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Herstellung und Verlag:

BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt

ISBN: 9783753494029

© Philip Roden 2021

1. Auflage

Kontakt: Psiana eCom UG/ Berumer Str. 44/ 26844 Jemgum

Covergestaltung: Fenna Larsson

Coverfoto: depositphotos.com

INHALT

NEUROATHLETIK FÜR
EINSTEIGER

Durch neurozentriertes Training Kraft,
Koordination und Fitness gezielt verbessern

Philip Roden

Was Sie in diesem Buch
erwartet

Waren Sie bisher auch immer der Ansicht, sportliche Erfolge seien nur das Resultat harten körperlichen Trainings? Und immer wiederkehrende Verletzungen seien die Konsequenz mangelnder Regeneration oder gar unveränderliche Macht des Schicksals? Das geht den meisten Menschen so, ob Laien oder Experten. Und das soll auch kein Urteil sein, stützt sich dieses vermeintliche Wissen doch auf das, was in den letzten Jahrzehnten gelehrt und popularisiert wurde.

Doch zufriedenstellend sind diese angeblichen Tatsachen nicht. Der Mensch ist eben keine Maschine. Es braucht also einen anderen Ansatz, um den Ursachen von Leistung beziehungsweise der Beeinflussung dieser auf den Grund zu gehen und ihre Mechanismen zu verstehen. Nur auf dieser Basis ist es möglich, ihre Einbußen umzukehren und für eine Optimierung zu sorgen. Dass die Arbeit an der Muskulatur und an dem Bewegungsablauf allein nicht ausreicht, ist eine recht junge Erkenntnis. In dem neuen Wissen über die maßgebliche Rolle des menschlichen Gehirns in der Aufnahme und Verarbeitung von Wahrnehmungen und dessen Bedeutung für die (sportliche) Leistung betrat vor nicht allzu langer Zeit ein neuer, fast revolutionär anmutender Ansatz die Bühne der Sport- und Trainingswelt: das Neuroathletiktraining.

Das Konzept basiert auf den tiefgreifenden neuen Erkenntnissen, zu denen die Forschung erst in den letzten Jahren gelangt ist. Ihr zentrales Postulat lautet: Das menschliche Gehirn ist untrennbar und maßgeblich mit der Gesundheit des menschlichen Körpers verknüpft, sportliche Betätigung kann nicht davon losgelöst werden.

Umso dramatischer sind die häufig reizarme Umgebung und die anspruchslosen Aufgaben, die vielen von uns im Alltag begegnen, denn: Das Gehirn passt sich seiner Nutzung an. Seine Leistung ist daher nicht selten rückläufig, treten an die Stelle manueller und körperlicher Arbeit doch immer öfter technische Geräte, die uns in letzter Instanz auch noch das Denken abnehmen. Dabei gilt die Gedächtnisleistung als wesentliches Merkmal menschlicher Intelligenz. Gedächtnis ist die Fähigkeit, sich Wahrnehmungen und Erlebnisse zu merken und sich ihrer zu erinnern. Intelligenz ist heruntergebrochen die Fähigkeit, Aufgaben und Probleme zeitlich effizient zu lösen und sich in fremdartigen Situationen zurechtzufinden. Was angesichts unseres heutigen Alltags bleibt, sind demnach ein hoffnungslos unterforderter Körper und Geist, quasi leere Hüllen.

Wer zum Ausgleich auf Sport setzt, muss aber eines beachten: Training sollte nicht nur auf die Physis ausgerichtet sein, sondern auch das Zentrum des menschlichen Denkens und Handelns mit einbeziehen. Umgekehrt ist es sogar so, dass eine Verbesserung der eigenen Gehirnleistung mit einem Ausbau der sportlichen Fähigkeiten einhergehen kann. Es geht dabei nicht um das Lösen von Kreuzworträtseln oder anderen Maßnahmen von Gehirnjogging im weiteren Sinne. Es geht darum, das Gehirn mit gezielten Übungen so zu fordern und zu fördern, dass am Ende eine Optimierung der sportlichen Leistung steht. Und ganz nebenbei verbessern wir damit unsere Kompetenzen im Alltag.

Die bahnbrechenden Erkenntnisse der jüngeren neuronalen Forschung haben wahrlich das Potenzial, die Theorie und Praxis des Leistungs- und Amateursports wie auch der Rehabilitation nachhaltig zu revolutionieren. Dieses Buch vermittelt Ihnen zunächst ein breites Grundlagenwissen zur Funktion des Gehirns, indem die physischen und psychischen Prozesse der Reizaufnahme, -interpreta-tion und -verarbeitung durch das menschliche Nervensystem anschaulich erklärt werden und dabei die neueren Einsichten der Hirnforschung einfließen. Auf diese Weise wird deutlich, wo die Ansatzpunkte der neuen Methode herrühren und warum diese vielversprechend und effektiv ist.

