Neu ins Deutsche übersetzt von Victoria Lorini

Herausgegeben, kommentiert und eingeleitet von Sabine Feser (Gaddo Gaddi, Stefano Fiorentino und Ugolino Sanese, Tommaso Fiorentino gen. Giottino), Christina Posselt-Kuhli (Andrea Tafi, Gherardo Starnina, Lippo Fiorentino, Lorenzo di Bicci) und Anja Zeller (Margaritone, Giovanni da Ponte, Antonio Veneziano, Jacopo di Casentino)

Verlag Klaus Wagenbach Berlin

Wir danken dem italienischen Außenministerium für die freundliche Unterstützung dieses Buches durch eine Übersetzungsförderung.

Questo libro è stato tradotto grazie al contributo alla traduzione del Ministero degli Affari Esteri italiano.

EDITION GIORGIO VASARI Originalausgabe 2015

Nach dem Abschluß der gedruckten EDITION GIORGIO VASARI erscheinen die verbleibenden Lebensläufe Vasaris in elektronischer Form. Damit werden die Vite (etwa 160 Künstlerbiographien) komplett in neuer Übersetzung zugänglich sein. Die erste von drei Lieferungen vereint elf frühe Künstler, die im 13. und 14. Jahrhundert den Weg zu den großen Renaissancemeistern ebneten.

Giorgio Vasari

Lebensläufe der hervorragendsten Künstler

Kunsttheorie und Kunstgeschichte • Parmigianino • Raffael • Pontormo • Sebastiano del Piombo • Rosso Fiorentino • Giorgio Vasari. Mein Leben • Tizian • Giulio Romano • Andrea del Sarto • Steinschneider, Glas- und Miniaturmaler • Leonardo da Vinci • Einführung in die Künste der Architektur, Bildhauerei und Malerei • Sodoma und Beccafumi • Die Bildhauer des Cinquecento • Sansovino und Sanmicheli mit Ammannati, Palladio und Veronese • Bramante und Peruzzi • Die Künstler der Raffael-Werkstatt • Giorgione, Correggio, Palma il Vecchio und Lorenzo Lotto • Piero Di Cosimo, Fra Bartolomeo und Mariotto Albertinelli • Perino del Vaga • Montorsoli und Bronzino sowie die Künstler der Accademia del Disegno • Francesco Salviati und Cristofano Gherardi • Daniele da Volterra und Taddeo Zuccaro • Baccio Bandinelli • Michelangelo • Die Sangallo- Familie • Sandro Botticelli, Filippino Lippi, Cosimo Rosselli und Alesso Baldovinetti • Tribolo und Pierino da Vinci • Mantegna und Bellini • Jacopo della Quercia, Niccolo Aretino, Nanni di Banco und Luca della Robbia • Masolino, Masaccio, Gentile da Fabriano und Pisanello • Perugino und Pinturicchio • Lorenzo Ghiberti • Lippi, Pesello und Peselli, Castagno, Veneziano und Fra Angelico • Andrea del Verrocchio und die Gebrüder Pollaiuolo • Brunelleschi und Alberti • Giuliano da Maiano, Bernardo und Antonio Rossellino, Desiderio da Settignano und Benedetto da Maiano • Paolo Uccello, Piero della Francesca, Antonello da Messina und Luca Signorelli • Donatello und Michelozzo • Ghirlandaio und Gherardo di Giovanni • Die Sieneser Maler • Taddeo Gaddi, Agnolo Gaddi, Buffalmacco, Orcagna, Spinello Aretino und Lorenzo Monaco • Bildhauer und Architekten des Duecento und des Trecento • Cimabue, Giotto und Cavallini

Kulturgeschichte bei Wagenbach

Peter Burke Papier und Marktgeschrei

Die Geburt der Wissensgesellschaft

Wissen erwerben, klassifizieren, kontrollieren und verkaufen – nach Erfindung der beweglichen Lettern verbreitete sich das neue Wissen rasant. Neben allem Enthusiasmus gehörte von Anfang an auch eine gesunde Skepsis gegenüber dem Wahrheitsgehalt von Informationen zur Wissensverbreitung, denn schon immer haben sich Menschen gerne mit unbewiesenen Behauptungen hervorgetan. Auch die Kommerzialisierung von Information ist kein heutiges Phänomen.

Aus dem Englischen von Matthias Wolf.

Sachbuch. 256 Seiten, broschiert, Großformat

Peter Burke Die Explosion des Wissens

Von der Encyclopédie bis Wikipedia

Was wissen wir, was weiß man über uns, und wie können wir die Hoheit über dieses Wissen behalten oder zurückerlangen? Wieso bemühen wir heute, wenn wir etwas wissen wollen, eine Suchmaschine? Warum werden wir zu »Informationsgiganten«, laufen aber Gefahr, zu »Wissenszwergen« zu verkommen? Welche Folgen hat die Mc-Donaldisierung des Wissens?

Aus dem Englischen von Matthias Wolf unter Mitarbeit von Sebastian Wohlfeil.

Sachbuch. 392 Seiten. Großformat. Gebunden mit Schutzumschlag

Girolamo Arnaldi Italien und seine Invasoren

Vom Ende des römischen Reiches bis heute

Von der Plünderung Roms im Jahr 410 über Friedrich Barbarossa und den Frankenkönig Karl, die

Spanier in Neapel, die Österreicher in der Lombardei, von der »Pseudo- Eroberung« Italiens durch das Piemont im Risorgimento bis zur Befreiung durch die anglo-amerikanischen Alliierten im Zweiten Weltkrieg.

Aus dem Italienischen von Friederike Hausmann. Sachbuch.

208 Seiten. Gebunden mit vielen Abbildungen

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Zu dieser Neuausgabe

Kaum ein anderes literarisches Werk hat auf die Kunstgeschichtsschreibung folgender Generationen einen so nachhaltigen Einfluß ausgeübt wie die von Giorgio Vasari (1511–1574) verfaßten und erstmals 1550 im Druck erschienenen Lebensbeschreibungen der berühmtesten Maler, Bildhauer und Architekten, die achtzehn Jahre später in einer revidierten und erweiterten Fassung noch einmal herausgegeben wurden. Heute ist das Hauptwerk Vasaris vor allem unter dem Titel Le vite bekannt.

