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Übersetzung aus dem Englischen von Ingo Herzke
© Edward St Aubyn tbc 2021
Titel der englischen Originalausgabe:
»Double Blind«, Harvill Secker, London 2021
© Piper Verlag GmbH, München 2021
Covergestaltung: Cornelia Niere
Coverabbildung: Tina Hillier/Millennium Images, UK
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Für Sara
Francis trat in das Weidenwäldchen, das gleich neben seinem Haus gewachsen war, schob, wo nötig, die biegsamen Äste zur Seite und wand sich um sie herum, wo er konnte. Als der matschige Weg unter den Bäumen fester wurde, entspannte sich sein Schritt, seine Wahrnehmung weitete sich: Er spürte die Oktoberluft, schon kühl, aber noch sanft; roch wachsende Pilze und vollgesogenes Moos; sah das wehrhafte Rot und das apathische Gelb des vergehenden Laubes; hörte die Krähen auf einem nahen Feld krächzen. Er fühlte, wie das Leben um ihn herum und das Leben in seinem Inneren zusammenflossen, manchmal als ineinander verwobene Empfindung – wenn er einen Ast berührte, berührte der Ast auch ihn – manchmal in einem Vergleich oder einer Ähnlichkeit und manchmal, am Rande seines Bewusstseins, wie ein Netzwerk unterirdischer Ströme, oder wie das bleiche Wurzelgeflecht unter seinen Füßen, ungesehen und doch bekannt. Es war nicht leicht, das im Sinn zu behalten, doch er spürte, dieser Zusammenfluss von Leben war der wesentliche Hintergrund all der scharf akzentuierten Einzelheiten, die seine Aufmerksamkeit beanspruchen wollten – wie das Rotkehlchen, das direkt vor ihm gelandet war und ihn dazu gebracht hatte, das winzige Zucken seines Halses nachzuahmen und dann seinen Flugbögen durch die Bäume zu folgen, bis zur Ankunft unter den raschelnden Blättern. Jede Lebensform brachte ihre eigene Erfahrung in die Welt; manche lagerten sich dicht an andere, wie der Kokon des Großen Schillerfalters, der im letzten Mai an einem dieser Weidenäste geklebt hatte; manche durchdrangen sich kurzzeitig, wie das Rotkehlchen, das vor einem Augenblick ebenfalls auf einem Ast ausruhte; manche blieben radikal isoliert, wie der in einem antarktischen Felsbrocken versteckte Strang Bakterien, dennoch eingebettet in seine windheulende und dauerfrostige Nische.
Später an diesem Tag würde Olivia zum ersten Mal zu Besuch kommen und bei ihm bleiben. Das war ein mutiger Schritt für zwei Menschen, die sich so wenig kannten, aber sie hatten beide das letzte Wochenende nicht mit der vagen Versprechung beenden wollen, sich irgendwann in Zukunft mit schwindender Begeisterung und zunehmender Befangenheit wiederzusehen. Bei der Konferenz in Oxford schienen sie durch eine unterirdische Anziehungskraft verbunden, schon bevor sie einander vorgestellt wurden. Es wirkte eher wie ein Wiedererkennen als wie eine Entdeckung. Sicher war Olivia hübsch, ihr dunkelbraunes Haar brachte ihre blassblauen Augen auffallend zur Geltung, vor allem aber hatte ihr klarer Blick ihn angesprochen. Er hatte den Eindruck, dass sie nicht bloß seinem Blick standhalten würde – so wie bei ihrer ersten Begegnung, viel länger als ein routiniertes Höflichkeitslächeln –, sondern auch mit einer verstörenden Erfahrung oder einer unbequemen Tatsache umgehen könnte. Es war eine Art moralische Verführung, die ihre körperliche Anziehungskraft unausweichlich werden ließ. Sie verbrachten nur eine Nacht miteinander, doch die hatte mehr von der zärtlich forschenden Intensität einer Liebesbeziehung als von der routinierten Hingabe des reinen Hedonismus.
Wie wäre es für sie, diesen Weg zu gehen? Würde sie sich wie er in einem Netz lebendiger Erfahrungen fühlen? Francis fragte sich, ob Olivias Beziehung zur Natur wohl unter ihrem Biologiestudium gelitten hatte. Biologie bestand zu so großen Teilen aus dem Töten von Tieren, während oder nachdem man Experimente an ihnen vornahm; es war eine Ausbildung, die geradezu danach schrie, sich vom Rest der Natur abzukoppeln. Es war nie eine freudvolle Erfahrung, als »Modellorganismus« ausgewählt zu werden, ob Fruchtfliege, Maus, Hund, Ratte, Katze, Rhesusaffe oder Schimpanse. Im Studium hatte er so viele Labortiere tot oder lebendig aufschneiden oder absichtlich infizieren müssen, dass er sich schnellstmöglich auf Botanik spezialisierte. Warum musste jede neue Generation von Biologiestudenten lebenden Fröschen die Beine amputieren und die schlagenden Herzen gekreuzigter Säugetiere betrachten, als wollte man einer besonders brutalen Verbrecherbande beitreten, deren Aufnahmeritual ein willkürlicher Mord war? Auf dem Höhepunkt seiner Rebellion gegen diese Tradition war er auf eine Bemerkung von Wittgenstein aus dessen Tagebüchern gestoßen, nicht besonders elegant, aber damals tief beeindruckend, weil es sein Unbehagen an den Lehrmethoden zu rechtfertigen schien: »Das physiologische Leben ist natürlich nicht ›das Leben‹. Und auch nicht das psychologische. Das Leben ist die Welt.« Er hatte sich zwar nicht als todbringender Biologe qualifiziert, aber er blieb Naturforscher und versuchte den letzten dieser drei kurzen Sätze so tief er nur konnte wertzuschätzen. Als Naturforscher stand er in keiner schlechten Tradition: Schließlich hatte es vor dem Neodarwinismus den Darwinismus gegeben, und vor dem Darwinismus Darwin, einen Mann, der über Regenwürmer schrieb und detaillierte Beobachtungen von Lebewesen aufzeichnete und dem Verein der Taubenliebhaber beitrat und gärtnerte und mit anderen Naturforschern korrespondierte, ohne ihre Aussagen als »rein anekdotisch« abzutun.