Im Zentrum steht der sich auf Basis dieses Wissens und der neueren Entwicklungen herausgebildete Ansatz des Neuroathletiktrainings. Dieser wird Ihnen anhand praktischer Beispiele und gezielter Praxisübungen nähergebracht, damit Sie Ihr eigenes Gehirn auf die Probe stellen und mittels simplen Trainings im Alltag, im Gym oder auf dem Sportplatz eine Steigerung Ihrer körperlichen Leistungsfähigkeit erzielen. Ergänzend finden Sie noch zusätzliche Tipps, wie Sie durch die richtige Ernährung, durch persönliche Rituale und durch entspannende Meditationspraktiken die Leistung Ihres Körpers und Gehirns weitergehend unterstützen und fördern können.

Der exklusive 10-Wochen-Intensiv-Plan mit einem sorgfältig durchdachten und zusammengestellten Trainingskonzept auf Basis der präsentierten neuroathletischen Übungen bringt Sie behutsam, aber effektiv an Ihr Ziel. Egal ob Gelegenheitssportler, ambitionierter Athlet oder ehrgeiziger Profi: Vom gezielten Training des Gehirns kann jeder profitieren. Geben Sie dem Neuroathletiktraining seine verdiente Chance, dahinter steckt bei Weitem mehr als nur ein kurzlebiger Trend. Sie werden es gewiss nicht bereuen, versprochen!

Was ist Neuroathletik
überhaupt?

Das Konzept des Neuroathletiktrainings basiert auf neueren Erkenntnissen der Hirnforschung, genauer gesagt auf der Neurobiologie und -psychologie. Es vereint die Disziplin des Athletiktrainings mit der der Neurowissenschaften und lässt sich so als Weiterentwicklung des klassischen Athletiktrainings verstehen. Letzteres war jedoch die längste Zeit stark von einer physiologischen und biomechanischen Sichtweise geprägt und wird nunmehr ergänzt durch die Einbindung des menschlichen Nervensystems in die Trainingspraxis.

Der neue Zweig des Neuroathletiktrainings geht von der Prämisse aus, dass neben den sportlichen Fähigkeiten auch die Gehirnleistung trainiert werden kann – ja, gar muss –, um erstere überhaupt effektiv zu verbessern. In diesem Sinne begreift Neuroathletiktraining Körper und Geist als Einheit und folgert daraus ein immenses Verbesserungspotenzial in zweierlei Hinsicht. Neben der Frage nach den Hintergründen wiederkehrender Verletzungen und Defiziten im Sport werden im Training auch Alltagsprobleme wie Vergesslichkeit oder Unstrukturiertheit adressiert, die eben nicht länger als unverbesserliches Charaktermerkmal verstanden, sondern als gezielt trainier- und veränderbar angesehen werden.

In dieser Perspektive lässt sich die gesamte Leistung des menschlichen Gehirns umfassend beeinflussen: Die Gedächtnisleistung wie auch die physische Steuerung des Körpers werden durch das Drehen an ein und denselben Stellschrauben verbessert. Neuroathletiktraining ist demnach ein holistischer Ansatz nach dem Motto: fit im Kopf, fit auf den Beinen. Es geht darum, dem Gehirn ein präziseres Arbeiten beizubringen, welches dem Körper Kraft spart und mehr Flexibilität erlaubt.

Durch regelmäßiges und gezieltes Training verbessert die Methode die Qualität der vom Nervensystem ausgesendeten Signale, indem gezielt diejenigen Hirnareale aktiviert werden, die die eingehenden Reize verarbeiten und in motorische Reaktionen, also in Bewegungen, umwandeln. Und da unser Nervensystem schnell arbeitet und entsprechend aufnahmefähig ist, sind die Ergebnisse des Trainings unmittelbar fühl-, mess- und sichtbar. Der Bewegungsablauf wird optimiert, Schmerzen gelindert und die Leistung gesteigert. Auch ein vermeintlicher Modellathlet ist nur so stark wie seine schwächste Stelle. Und die kann im Körper ganz oben sitzen. Durch die Aktivierung unterfunktionierender Hirnareale können selbst Profisportler noch das letzte Bisschen aus sich herausholen. Neuroathletiktraining setzt genau da an.

Seine Entstehung wurde ganz maßgeblich durch den US-Athletiktrainer Eric Cobb beeinflusst, der das Konzept Anfang der 2000er Jahre mit der Entwicklung eines Ausbildungssystems für Trainer und Sporttherapeuten begann, dem sogenannten Z-Health Performance Education System.

Dieses basiert schwerpunktmäßig auf den neuesten Erkenntnissen vor allem des Carrick Institute in Florida, einer Bildungseinrichtung für klinische Neurowissenschaft und Rehabilitation. Cobb integrierte also das noch junge Wissen über die bewegungssteuernden Systeme des menschlichen Körpers in das klassische, biomechanisch definierte und gesteuerte Athletiktraining.