Vasaris Text wurde in der Fassung von 1568 (nach der kritischen Ausgabe von Rosanna Bettarini und Paola Barocchi) neu übersetzt – textgetreu, ungekürzt und vollständig auch da, wo Vasari sich zu wiederholen scheint.

Eine Einführung stellt die jeweilige Künstlervita vor. Der Anmerkungsapparat behandelt nicht nur die jeweiligen kunsthistorischen, literarischen und zeitgeschichtlichen Aspekte auf neuestem wissenschaftlichem Stand, sondern benennt auch die heutigen Standorte (und Zustände) der Kunstwerke, die wichtigen Abweichungen gegenüber der ersten Ausgabe der Vite sowie die uns heute bekannten Lebensdaten des Künstlers.

Herausgegeben von Alessandro Nova
mit Matteo Burioni, Katja Burzer, Sabine Feser,
Hana Gründler und Fabian Jonietz

Inhalt

Einleitung zum Leben des Andrea Tafi

Das Leben des Florentiner Malers Andrea Tafi

Einleitung zum Leben des Gaddo Gaddi

Das Leben des Florentiner Malers Gaddo Gaddi

Einleitung zum Leben des Margarito

Das Leben des Aretiner Malers, Bildhauers und Architekten Margaritone

Einleitung zum Leben des Florentiners Stefano und des Sienesers Ugolino

Das Leben des Florentiner Malers Stefano und des Sienesers Ugolino

Einleitung zum Leben des Giottino

Das Leben des Florentiner Malers Tommaso, genannt Giottino

Einleitung zum Leben des Giovanni da Ponte

Das Leben des Florentiner Malers Giovanni da Ponte

Einleitung zum Leben des Antonio Veneziano

Das Leben des Malers Antonio Veneziano

Einleitung zum Leben des Jacopo del Casentino

Das Leben des Malers Jacopo del Casentino

Einleitung zum Leben des Gherardo Starnina

Das Leben des Malers Gherardo Starnina

Einleitung zum Leben des Lippo Fiorentino

Das Leben des Florentiner Malers Lippo

Einleitung zum Leben des Lorenzo di Bicci

Das Leben des Malers und Bildhauers Antonio Lorenzo di Bicci

Anmerkungen zum Leben des Andrea Tafi

Bibliographie zum Leben des Andrea Tafi

Anmerkungen zum Leben des Gaddo Gaddi

Bibliographie zum Leben des Gaddo Gaddi

Anmerkungen zum Leben des Margaritone

Bibliographie zum Leben des Margaritone

Anmerkungen zum Leben des Florentiners Stefano und des Sienesers Ugolino

Bibliographie zum Leben des Stefano Fiorentino und des Ugolino di Nerio

Anmerkungen zum Leben des Giottino

Bibliographie zum Leben des Giottino

Anmerkungen zum Leben des Giovanni da Ponte

Bibliographie zum Leben des Giovanni da Ponte

Anmerkungen zum Leben des Antonio Veneziano

Bibliographie zum Leben des Antonio Veneziano

Anmerkungen zum Leben des Jacopo del Casentino

Bibliographie zum Leben des Jacopo del Casentino

Anmerkungen zum Leben des Gherardo Starnina

Bibliographie zum Leben des Gherardo Starnina

Anmerkungen zum Leben des Lippo Fiorentino

Bibliographie zum Leben des Lippo Fiorentino

Anmerkungen zum Leben des Lorenzo di Bicci

Bibliographie zum Leben des Lorenzo di Bicci

Einleitung zum Leben des Andrea Tafi

Der Trecento-Künstler Andrea Tafi ist der Forschung bis heute kaum bekannt. Einzige Quellen sind die Nennungen in der Matrikel der Arte dei Medici e Speziali im Jahre 1320 und 28 Jahre später im Libro der Compagnia di San Luca. Umso bedeutsamer nimmt sich Vasaris Vita aus, die die ausführlichste und – trotz einiger chronologischer Ungenauigkeiten – kenntnisreichste Lebensbeschreibung des Künstlers geblieben ist und zwischen den beiden Ausgaben von 1550 und 1568 nur eine marginale Überarbeitung und Erweiterung erfuhr. Aufgrund des genannten Mangels an Quellen ist es allerdings fast unmöglich, Vasaris Aussagen im einzelnen zu verifizieren. In der Vita des Zeitgenossen von Cimabue und Gaddo Gaddi betont Vasari den Aspekt der Entwicklung der Kunst, der die maniera aller drei Meister kennzeichnet. Die Vita Tafis folgt auf die Lebensbeschreibung von Nicola und Giovanni Pisano, den Erneuerern der Skulptur. In der vorliegenden Vita stehen nun die Technik und Kunstfertigkeit des Mosaiks im Mittelpunkt. Insbesondere die lange Passage über die Mosaike in der Kuppel des Florentiner Baptisteriums nutzt Vasari, um eine luzide stilistische Bewertung vorzunehmen und die einzelnen Schulen, die dort nacheinander gearbeitet haben, voneinander abzugrenzen. In diesem Kontext widmet der Künstlerhistoriograph auch der Architektur von San Giovanni seine besondere Aufmerksamkeit. So präsentiert Vasari das Baptisterium als Identifikationszeichen von Florenz in längeren Digressionen.

Wie insgesamt für die Erweiterung der zweiten Vitenedition kommt damit auch in der Vita Tafis eine veränderte Einschätzung der mittelalterlichen Kunst zum Tragen. Die Bewertung des Trecento-Künstlers in der doppelten Perspektive einer invariablen und einer variablen Komponente der Kunst ( disegno bzw. maniera) erlaubt es Vasari, seinen absoluten Maßstab der teleologischen Kunstentwicklung zu ergänzen. Als Wiedererweckung der antiken Kunst, nicht der Kunst per se, wird die maniera, der Stil, zum entscheidenden Kriterium, nicht die chronologische Abfolge der Werke, die mit der Zeit eine Steigerung der Qualität erfahren. In diese Dimension der Entwicklung können auch das Mittelalter und die sogenannte maniera greca als wichtige Stufe eingefügt werden, was allerdings die kohärente Abfolge der drei maniere innerhalb der Renaissance problematisch erscheinen läßt. Das Mittelalter ist nicht mehr der Tod der Kunst, sondern es zeigt sich bereits eine Wiedererweckung des antiken Erbes über das Residuum der byzantinischen Kunst, von der aus dann Cimabue und Giotto die rinascita verwirklichen können.