Francis blieb stehen. Nach acht Jahren in Howorth hatte er sich an die Pilze gewöhnt, die hier und dort auf dem Gelände wuchsen, er kannte die Waldstücke, wo er Riesenboviste finden oder nach Steinpilzen fürs Mittagessen suchen könnte, wie auch die Wiesen, wo die zart und bescheiden wirkenden Spitzkegeligen Kahlköpfe ihre Psilocybin-Füllung verbargen wie Juwelen, ins Futter eines zerfledderten Flüchtlingsmantels genäht. Gerade eben war er beinahe auf einen Pfifferling getreten – ein Beweis für das kraftvolle Mykhorriza-Netzwerk unter seinen Füßen, entstanden aus der symbiotischen Verbindung zwischen den Pilzen, die im Boden nach Nährstoffen suchten, und den Wurzeln dieser jungen Bäume. In manchen Ökosystemen wurden die Nährstoffe von den gut versorgten Pflanzen zu den schwächelnden weitergeleitet, wobei es auf jeden Fall viel länger hätte dauern sollen, bis sich ein solches Netzwerk etablierte. Wie aufregend war es, neues Wissen aus dem Wildnis-Experiment zu ziehen, das auf dem Land um sein Häuschen herum stattfand. Vor zehn Jahren war den Grundbesitzern, seinen Vermietern, aufgefallen, dass die alten Eichen von Howorth krank wurden und abstarben; sie blühten nicht mehr, und einige knochentrockene Äste ragten aus den Kronen hervor wie kahle Geweihe. Sie zogen einen Experten zurate, der ihnen eröffnete, die Eichen stürben am ständigen Umpflügen des Bodens, ein Prozess, der ihre Wurzeln zerwühlte, sowie an den Pestiziden und dem Kunstdünger, mit denen der Boden getränkt werde. Bäume, die dem Bedarf des Schiffbaus, der industriellen Revolution und den Bombardierungen des Zweiten Weltkriegs standgehalten hatten, starben jetzt am landwirtschaftlichen Fortschritt. George und Emma trafen die radikale Entscheidung, die intensive Landwirtschaft einzustellen und ihr Anwesen der Natur zu überlassen. Die Monotonie des Weizens wich Rotwild und Damwild, Tamworth-Schweinen, English-Longhorn-Rindern und einer Herde Exmoor-Ponys, stellvertretend für die Tiere, die in der Vergangenheit durch Britannien streiften – Auerochsen, Tarpane und Wildschweine. Die Landschaft wandelte sich allmählich zu einer Art englischer Savanne: offenes Grasland, durchsetzt von Büschen und Bäumen.
Francis war zwei Jahre nach Beginn des Wilding hergekommen, wie diese ungesteuerte Art der Renaturierung genannt wurde, und erhielt die Aufgabe, die Wiederkehr verschwundener Spezies zu verfolgen und Besucher über das Anwesen zu führen. Er fand sich in einer Welt zunehmender Reichhaltigkeit wieder, einem Hotspot für Nachtigallen und Turteltauben, einem Ort, wo eine Art vor dem Aussterben bewahrt werden konnte und wissenschaftliche Erkenntnisse gediehen. Der Kokon des Großen Schillerfalters beispielsweise, den er am Zweig eines Weidengebüschs inmitten einer Wiese entdeckt hatte, widerlegte die herrschende Lehrmeinung, dass der Schillerfalter ein Waldschmetterling sei. Die Landwirtschaft hatte vereinzelte Weidengehölze einfach eliminiert, bevor das Vorkommen des Falters aufgezeichnet wurde. Zu Zeiten der landwirtschaftlichen Nutzung hatte es einen Trinkwasserteich auf dem Gelände gegeben, weniger nitratverseucht als die anderen, wo die seltene Wasserprimel fröhlich und unbeachtet gedieh. Inzwischen hatte sich die Pflanze auch auf die anderen Teiche ausgebreitet, und um die herum es außerdem eine Reihe von flach gescharrten Mulden gab, die das Regenwasser auffingen. Bevor diese im Frühsommer austrockneten, hatte Francis beobachtet, wie sich Tiere in einer Dichte um die flüchtigen Wasserlöcher sammelten, die eher afrikanisch als englisch wirkte; Rotwild und Rinder tranken, Moorhühner und Enten schwammen, Schwalben und Libellen stießen auf die Oberfläche herab, und die Schreie der Feldlerchen von den nahen Wiesen drangen durch das Zwitschern all der anderen Vögel, die über Wasser und Schilf durch die Lüfte kreisten.
Das flache Land um Howorth mit seinem schweren Lehmboden, gelegen in einem der am dichtesten besiedelten Gebiete Großbritanniens, war völlig anders als das Dorf in Somerset, wo Francis aufgewachsen war, am Rande der Quantock Hills, dem ersten offiziell ausgewiesenen »Gebiet von herausragender natürlicher Schönheit« in England. Im Dorf stand ein Haus, in dem Coleridge ein paar Jahre gelebt hatte. Ungefähr fünfzig Kilometer entfernt, auf dem Exmoor, lag die Ash Farm, wo er sein berühmtes Gedicht »Kubla Khan« geschrieben hatte, bis er unterbrochen wurde von der »Person aus Porlock« – einem Küstendorf, das Francis als Kind oft besucht und wo er den Strand nach jenem Vandalen abgesucht hatte, der dem armen alten Coleridge solchen Ärger gemacht hatte. Francis’ Vater hatte davon geträumt, Tierarzt zu werden, aber das Geld der Familie hatte nicht gereicht, um das Studium zu beenden, und er hatte eine Stelle in der Filiale der Lloyds Bank in Taunton angetreten, wo der kleine Milchbetrieb seiner Eltern Kredit hatte. Die Tätigkeit sollte eigentlich nur befristet sein, doch angesichts der Hypothek und der Kosten fürs Kind hatte sich nie die Möglichkeit ergeben, zu seiner wahren Berufung zurückzukehren. So lebte er als widerwilliger Banker und spezialisierte sich auf landwirtschaftliche Kredite, was ihm immerhin erlaubte, über Land zu fahren und Kunden zu besuchen, die den kennerhaften und einfühlsamen Blick zu schätzen wussten, den er auf ihre Herden warf.
Francis’ Elternhaus war immer voller Tiere: der hochintelligente Schäferhund Balthazar; ein Aquarium voller Tropenfische; eine Schildkröte, die gemächlich den Garten erkundete; und ein nervöses Albino-Kaninchen namens Alphonso, das beim Durchknabbern eines Stromkabels ums Leben kam. Da Balthazar keine Schafe zu hüten hatte, übte er mit den Hühnern, die Francis’ Mutter hielt, bis sie schließlich seinen Vater bat, die Hennen mit einem Zaun vom Hund zu trennen. Francis war zwar erst sechs, doch sein Vater bot ihm an, er könne helfen.
Sein Vater schwang den Hammer mit ungewohnter Heftigkeit, und Francis machte die seltsame Stimmung Angst. Nach ein paar wilden Schlägen entschuldigte er sich und erklärte, die Bank habe gerade den Bauernhof einer Familie enteignet, die er schon sein ganzes Leben kannte: Sie hatten so darum gekämpft, und er fühle sich schuldig, weil er sie nicht vor dem Scheitern habe schützen können. »Komm, wir messen den Zaun aus«, sagte er ruhiger. »Du kannst den Draht zuschneiden.« Bis Sonntagnachmittag hatten sie die Aufgabe erledigt: ein halbes Dutzend Weidenstöcke, verbunden mit drei Lagen glänzenden Maschendrahts, bog sich durch den hinteren Teil des Gartens. Zuerst sah das alles sehr kahl und neu aus, aber im Frühling sah Francis, wie die nackten Stöcke, die er für altes Holz gehalten hatte, wieder zum Leben erwachten; sie schlugen aus und verwandelten sich in Weidenbäume. Dieses frühe Erlebnis von Regeneration machte starken Eindruck auf ihn und verband die Landschaft von Howorth mit tiefen Erinnerungsschichten, und die Unterschiede zwischen seinem derzeitigen Heim und dem seiner Kindheit wurden weniger wichtig als ihrer beider Kraft zur Erneuerung.
