Vorwort

 

In den ersten beiden Bänden von „Lean auf gut Deutsch“ habe ich mehr oder weniger das „Grundmindset“ beschrieben, das notwendig ist, um das Zusammenspiel von Mensch, Maschine und Material und ihren jeweiligen Stellenwert innerhalb eines ganzheitlichen Produktionsystems zu verstehen. Im dritten Band, den Sie gerade in den Händen halten, werde ich beginnen, auf einige Gedankenmodelle einzugehen, aus denen sich bestimmte Lean-Werkzeuge abgeleitet haben.

In diesem Band geht es unter anderen um den speziellen Zeitbegriff bei „Just-in-Time“. Diesem kommt eine überaus zentrale Rolle zu, wenn man die Begrifflichkeiten wie „Kundentakt“ als auch „Muda“, oder „OEE“ richtig einordnen will.

So schreibt zum Beispiel Masamitsu Ishii, ein ehemaliger Toyota-Werksleiter, in seinem Einführungsbuch über das Toyota Produktionssystem: „Mit Just-in-Time erkennt man Muda, mit Jidoka die Fehler“.

Die notwendige Schlussfolgerung: Was Muda ist, kann man erst erkennen, wenn man den Zeitbegriff im Just-in-Time verstanden hat.

Aber in den meisten deutschsprachigen Büchern über Lean ist über diesen Zusammenhang kaum etwas nachzulesen. Dabei existieren gerade bei den oben genannten Schlüsselbegriffen einige Besonderheiten und Zusammenhänge, die man kennen muss, um nicht in die „Lean“-Falle zu geraten: da die Werkzeuge durchaus auch in herkömmlichen Strukturen dazu beitragen können, die Unternehmenskennzahlen vorübergehend zu verbessern, ist man vielerorts versucht, diese dafür anzuwenden, um bestehende Strukturen zu zementieren – und merkt nach etwa drei bis fünf Jahren, dass die Bestrebungen nicht nachhaltig waren, sondern vielmehr dazu beigetragen haben, sich „kaputtzusparen“. Das Zeitkonzept spielt dabei eine zentrale Rolle.

Auf allgemein bekannte Werkzeuge gehe ich hier nur so weit wie nötig ein. Bei vielen sind äußere Form und praktische Anwendung auch in der deutschen Literatur recht gut beschrieben, so dass ich denjenigen Lesern, die wissen wollen, wie so ein Werkzeug aussieht, oder die eher nach praktischen Schritt-für-Schritt-Anleitungen für bestimmte Methoden suchen, empfehle, ein wenig unter den Stichworten im Internet nach Informationen zu suchen oder in entsprechenden Büchern nachzulesen.

Mein Anliegen ist es, die Hintergründe zu erklären, mit welchem Ziel und für welche Situationen sie ursprünglich erdacht worden sind, und was man mit ihnen alles aus einer Organisation „herausholen“ kann, wenn man sie nur richtig einzusetzen weiß. Wenn man die Grundannahmen verstanden hat, denke ich, sollte die richtige Auswahl der Werkzeuge nicht mehr schwerfallen.

Bevor wir uns weiter mit den Kernelementen des Just-in-Time beschäftigen, hier noch einmal ein paar Basics, zur Erinnerung (Auch wenn viele von Ihnen es vielleicht nicht mehr hören können).

Just-in-Time basiert auf folgender, gar nicht mehr seltenen, Erkenntnis:

„Im heutigen Marktumfeld funktionieren die Gesetze aus Zeiten der industriellen Massenfertigung nicht mehr.“

Die Produkte, die wir anbieten, werden immer „aufwändiger“. Also komplexer, hochwertiger und spezieller. Je aufwändiger der Auftrag, desto häufiger muss man in Vorleistung treten („vorstrecken“), bevor man etwas bezahlt bekommt. Gleichzeitig wird der Zielkundenkreis durch die Spezialisierung immer stärker eingeschränkt. Wer sich nicht bereits während des Auftragserfüllungsprozesses permanent darum kümmert, wie man schnell wieder „an sein Geld kommt“, belastet seine Liquidität.

Behalten Sie immer die Vision von Taiichi Ohno im Hinterkopf: Der Ninjameister, der dem Kunden auf Fingerschnipp das gewünschte Produkt perfekt zusammenfügen und in die Hand drücken kann, genau in dem Augenblick, wo die Zahlungsbereitschaft am Höchsten ist, in einer Qualität, die den Kunden mehr als zufriedenstellt. Wer darin besser ist als die Konkurrenz, kann einen angemessenen Preis verlangen und hat sein Auskommen.