In Sachen „richtiger” Trainingslehre können jedoch Welten aufeinandertreffen: Es existiert eine Vielzahl unterschiedlicher, teils auch divergenter Philosophien, wie der Athlet zur optimalen Leistung angeregt wird. Nicht wenige setzen dabei auf bewährte und breit wie lang erforschte Methoden. Wenn dann einer mit einem gänzlich neuen, ja, fast revolutionär anmutenden Konzept um die Ecke kommt, reichen die Reaktionen von Skepsis über Aufschrei bis hin zur völligen Negierung. Dem Neuroathletiktraining ging es in seinen Kindertagen nicht anders. Spöttisch sprachen Kritiker von vermeintlichen Wunderheilern, die nur Hokuspokus betrieben. Die Angriffspunkte waren dabei vielfältig und die von Cobb gerade frisch ausgebildeten Neuroathletiktrainer waren ein gefundenes Fressen, konnten diese den provokanten Fragen nach dem „Warum macht man was wann?” argumentativ kaum standhalten und die Kritik entkräften. Sie absolvierten ja auch eine Coaching-Fortbildung, kein akademisches Studium.

Das ist in etwa vergleichbar mit Karateschülern, die gerade ihren gelben Gürtel erhalten haben, von einem Kung-Fu-Meister herausgefordert werden und diesem sang- und klanglos unterliegen. Karate ist deshalb noch lange keine ineffiziente Verteidigungsstrategie.

Ja, das Konzept des Neuroathletiktrainings ist wissenschaftlich noch nicht vollständig evaluiert, große internationale wissenschaftliche Publikationen fehlen bis dato. Aber die Annahmen und Methoden sind deshalb noch lange nicht an den Haaren herbeigezogen, sie basieren schließlich auf wissenschaftlichen Arbeiten unter anderem des angesehenen Carrick Institute und sind mittlerweile sowohl im Leistungs-, Fitness- und Breitensport sowie in der Rehabilitation erprobt. Und die Erfolge, die das Neuroathletiktraining dort feiert, sind der beste Beweis für seine Wirksamkeit und lassen es mehr sein als nur ein Placeboeffekt.

Nur weil einige der Übungsformen von außen betrachtet wenig sportartspezifisch aussehen, bedeutet das nicht, dass sie die Leistung des Athleten nicht zielgerichtet optimieren können. Der menschliche Organismus ist einfach zu komplex, um in seiner Gänze entschlüsselt zu werden. Deshalb nutzt das Neuroathletiktraining ganz selbstlos bereits bestehende Ansätze, um diese mit seinen eigenen Bausteinen zu ergänzen. Dabei achtet das Neuroathletiktraining auf die Individualität eines jeden Sportlers.

Die Kritik verstummt zusehends in einer ähnlichen Geschwindigkeit wie die Verbreitung der Methode, die immer mehr Bereiche und Sportarten erobert. Im deutschsprachigen Raum findet sich Neuroathletiktraining etwa seit 2010 auf immer mehr Übungsplänen im Leistungssport. Federführend war und sind hier die Sportwissenschaftler Lars Lienhard sowie Martin Weddemann, die beide von ZHealth ausgebildet wurden und das Neuroathletiktraining mit ihrem Focus on Performance Netzwerk im Rücken im europäischen Spitzensport bekannt gemacht und weiterverbreitet haben.

Prägend für den Begriff selbst war die Fußballweltmeisterschaft 2014, als Lienhard Teil des Betreuerteams des Weltmeisterkaders der deutschen Nationalmannschaft war und Manager Oliver Bierhoff den Spielern ob der Neuartigkeit erst einmal vermitteln musste, was Lienhard überhaupt macht. Seither wird Neuroathletiktraining immer stärker nachgefragt, zahlreiche deutsche und Schweizer Wintersportler nutzen die neuartigen Methoden und auch viele der deutschen Leichtathleten steigerten damit ganz natürlich ihre Leistung bei den Olympischen Spielen 2016 in Rio de Janeiro. Spitzensportler wie die Fußballer Per Mertesacker, Mario Götze und Serge Gnabry schwören auf Neuroathletiktraining ebenso wie Gina Lückenkemper, die die 100 Meter bei der Weltmeisterschaft in London 2017 als erste deutsche Frau unter elf Sekunden sprintete.

Neuroathletiktrainer schwimmen noch immer oft gegen den Strom, aber die Zeiten des belächelten Exotenstatus neigen sich dem Ende zu. Die Disziplin hat sich mit Beharrlichkeit, Überzeugung und Erfolgen einen Namen gemacht und verdient damit auch, dass man sie hört, ernst nimmt und auch in anderen Bereichen testet und ausbaut. Die innovativen Trainingsmethoden eines Jürgen Klinsmann wurden 2004 auch noch belächelt, sind heute aber in vielen Teams Standard. Die Tendenz zur ganzheitlicheren Betrachtung im Sport gibt auch dem Neuroathletiktraining Hoffnung, seinen Stand in nicht allzu ferner Zukunft weiter auszubauen.