Wie Olivia gehörte er zu einer Generation, die auf einem irreparabel von menschlicher Gier und Dummheit beschädigten Planeten zu leben glaubte. Die vorherige Generation war vielleicht vor allem mit der Aussicht auf nukleare Auslöschung beschäftigt gewesen, doch für Francis, der fünf Jahre alt war, als die Mauer fiel, war ganz sicher kein Krieg nötig, um die Biosphäre zu zerstören; dazu mussten nur alle weitermachen wie bisher. Bei seiner ersten Unterhaltung mit Olivia auf der Konferenz zur Megafauna war ihm aufgefallen, dass sie – vielleicht schon beschwingt von ihrer Bekanntschaft, aber noch nicht bereit, es offen auszusprechen – seltsam fröhlich, fast schon wetteifernd über das unvermeidliche Sterben der Natur diskutiert hatten. Sie waren sich einig: Das Anthropozän würde wahrscheinlich eher den Sturz als den Triumph seines dummdreisten Protagonisten bedeuten; oder eher noch: Sie beide hätten an einem singulären Ereignis teil, wie ein Bauherr, der das Band vor einem Wolkenkratzer durchschneidet, welcher seinen Namen trägt, nur um einen Augenblick später unter einer Lawine aus Schutt und Staub begraben zu werden. Er erzählte Olivia, in seiner Jugend habe die Last des ökologischen Verhängnisses so schwer auf seinen Schultern gelastet, dass sie ihn in Verzweiflung und Menschenfeindlichkeit führte. Als er las, die Meeresversauerung durch die Aufnahme überschüssigen Kohlendioxids werde den Verlust von dreißig Prozent der Meeresfauna nach sich ziehen, rief das Ausmaß dieser Krise ein Ohnmachtsgefühl hervor, das seinem Schrecken in nichts nachstand. Er fand, wenn jeder Soldat, der im Krieg fiel, namentlich auf einem Denkmal erwähnt werden sollte, dann musste doch eine ganze Art, die durch Bejagung oder Zerstörung ihres Lebensraums ausgelöscht wurde, ebenfalls eine Erinnerung verdienen. Nachdem man eine gefährdete Art im Zoo bewundert hatte, böte ein »Ausrottungssaal« ein feierliches und natürliches Finale für den Besuch. Mit Anfang zwanzig wehrte er sich gegen sein zunehmendes Gefühl des Grauens, indem er mit anderen Ökokriegern an Geheimoperationen teilnahm und beispielsweise im Schutz der Nacht Biber in den Flüssen von Devon aussetzte. Manchmal wurden die Aufregung und das Gemeinschaftsgefühl von der zornigen Erkenntnis überlagert, dass der Rest der menschlichen Weltbevölkerung nur aus »Konsum-Zombies« bestand, die in der Natur nichts weiter sahen als einen Freizeitpark – an einem wolkenlosen Nachmittag eine moralisch einwandfreie Alternative zum Fernsehen. Nach Francis’ Erfahrung war Umweltangst tatsächlich weitverbreitet, fast universell, doch die meisten Menschen wussten nicht, was sie damit anfangen sollten, außer rund um die Uhr zu essen und zu trinken und pflichtbewusst so viele Wertstofftüten wie nur möglich vollzustopfen.
Als er nach Howorth zog und sich an dem Wildnis-Projekt beteiligte, sah er sich von der Veränderung seiner Umwelt selbst verwandelt. Das Paradox, eine Landschaft zurück in die Wildnis zu zwingen, war im Anthropozän kein Paradox mehr, denn dieses Zeitalter des Menschen kehrte die Einbettung des Menschen in den Rhythmus der Natur um und zwang die Natur, des Menschen liebsten Erzählmustern zu folgen. Nachdem die Wildnis aus dem Paradies vertrieben wurde, konnte sie in Nationalparks und Naturschutzgebieten Rettung finden. Es war zu spät, sie sich selbst zu überlassen, aber sie konnte gesetzlich vor Ausbeutung bewahrt, von der Nutzung ausgenommen werden und sich als Ort von »herausragender natürlicher Schönheit« aus sich selbst heraus rechtfertigen, wie es ähnlich auch der Kunst zugestanden wurde. Im verlorenen Paradies hatte natürlich nie unblutige Harmonie geherrscht, sondern selbstregulierender Überfluss und Räuberei, ehe der verheerende Vorteil der Maschinen einer einzelnen Spezies in die Hände fiel. Die Wandertaube, einst der häufigste Vogel Nordamerikas und vielleicht der ganzen Welt – noch 1866 wurde ein riesiger Schwarm beobachtet, eineinhalb Kilometer breit und fast fünfhundert Kilometer lang, der aus über drei Milliarden Vögeln bestand –, war 1914 ausgestorben, und das ohne Zutun eines Asteroiden oder einer Eiszeit.
Im Yellowstone-Nationalpark hatte die Rückkehr der Wölfe ein ganzes Ökosystem wieder ins Gleichgewicht gebracht, indem sie die riesigen Herden von Grasfressern auseinandertrieben und die Wapitis von ihren Lieblingsweideplätzen fernhielten, was zur Erholung der Espen- und Pappelbestände führte, ebenso zur Vermehrung von Adlern und Raben, die sich von den Kadavern der Wolfsbeute ernährten, und so weiter: eine »trophische Kaskade«, also eine grundlegende Veränderung des Ökosystems durch Veränderung der Nahrungskette, und alles nur, weil man die Ausrottung der Wölfe rückgängig machte, die von der Parkverwaltung zunächst gebilligt worden war. Wildnis-Enthusiasten plädierten darum auch für die Wiedereinführung von Wölfen und Luchsen in Schottland, trafen jedoch auf den Widerstand von Viehzüchtern und Jagdsportverbänden. Stattdessen mussten jedes Jahr einhunderttausend Rehe und Hirsche geschossen werden, um Überweidung und Waldverbiss zu verhindern.
Wilding war kein Fantasieprojekt einer Rückkehr zu einem ursprünglichen Land, von Verkehr befreit und mit ausgestorbenen Arten angefüllt, sondern vielmehr der Versuch, die Dynamik unregulierter Landschaft zu verstehen und sie wieder in die moderne Welt einzuführen. Ein Grund für Francis’ Teilnahme an der Konferenz war sein Interesse an der historischen Frage, wie Ökosysteme früher ein Gleichgewicht erreicht hatten. War Großbritannien ein fast lückenloses Waldgebiet gewesen, ehe der menschliche Einfluss, der Bedarf an Brennstoff, Baumaterial und Agrarland die Oberhand gewonnen hatten, oder hatte die Megafauna, hatten die großen Tiere das Entstehen zusammenhängender Wälder verhindert, indem sie Bäume umwarfen und zertrampelten, zusammen mit den kleineren Lebewesen, die den Baumwachstum durch Rindenfraß und den Verbiss von Jungtrieben verhinderten? Doch so faszinierend er die konkurrierenden Ansichten zur prähumanen Wildnis fand, noch mehr faszinierte ihn Olivia. Am zweiten Tag waren sie aus einer Diskussionsrunde über das Leben und den Umwelteinfluss des Riesenfaultiers vor seiner Ausrottung durch die amerikanischen Ureinwohner – oder, aus der Sicht des Riesenfaultiers, durch mörderische Neuankömmlinge – hinausgedriftet und hatten stattdessen ihre Gefühle füreinander thematisiert. Als sie am nächsten Tag wieder in die Gespräche einstiegen, hörte Francis erleichtert, dass sich die Konferenz für die Art von Landschaft ausgesprochen hatte, die in Howorth entstand.
