Hedwig Dohm

Die Ritter vom

Goldenen Kalb

Lustspiel in einem Akt

 

 

 

Hedwig Dohm: Die Ritter vom Goldenen Kalb. Lustspiel in einem Akt

 

Neuausgabe mit einer Biographie der Autorin.

Herausgegeben von Karl-Maria Guth, Berlin 2016.

 

Umschlaggestaltung unter Verwendung des Bildes:

Fotografie um 1870

 

ISBN 978-3-8430-6537-5

 

Dieses Buch ist auch in gedruckter Form erhältlich:

ISBN 978-3-8430-9391-0 (Broschiert)

 

Die Sammlung Hofenberg erscheint im Verlag der Contumax GmbH & Co. KG, Berlin.

 

Entstanden 1879.

 

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind über http://www.dnb.de abrufbar.

 

Personen

 

Hildegard von Eichstädt

 

Ilse Müller, ihre Gesellschafterin

 

Herbert von Buch, Gutsbesitzer

 

Baron Friedrich von Werlitz, Diplomat

 

Victor Taschenberg, Referendar

 

Graf Xaver Nicolowitsch

 

Ort der Handlung: Wiesbaden

 

Decoration: Eleganter Salon im Kurhause. Eine Tür nach dem Garten zu steht offen. Bücher und Zeitungen liegen auf den Tischen herum. Auf einem der Tische steht ein Vase mit Blumen.

 

1. Auftritt

Herbert von Buch sitzt rechts auf einem Lehnstuhl und liest Zeitungen. Die Tür eines Nebenzimmers links öffnet sich und Victor Taschenberg mit einem Rosenbouquet in der Hand tritt ein. Er sieht sich nach allen Seiten hin um.

 

HERBERT. Sie suchen die Baronin?

VICTOR. Ja. Warum geht die Sonne heut so spät auf?

HERBERT. Frühstückspartie nach der Platte, man wird vor dem Diner nicht zurücksein. Stellen Sie nur die Rosen da ins Wasser, dann bleiben sie frisch.

VICTOR. Meinen Sie? Gut, ich werde sie in's Wasser stellen. Sagt doch schon der Dichter: »So stellt sie in ein Wasserglas.« Ich bitte Sie aber, nicht daran zu riechen, nicht die Rosen allein, auch ihr Duft ist meiner Göttin geweiht. Ab durch die Mitte.

HERBERT nach der Uhr sehend. Eine Verspätung um eine halbe Stunde. Geht an die Gartentür und sieht hinaus. Nichts zu sehen. Ich hasse Unpünktlichkeit.

 

Graf Xaver erscheint auf der Schwelle des Nebenzimmers rechts, ebenfalls mit einem Bouquet.

 

2. Auftritt

Herbert. Xaver.

 

XAVER sich umsehend. Keine Baroneß? Wo ist Baroneß? Wo in Teufel seinen Namen steckt Baroneß?

HERBERT. Nimmt ihr Frühstück heut in der Försterei ein, kaum eine Stunde Wegs von hier.

XAVER. Kaum? Danke. Diabolisches Einfall. Hitze, Staub – transpirieren gern? Ich nicht.

HERBERT. Ist nichts zu machen.

XAVER. Ist zu machen. Bouquet kosten mich dreißig Frank. Was ist Kennzeichen von die wahre Liebe? – Kostspieligkeit von die Geschenke. Aber Zeiten sind teuer. Werde dreißig Frank bei polnischem Engel, bei Fräulein Wanda anlegen. – Wollen Billard mit mir spielen, Sie?

HERBERT. Ich danke. Xaver nach rechts ab. Ein recht reinliches Geschäft treibe ich hier.

 

Hildegard tritt durch die Gartentüre ein, sie hält ein Körbchen mit einer Stickerei in der Hand.

 

3. Auftritt

Hildegard. Herbert.

 

HILDEGARD kurz und hochfahrend. Guten Morgen. Niemand hier?

HERBERT ihre Begrüßung ebenso erwidernd. Guten Morgen. Niemand hier.

Er liest weiter, Hildegard nimmt ihre Stickerei vor. Kurze Pause.