Der Ninjameister zaubert nicht, sagt Ohno. Ninja[1] zu sein, sei ein Ergebnis des Trainings - das ist pures Handwerk.

Die kaufmännisch gesteuerte Industrie kümmerte sich lange vornehmlich um das Einkommen, weil mehr Einkommen, sprich mehr Ab- und Umsatz, automatisch zu anteilig geringerem Aufwand führte. Sie ging von einer unbegrenzten Marktnachfrage aus, die sich über einen günstigeren Preis nahezu automatisch entfachen ließ. Folglich musste man sich nur noch darum kümmern, bei den Beschaffungs- und Inputfaktoren zu sparen. Das funktionierte gut, solange die Anzahl der Schnittstellen innerhalb des Produktentstehungsprozesses überschaubar war. Doch heute sind die Produkt- und Warenwelten und vor allem die Märkte viel komplexer geworden. Die Informationsströme, die der Hersteller perfekt im Blick behalten muss, damit er alles im Griff hat – vom Ausgangspunkt Kundenwunsch bis hin zum auslieferungs-fähigen, gerne nachgefragten und bezahlten Produkt als dessen Abbild – nehmen immer weiter zu. Wir sind in einem Zeitalter angekommen, in der sich die Industrie um die Kunst des Auskommens bemühen muss. Das ist mehr als ein bloßes „Sparen“.

Wenn man aufwändige Produkte im Angebot hat, dann muss man sich den Kreislauf des Ein- und Auskommens bewusst einrichten und darf nichts dem Zufall überlassen. Es „fügt“ sich alles nicht mehr so einfach. Alle Fäden in der Hand zu behalten und die Schnittstellen zu beherrschen wird zunehmend schwieriger. Erst wenn man sie durchdenkt und bewusst gestaltet, bekommt man auch das Ergebnis in den Griff.

Die an sich banale Folge: Jeder im Unternehmen muss laufend mitdenken und immer geschickter werden, wenn man so zügig wie nur möglich wieder an sein wohlverdientes Geld kommen will.

Gleichzeitig gilt:

Ohne Einkommen kein Auskommen.

Machen Sie die Rechnung nicht ohne den – Kunden.

Der Kunde zuerst! Der Kunde ist König! Das ist nicht nur eine wohlklingende Marketingparole. Leider gibt es zu viele Großunternehmen, die in ihren Marketingabteilungen diesen Spruch aktiviert haben, aber offensichtlich nicht begriffen haben, welcher wirtschaftliche Sinn dahintersteht.[2] Bei „lean“ geht es nicht um einen „Wohlfühlfaktor“ für den Kunden, der diesen in irgendeine „schöne Stimmung“ versetzt, um damit Um- und Absatz zu steigern.

Im Monozukuri, bei den „Dinge-Machern“, geht es viel handfester zu. Ohne den zahlenden Kunden gibt es kein Geschäft, keine Arbeit und kein Auskommen. Das Geschäft ist eine soziale Interaktion mit dem Kunden, einem menschlichen Gegenüber, der bestimmte Bedürfnisse hat. Erst wenn er zufrieden ist, haben sich unsere Mühen „gelohnt“. Je spezieller das Produkt auf den einzelnen Kunden zugeschnitten ist, umso zielgerichteter müssen wir für ihn arbeiten, da nicht nur das Produkt, sondern auch der Kunde immer weniger austauschbar ist. Und das heißt: man muss immer ganz nah an ihm dranbleiben, sowohl inhaltlich als auch zeitlich, bis die Rechnung bezahlt ist. Messbar ist unser Bemühen in Qualität und Durchlaufzeit, welches wir nur dann beherrschen, wenn wir das Zusammenspiel von Mensch, Maschine, Material und Information beherrschen. Die Kosten ergeben sich als dessen Folge.  

Denn:

Ohne ein gutes Auskommen hilft einem das höchste Einkommen nichts.

Sie haben dem Kunden Ihre Leistung zu einem bestimmten Preis angeboten, also müssen Sie zusehen, dass Sie damit gut auskommen. Um ein gutes Auskommen zu haben, sollten Sie nichts fertigen, nichts tun und nichts kaufen, was unnötig ist, und sie müssen „zusehen, dass Sie ganz bestimmt und bald an Ihr Geld kommen“, da Sie ja immerhin einiges „vorstrecken“ müssen, solange nichts bezahlt ist. (Ich denke, diese Ausdrucksweise kommt auch nicht von ungefähr. Sie müssen etwas im Blick behalten, wenn Sie etwas im Griff behalten wollen. Heute sagen wir dazu „Transparenz“).