Die in der Fassung von 1568 zugleich eingeführten stärker historischen Maßgaben der Betrachtung in den Vite wurden in der Vorbereitung entscheidend von Vincenzio Borghini beeinflußt, einem der wichtigsten Berater Vasaris sowohl bei der Abfassung der Viten als auch bei ikonographischen Programmen. Die Gegenüberstellung des byzantinischen Erbes mit den Neuerungen des Florentiner Künstlers ermöglicht es Vasari wiederum, einmal mehr die Vorrangstellung der Toskana hervorzuheben. Zwar soll Tafi seine Kunst in Venedig vervollkommnet haben, dem byzantinisch geprägten Zentrum der Mosaikkunst. Doch zusammen mit dem griechischen Meister Apollonio wird er vor allem dafür gelobt, die Tradition des Mosaiks in Florenz begründet zu haben. Somit ist Tafi ein wichtiger Wegbereiter der Kunstentwicklung, die nach Vasaris Strukturmodell maßgeblich durch technische Neuerungen vorangetrieben wird. Stilistisch jedoch kritisiert Vasari den Trecento-Künstler ebenso wie die anderen Vertreter der ersten Generation von Renaissance-Künstlern für seine plumpe und rauhe Manier.

Neben diesem speziellen Diskurs bietet die Vita Tafis aber vor allem ein historisches Panorama der Arnostadt im 14. Jahrhundert mit ihren herausragenden Bauten und deren künstlerischer Ausstattung.

CP-K

Bibl.: Boase 1979 [1971]; Williams 1989, S. 187–242; Neri Lusanna, Enrica: ›Andrea Tafo di Rico‹, in: AKL, 1992, Bd. III, S. 557; Verdon 1992; Burioni 2010; Nova 2013.

DAS LEBEN DES FLORENTINER MALERS ANDREA TAFI

Vita d’Andrea Tafi. Pittore Fiorentino (1568)

Wie die Werke des Cimabue von den Menschen jener Zeit nicht wenig bestaunt wurden, weil er die Kunst der Malerei in disegno und Form verbessert hatte, wo sie nur an Werke im griechischen Stil gewohnt waren,1 so bewunderten sie auch die Mosaikarbeiten des Andrea Tafi,2 der zur selben Zeit lebte und den die Leute für vortrefflich oder sogar göttlich hielten,3 weil sie nichts anderes zu sehen gewohnt waren und nicht glauben konnten, daß man in jener Kunst Besseres leisten könne. Dabei war er in Wahrheit nicht gerade der Tüchtigste, und weil er erkannt hatte, daß das Mosaik aufgrund seiner langen Haltbarkeit mehr als jede andere Malerei geschätzt wurde,4 begab er sich von Florenz nach Venedig, wo einige griechische Maler in San Marco Mosaike ausführten.5 Er gewann ihr Vertrauen und überzeugte den griechischen Maler Meister Apollonius6 mit Bitten, Geld und Versprechungen, nach Florenz zu kommen, wo jener ihn die Herstellung von Mosaikglas und die des Mörtels lehrte, mit dem es zusammengefügt wurde. Gemeinsam führten sie in der Apsis von San Giovanni den oberen Teil aus, wo die Mächte, Throne und Herrscher dargestellt sind.7 Als er kundiger geworden war, schuf Andrea, wovon weiter unten die Rede sein wird, an jenem Ort dann den Christus, der sich auf der Seite der Hauptkapelle befindet.8

Weil ich San Giovanni erwähnt habe, will ich nicht schweigend darüber hinweggehen, daß jener alte Kirchentempel9 außen wie innen vollständig mit Marmorwerk korinthischer Ordnung ausgestattet und nicht nur in allen Teilen wohlbemessen und mit vollendeten Proportionen ausgeführt ist, sondern auch mit Türen und Fenstern sehr schön verziert, und an jeder Seitenwand jeweils zwei elf Ellen hohe Granitsäulen, die drei Nischen umrahmen, über denen das Gebälk verläuft, das auf besagten Säulen aufruht und so den gesamten doppelschaligen Kuppelaufbau trägt. Die modernen Architekten haben die Kuppel als einzigartiges Werk gelobt, und dies zu Recht, weil sie das Gute, das jene Kunst [der Architektur] bereits in sich trug, Meistern wie Filippo di Ser Brunelleschi,10 Donatello11 und anderen vorführte, die von diesem Werk und von der Florentiner Kirche Santi Apostoli ihr Handwerk gelernt haben. Letztere besitzt einen derart ausgezeichneten Stil, daß er dem wahren Guten der Antike nahekommt, weil alle ihre Säulen, wie weiter oben gesagt, aus Elementen bestehen, die so wohlbemessen und mit solcher Sorgfalt zusammengefügt sind, daß man von einer genauen Betrachtung aller ihrer Teile viel lernen kann.12

Einiges ließe sich über die gute Architektur dieser Kirche sagen, doch will ich davon schweigen und nur sagen, daß man von diesem Vorbild und der guten Bauweise weit abgekommen ist, als man die Marmorfassade der Kirche San Miniato al Monte außerhalb von Florenz13 anläßlich der Bekehrung zum Glauben des Seligen Giovanni Gualberto14 erneuert hat, der ein Bürger von Florenz und Begründer der Glaubenskongregation der Vallombrosaner-Mönche15 war, weil jene und viele andere Werke, die danach geschaffen wurden, in keiner Weise an die Qualität der besagten Bauten heranreichten. Dasselbe traf, wie schon im Vorwort zu den Viten gesagt, auf die Werke der Bildhauerei zu, weil alles, was die Meister jener Zeit in Italien schufen, sehr ungeschlacht war,16 wie vielerorts und besonders in San Bartolomeo der Regularkanoniker in Pistoia zu sehen, wo an der Kanzel, die Guido da Como17 überaus unbeholfen ausgeführt hat, die Anfänge der Vita Jesu Christi dargestellt und mit folgenden Worten versehen sind, die der Künstler dort im selben Jahr 1199 ausgeführt hat:

DER BILDHAUER WIRD GELOBT, DER SICH IN SEINER KUNST UNTERRICHTET ERWEIST,

NÄMLICH GUIDO AUS COMO, DEN ICH ALLEN DURCH DIESE VERSE KUNDTUE.18

Kehren wir nun aber zu dem Sakralbau von San Giovanni zurück, wobei wir seine Anfänge überspringen wollen, weil Giovanni Villani und andere Schriftsteller bereits über ihn geschrieben haben.19 Wie wir schon sagten, leitet sich die heute gebräuchliche gute Bauweise von jenem Bau her; hinzufügen möchte ich, daß die Apsis unverkennbar später ausgeführt worden ist und man zu der Zeit, als Alesso Baldovinetti20 jenes Mosaik in der Nachfolge des Florentiner Malers Lippo21 restaurierte, sehen konnte, daß sie ursprünglich ganz rot ausgemalt und mit Zeichnungen auf Stuck ausgeführt worden war.22 Andrea Tafi und der Grieche Apollonius nahmen jedenfalls in jener Apsis eine Einteilung für das auszuführende Mosaik vor, deren Felder sich von ihrem Ausgangspunkt oben an der Laterne bis hin zum darunterliegenden Gesims allmählich verbreiterten, wobei sie den oberen Abschnitt in Ringe für verschiedene Szenen unterteilten. Im ersten sind alle Übermittler und Vollstrecker des göttlichen Willens dargestellt, also Engel, Erzengel, Cherubime, Seraphim, die Mächte, Throne und Herrscher; die zweite Stufe zeigt, ebenfalls in Mosaik und im griechischen Stil, Gottes große Schaffensakte von der Lichtwerdung bis hin zur Sintflut; in dem darunter verlaufenden Ring, der die acht Seiten der Kuppel weiter verbreitert, befinden sich alle Episoden aus der Geschichte um Joseph und seine zwölf Brüder. Unter ihnen folgt dieselbe Anzahl Felder derselben Größe, die sich wie gehabt ringförmig fortsetzen; ebenfalls als Mosaik ist dort das Leben Jesu von seiner Empfängnis im Leib der Maria bis hin zur Auffahrt in den Himmel dargestellt. Dieselbe Anordnung fortsetzend, befindet sich unter den drei Friesen das Leben des Heiligen Johannes des Täufers beginnend mit der Erscheinung des Engels vor dem Priester Zacharias bis hin zur Enthauptung und Bestattung durch seine Jünger.23 Alle diese Dinge sind sehr plump, ohne disegno und ohne Kunstfertigkeit, und erschöpfen sich im griechischen Stil jener Zeit, so daß ich sie ganz einfach nicht loben kann. Bedenkt man aber die Arbeitsmethoden und das unvollendete Stadium der Kunst der Malerei jener Epoche, so zolle ich dem Respekt, da die Arbeit außerdem solide ist und die Mosaiksteinchen sehr gut verlegt sind. Kurz, der letzte Teil jenes Werks ist sehr viel besser oder sagen wir weniger schlecht gelungen als der Anfang, wenn auch das ganze uns im Vergleich zu heutigen Werken eher ein Lächeln abringt, als daß es unser Gefallen oder Staunen erregen würde.24 Am Ende schuf Andrea zu seinem großen Lob alleine und ohne Appollonius’ Unterstützung auf der Seite der Hauptkapelle in besagter Kuppel den sieben Ellen hohen Christus, der dort noch heute zu sehen ist.25 Diese Werke haben ihn in ganz Italien berühmt gemacht und ihm in seiner Heimat den Ruf eines exzellenten Künstlers eingebracht, wofür er zu Recht geehrt und reich belohnt worden ist. Für Andrea war es wirklich ein besonderer Glücksfall, in einer Zeit geboren zu sein, in der so unbeholfen gearbeitet wurde, daß auch solches, das nur sehr wenig oder aber gar nicht geschätzt werden dürfte, reichlich Wertschätzung erfuhr.26 Dasselbe erlebte Fra Jacopo da Torrita aus dem Orden der Franziskaner,27 der die Mosaikwerke in der rechteckigen Chorkapelle [ scarsella] hinter dem Altar von San Giovanni28 schuf,29 für die er, obwohl sie kaum des Lobes würdig waren, außerordentliche Belohnungen erhielt und dann als vortrefflicher Meister nach Rom geholt wurde, wo er einige Werke in der Hauptaltarkapelle von San Giovanni in Laterano und auch in der von Santa Maria Maggiore schuf.30 Anschließend holte man ihn nach Pisa, wo er die Evangelisten und andere Werke in der Hauptapsis des Doms im selben Stil seiner anderen Werke ausführte, wobei ihm allerdings Andrea Tafi und Gaddo Gaddi31 zur Hand gingen. Vollendet wurden sie später von Vicino,32 da er diese Werke in kaum vollendetem Stadium zurückgelassen hatte.33

Eine Zeitlang wurden die Werke dieser [Meister] folglich geschätzt, als dann aber die Arbeiten von Andrea, Cimabue34 und den anderen dem Vergleich mit jenen Giottos35 standhalten mußten, wovon an gegebener Stelle die Rede sein wird, begannen die Leute, die Perfektion in der Kunst zu erahnen, weil sie den Unterschied zwischen Cimabues frühem Stil und demjenigen Giottos, den Figuren des einen und denen des anderen sahen, wie auch derer, die ihre Schüler und Nachahmer ausführten. Von diesem Anfang ausgehend, versuchten bald andere, den Spuren der besten Meister zu folgen und sich gegenseitig Tag für Tag fruchtbringend zu übertreffen, wodurch diese Künste aus solchen Niederungen zu dem Höchstmaß an Perfektion aufgestiegen sind, das sie heute erreicht haben.36 Andrea lebte einundachtzig Jahre und starb vor Cimabue 1294.37 Die Reputation und Ehre, die er mit dem Mosaik erwarb, das er als erster in verbesserter Weise in der Toskana eingeführt und die Menschen dort gelehrt hat, führten dazu, daß Gaddo Gaddi, Giotto und andere dann in jener Kunst die überaus vortrefflichen Werke schufen, die ihnen ewigen Ruhm und Namen eingebracht haben. Nach Andreas Tod hat man ihn mit dieser Inschrift lobpreisen wollen:

HIER RUHT ANDREA, DER WERKE VON LIEBREIZ UND SCHÖNHEIT IN DER GANZEN TOSKANA SCHUF; JETZT IST ER AUSGEZOGEN, DAS REICH DER STERNE ZU VERSCHÖNERN.38