Jetzt wurden seine Gedanken von einer Reihe kurzer, sich vervielfachender Krächzer unterbrochen. Er drehte sich um und sah, wie Dutzende von Saatkrähen von den schwankenden Ästen eines Baumes aufflogen. Er musste an Tintentropfen denken, die aus seinem Füllfederhalter spritzten, als der ihm während seiner Examensklausur aus der Hand flog. Der ganze Vorfall schien sich in Zeitlupe abgespielt zu haben – ungefähr im Tempo dieser in der Ferne flatternden und kreisenden Saatkrähen – was an seiner lähmenden Angst lag, der Füller könnte mitten in der wichtigsten Prüfung seines Lebens auf der Feder landen und unbenutzbar werden. Diese Assoziation war so seltsam und zugleich so privat, zeigte ihm, dass seine Fantasie und seine Erinnerung eigene Verbindungen eingingen, parallel zu seinem Drang, unbedingt eine Führung für Olivia vorzubereiten.
In ein paar Stunden würde ihr Zug eintreffen, und es wurde Zeit, nach Hause zurückzukehren, die Bettlaken zu wechseln und die fehlenden Zutaten fürs Abendessen zu besorgen. Er war zu der grünen Gasse gelangt, auf der früher die Viehtreiber Schafe und Rinder von den South Downs zu Schlachtung und Verkauf nach London gebracht hatten. Darauf konnte er jetzt zurückgehen und den Halbkreis des Hinwegs geradewegs durchschneiden. Zügig schritt er in der Mittagssonne aus, und seine Sehnsucht nach dem Wiedersehen verband sich unbehaglich mit dem Gefühl, dass er Olivia kaum kannte sowie mit dem Stress so vieler besonderer Neuheiten: es war ihr erster Besuch im Landhaus, zum ersten Mal kochte er für sie, zum ersten Mal hatte er den kaum erschwinglichen Wein gekauft, den der örtliche Weinhändler empfohlen hatte, und all diese Premieren waren von der Möglichkeit einer Enttäuschung grundiert. Francis blieb einen Augenblick stehen, bezwang seine wachsende Anspannung, schaute sich noch einmal um und brach in Lachen aus, als er erkannte, dass alles perfekt war und sich auch durch seine Grübelei nicht verbessern ließe.
Lucy ließ sich auf dem Fensterplatz nieder, den Jade für sie gebucht hatte: eine kleine Kapsel, die sich zu einem schmalen Bett ausfahren ließ. Sie nahm den Tagesflug von New York nach London, war aber erschöpft genug, um ihren Schlafrhythmus aufs Spiel zu setzen und gleich morgens wieder ins Bett zu gehen. Bevor sie ihr Telefon ausschaltete, schickte sie Olivia noch eine Nachricht. Sie riss die Plastikhülle von der Wolldecke und öffnete die Versiegelung der kleinen schwarzen Pflegetasche, die eine Mini-Zahnbürste, eine Mini-Tube Zahnpasta, einen Mini-Lippenpflegestift, eine Mini-Tube Feuchtigkeitscreme, Schlafsocken, eine Schlafmaske und Ohrenstöpsel enthielt. Die beiden letzten Gegenstände nahm sie heraus und stopfte die Tasche dann ins Seitenfach. Jade hatte Lucy nach ihren Sitzbedürfnissen gefragt, nach ihren Ernährungswünschen und – für den Aufenthalt in Hunters selten gebrauchter, aber umfassend mit Personal ausgestatteter Londoner Wohnung – nach ihrem Lieblingskaffee, ihrer Lieblingszeitung und ihren Frühstücksvorlieben. Sie war so beflissen, dass Lucy schon mit einer Mail rechnete, in der sie nach ihrer Blutgruppe, ihrer Lieblingsstellung und ihren politischen Neigungen gefragt wurde. Jade war Hunter Sterlings energisch effiziente persönliche Assistentin und ganz offensichtlich instruiert worden, Lucy besonders sorgsam zu betreuen.
Drei Wochen zuvor hatte Lucy bei einer Dinnerparty neben Hunter gesessen und ihn mit ihren beruflichen Erfahrungen in Wissenschaft und Wirtschaft so beeindruckt, dass er ihr bei einem Tee mit frischer Pfefferminze anbot, ihr Gehalt zu verdoppeln, wenn sie das Londoner Büro von Digitas leiten würde, der Risikokapitalgesellschaft für digitale, technologische und wissenschaftliche Unternehmen, die er mit dem Geld aus dem Verkauf seines legendären Hedgefonds Midas wenige Monate vor dem Zusammenbruch der Lehman Brothers gegründet hatte. Er hatte sie überzeugen können, ihre Stellung bei der Unternehmensberatung Strategy aufzugeben, weil sie einerseits die neue Chance aufregend fand und andererseits verschiedene Aspekte ihres Privatlebens kollabiert waren. Hunter wollte sie so dringend nach London holen, dass er ihr außerdem noch vierzehn Tage in seinem Apartment am St James’s Place angeboten hatte, damit sie von dort eine vernünftige Wohnung suchen könnte. Diese Großzügigkeit würde unvermeidlich zu Enttäuschungen führen. Der Grundriss der zweistöckigen Penthouse-Wohnung, geschickt von Jade in einer Mail mit genug Bullet Points, um eine Bürgerkriegsarmee zu bewaffnen, machte Lucy klar, dass der Aufschlag hart sein würde, wenn sie von dort in eine Wohnung zog, die sie sich leisten konnte. Aber es war dennoch eine großzügige Geste, wie auch dieser luxuriöse Platz in der ersten Klasse und die Limousine zum Flughafen und alles andere. Sie versuchte die Schmeicheleien anzunehmen, aber sie war zu verwirrt, um wirklich davon überzeugt zu sein.