Erst wenn der Kunde Ihnen die Arbeit abnimmt und bezahlt, ist der Wirtschaftskreislauf (= das Geschäft) geschlossen.

Diesen Wirtschaftskreislauf so zügig und zielgerichtet wie nur möglich abzuschließen, ohne viel (am liebsten gar nichts) vorstrecken zu müssen, ist ein Ziel des Toyota-Produktionssystems. Das können wir nur, wenn wir es „geschickt“ anstellen (Stichwort Ninjameister).

Geschicklichkeit hat nicht mit dem gehorsamen Ausführen von Anweisungen zu tun, sondern mit der Beherrschung und dem „in den Griff bekommen“ von Dingen, Vorgängen und Situationen auf jeder Ebene. Das kann nur dann möglich werden, wenn der Mensch sich in den Mittelpunkt der Überlegung stellt und darüber nachdenkt, wie er es zu organisieren hätte, wenn alle Beteiligten dies können sollten. Es reicht nicht, wenn er sich einer höheren Vernunft unterordnet. Er muss seinen Verstand gebrauchen. Er muss verstehen, was er macht.

 

Toyota ist ein Unternehmen, das diese Selbstverständlichkeiten eines gut geführten Handwerksbetriebs strukturiert und im industriellen Maßstab mit mehr als 300.000 Mitarbeitern seit Jahrzehnten konsequent und erfolgreich lebt.

In den beiden Säulen des Toyota-Produktionssystems Just-in-Time und Jidoka sind die hierfür notwendigen Voraussetzungen abgebildet:

Just-in-Time (Anforderung an die Einrichtung - Organisation)

Um schnell arbeiten zu können, muss man dafür sorgen, dass die Arbeit „in einem Rutsch“, also ohne abzusetzen, gelingt.

Die dafür benötigte Einrichtung:

- One-Piece-Flow

- Fertigung im Kundentakt

- Ziehendes System

Jidoka (Anforderung an den Menschen - Professionalität)

Um sauber arbeiten zu können, muss man dafür sorgen, dass die Arbeit „auf Anhieb“ gelingt.

Die dafür notwendige Einstellung (Beherrsche das Werkzeug, bediene es nicht):

- Die Arbeit der Maschine muss immer getrennt von der Arbeit des Menschen gedacht werden

- Der Mensch muss immer eingreifen können, wenn eine Abweichung vorliegt

 

Sie haben diese Merksätze im Kopf?

 

Und Sie haben mit Ihren Kollegen eine Vorstellung davon entwickelt, wie Sie sein und arbeiten wollen?

Wie der Kunde Sie wahrnehmen soll?

Und jeder von Ihnen hat nun am Arbeitsplatz gemeinsam im Team überlegt, was vom Hintermann an Output erwartet wird, was die eigene Kompetenz ist, und was man dafür benötigt?

Und alles Unnötige entfernt, und das Notwendige griffbereit hergerichtet?

 Dann kann es weitergehen.


[1] Ohno, japanische Version, S. 125: „Ich betone oft, dass man ein Unternehmen nicht mit Mathematik, sondern mit Ninjutsu (Die Kunst der Ninja. Ninja waren speziell ausgebildete Kampfeinheiten in Japan, die im Krieg für Geheimoperationen wie Ausspähen, Heranschleichen, Meuchelmorde etc.zuständig waren. ) führen muss. Damit meine ich folgendes. Im Ausland benutzt man häufig den Begriff „Magie“ in Zusammenhängen, bei denen man auf Japanisch sagen würde „Kunst der Ninja“. Ich höre auch häufig Ausdrücke wie „Die Magie der Unternehmensführung“ oder „Ein Magier der Unternehmensführungskunst“ und dergleichen. Aber ich finde, dass die Kunst der Ninja doch besser zu Japan passt als Zauberei. Als wir Kinder waren, da wurde Ninjutsu in den alten Filmen meist mit einer Trickaufnahme dargestellt. Plötzlich verschwand einer von der Bildfläche, nicht wahr? Aber die echte Kunst der Ninja ist nichts Irrationales. Wenn ein Ninja über eine hohe Mauer musste, dann hat er den Schwertgriff als Steige genutzt. Und sie hatten Schwerter, deren Gurte etwas länger waren als sonst, damit man sie sich, wenn man einmal auf der Mauer war, wieder heranholen konnte. Natürlich konnten auch sie nicht rückwärts auf eine hohe Wand springen, sondern die meisten Kunststücke wurden erst durch hartes Training möglich. Wenn ich Management by Ninjutsu sage, dann meine ich damit, dass die Kunst der Unternehmensführung etwas ist, was man sich durch ein hartes Training erarbeiten muss.“  In der amerikanischen Übersetzungsversion wird an dieser  Stelle fälschlicherweise Ninjutsu mit „Art of invisibility“ übersetzt, und die Passage, in der Ohno betont, dass bei Ninjutsu nichts Übernatürliches im Spiel sei, komplett übersprungen. Dem folgt natürlich auch die deutsche Version. Aber es wichtig hier festzuhalten, dass es Ohno um eine Kunst ging, die scheinbar Unmögliches durch intensives Training und außergewöhnliche Ideen möglich machte.