Ein Schüler von Andrea war Buonamico Buffalmacco,39 der ihm viele Streiche spielte, als er noch ein junger Bursche war. Von ihm hatte er das Porträt des Mailänder Papstes Coelestin IV.40 und das von Innozenz IV.,41 die er später in die Malereien einfügte, die er in San Paolo a Ripa d’Arno in Pisa schuf. Ein Schüler und vielleicht auch Sohn von ihm ist Antonio d’Andrea Tafi gewesen, der ein ordentlicher Maler war. Ich habe allerdings kein einziges Werk von ihm finden können, allein eine Erwähnung im alten Buch der Bruderschaft der Meister der Zeichenkünste/der Compagnia del Disegno.42

Andrea Tafi gebührt demnach unter den alten Meistern großes Lob, da er die Grundlagen des Mosaiks zwar von denen gelernt hatte, die er von Venedig nach Florenz holte, die Qualität jener Kunst dann um so viel Gutes bereicherte, indem er die Stücke mit großer Sorgfalt zusammensetzte und die Arbeit flach wie ein Tafelbild ausführte (was im Mosaik von allergrößter Bedeutung ist), daß er unter anderem auch Giotto den Weg zu einer guten Technik ebnete, wie es in dessen Vita gesagt werden wird; und nicht allein Giotto, sondern auch allen anderen, die nach ihm diese Gattung der Malerei ausgeübt haben. So darf man mit Fug und Recht behaupten, daß jene wunderbaren Mosaikwerke, die heute in San Marco in Venedig und an anderen Orten ausgeführt werden, von Andrea Tafi ihren Ursprung nahmen.43

Ende der Lebensbeschreibung des Andrea Tafi.

Einleitung zum Leben des Gaddo Gaddi

Gaddo Gaddis kurze und nur wenige Informationen enthaltende Lebensbeschreibung stand in der ersten Edition der Vite noch an dritter Stelle des Gesamtwerks und folgte somit direkt auf die Biographie Giovanni Cimabues und Andrea Tafis. Er wird von Vasari vor allem als Mosaizist beschrieben, der nach dem Wiederaufblühen der Mosaikkunst im Duecento an monumentalen Wanddekorationen bedeutender Kirchen mitwirkte. Während in der Editio princeps lediglich von zwei musivischen Arbeiten des Künstlers in Florenz die Rede ist, schreibt ihm Vasari in der späteren Vite-Ausgabe diverse Mosaiken in Pisa, Arezzo und Rom zu. Außerdem erwähnt er als einzige Malerei des Künstlers ein Tafelbild, das Gaddo Gaddi für die Kapelle der Minerbetti in Santa Maria Novella in Florenz geschaffen haben soll.

Die Vita beginnt mit einem längeren moralisierenden Prolog über Freundschaft und Neid unter Künstlern, ein Topos, den Vasari im weiteren Verlauf seines opus magnum in verschiedenen Lebensbeschreibungen als positiven oder negativen Künstlerwettstreit immer wieder aufgreift und der für ihn ein wirksames Movens in der Weiterentwicklung der Künste bis hin zu ihrer Perfektion darstellt. Vasari, der über seinen Protagonisten praktisch nichts wußte und dessen Identität bis heute weitestgehend im dunkeln liegt, erfindet in dieser Biographie eine enge Verbundenheit zwischen Gaddo Gaddi und Cimabue sowie ersterem und Andrea Tafi. Ihr harmonisches kollektives Miteinander, vor allem ihr gegenseitiger Austausch in künstlerischen Fragen, hätte in Kombination mit dem einzigartigen kulturellen Umfeld in Florenz, der aria, bewirkt, daß ihrem Geist wunderbare und großartige Ideen entsprungen seien. Der Vorstellung, daß sich die Kunst durch Gaddos Wirken weiterentwickelt habe, wird dann vor allem am Ende der Vita (1550) durch die Überlieferung eines angeblichen Epitaphs Rechnung getragen, in dem es heißt, daß ihm aufgrund seiner Geschicklichkeit sogar Apelles den Vorrang eingeräumt hätte. Dies ist sicherlich als Anspielung auf den Wettstreit unter den bedeutendsten Malern des antiken Griechenland zu deuten, den Plinius in seiner Naturalis historiae (XXXVI, 65) überliefert.

Der Prolog, der in der ersten Ausgabe noch mehr als die Hälfte des gesamten Textes der Vita ausmachte, wurde für die zweite Fassung unverändert übernommen. Diverse Ergänzungen des Textes mildern seine frühere Dominanz jedoch ab. Die umfangreichste Einfügung bildet ein Abschnitt über die Geschichte der Dominikaner in Florenz und der Erbauung ihrer Ordenskirche Santa Maria Novella. Sicherlich hatte Vincenzio Borghini, der Vasari ohnehin dazu aufforderte, die Biographien mit mehr historischen Fakten zu unterfüttern, und der zudem ein profunder Kenner der Florentiner Chronik Giovanni Villanis war1 – eine Quelle, die explizit genannt wird –, Vasari dazu angeregt, auch über die Anfänge des um 1300 mit Abstand größten Kirchenbauwerks in Florenz zu berichten. Daß mit der Erwähnung von Santa Maria Novella in der Vita Gaddis eine allgemeine Grundlage für all das geschaffen werden sollte, worüber Vasari vielerorts in seinen Vite berichtet, geht aus seiner Bemerkung hervor, daß Santa Maria Novella nicht nur eine der schönsten und wichtigsten Kirchen von Florenz sei, sondern daß in ihrem Innenraum auch »die berühmtesten Künstler der vergangenen Jahre«, inklusive Vasari selbst, »viele vortreffliche Werke geschaffen haben«. Borghinis Einfluß in dieser Hinsicht darf nicht unterschätzt werden, denn es ist davon auszugehen, daß er mit der Geschichte des Dominikanerordens in Florenz bestens vertraut war. In seiner posthum erschienenen Abhandlung Della chiesa e vescovi fiorentini erwähnt Borghini den Dominikaner Fra Giovanni Caroli, der in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts eine der zentralen Figuren des spirituellen Lebens in Florenz war, mehrmals zum Prior von Santa Maria Novella gewählt wurde und zahlreiche Schriften verfaßte, die bis heute größtenteils unediert sind: »ma muovemi, che un F. Giovan Carlo, uomo nel suo tempo assai litterato, e che ragionevolmente scrisse le Istorie de’ tempi suoi, e certe Vite ancora di alcuni dell’ordine de’ predicatori o per santità, o per dottrina, ed altre dignità illustri, e figliuoli specialmente, come fu anch’egli del grand e bel convento di Santa Maria Novella, remendo a raccontare quando fu prima quel luogo dato a San Domenico, che vuole, che fusse l’anno MCCXXII dice appertamente, che […]« (Borghini, Discorsi, Bd. IV, Mailand 1809, S. 418). Wie Ilaria Mariotti plausibel dargelegt hat, dürften eine der Quellen Vasaris für den Abschnitt über die Dominikaner die von Giovanni Caroli um 1497 verfaßten Vitae nonnullorum fratrum Beatae Mariae Novellae gewesen sein, darunter die Biographien des Giovanni da Salerno und des Aldobrandino Cavalcanti, die jeweils als mythische Gründer des Florentiner Konvents präsentiert werden.