Lucy war es gewohnt, dass man ihr Gefallen tat und Sonderbehandlungen zuteilwerden ließ, und sie revanchierte sich immer mit ihrer eigenen Art der Freigiebigkeit. Ihr Bedürfnis nach einem gewissen Maß an Schutz und Sicherheit wurzelte in den drastischen Unsicherheiten ihrer Kindheit: Als Lucy fünf war, wurde ihre Mutter nach einem manischen Schub in eine geschlossene Abteilung eingewiesen und war danach durch die Einnahme von Lithium dauerschläfrig; als sie sechzehn wurde, war ihr attraktiver Vater in einem See von Alkohol ertrunken. Lucy hatte keinen Zweifel, dass ihre Eltern liebevoll und guter Absicht waren, doch ihre Leiden hatten sie handlungsunfähig gemacht. Wenn sie die beiden sah, kam es ihr vor, als würde sie einen geliebten Menschen in den falschen Zug steigen sehen und selbst den Bahnsteig entlangrennen, um auf den Fehler hinzuweisen, während der Zug immer schneller aus dem Bahnhof fuhr. Einen großen Teil ihrer Kindheit hatte Lucy sich um Menschen kümmern müssen, die eigentlich hätten für sie sorgen sollen. Sie hatte ein starkes Gespür für die Stimmungen ihr nahestehender Menschen entwickelt sowie die Sehnsucht nach einem Grad von Sicherheit, der sie den zerstörerischen finanziellen Ängsten ihrer Kindheit entheben würde. In gewisser Weise war ihr ganzes Leben ein angespannter Dialog gewesen zwischen ihrem entschlossenen Unabhängigkeitsstreben – ihrer »Schildmaid«-Rolle, wie sie das im Gedenken an die schwedischen Vorfahren ihrer Mutter nannte – und ihrer Fähigkeit, mühelos einen granitenen Hafen zu finden – um im Wikingerbild zu bleiben –, indem sie den Beschützerinstinkt mächtiger Männer ansprach.
Lucy sagte der Flugbegleiterin, dass sie kein Frühstück wolle, aber gern eine Bloody Mary. Sie wartete ungeduldig, dass der Flieger abhob und sie ein bisschen Schlaf bekam. Als sie den Sicherheitsgurt anlegte, zog ein seltsamer Krampf die Muskeln ihres rechten Beins zusammen, so ähnlich wie die Krämpfe, die manchmal im Fußgewölbe auftreten und sich dann schubweise ausbreiten. Sie richtete sich ein wenig auf und umklammerte die Armlehnen, bis das Gefühl nachließ. Das war ihr in den letzten Wochen zweimal passiert, und sie war zu der Ansicht gelangt, dass es sich um Panikattacken handelte. Es war zwar erschreckend, aber andererseits kaum verwunderlich, dass der wahrscheinlich stressigste und schlafloseste Monat ihres Erwachsenenlebens solche Symptome auslöste. Nachdem ihr Arbeitsvisum unerwartet nicht erneuert worden war, hatte Strategy ihr angeboten, sie in die Londoner Dependance zu versetzen, doch sie hatte stattdessen Hunters Angebot angenommen, weshalb sie nun nicht bloß wohnungslos war und den Kontinent wechselte, sondern sich auch in einen neuen Job einfinden musste. Und dann war da noch Nathan.
In den letzten vier Jahren hatte sie in New York mit Nathan zusammengelebt, ihrem reichen und gut aussehenden amerikanischen Freund, dessen sehr innige Familie sie inzwischen als eine der ihren behandelte. Nathans Eltern, mit ihrem Strandanwesen auf Long Island und dem großen viktorianischen Stadthaus im West Village, mit ihren drei erwachsenen Kindern, die alle in reizenden Wohnungen in der gleichen Gegend lebten, hatten Lucy durch ihre Wärme, ihre herzliche Aufgeschlossenheit, durch die völlige Abwesenheit von Armut und psychischer Krankheit ein fundamental anderes Familiengefühl vermittelt als jenes, mit dem sie aufgewachsen war. Als ihr klar wurde, dass sie die Vereinigten Staaten verlassen musste, hatte Nathan gemeint, die offensichtliche Lösung sei doch wohl, dass sie heirateten. Sie bekäme die amerikanische Staatsbürgerschaft und würde noch fester in seine herrliche Familie aufgenommen. Ihre Beziehung währte schon so lange und Lucy war so beliebt, dass Nathans Familie allgemein annahm, die beiden würden sowieso heiraten, warum also nicht jetzt, wo es romantisch und nützlich war. Lucy allerdings war bei Nathans Antrag klar geworden, dass sie nicht den Rest ihres Lebens mit ihm verbringen wollte. Tatsächlich hielt sie es keine weitere Minute mehr aus. Der plötzliche Druck hatte ihr vor Augen geführt, dass die Beziehung schon zu lange im Trancezustand von Gewohnheit und Verlustangst verharrte. Gegen ihre Ablehnung führte er zunächst seine Leidenschaft und ihre lange gemeinsame Geschichte ins Feld, doch als sie ihn standhaft zurückwies, wurde immer deutlicher, dass er sich einfach nicht vorstellen konnte, wie eine Frau aus unsicheren Verhältnissen wie den ihren ein so vorteilhaftes Angebot ausschlagen konnte.
»Aber willst du dieses Leben denn nicht?«, fragte er und schwenkte den Arm über die riesige Rasenfläche und den Privatstrand und wieder zurück zum monumentalen Haus, entworfen von Philip Johnson, abgebildet in zahlreichen Büchern über die Meisterwerke amerikanischer Architektur, dann zum perfekt passenden Gästehaus dahinter, und zum Atelier, eine Art Kirche mit hohen Fenstern, das für jeden noch so schwachen künstlerischen Impuls bereitstand, groß genug, um darin an fünfzehn Jackson Pollocks gleichzeitig zu arbeiten – nicht dass im Haus noch Platz für einen weiteren Jackson Pollock gewesen wäre. Hinter der Gebäudegruppe lagen der Swimmingpool, ein Tennisplatz und eine lange Auffahrt, die zu zwei Torhäuschen führte, in der einige sehr liebenswerte Bedienstete lebten, die wirklich und wahrhaftig zur Familie gehörten.
»Aber das Haus macht mir doch keinen Antrag«, sagte Lucy, die ihren Ärger über Nathans Frage nicht unterdrücken konnte. Es war schon traumatisch genug, jemanden zurückzuweisen, dem sie so nahegestanden hatte, ohne dass derjenige dann noch versuchte, sie durch Bestechung umzustimmen. Sie wusste, sie wollte eigenständig etwas erreichen und ihre Ambitionen nicht von einer pythonschlangenartigen Zufriedenheit abwürgen lassen. Natürlich war die Sicherheit verführerisch, die Nathan ihr anbot, doch ihre Empfänglichkeit dafür machte sie auch zutiefst misstrauisch. Ihr wahrer Feind war nicht der Mangel an Sicherheit, sondern ihr Wunsch danach. Sie wollte mehr im Leben erreichen, als nur die Ängste ihrer Kindheit zu beruhigen.
»Vielen Dank«, sagte sie und nahm die Bloody Mary von der Flugbegleiterin entgegen.
Ihr Bein schmerzte nach dem Krampf und fühlte sich seltsam nutzlos an. Sie massierte ihren Oberschenkel und trank ihren Cocktail. Früher einmal hatte ihr Augenlid unkontrolliert gezuckt, nachdem sie Woche für Woche täglich zehn bis zwölf Stunden in der Bibliothek verbracht hatte. Sie brauchte keine Analyse von Olivias Psychiater-Vater Martin Carr, um zu erkennen, wieso das Zucken vom Augenlid ins Bein gewandert war: Sie unternahm zu viele Reisen auf einmal. Die Schildmaid verließ den Granithafen von Nathans Familie und brach zu einem weiteren Abenteuer auf.