Brain under construction

Die Hirnforschung setzt sich aus verschiedenen Disziplinen wie der Medizin, der Psychologie, den Natur- und den Ingenieurwissenschaften zusammen und untersucht, wie sich menschliche Funktionen – also Prozesse wie Denken, Entscheiden oder Empfinden – auf die Aktivität des Gehirns zurückführen lassen. Sie will nicht nur die Funktionsweise erklären, sondern darüber hinaus deren Verknüpfung mit neuronalen und geistigen Prozessen der Verarbeitung, Bewertung und Speicherung von Reizen und Informationen verstehen.

Damit hat sie einen Untersuchungsgegenstand gewählt, der komplexer kaum sein könnte, besteht das menschliche Nervensystem doch aus rund 100 Milliarden Nervenzellen, den sogenannten Neuronen, seine Grundbausteine und Funktionseinheiten. Dass dabei jede dieser Zellen etwa 10.000 Anknüpfungspunkte hat und sie damit untereinander über knapp 100 Billionen Synapsen kommunizieren, macht die Sache nicht weniger herausfordernd. Doch die Forschungsmethoden sind mittlerweile derart elaboriert, dass die Wissenschaft über ein vergleichsweise präzises Wissen über die molekularbiologischen Vorgänge im Gehirn und über die Aktivität bestimmter Areale bei unterschiedlichen Aktivitäten und Empfindungen verfügt.

Außerdem verbirgt sich hinter der Organisation und Arbeitsweise unseres Denkzentrums ein simples Prinzip, nämlich das stete Streben nach seiner Aufrechterhaltung mit minimalem Energieaufwand. Nichtsdestotrotz ist ein Ruheenergiebedarf von rund 20 % des gesamten Körperenergiebedarfs beachtlich, wo das Gehirn doch nur zwei bis drei Prozent unseres Körpergewichts ausmacht.

Der neuroathletische Ansatz macht sich einige Eigenschaften des menschlichen Gehirns zunutze. Zum einen ist das seine Fähigkeit, bis ins hohe Alter zu lernen. Es ist nicht nur in der Lage dazu, es ist sogar dafür bestimmt! Denn Lernen ist eine unvermeidbare Folge von Wahrnehmung, die auf kognitiver Ebene in einen Prozess eingebunden ist, der mit Emotionen verbunden ist. Motivation und Relevanz sind hier bedeutsame Schlagworte, denn für den Lernerfolg sind individuelle Präferenzen entscheidend. Evolutionär gesehen hat das Gehirn zwei Aufgaben, nämlich die Überlebenssicherung und die Bewegungssteuerung.

So unterscheidet es beispielsweise beim Laufen nicht zwischen sportlicher Betätigung und der Flucht bei Gefahr. Wir optimieren unsere Leistung also dann, wenn wir dem Gehirn Sicherheit vermitteln. Dabei ist jedes Gehirn jedoch anders, dies wissen wir spätestens aus den Bildungseinrichtungen, in denen sich jeder Lernende neues Wissen auf eine andere Art und Weise aneignet. Entsprechend muss im Training stets auf die Bedürfnisse des Einzelnen eingegangen werden. Mit einer authentischen Überzeugung und Begeisterung von dem zu vermittelnden Konzept sprechen wir darüber hinaus die Empathiefähigkeit des menschlichen Gehirns an, das sich von Begeisterung über das innere Belohnungssystem mitreißen lässt.

Das wohl wichtigste Charakteristikum unseres Denkorgans ist seine sogenannte Neuroplastizität beziehungsweise seine nutzungsabhängige Plastizität: Das Gehirn passt seine Struktur und seine Funktionen stets seiner Nutzung an, im Positiven wie im Negativen. Es kommt nicht fertig zur Welt, es ist quasi geboren, um sich zu verändern. Stellen wir uns das Gehirn wie ein Wegenetz vor, bei dem am Anfang (also im Kleinkindalter) bereits viele Wege angelegt sind, die desto breiter werden, je häufiger sie genutzt werden.

Dort fließt der Verkehr schnell. Kaum genutzte Wege verkümmern, Renovierungsarbeiten sind später nur mühsam zu bewerkstelligen. Wir müssen uns entsprechend bewusst machen, dass die heutigen Entwicklungen einer zunehmenden Technologisierung des Alltags einige Pfade unseres Gehirns verkümmern lässt. Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass beispielsweise der Hippocampus schrumpft, der Bereich im Gehirn, der für den räumlichen Orientierungssinn verantwortlich ist. Das geht schmerzlos vonstatten und die Konsequenzen merken wir erst, wenn es schon fast zu spät ist, die Entwicklung umzukehren. Irgendwann äußert sich der Abbau in Rücken- oder Gelenkschmerzen, für die wir mangelnde Bewegung und sich versteifende Muskeln verantwortlich machen. Doch das ist nur die halbe Wahrheit!