 

[2] Was hilft es dem Kunden, wenn er überdimensionale Bildpostkarten zum Geburtstag bekommt, aber einfachste Anfragen in einer ewigen Warteschleife des Call-Centers erstickt werden? Oder wenn man auf einer Langstreckenfahrt in der ersten Klasse des Schnellzugs alle zwei Stunden eine Minitüte Gummibärchen angeboten bekommt? Soll es einen versöhnlich stimmen, wenn man aufgrund einer vorausgegagenen Zugverspätung mit Müh und Not den Anschlusszug erreicht hat, was einem zusätzlich dadurch erschwert wurde, weil man nie weiß, an welcher Stelle des Bahnsteigs man sich hinstellen muss, um bei spontan veränderter Wagenreihung den richtigen Einstieg zu finden, ohne mit schweren Koffern, nach Einfahrt des Zuges den halben Bahnsteig im Laufschritt zurücklegen zu müssen?


Kapitel 1  Der One-Piece-Flow (2)

Keine großen Lose mehr! – Der Kampf gegen die „Häufchen“

Taiichi Ohno wollte mit seinem System der Logik der Massenfertigung entkommen. „Beyond large scale Production“ heißt der Untertitel des Buches „Toyota Production System“. 

Seine Erkenntnis war:

In Zeiten hoher Komplexität und kleiner Losgrößen wird das Zuwarten auf große Lose, nur um Menschen und Maschinen auszulasten und die anteiligen Fixkosten pro Stück zu senken, oder um zwischen den einzelnen Schritten Zeit zu sparen,[1] widersinnig (Und trotzdem sieht man noch so viele Betriebe, die so arbeiten, als sei das der einzige Weg zur Wirtschaftlichkeit).

Überall da, wo man Häufchen[2] bildet, verliert man kostbare Zeit, und es dauert länger, bis man die Rechnung schreiben kann, um frisches Geld in „den Laden“ herein zu bekommen.[3] Schließlich muss sich ja erst „alles fügen“ bzw. „gefügt haben“, bis aus Kundensicht ein Wert entsteht, den er zu bezahlen bereit ist. Je teurer und vielfältiger die Materialien, die man benötigt, desto fataler dieser Effekt für den Hersteller, wenn er nicht schnell genug „wieder an sein Geld“ kommt. Und jetzt sehen Sie sich in Ihrem Unternehmen um…

 

„Häufchen“ entstehen an den Schnittstellen

Ein Grund, der zu dieser Situation führt, ist die zunehmende Anzahl der verketteten Vorgänge, die notwendig werden, bis ein Auftrag an den Kunden ausgeliefert werden kann. Je vielfältiger die Produkte und Märkte mit denen wir es zu tun haben, desto schlimmer die Situation.

Wir kennen das von der Autobahn. Wenn sich innerhalb eines verketteten Vorgangs, vor und hinter der Schnittstelle, die Mengen, die Aufwände, Geschwindigkeiten und Rhythmen unterscheiden, und deshalb eins auf das andere warten muss, kommt es zwangsläufig zu Stauungen und Warteschlangen.