Immerhin führte diese turbulente und verwirrende Entwicklung dazu, dass sie Olivia wiedersah. Sie würden sich in ein paar Tagen in London treffen und dann später in Oxford, wo Lucy Hunter auf seiner Blitzreise durch Europa jede Menge Fakultätsdekane vorstellen musste. Es konnte sehr nützlich sein, Olivia dabeizuhaben, denn ihr eigenes Oxforder Adressbuch war nach sechs Jahren ein bisschen stockfleckig. Schwer zu entscheiden, wen Hunter nicht kennenlernen wollte angesichts des breit aufgestellten Portfolios von Digitas. Besonders reizte sie die Biotech-Sparte, aber sie hatte sich auch schon die anderen Beteiligungen angeschaut, darunter ein Unternehmen für KI und Robotertechnik namens Brainwaves, geleitet von einem Saul Prokosh. Hunter hatte ihr erzählt, es gebe bei Brainwaves ein Projekt mit dem Spitznamen »Glückshelme«, das vermutlich »riesengroß« werde. Sie suchten noch nach einem Namen für die Vermarktung, der sich nicht so sehr nach Kinderspielzeug anhörte. Es gab auch Militärprojekte, von denen sie sich vorsichtshalber fernhalten würde, obwohl Hunter ihr versichert hatte, seiner »ethischen Haltung« gemäß lediglich Verteidigungsbemühungen unterstützen und keine Waffen entwickeln zu wollen. Bei Strategy hatte man ihre wissenschaftliche Ausbildung zwar anerkannt, sie dann aber nur effiziente Wege entwickeln lassen, um Mastvieh mit Antibiotika zu versorgen, das es gar nicht erst hätte nehmen sollen, oder sie musste die Gesamtpatientenzahl einer Krankheit errechnen, um einem Pharmaunternehmen mitteilen zu können, ob eines ihrer Produkte ein »Orphan-Arzneimittel« war oder man die Nebenwirkungen für ein ganz neues Marktsegment nutzen konnte. Der Schritt von der Unternehmensberatung zum Wissenschaftsunternehmen würde ihre Fähigkeiten zum ersten Mal seit langer Zeit wieder beanspruchen.
Sie konnte kaum erwarten, Olivia zu erzählen, dass Digitas eine Mehrheitsbeteiligung am Start-up von Olivias Erzfeind erworben hatte, Professor Sir William Moorhead. YouGenetics war ein Medizinunternehmen, dessen Hauptkapital die Daten waren, die mehrere Generationen von Doktoranden unter Moorheads Anleitung gesammelt hatten. Die Korrelationen, so schwach sie auch sein mochten, zwischen Tausenden und Abertausenden genetischer Variationen, Deletionen, Duplikationen und Mutationen sowie der Neigung zu beziehungsweise die Folgen von den häufigsten Krankheiten der Welt steckten alle in den Datenbanken von YouGenetics und würden dort wohl auch bleiben, da sie zu so wenigen anwendbaren Heilmitteln geführt hatten. Der wissenschaftliche Nutzen war also begrenzt, aber Lucy wusste, das Unternehmen konnte dennoch Geld bringen. Moorhead war zu hochnäsig gewesen, die schier endlose Faszination der Öffentlichkeit für die genetische Abstammungslehre zu bedienen. Lucy war da weniger zimperlich. Es war ihr zwar nicht klar, wie die Fähigkeit einer Person, ihren Kredit abzubezahlen oder ihre Kinder zu lieben, durch die Entdeckung verbessert werden könnte, dass ein Prozent ihrer Gene zur Haplogruppe R-DF27 gehörten oder sie von Dschingis Khan abstammte (ein erschreckend häufiges Schicksal, das vor allem eins bewies: Wenn der wahre Sinn menschlichen Daseins darin bestand, sein genetisches Material zu verbreiten, dann war Plündern und Vergewaltigen die beste Methode), aber es gab einen Markt dafür. Sie hatte vor, eine besonders teure Version dieser sinnlosen Datensammlung anzubieten und dabei besonders viel Aufhebens um die Herkunft des Unternehmens selbst zu machen, gegründet vom Stammvater der althergebrachten Genetik. Mithilfe dieser neuen Einnahmequelle könnte sie das Unternehmen reformieren und auf den neusten Stand bringen.
Es war toll, dass Olivias Buch bald veröffentlicht wurde, aber wenn sie Glück hatte, würde sie sechshundert Exemplare davon verkaufen und eine Rezension im Fachmagazin Current Biology bekommen. Lucy wollte Veränderungen in größerem Maßstab anschieben. Erst gestern Abend hatte ihr ein Kollege etwas über die Samen von Baumwollpflanzen erzählt, die von Käfern befallen worden waren und daraufhin eine neue Generation von Pflanzen hervorgebracht hatten, die sich als resistenter gegen derartigen Käferbefall erwiesen. Die Saatgutentwicklung auf epigenetisch erworbene Eigenschaften zu gründen, käme einer landwirtschaftlichen Revolution gleich – die Verteidigungsstrategien der Natur selbst anzuwenden, statt die gewaltsamen Kreuzungsversuche der üblichen gentechnischen Veränderungen vorzunehmen. Die Gentechnik hatte auf diesem Gebiet nur wenige Erfolge vorzuweisen und mit gewaltigem Widerstand zu kämpfen. Monsanto ruhte sich zwar nicht auf den Lorbeeren des Entlaubungsmittels Agent Orange aus und hatte genetisch verändertes »Terminator-Saatgut« ohne Fortpflanzungsfähigkeit entwickelt, doch das war eigentlich immer nur in der Vorstandsetage des Unternehmens beliebt gewesen und schließlich sogar verboten worden.
Als sie aufs Vorfeld rollten, schaute Lucy hinaus auf die geparkten Flugzeuge, die geschäftig herumfahrenden Flugzeugschlepper und die Bremslichter, die sich blutig-rot auf den nassen Asphalt ergossen. Plötzlich spürte sie, wie ihr ganzer Körper sich anspannte, als hätte eine Gefährtin in ihrer Seilschaft den Halt verloren und zerrte sie jetzt zurück, kurz bevor sie den Gipfel erreichte. Nostalgie, sie war doch überhaupt nicht nostalgisch, aber gerade jetzt riss sie das Gefühl in den freien Fall, vorbei an unerklärlich traurigen Details: die grün-weißen Kacheln in Nathans Dusche; die energisch inhaltsleeren Gesprächsbeiträge seiner Mutter; der Diner an der Ecke, wo sie genug faden Kaffee getrunken hatte, um den Tanklaster dort unten neben dem Flugzeug zu befüllen; die Mole, auf der Nathans kleine Schwester ihr erzählt hatte, sie habe in der Nacht zuvor ihre Unschuld verloren; die großartige, vergoldete Zweckdienlichkeit ihres alten Lebens; die Familie, die sie aufgenommen hatte und nun nie wieder ein Wort mit ihr reden würde.