Dass tatsächlich das Gehirn eine tragende Rolle in dieser Entwicklung spielt, machen sich Neuroathletiktrainer in der Bekämpfung der Schmerzursachen zunutze, die mehr ist als eine reine Behandlung von Symptomen. Das ultimative Ziel des Trainings soll sein, die Schutzreflexe des Gehirns auszuschalten, ohne dass es reale Gefahren dadurch ignoriert. Es gilt, durch einen optimierten Bewegungsablauf Automatismen zu entwickeln, um das Gehirn weiter zu entlasten und dadurch das volle Potenzial des Athleten abzurufen.

Bewegung und Leistung

Menschliche Bewegungen lassen sich hinsichtlich einer Vielzahl von Aspekten analysieren. So zum einen im Hinblick auf die beteiligten Gliedmaßen, Muskeln, Bänder und Sehnen, zum anderen in Bezug auf den Stoffwechsel, Herz-Kreislauf-Prozesse, zugrundeliegende emotionale und motivationale Vorgänge, deren Zustandekommen und ihre dynamische Entwicklung. Ein weiterer Aspekt ist die Leistung und deren Beeinflussung über das Training.

Der Teilbereich der Sportphysiologie beschäftigt sich mit den physikalischen und biochemischen Zusammenhängen, die diese Leistung erst ermöglichen. Dazu gehören die Verstoffwechselung und Bereitstellung von Energie, die Leistungsfähigkeit und -diagnostik per se, die erbrachte statische wie dynamische Arbeit, das Training und das motorische Lernen sowie Themen der Ermüdung, Erholung und Koordination.

Als weiterer Teilbereich der (Sport-) Physiologie schenkt die Motorik der Fähigkeit zur Bewegung über die Skelettmuskulatur durch die Steuerungsleistung des zentralen Nervensystems den Fokus ihrer Aufmerksamkeit. Ihre zentrale Erkenntnis liegt darin, dass motorische Aufgaben unter Führung des Großhirns auf Basis von Bewegungsprogrammen erfolgen, die wiederum im Kleinhirn gespeichert sind, das wesentlich die Stütz- und Zielmotorik koordiniert. Reflexe werden wiederum über das spinale Motoriksystem des Rückenmarks gesteuert.

Nicht zu verachten ist im Bewegungsprozess abseits der Reflexe jedoch der Faktor Wahrnehmung auf emotionaler und kognitiver Ebene, die zumeist der sensomotorischen Bewegungshandlung vorgeschaltet ist.

Neben der Physiologie stellt die Biomechanik als interdisziplinäre Wissenschaft aus Physik und Biologie einen dominanten Bereich der Sport- und Trainingswissenschaft dar. Sie beschreibt, untersucht und beurteilt den Bewegungsapparat sowie die von ihm erzeugten Bewegungen. Sie zeichnet sich durch eine stark positivistisch-naturwissenschaftliche Herangehensweise an den menschlichen Körper aus: Alles ist quantifizierbar, der Organismus unterliegt biologischen Gesetzmäßigkeiten und lässt sich mit den Grundlagen der Mechanik beschreiben und verstehen. So ihre Annahme. Entsprechend könnten Bewegungsabläufe mechanisch erklärt, Techniken analysiert, Normwerte und Gesetze aufgestellt, die Effizienz von Übungen für die motorische Entwicklung analysiert und mittels ausgeklügelter Messverfahren genauestens erfasst werden.

Die rein physiologische und biomechanische Sichtweise dominierte die Sportwelt über viele Jahrzehnte und hält ihren Vorreiterstatus auch weiter hartnäckig. Der Sport hat ihr auch viele Erkenntnisse zu verdanken. Und doch greift sie zu kurz. Sie lässt die neuronale Ebene fast vollkommen außer Acht und ist stark symptomorientiert, anstatt die Ursachen beispielsweise wiederkehrender Verletzungen zu hinterfragen. Sie arbeitet am Output, indem die Muskulatur im Training gekräftigt und an der Beweglichkeit gearbeitet wird. Dem Zentrum aller Bewegungen und potenzieller Probleme - nämlich dem Gehirn - wird erst in neueren Forschungsarbeiten und Trainingsmethoden die verdiente Aufmerksamkeit geschenkt.

Hier setzt der neurozentrische Ansatz an. Er nimmt den Input näher unter die Lupe: Welche Reize beziehungsweise Signale erreichen das Hirn? Und welche bräuchte es eigentlich idealerweise, um eine Bewegung optimal auszuführen? Der Ansatz geht davon aus, dass das Hirn primär auf das Überleben fokussiert ist und so alle internen wie externen Prozesse genauestens wahrnimmt und analysiert, um entsprechend zu reagieren. Informationsaufnahme, deren Analyse sowie die letztendliche Umsetzung in eine Bewegung erfolgen also nicht unter der Prämisse der Leistung, sondern unter dem Primat der Sicherheit. Das Gehirn bedient sich dabei aller Systeme wie der Sinnesorgane, der sensorischen Empfindungen oder des Gleichgewichts. Stellt es keine Bedrohung fest, kann der normale Ablauf erfolgen.

