Abhaken gaukelt uns vor, alles im Griff zu haben, obwohl wir eigentlich fremdbestimmte Getriebene sind: »Ich komm einfach zu nichts mehr!«

Dabei werden doch an einem einzigen Tag zig Dinge erledigt. Vom Meeting mit dem Projektteam über den Entwurf der Einladungskarte für die Sommerparty bis zu den Hausaufgaben des Sohnemanns und dem abendlichen Umtrunk mit den Geschäftspartnern. Insofern müsste es wohl vervollständigt heißen: »Ich komm einfach zu nichts mehr, was mich zur Ruhe kommen lässt und mir neue Kraft gibt.« Die zunehmende Erschöpfung wird also durchaus wahr-, aber in Kauf genommen. Als notwendiges Übel unserer Zeit, als Kehrseite der Medaille, als (Ab-)Zeichen für Leistung? Schwingt da vielleicht sogar ein bisschen Stolz mit? Wer viel zu tun und keine Zeit hat, ist gefragt, ist wichtig, ist Teil des Systems. Und Selbstüberwindung klingt nach beeindruckender Leistungssteigerung, nach »Spiel, Satz, Sieg«.

Doch was ist mit den Begleiterscheinungen dieser »vornehmen« Erschöpfung wie Schlafstörungen, Rücken- und Kopfschmerzen? »Das hat doch jeder mal.« – »Liegt bei uns in der Familie.« – »Ich muss halt mal zum Arzt.« Der Zusammenhang zwischen Termin- und Leistungsdruck auf der einen Seite und dem Herzrasen auf der anderen wird geflissentlich ignoriert. Schließlich hat man alles im Griff und unter Kontrolle. Nichts wird dem Zufall überlassen, um bloß keine bösen Überraschungen zu erleben. Und ein Körper, der gegen das tägliche Aufgabenpensum rebelliert, passt nun mal nicht ins perfekte Bild. »Ich und überfordert? Von wegen!«

Eine Zeit lang mag das gut und sogar sehr gut gehen, zumal innere Unruhe durchaus eine Triebfeder für Tatkraft und Kreativität ist. Vor allem, wenn wir für das Geleistete Lob und Anerkennung ernten. Aber innere Unruhe – noch dazu unter Druck – ist auf Dauer anstrengend, wenn der entsprechende Ausgleich fehlt. Irgendwann geht es an die Substanz, bis die Quelle, in diesem Fall der Mensch, total erschöpft ist. Regelrecht ausgelaugt. Körperlich und geistig. Die Konzentrationsfähigkeit sinkt, die Infektanfälligkeit steigt. Das Lebensgefühl insgesamt leidet.