Als das Flugzeug abhob, hörte sie ihre Gefährtin schreien, so laut wie ein Düsentriebwerk, und dann kam es Lucy vor, als würde sie ein Messer aus dem Gürtel ziehen und das Seil durchtrennen, sodass die Gefährtin abstürzte. Sie durfte sich nicht in dieses Gefühl hineinsteigern. Sie brauchte noch eine Bloody Mary, um einzuschlafen und die geschwächten Muskeln in ihrem Bein zu beruhigen.
Olivia saß im vollen Freitagsnachmittagszug und versuchte ihre Fahnen zu korrigieren. Sie las das Zitat von Svante Pääbo, das sie ausgewählt hatte – »Die Genomforschung hat ein schmutziges kleines Geheimnis: Wir wissen so gut wie nichts darüber, wie ein Genom in die Besonderheiten eines lebenden, atmenden Individuums umgesetzt wird« –, ließ die Korrekturfahnen sinken und gab sich dem Tagtraum hin, der sie schon von Oxford bis London verfolgt hatte und sie nun auf der Fahrt nach Horsham wieder einholte.
Vorfreudig und beklommen zugleich war sie auf dem Weg ins Wochenende mit ihrem neuen Liebhaber und starrte aus dem Fenster auf die vorbeistotternden Vororte, die Fußballplätze, die Gärten, die Gewerbegebiete, die kleinen Waldstückchen, die ein intaktes Landleben darzustellen versuchten, bauchige silberne Graffiti auf einer Backsteinwand, die verdoppelte Geschwindigkeit, das verdoppelte Rattern und die plötzliche Intimität eines entgegenkommenden Zuges – es sah so aus, als würde London immer weiter und weiter ausgreifen, bis es irgendwann im Meer ertränkt werden musste. Sie musste einsehen, dass sie verrückt nach Francis war, sich wie wahnsinnig angezogen fühlte: Es war schwierig, eine vertrauenserweckende Formulierung zu finden. In die Subjektivität eines anderen Menschen überzuwechseln, wenn das überhaupt möglich war, schien immer aufregend und gefährlich. Zunächst einmal musste da überhaupt ein Mensch gegenüber sein, nicht bloß eine Ansammlung von Fragmenten, Sperren und Selbsttäuschungen; dann war wichtig, beim hektischen Sprint zum glitzernden See, der sich allzu oft als Schlammfläche mit aufgeregt darüber schwirrenden Fliegen entpuppte, nicht zu viel von sich selbst zu verlieren. Selbst ohne die Gefahr der Verwirrung, die Gefahr der Enttäuschung blieb es ein logisch unmöglicher Übergang. Wie konnte man jemals wirklich in eine andere Subjektivität eindringen? Und doch wirkte dieses »unmöglich« kleinlich angesichts der Fähigkeit der menschlichen Fantasie, sich in ein anderes Wesen einzufühlen. Sie fühlte häufig flüchtige Verbindungen, die sich zwischen ihrem Geist und anderen bildeten und wieder vergingen, doch sie war nicht oft versucht, diese Regenbogen zu dauerhafteren Brücken auszubauen. Dass sie den Wunsch jetzt auf so dünner Beweisgrundlage verspürte, ließ sie zwischen grundloser Seligkeit und grundloser Verzweiflung hin und her schwanken, zwischen einer Vorstellung von Glück und der Vorstellung, ein Glück wieder zu verlieren, das ihr noch gar nicht zuteilgeworden war.
Sie griff wieder nach ihren Fahnen. Ihr Buch über Epigenetik wirkte auf einmal wie eine Zuflucht, weniger als Pflicht. Seit die Vollendung des Humangenomprojekts vor zwanzig Jahren mit utopiegläubiger Millenniumsbegeisterung aufgenommen worden war, war die Suche nach Genen, die jeder Lust und jedem Leiden, jeder Neigung und jeder Eigenschaft zugrunde lagen, mit wenigen Ausnahmen gescheitert. Als Svante Pääbo das Schimpansen-Genomprojekt leitete, hatte er damit gerechnet, »die ungemein interessanten genetischen Voraussetzungen zu finden, die uns von anderen Tieren unterscheiden«, doch nachdem die Genomsequenz der Schimpansen veröffentlicht worden war, musste er zugeben, dass »wir darin nicht erkennen können, warum wir so anders sind als Schimpansen.« Wir teilen nicht bloß fast alle Gene mit den anderen Primaten, sondern auch mit entfernteren Verwandten. Die Homöobox-Gene, die verantwortlich sind für die Lage von Gliedmaßen und anderen Körperteilen, waren bei Fliegen, Reptilien, Mäusen und Menschen so gut wie identisch. Wo am meisten Variation erwartet wurde, gab es am wenigsten Abwechslung. Und auch das Ausmaß menschlicher Intelligenz und Selbstreflexion ließ sich nicht an der Anzahl menschlicher Gene ablesen. Als das menschliche Genom sequenziert war, zählte es etwa dreiundzwanzigtausend Gene, ungefähr so viele wie beim Seeigel, aber viel weniger als die vierzigtausend im Reis.
Ah ja, da war er, der wichtigste Artikel in der Zeitschrift Nature zur fehlenden Erblichkeit (Maniolo et. al.), der mit dem wunderbaren Satz endete: »Wenn man bedenkt, wie wenig zum nachweislichen genetischen Einfluss auf die häufigsten Krankheiten tatsächlich geklärt wurde, obwohl Hunderte von damit assoziierten genetischen Varianten identifiziert werden konnten, stellt die Suche nach der fehlenden Erblichkeit einen potenziell wertvollen Weg zu weiteren Entdeckungen dar.« In welchem anderen Wissenschaftszweig wäre irgendetwas nachweislich, »wenn man bedenkt, wie wenig tatsächlich geklärt wurde«? Auf welchem anderen Forschungsgebiet würde ein Mangel an Beweisen als »potenziell wertvoller Weg« beschrieben, außer vielleicht in dem Sinn, dass alle Wege, die keinen wirklichen Wert hatten, nur »potenziell« wertvoll sein konnten? Erstaunlich, dass eine Zeitschrift, die für höchste Standards wissenschaftlicher Sorgfalt stand, so einen inkompetent irreführenden Satz veröffentlichte. Ehrlicher wäre diese Formulierung gewesen: »Nach jahrzehntelanger Forschung haben wir so gut wie nichts gefunden, aber wir haben unsere Karrieren nun einmal diesem fruchtlosen Feld gewidmet, darum gebt uns bitte mehr Geld.« Natürlich bestand die Möglichkeit, dass irgendwann in der Zukunft noch Nachweise auftauchten, doch bis jetzt lag eine der wertvollsten Erkenntnisse der Genforschung darin, dass es rein genetische Ursachen nur für sehr seltene monogene Krankheiten wie das Tay-Sachs-Syndrom, Hämophilie und Chorea Huntington gab, die durch die Mutation eines einzelnen Gens hervorgerufen wurden; abgesehen vom Wissen um die zusätzliche Kopie des Chromosoms 21, die für das Downsyndrom verantwortlich war. Ansonsten mussten »polygene Ergebnislagen« und »multifaktorielle Erklärungen« ins Spiel gebracht werden, um die Plausibilität der genetisch determinierten Geschichte zu stützen.