Schnittstellen gibt es zwischen Mensch, Maschine, Material und Information. Also zwischen Mitarbeitern, Handgriffen, Technologien, Maschinen, Bearbeitungsschritten und Abteilungen, Kunden, Medien, Softwaresystemen oder Standorten. Und sie werden immer mehr. Natürlich entstehen ungewollte „Häufchen“ auch an der direkten Schnittstelle Mensch und „Zeug“, wenn die Menschen die Vorgänge nicht perfekt beherrschen, und ihnen „das Zeug“ entgleitet. Je höher die Komplexität, desto mehr Schnittstellen, desto höher die Gefahr einer Asynchronizität und Unbeherrschbarkeit, desto mehr potenzielle „Häufchen“ und „Staus“, die den Fluss behindern, die sich auch noch in ihrer Wirkung potenzieren. Je mehr Schnittstellen mit Häufchen, desto mehr Sand im Getriebe: Sie bekommen die Rechnung später als nötig bezahlt und machen meist, zu allem Überfluss, mehr Fehler, weil alles so unübersichtlich wird. Sie müssen unnötig lange „vorstrecken“, was unwirtschaftlich ist.

Deshalb muss man sich den Prozess bewusst so einrichten, dass man an den Schnittstellen möglichst ohne „Häufchenbildung“ „Hand in Hand“ weiterarbeiten kann, ohne abzusetzen.[4] Eine Grüne Welle wie im Straßenverkehr, alle Werkstücke „von Hand zu Hand“ weitergereicht, wie im Staffellauf, das ist die Vorgabe.

Hinter der “Flussfertigung” und dem „One-Piece-Flow“ steht (wie immer und immer wieder) folgender Gedanke:

 „Wie kann ich einen Auftrag in einem Rutsch durch die ganzen Prozesse ziehen, wenn ich so wenig wie nur möglich vorstrecken will, und die Rechnung so schnell wie möglich geschrieben und bezahlt werden soll?“

 

Die Bekido-Rate (bekido-ritsu):

Der erste Schritt und eine der einfachsten Lösungen zu dieser Frage lautet: Man muss damit aufhören, absichtlich „Häufchen“ zu bilden, um mit großen Losen Menschen und Maschinen auszulasten.

Als Gegenentwurf zum Auslastungsgrad (kado-ritsu, 稼働率) der Maschinen führt Taiichi Ohno deshalb in seinem Buch „Das Toyota-Produktionssystem“ die sogenannte „Bekido-Rate(可動率)“ ein: 

Diese Bekido-Rate ist einer der zentralsten Begriffe des Toyota-Produktionssystems, welche bislang im deutschen Sprachraum kaum Eingang gefunden hat, und vielfach übersehen wird.

Das hat sicherlich auch mit den Übersetzungen aus dem Englischen[5] zu tun, die dem Wort einen harmlosen Anstrich geben, den das japanische Wort nicht hat.

Ohno stellt fest, dass man in der Welt der hohen Varianz und kleinen Losgrößen aufhören muss, „auf Teufel komm raus“ zu fertigen, weil sich das nicht mehr lohnt, sobald man ein größeres Sortiment hat. Die Maschinen blind auf Volllast zu halten, ist in einem solchen Umfeld nicht günstiger, sondern unsinnig. Viel wichtiger ist es, dass sie zuverlässig laufen, wenn man sie braucht. Erst dann sollte man sich Gedanken über die Auslastung machen.

Die Bekido-Rate ist somit als sehr bewusster Gegenentwurf zum Auslastungsgrad, dem Kado-ritsu(稼働率), zu sehen.

Bei einem Sortiment mit hoher Varianz und kleinen Losgrößen[6], ist es außerordentlich wichtig, dass man in dem Augenblick, wo sich etwas zu einem guten Preis verkaufen lässt, das parat hat, was sich auch sicher verkauft (Einkommen sichern) und dies mit minimaler Vorleistung (Auskommen permanent verbessern) schafft. Lassen Sie uns deshalb anstelle des Auslastungsgrads, dem Kadoritsu, etwas anderes zum Maßstab nehmen, schlägt Ohno vor.

Ohno macht an dieser Stelle etwas, was typisch für ihn ist. Er macht ein Wortspiel daraus. Er tauscht die Schriftzeichen für den Auslastungsgrad durch andere aus, so dass sich das Wort immer noch genauso wie Auslastungsgrad (Kadoritsu) aussprechen lässt, aber eine andere Bedeutung bekommt. Wie Sie vielleicht wissen, hat jedes chinesische Schriftzeichen eine bestimmte Bedeutung, und es gibt durchaus mehrere Schriftzeichen, die gleich ausgesprochen werden, aber eine völlig unterschiedliche Bedeutung haben. Die neuen Zeichen stehen für Können/Sollen (可, ka oder beki) und Bewegen (動, do).