Wird jedoch eine Gefahr – ob real oder potenziell – antizipiert, weist uns unser Denkorgan darauf hin. Dazu kann es sich verschiedener Mittel und Wege bedienen, zum Beispiel durch diffuse Schmerzen, Einschränkung der Beweglichkeit, Krafteinbußen, bewegungsinduzierte oder wiederkehrende Verletzungen. Ist eine Information lückenhaft oder nicht eindeutig, drosselt unser Gehirn also bildlich gesprochen den Motor oder zieht gleich die Handbremse, um uns auf eine Gefahr aufmerksam zu machen.

Neuroathletiktraining strebt entsprechend danach, die Information so klar und eindeutig wie möglich aufzunehmen. Denn je höher die Qualität des Inputs ist, desto besser kann das Gehirn die Signale deuten und verarbeiten und im letzten Schritt den mechanischen Output präzise veranlassen. Entsprechend ist die Methode an Asymmetrien und Dysbalancen im Körper beziehungsweise an deren Beseitigung interessiert und trainiert daher gezielt die schwächere Seite, um den Körper und Geist in Einklang zu bringen. In diesem Verständnis ist auch nicht derjenige der Schnellste, der sich am schnellsten bewegt, sondern jener, der dies als Erster tut. Daran gilt es, zu arbeiten!

Das zentrale
Nervensystem

Dass das menschliche Nervensystem mit seinem Netzwerk aus Milliarden von Neuronen eine komplexe Organisationseinheit ist, ist kein großes Geheimnis. Doch wie ist es aufgebaut? Was sind seine Aufgaben? Und inwiefern ist es für die Sportphysiologie von Relevanz? Antworten auf diese Fragen liefert das folgende Kapitel.

Mal ganz generell betrachtet lässt sich das Nervensystem als Kommunikations- und Steuerungsorgan begreifen, welches alle Organe innerviert. Es reguliert und passt den Organismus an die variablen Bedingungen des Körperinneren genauso wie an die der externen Umwelt an. Rein anatomisch lassen sich zwei große Untereinheiten differenzieren, nämlich das zentrale sowie das periphere Nervensystem.

Ersteres besteht aus dem Gehirn und dem Rückenmark, die durch den Schädelknochen respektive die Wirbelsäule sowie die Hirn- und Rückenmarkshäute, die sogenannten Meningen, geschützt werden. Sie dienen der motorischen Kontrolle, sorgen für das Zusammenspiel aller lebensnotwendigen Systeme (Atmung, Organfunktionen, Hormonhaushalt, Schlaf-Wach-Rhythmus), verarbeiten interne wie externe Informationen und haben kognitive sowie emotionale Funktionen.

Das periphere Nervensystem setzt sich hingegen aus zwölf noch weiter verästelten Hirnnerven sowie aus den verästelten Rückenmarksnerven, den 31 Spinalnerven, zusammen.

Weiterhin lässt sich unser Nervensystem nach seiner Funktionsweise in zwei Einheiten differenzieren, die da wären: das somatische und das vegetative oder autonome Nervensystem.

Das somatische Nervensystem besteht aus sensorischen Neuronen, die die Informationen von der Haut, den Gliedmaßen, dem Kopf und den Sinnen zum zentralen Nervensystem transportieren. Von dort aus gesendete Impulse werden von den ebenfalls zum somatischen Nervensystem gehörenden motorischen Neuronen zu den Skelettmuskeln weitergeleitet, wo letztendlich die Bewegung ausgelöst wird. Es handelt sich also um den willkürlichen Teil des Nervensystems mit einer bewussten Steuerung der Abläufe, welche hauptsächlich der Kommunikation des Organismus mit der Umwelt dient.

Das autonome Nervensystem als unwillkürlicher, automatisch ablaufender Teil des Nervensystems ist hingegen vorrangig mit dem Körperinneren befasst. Sensorische Neuronen transportieren sowohl Informationen von den Organen zum zentralen Nervensystem als auch efferente Nervenzellen von dort zur glatten Muskulatur, sprich zu den Drüsen, dem Herzen und anderen Organen.

Der Sympathikus als einer der drei Teile des vegetativen Nervensystems ist dabei verantwortlich für die Erregung und Aktivität des Organismus und beschleunigt im Zuge dessen den Herzschlag beziehungsweise bereitet den Körper auf eine potenzielle flight-or-fight-Reaktion, also auf eine Flucht-oder-Kampf-Reaktion, vor.

Der Parasympathikus als sein Gegenspieler sorgt für die Entspannung und Regeneration des Organismus, verlangsamt beispielsweise den Herzschlag und besinnt sich auf die rest-and-digest-Tätigkeit, also auf das Ausruhen und Verdauen.