So vertraut er inzwischen auch geworden war, so sehr irritierte sie der Begriff der »fehlenden Erblichkeit« noch immer, denn er implizierte, dass die genetischen Verbindungen eines Tages auftauchen könnten wie die Lieblingskatze der Familie, wenn nur genug Plakate in die Schaufenster gehängt oder an die Bäume der Nachbarschaft gepinnt würden. Damit etwas »fehlend« sein konnte, musste es zunächst da gewesen sein, doch soweit die Experimente zeigten, waren die Bezüge praktisch nicht existent und wurden nur wegen der doktrinären Weigerung, die ursprüngliche Hypothese zu revidieren, auf »fehlend« hochgestuft. Der Ausdruck stammte aus der gleichen semantischen Trickkiste wie die »Nebenwirkungen«, die so taten, als wären aus einer Reihe pharmazeutischer Wirkungen eines Medikaments die unerwünschten irgendwie nebensächlich. Ein Patient, der nach der Einnahme einer Arznei unter Leberversagen oder Erblindung litt, dürfte diese Erfahrung für ebenso zentral halten wie den beabsichtigten Effekt. Würde eine unter Depressionen leidende Frau, die sich seit Jahren schrecklich fühlt, weil sie die weniger aktive Version des Gens SLC6A4 besitzt, sich auf einem »potenziell wertvollen Weg« wähnen, wenn die Verbindung besagten Gens mit ihren Depressionen sich als »fehlend« erweist und sie erkennen muss, dass sie jahrelang auf ein Heilmittel gewartet hat, das es gar nicht geben kann, und derweil auf alle erhältlichen Medikamente verzichtet? Als Tochter zweier Psychoanalytiker und Schwester eines klinischen Psychologen war Olivia besonders sauer darüber, dass so viele Aufsätze geschrieben und so viele Gelder verschwendet worden waren unter dem Vorwand, dieser »Gen-Kandidat« sei die Ursache von Depressionen; Gelder, mit denen man depressiven Menschen besser hätte helfen können.
Ironischerweise war es Professor Moorhead gewesen, der glühendste Verfechter des alten neodarwinistischen Modells, der sie in das aufregende neue Forschungsgebiet der Epigenetik katapultiert hatte. Nach dem Examen war sie zunächst begeistert gewesen, einen Platz in seinem Labor zu ergattern, bis sie entdeckte, dass er reihenweise Studentinnen verführte und den Ausdruck »unter ihm arbeiten« wie so viele andere nur zu wörtlich nahm. Da Moorhead davon ausging, die menschliche Natur funktioniere rein mechanisch, wie er mit seiner unwiderstehlichen Mischung aus Selbstgefälligkeit und Ungeduld in seinem Meisterwerk Die unersättliche Maschine erläuterte, hatte sie angenommen, dass seine Avancen womöglich mechanisch zurückgewiesen werden könnten, doch gerade diese Maschine schien ihren ganz eigenen Willen zu haben, oder vielmehr den Geist eines anderen einprogrammiert, da ihr ja streng genommen kein eigener Wille zustand. Welche geheimnisvolle Menge an freiem Willen er auch immer zu bieten hatte, Moorhead erwies sich als echte Plage und schrieb Olivia einen dreizehnseitigen Brief, in dem er seine amourösen Ansprüche mit einer Liste notorischer Symptome untermauerte, darunter Schlaflosigkeit, ständiger Hunger und ein wiedererwachtes Interesse an Lyrik. Zum Glück überschnitten sich seine unerwünschten Schmeicheleien mit ihrem wachsenden Interesse an Epigenetik, einem Fachgebiet, das Moorhead als Modeerscheinung abtat, oder jedenfalls als Zeitverschwendung für seine Doktoranden, die stattdessen riesige Datenblöcke über den Wüstenboden seines genetischen Fundamentalismus ziehen sollten, um darauf ein Mausoleum für seinen akademischen Ruhm zu errichten. Olivia konnte sich noch gut an die Zeiten erinnern, da jede Erwähnung von Moorhead ihre Laune trübte, kurz, aber unwiderstehlich, wie die Sonnenfinsternis, die sie bei einer Exkursion nach Indonesien erlebt hatte, wo sie von einem Hügel aus den Rand des Mondschattens beobachtete, wie er über den Wald raste und die Tierwelt durch seine verblüffende Dunkelheit zum Schweigen brachte. Während seiner widerwärtigen Annäherungsversuche war sie einer Konfrontation ausgewichen, indem sie das Thema ihrer Doktorarbeit gewechselt hatte. Seither wartete sie vergeblich auf seinen eigentlich unvermeidlichen Sturz, doch stattdessen musste sie mitansehen, wie er gleich einer arroganten Gämse von einem unwahrscheinlichen Felsvorsprung zum nächsten bergauf hüpfte. Er war in den Ritterstand erhoben worden, was ihn nach allem, was man hörte, nur noch unritterlicher hatte werden lassen. Trotz ihrer Verachtung war es nie Olivias Absicht gewesen, Klage gegen ihn zu führen, sondern sie wollte ihn auf seinem eigenen Feld schlagen, seine erdrückende und eigenartig populäre wissenschaftliche Ideologie vom Sockel stoßen. Inzwischen hatte sie ein Forschungsstipendium erhalten, sodass sie nicht mehr von Seminaren und Vorlesungen abgelenkt wurde.
Olivia sah ihr Telefon an der Tischkante aufleuchten. Dass sie es überhaupt dort hingelegt hatte, zeugte von dem Gefühl möglicher Dringlichkeit, das von der Technik selbst erzeugt wurde. Wenn Francis nun eine Reifenpanne hatte? Oder ihre Mutter tot umgefallen war? Sie beugte sich vor und sah, dass es ihr Bruder Charlie war, der anrief. Einen Augenblick wehrte sich die tief sitzende akademische Gewohnheit gegen die Ablenkung, zum Teil gerade, weil sie ihr so willkommen war, aber als sie sich gerade umentschieden hatte, brach der Anruf ab. Sie war genervt, dass sie sich geziert hatte, aber Augenblicke später rief er schon wieder an – so typisch, dass er annahm, nein, im Grunde wusste, eigentlich wollte sie mit ihm sprechen.
»Hi, C«, sagte sie.
»Hi«, sagte Charlie. »Höre ich da einen Zug rattern?«
»Ja, ich bin auf dem Weg nach Sussex.«
»Weil du auf einer Party einen großen, unwiderstehlichen Fremden kennengelernt hast und er dich eingeladen hat, das Wochenende bei ihm zu verbringen.«
»Also, in Wirklichkeit war es eine Konferenz. Aber der Rest ist erschreckend zutreffend.«
»Ich bin Hellseher«, sagte Charlie. »Jedenfalls was dich angeht.«