Jenseits dieses überzeugenden Vorschlags stellt sich jedoch die Frage, weshalb besagte Passage in die Vita Gaddo Gaddis und nicht in eine der anderen Lebensbeschreibungen der ersten Epoche integriert wurde, denn außer der oben erwähnten Notiz über ein Altarwerk des Künstlers für Santa Maria Novella scheint es auf den ersten Blick keinen direkten Zusammenhang zwischen Vasaris Protagonisten und der Kirche der Dominikaner zu geben. Nicht einmal Gaddos Grabstätte soll sich an jenem Ort befunden haben, sondern – wie Vasari berichtet – in Santa Croce gewesen sein. Allerdings dürften zu dem Zeitpunkt, als die Vita für die zweite Edition überarbeitet wurde, Familienkapellen und -grabstätten sowie die Geschichte bedeutender Florentiner Adelsgeschlechter für Vasari und seine Mitstreiter Themen von großem Interesse gewesen sein. Denn mit der Umgestaltung der Kirche gemäß den Beschlüssen des Konzils von Trient und dem Abriß des mittelalterlichen Lettners, Arbeiten, die Vasari im Auftrag Herzog Cosimos I. ab 1567 durchführte,2 wurden viele Familienkapellen und Grabmäler zerstört oder mußten umgesetzt werden. Dies traf beispielsweise auf die dem Heiligen Thomas von Canterbury geweihte Kapelle der Minerbetti zu, eine Familie, die zu den frühesten Stiftern von Santa Maria Novella gehörte und in Borghinis posthum veröffentlichter Storia della nobiltà fiorentina explizit in Zusammenhang mit dem Neubau der Kirche genannt wird.3 Die Grabmäler des Ruggiero Minerbetti († 1280)4 und des Tommaso Minerbetti († 1499) kamen nach Abbruch des Lettners ins vierte Joch des rechten Seitenschiffs der Kirche, wo sie noch heute zu sehen sind. Ein bedeutendes Mitglied dieser Familie war der mit Vasari und Borghini befreundete Bischof von Arezzo, Bernadetto Minerbetti, einer der Begründer der legendären Accademia degli Umidi in Florenz, der bei zahlreichen Gelegenheiten als Botschafter in den Diensten Herzog Cosimos I. stand und darüber hinaus 1565 die Breve et utile somma cavata d’una parte de’ decreti del Sacrosanto oecumenico Concilio Tridentino herausgab. Ob der Bischof für die Umsetzung der Grabmäler verantwortlich war, ist fraglich. Sein Briefwechsel mit Vasari läßt darauf keine Rückschlüsse zu.5 Er selbst wurde nach seinem Tod 1574 im Dom von Arezzo beigesetzt.

Von größerer Relevanz dürfte jedoch die Tatsache gewesen sein, daß die Gaddi selbst eine Familienkapelle in Santa Maria Novella besaßen. Vasari erklärt Gaddo nämlich nicht nur zum Begründer einer Künstlerdynastie, sondern auch zum Ahnherrn der zu Wohlstand gelangten, politisch und wirtschaftlich einflußreichen Florentiner Adelsfamilie, deren Mitglieder Bankiers, Bischöfe und Kardinäle waren, mehrmals der Florentiner Signoria angehörten und zu den Medici in engem Verhältnis standen. Hatte Vasari in der früheren Fassung der Vita noch behauptet, in Florenz hätte man dem seinerzeit hochgelobten Künstler eine Dame aus adligem Hause zur Frau gegeben, damit er nicht abwandern, sondern in Florenz eine Familie gründen würde, so ist achtzehn Jahre später nur noch von Gaddos Sohn Taddeo die Rede, der dem Vater ein ehrenvolles Begräbnis in Santa Croce ausrichten läßt. Die Familiengeschichte der Gaddi spinnt sich dann in der Vita des Taddeo Gaddi weiter, in der Vasari bemerkt, jener hätte für Santa Maria Novella, und zwar für den Lettner der Kirche, ein Fresko mit dem Heiligen Hieronymus im Kardinalsgewand gemalt, den er zu seinem Schutzpatron erklärt habe. Taddeos Sohn Agnolo wiederum, so Vasari, hätte unterhalb dieses Bildes nicht nur den Vater beisetzen lassen, sondern eine Familiengrabstätte für die Nachkommen eingerichtet. Ungeachtet der Tatsache, daß nicht Taddeos Sohn, sondern sein Enkel, der Bankier Angelo Gaddi, 1447 die Familiengrabstätte in Santa Maria Novella erwarb, ist hier vor allem Vasaris ergänzende Bemerkung von Interesse, der Heilige Hieronymus hätte für die Familie die ehrenvollsten Kirchenämter von Gott erbeten. Schon Giovanni Battista Gelli, der wie Vasaris Freund Bernadetto Minerbetti ein bedeutendes Mitglied der Accademia degli Umidi war, berichtete in seinen Vite d’Artisti, daß Taddeo ein Vorfahre der ehrwürdigen Florentiner Familie gewesen sei, die vier Brüder hervorgebracht hätte, von denen einer Kardinal, ein anderer Kammerkleriker, der dritte ein Signore und der vierte Schatzmeister des Landes geworden sei.6 Taddeo selbst – so Gelli – sei wie später auch sein Sohn Agnolo in Santa Maria Novella bestattet worden, unterhalb des von Taddeo gemalten Bildes eines Heiligen Hieronymus.7 Darüber hinaus berichtet Gelli, daß sich in der Familiensammlung der Gaddi zahlreiche Gemälde befunden haben sollen, die Gaddo und Taddeo Gaddi zugeschrieben wurden. Anders als bei den Herrscherhäusern des Spätmittelalters, die oftmals mythische Helden oder wie im Falle der Minerbetti Heilige zu ihren Stammvätern erklärten, führten die Gaddi ihre Genealogie erstmals auf Maler zurück.8 Angelo Gaddi, der nicht nur die Familiengrabstätte in Santa Maria Novella erwarb, sondern auch den Grundstein für die berühmte Biblioteca Gaddiana legte, die im 16. Jahrhundert mehr als 1400 Bände umfaßte, besaß eine Abschrift von Filippo Villanis um 1382 verfaßter Stadtchronik De origine civitatis Florentie et de eiusdem famosis civibus, in der neben vielen berühmten Florentinern wie dem Dichter Dante auch den Malern, einschließlich Taddeo Gaddi, ein Platz eingeräumt wurde.9