Als dritte Komponente existiert das enterische Nervensystem, auch „Gehirn der Eingeweide” genannt. Es arbeitet teilweise unabhängig vom zentralen und auch vom autonomen Nervensystem im Magen-Darm-Trakt, überwacht dort chemische Veränderungen und bewirkt eine Kontraktion der glatten Muskulatur sowie die Sekretion in den Organen.

Um die Grundfunktionen des menschlichen Nervensystems zusammenzufassen, hier noch einmal eine Übersicht der drei Hauptkomponenten:

Die sensorische Funktion meint, dass äußere wie innere Reize von afferenten Neuronen aufgenommen und über die Hirn- und Rückenmarksnerven ins Rückenmark transportiert werden.

Die integrative Funktion dient der Verarbeitung dieser sensorischen Information in Form der Analyse und Speicherung. Die Reize werden im Gehirn bewusst wahrgenommen, also erkannt.

Die motorische Funktion löst nach der Verarbeitung des Reizes eine Reaktion der Muskeln oder der Organe aus, nachdem efferente Neuronen die Information über die Hirn- und Rückenmarksnerven vom Gehirn zum Rückenmark oder umgekehrt transportiert haben.

Aus Sicht der Sportphysiologie und auch der Neuroathletik sind ganz bestimmte Areale des menschlichen Gehirns von übergeordnetem Interesse.

Das Kleinhirn als Ort, an dem die Koordination der Muskeln und die Kontrolle des Gleichgewichts gesteuert werden.

Das Zwischenhirn mit dem Thalamus, zu dem die sensorischen Nervenimpulse geleitet werden, und dem Hypothalamus, der für konstante Bedingungen (u. a. Hormonhaushalt, Körpertemperatur) im Körper sorgt.

Unwillkürliche Reflexe, wie zum Beispiel die Dehnung des Beins beim Sprung, können nicht willentlich beeinflusst werden, willkürliche Reaktionen wie beispielsweise das Einsetzen von Müdigkeit hingegen schon.

Das macht die Sache für die Sportwissenschaft interessant. Ebenso spannend ist die Erkenntnis, dass sich bei entsprechendem Training die Muskelbildung beziehungsweise gar der Muskelaufbau an die Erfordernisse einer spezifischen Sportart anpassen lässt. Dass ein Übertraining zu vermindertem Aufbau von Muskeln oder – noch schlimmer – zum Abbau derselben und einem damit verbundenen Leistungsabfall führen kann, zeigt die herausragende Bedeutung der Regeneration als Teil des Trainingsplans.

Studien haben aufgezeigt, dass Sport sowohl ad hoc als auch dauerhaft die kognitiven Fähigkeiten verbessern kann, was exekutive Funktionen ebenso wie Lernprozesse und Gedächtnisleistungen positiv beeinflusst. Auch wird der Gleichgewichtssinn gestärkt und die Wahrnehmung durch die Sinne verbessert. Weiterhin kann Training durch eine bessere Vernetzung der Neuronen protektive Effekte auf diese haben und damit vor der Entstehung oder dem Fortschreiten neurodegenerativer Erkrankungen wie Alzheimer oder Parkinson schützen. Auf emotionaler Ebene stehen ein gesteigertes Selbstwertgefühl und die Ausschüttung von Glückshormonen. Auch baut Sport oxidativen Stress ab und sorgt für einen erholsamen Schlaf. Die exakten Mechanismen, die zu diesen erstaunlichen Wirkungen führen können, sind noch vergleichsweise unerforscht, aber es wurde zumindest nachgewiesen, dass sich das Gehirn nicht nur in solchen Hirnarealen anpasst, die direkt oder indirekt für die Motorik verantwortlich sind. Allesamt spannende Anknüpfungspunkte für die Neuroathletik, um durch ein gezieltes Training des Hirns die sportlichen Leistungen zu verbessern.

Neurobiologische
Erkenntnisse

UNSER GEHIRN ALS MEISTER DER
ANPASSUNG

Die Hirnforschung ist ein spannendes Feld. Und auch wenn sie schon in ihren frühen Jahren zu bedeutsamen Einsichten gelangt ist, können die neueren Erkenntnisse der letzten Jahre als wirklich bahnbrechend bezeichnet werden. Die Annahmen, das menschliche Gehirn komme fertig zur Welt, alle Nervenzellen seien bereits gebildet und wir stürben durch den einseitigen neuronalen Abbau im Laufe des Lebens quasi den Hirntod auf Raten, sind – zum Glück – mittlerweile überholt und widerlegt. Nicht einmal die durchaus rational erscheinende Prämisse, man sei mit nur einer verbliebenen Gehirnhälfte nicht lebensfähig oder zumindest schwerstbehindert, kann nicht in jedem Fall bestätigt werden.