HILDEGARD. Graf Xaver nicht nach mir gefragt? Herbert gibt sich den Anschein, die Frage nicht zu hören, sie wiederholt sie lauter. Ich frage, ob Graf Xaver hier war?

HERBERT kurz. Nein. Kurze Pause.

HILDEGARD. Ob die Partie heut zu Stande kommen wird?

HERBERT. Zwischen wem?

HILDEGARD. Nach der Platte meine ich.

HERBERT. Kann sein, kann aber auch nicht sein.

Hildegard geht an einen anderen Tisch; sie verrät Verdruß und Ungeduld in ihren Bewegungen.

HILDEGARD. Unausstehlich.

HERBERT. Was?

HILDEGARD. Wer – wollen Sie wohl fragen.

 

Xaver tritt wieder von rechts ein, das Bouquet noch in der Hand haltend.

 

4. Auftritt

Vorige. Xaver.

 

XAVER einen Augenblick in der Tür stehenbleibend. Habe mich nicht getäuscht. Eben will Kugel von Billard einen Stoß geben, da fällt mein Blick auf Garten und erblicke wen? Engel von Baroneß. Zu Herbert. Warum sagen Sie denn, daß Baroneß Frühstück in der Försterei einnehmen?

HILDEGARD. Wie, Xaver Nicolowitsch, Sie stehen jetzt schon am hellen Vormittag auf? Es gibt keine Cavaliere mehr. Zu welcher Tageszeit ist man jetzt noch, nach diesen neuen Arrangements, vor Ihnen sicher?

XAVER. Immer Scherz auf Lippe. Diese Blumen wollen zu Ihren Füßen sterben wie ich – wenn nicht im Herzen Ihriges wohnen kann.

HILDEGARD. Mein Herz ist kein Asyl für obdachlose Gefühle.

HERBERT. Wenn Sie sibirische Gegenden lieben, hätten Sie es in Rußland bequemer gehabt.

XAVER. Immer Scherz auf Lippe. Wenn so grausam bleiben, mache Striche unter Leben, puste aus Lebenslicht.

HILDEGARD. Los weil ich Strich durch Rechnung mache – das wäre zu hart. Apropos, sie sprachen von der Försterei. Ich habe gestern dort köstliche Erdbeeren gegessen. Ich will mehr davon haben. Holen Sie mir, Graf Xaver, ein Körbchen voll dieser Erdbeeren.

XAVER. Sowie Sonne hinter Horizont ist.

HILDEGARD. Wie, Sie sind noch hier? Und ich habe einen Wunsch ausgesprochen? Was soll das heißen?

HERBERT. Holen Sie das Körbchen mit Erdbeeren oder Sie erhalten einen Korb ohne Erdbeeren.

HILDEGARD zu Herbert. Mischen Sie sich nicht immer in die interessantesten Unterhaltungen.

XAVER. Wirklich – ich muß?

HILDEGARD. Sie müssen. Ich gebe Ihnen drei Stunden Zeit. Vor Ablauf dieser drei Stunden brauche ich die Erdbeeren nicht, will sie nicht. Adieu, Xaver Nicolowitsch,

 

Xaver mit verzweifelter Miene ab.

 

5. Auftritt

Hildegard. Herbert.

 

HERBERT. Was hat Ihnen dieses hirnlose Hampelmännchen getan, daß Sie es zum Sonnenstich verurteilen?

HILDEGARD. Es macht mir Spaß.

HERBERT. Ach so.

HILDEGARD. Meine Gesellschafterin ist heut auf den unglücklichen Einfall gekommen, eine Frühpromenade zu machen. Es ist zu heiß, um draußen spazieren zu gehen. Unterhalten Sie mich. Die anspruchsloseste Unterhaltung ist immer noch besser als Langeweile, und ich langweile mich hier – zum Sterben. Sie gähnt.

HERBERT Gähnt ebenfalls. Ach so – ich auch.

HILDEGARD. Wie können Sie sich erlauben, in Gegenwart einer Dame zu gähnen?

HERBERT. Verzeihen Sie. Wenn Sie sich hier langweilen, warum sind Sie nach Wiesbaden gekommen?

HILDEGARD. Ich habe es Ihnen ja schon gesagt – um mich zu verheiraten.

HERBERT. Und anderswo hatten Sie keine Gelegenheit dazu?