In diesem Kontext leuchtet ein, daß Vasari die Geschichte von den Ursprüngen der Kirche in die Vita Gaddo Gaddis integrierte, denn deren Familienkapelle, in der 1552 noch Kardinal Niccolò Gaddi, ein Enkel des Angelo, beigesetzt worden war, fiel ebenfalls den Umstrukturierungsmaßnahmen durch Vasari und dem in diesem Zuge vorgenommenen Abriß des Lettners zum Opfer. 1566 erhielten die Gaddi eine neue, ebenfalls dem Heiligen Hieronymus geweihte Begräbnisstätte in Santa Maria Novella, nun in der zweiten Chorkapelle links, in der außer Kardinal Niccolò, dessen Gebeine man translozierte, auch der 1561 verstorbene Kardinal Taddeo Gaddi später ein Grabmal erhielt. Vasari selbst war mit Bischof Girolamo de’ Gaddi, einem Cousin jenes Taddeo, befreundet,10 der vor seiner Ernennung zum Bischof 1562 einige Jahre als Privatlehrer und Sekretär in den Diensten der Medici gestanden hatte.

Auch wenn die Vita Gaddo Gaddis in der Fassung von 1568 durch den Zuwachs des Textes am Ende, der die Ursprünge der Dominikanerkirche in Florenz thematisiert, wenig Kohärenz besitzt und eher wie ein Patchwork zweier auseinanderklaffender Teile wirkt, läßt sich angesichts dieser Hintergründe erahnen, wie sehr Vasari und seinen Mitstreitern daran gelegen war, die Geschichte der Gaddi mit jener von Santa Maria Novella zu verknüpfen.

SF

Bibl.: Hall 1973; Hall 1979; Lunardi 1988; Barolsky 1996, S. 29–33; Mariotti 1996; Löhr/Weppelmann 2008, bes. S. 18−20; Cadogan 2011.

DAS LEBEN DES FLORENTINER MALERS GADDO GADDI

Vita di Gaddo Gaddi. Pittore Fiorentino (1568)

Zur selben Zeit bewies der Florentiner Maler Gaddo1 mehr disegno in seinen Werken, die er im griechischen Stil und mit der allergrößten Sorgfalt ausführte, als es Andrea Tafi2 und die anderen Maler vor ihm getan hatten. Und vielleicht rührte dies von der Freundschaft und dem vertrauten Umgang her, den er mit Cimabue3 pflegte, weil zwischen ihnen durch eine Übereinstimmung ihrer Temperamente oder dank ihrer umgänglichen Gemüter eine innige Verbundenheit herrschte und aus den häufigen Gesprächen, die sie miteinander führten, und ihren freundschaftlichen Diskussionen über die Schwierigkeiten der Künste sich in ihren Köpfen großartige und wunderbare Ideen ausbildeten. Und um so müheloser gelang ihnen dies, als ihnen das feine Klima in Florenz zu Hilfe kam, das begabte und sensible Köpfe hervorzubringen pflegt, weil es unaufhörlich – was der Natur meist nicht gelingt – das bißchen Feindseligkeit und Verbohrtheit in ihrem Umfeld ausmerzt, dazu noch der Wetteifer und die Regeln kommen, welche gute Künstler zu allen Zeiten vorgeben. Und ganz deutlich sieht man, daß Werke zu großer Perfektion gelangen, wenn jene, deren Freundschaft keine Doppelzüngigkeit kennt, sich untereinander austauschen, wovon es allerdings nur wenige gibt. Und der gegenseitige Austausch über die Schwierigkeiten in den theoretischen Kenntnissen, die sie erwerben, ermöglicht ihnen, diese zu klären und derart begreiflich und einfach erscheinen zu lassen, daß daraus allergrößtes Lob erwächst. Im Gegensatz dazu plündern einige im Namen der Freundschaft unter dem Deckmantel von Aufrichtigkeit und Liebenswürdigkeit auf scheußliche Weise und allein aus Neid und Boshaftigkeit ihre Ideen, wodurch die Künste weit weniger schnell zu jener Vortrefflichkeit gelangen, als sie es täten, würde Nächstenliebe die Begabungen der hochsinnigen Geister umfangen.4 So wie sie zweifellos Gaddo und Cimabue zusammenführte, und auch Andrea Tafi und Gaddo, den Andrea an seine Seite holte, um mit ihm das Mosaik in San Giovanni fertigzustellen, und wo besagter Gaddo so viel lernte, daß er dann alleine die Propheten auszuführen vermochte, die ringsum in diesem Sakralbau in den viereckigen Feldern unterhalb der Fenster zu sehen sind, die ihm, weil er sie alleine und in einem sehr viel besseren Stil ausführte, ungeheuren Ruhm einbrachten.5