Auch die weitverbreitete Analogie des menschlichen Gehirns als Computer ist ein überaus mechanistisches Bild. Der Mensch ist kein Roboter, der nach dem Soll-Ist-Schema analysiert werden kann, es existiert kein übergeordnetes, personenunabhängiges Bewegungsideal. Genau deshalb lautet ein Credo im Neuroathletiktraining, dass der individuelle Status quo ermittelt werden muss, der so einzigartig ist wie der menschliche Fingerabdruck.

Die neuere Hirnforschung hat erkannt, dass das Gedächtnis und die Verarbeitung von Informationen im Gehirn nicht als separate Entitäten verstanden werden dürfen. Im Gegenteil sind die Bereiche zutiefst miteinander verwoben. Lernen ist die ständige Neuverknüpfung von Neuronen wie auch die Schaffung stetig neuer Anknüpfungsstellen an den Nervenzellen, um mit anderen noch intensiver zu kommunizieren. Das bedeutet im Umkehrschluss: Je mehr wir lernen, desto leichter fällt es uns. Die Verknüpfungen der Neuronen untereinander sind also beim Beherrschen mehrerer Sprachen umso feiner und das Erlernen einer weiteren Sprache wird einfacher. Noch ein Argument gegen die Annahme, unser Gehirn sei ein Computer: Es gibt keine Festplatte, die voll sein oder abstürzen kann. Es klingt beinahe absurd, aber: Je mehr drin ist, desto mehr passt rein.

Noch faszinierender erscheint die Beobachtung, dass Nervenzellen nicht nur absterben, sondern in bestimmten Hirnregionen gar neu wachsen können. Das ist insbesondere für den Gedächtnisprozess von herausragender Bedeutung. Allein die Neuentstehung von Nervenzellen hilft uns nur bis zu einem gewissen Maße. Viel entscheidender ist die Art und Weise, wie diese neuen Neuronen in die bestehenden Strukturen des Hirns eingebunden werden. Nur wenn wir unsere „grauen Zellen” herausfordern, können wir letztendlich besser lernen. Es gibt sogar bestimmte Medikamente, die dieses neuronale Wachstum fördern. Diese werden als Antidepressiva bevorzugt bei psychischen Erkrankungen eingesetzt. Mit einer begleitenden Therapie können zielgerichtet spezifische Bereiche besser vernetzt werden, die eine aktive Teilhabe am sozialen Zusammenleben (wieder) ermöglichen, wo wiederum andere, neue Herausforderungen auf uns warten.

Klar ist auch: Kinder lernen am schnellsten. Das ist darauf zurückzuführen, dass das menschliche Gehirn die Phase der größten Plastizität in der Kindheit und Jugend hat. In diesen Jahren werden wichtige Pfade getrampelt und die Gehirnentwicklung in einigen bedeutsamen Bereichen sogar bereits vollständig abgeschlossen. Bis zum fünften Lebensjahr werden beispielsweise die Grundlagen unserer Sehfähigkeit gelegt, bis zum 13. Geburtstag die unserer Sprachfähigkeit und bis zum 25. Lebensjahr die Kompetenz zu denken, zu wollen und zu handeln.

Nicht umsonst nehmen alle großen Ideologien und Missionare die Jugend ins Visier ihrer Bemühungen einer (Um-) Erziehung nach ihren Vorstellungen. Und was sich nicht nur in Sachen Erziehung immer bewusst gemacht werden sollte: Die intensive Nutzung von digitalen Medien verändert nachweislich Hirnareale (v. a. den Frontalcortex), die für Wahrnehmung, Erinnerung, Konzentration, Lernfähigkeit und in letzter Instanz auch für Empathie verantwortlich sind. Setzen diese negativen Veränderungen bereits in der Kindheit ein, hat das gleich die doppelte Konsequenz.

Auch interessant: Das menschliche Gehirn geht – wenn man es so formulieren will – in Würde kaputt. Das bedeutet, dass sich in seiner Struktur massive Veränderungen ereignen können, ohne dass der Betroffene selbst etwas bemerkt und auch nach außen hin nichts darauf schließen lässt. Patienten, die an Parkinson erkrankt sind, zeigen die ersten Symptome beispielsweise in Form von Zittern erst dann, wenn bereits 70 bis 80 Prozent – also bis zu vier Fünftel – der Neuronen zerstört sind, die für Bewegungen verantwortlich sind.

Ähnliche Entwicklungen findet man bei von Demenz betroffenen Menschen. Aber: Je höher der Mensch gebildet ist, desto länger geht es ihm subjektiv betrachtet gut, obwohl der Abbau seines Gehirns unaufhaltsam voranschreitet. Der Grund liegt in der Bildung der feineren Vernetzungen der Nervenzellen, die wir aktiv beeinflussen können. Und wir wissen: Auch wenn der Bildung in der Kindheit und Jugend die primäre Bedeutung zukommt, so ist dennoch lebenslanges Lernen möglich. Wenn das nicht Mut macht, was dann?