Weil er daraus mehr und mehr Selbstvertrauen gewonnen hatte und entschlossen war, auf sich allein gestellt zu arbeiten, widmete er sich in einem fort dem Studium des griechischen Stils und dazu auch jenem Cimabues. Innerhalb kurzer Zeit beherrschte er die Kunst vortrefflich, weshalb die Dombauherren von Santa Maria del Fiore ihm im Inneren der Kirche die Lünette über dem Hauptportal übertrugen, wo er eine Marienkrönung in Mosaik ausführte.6 Als das Werk fertig war, befanden alle Meister, auswärtige wie einheimische, daß es das schönste sei, das man in dieser Gattung bis dato in Italien zu sehen bekommen hatte, weil es mehr disegno, größere Urteilskraft und mehr Sorgfalt erkennen ließ als alle übrigen Mosaikwerke, die es in Italien seinerzeit gab. Als der Ruhm dieses Werks sich verbreitete, wurde Gaddo im Jahre 1308 (das Jahr nach dem Brand, der die Kirche und Paläste am Lateran in Flammen aufgehen ließ7) von Clemens V.8 nach Rom gerufen, für den er einige Mosaikwerke zu Ende brachte, die Jacopo Torriti in unvollendetem Zustand zurückgelassen hatte.9 Anschließend führte er in der Kirche San Pietro ebenfalls in Mosaik einige Werke in der Hauptkapelle und im Kirchenraum aus, insbesondere aber an der vorderen Fassade einen großen Gottvater mit vielen Figuren.10 Dann half er bei der Vollendung einiger Szenen in Mosaik an der Fassade von Santa Maria Maggiore,11 verbesserte dabei seinen Stil um einiges und ließ auch den griechischen ein Stück weit hinter sich, der rein gar nichts an Gutem aufzuweisen hatte. Zurück in der Toskana, arbeitete er dann im alten Dom von Arezzo, der außerhalb der Stadt lag, für die Tarlati, die Herren von Pietramala, einige Werke in Mosaik in einem Gewölbe, das ganz aus Schwammstein gemacht war und die Mitte jenes Sakralbaus überspannte.12 Weil selbiger durch das alte Steingewölbe zu sehr belastet wurde, stürzte er in der Zeit von Bischof Gentile von Urbino ein,13 der ihn dann ganz aus Backstein wieder aufbauen ließ. Nach seinem Weggang aus Arezzo begab sich Gaddo nach Pisa, wo er im Dom in der Apsis oberhalb der Incoronata-Kapelle eine Madonna beim Auffahren in den Himmel schuf und darüber einen Jesus Christus, der sie erwartet und einen prächtig hergerichteten Stuhl als Thron für sie bereithält. Dieses Werk war für jene Zeit so gut und sorgfältig gearbeitet, daß es sich bis zum heutigen Tag hervorragend erhalten hat.14 Mit dem Vorhaben, sich auszuruhen, kehrte Gaddo anschließend nach Florenz zurück. Er wandte sich nun der Ausführung einiger kleiner Mosaiktäfelchen zu, von denen er einige unglaublich sorgfältig und geduldig aus Eierschalen arbeitete, wie es unter anderem an einigen Werken zu sehen ist, die sich noch heute im Sakralbau von San Giovanni in Florenz befinden.15 Auch liest man, daß er zwei weitere dieser Art für König Robert schuf, von denen aber nichts weiter bekannt ist.16

Und damit ist, was die Werke in Mosaik angeht, genug über Gaddo Gaddi gesagt worden. In der Malerei hingegen schuf er viele Tafelbilder, unter anderem jenes in Santa Maria Novella für die Kapelle der Minerbetti am Lettner der Kirche und viele andere, die an verschiedene Orte der Toskana geschickt worden sind.17 So arbeitete er mal im Mosaik, mal in der Malerei und schuf auf diese Weise in der einen wie der anderen Tätigkeit viele angemessene Werke, die sein Ansehen und seine Reputation immer hoch gehalten haben.18 Ich könnte mich an dieser Stelle noch weiter über Gaddo auslassen, weil aber die Stile der Maler jener Epoche den Künstlern kaum noch einen Nutzen bringen, werde ich nichts weiter über sie sagen und behalte mir statt dessen vor, die Lebensbeschreibungen jener ausführlicher zu gestalten, welche die Künste verbessert haben und somit hier und da von Nutzen sein können.19

Gaddo lebte dreiundsiebzig Jahre, starb 1312 und wurde von seinem Sohn Taddeo20 ehrenvoll in Santa Croce bestattet.21 Obwohl er noch andere Söhne hatte, widmete sich lediglich Taddeo, der von Giotto über die Taufe gehalten worden war,22 der Malkunst, deren Grundlagen er zunächst von seinem Vater erlernte und alles übrige dann von Giotto. Ein Schüler von Gaddo war neben seinem Sohn Taddeo, wie wir schon sagten, der Pisaner Maler Vicino,23 der auf ganz vorzügliche Weise einige Mosaikwerke in der großen Domapsis von Pisa schuf, wovon folgende Worte zeugen, die noch immer in dieser Apsis zu sehen sind: ZU DER ZEIT, ALS DER HERR GIOVANNI ROSSO VORSTEHER DER BAUHÜTTE DIESER KIRCHE WAR, HAT DER MALER VI(N)CINO BEGONNEN UND VOLLENDET DIESES BILD DER HEILIGEN MARIA UND AUCH DAS VON ANDEREN BEGONNENE DER HERRLICHKEIT DES HERRN UND DES EVANGELISTEN SELBST GANZ AUSGEFÜHRT UND VOLLENDET IM JAHRE DES HERRN 1321 IM MONAT SEPTEMBER. GELOBT SEI DER NAME DES HERRN, UNSERES GOTTES JESU CHRISTI, AMEN.24

Gaddos Porträt findet sich von der Hand seines Sohnes Taddeo in der Kapelle der Baroncelli in nämlicher Kirche Santa Croce, in einer [Darstellung der] Marienhochzeit, wo Andrea Tafi an seiner Seite ist.25 Und in unserem weiter oben erwähnten libro ist ein Blatt von Gaddos Hand, das wie jenes von Cimabue in der Art von Miniaturen ausgeführt ist und zeigt, wie viel er im disegno taugte.26

Nun möchte ich, weil in einem alten Büchlein, dem ich diese wenigen Notizen über Gaddo Gaddi entnommen habe,27 auch über die Erbauung von Santa Maria Novella berichtet wird, der wirklich herrlichen und höchst ehrwürdigen Kirche der Dominikanermönche in Florenz, nicht verschweigen, von wem und wann sie erbaut worden ist.28 Ich sage also, daß zu der Zeit, als der Selige Dominikus sich in Bologna aufhielt, ihm [und seinem Orden] der außerhalb von Florenz liegende Konvent in Ripoli zugewiesen worden war, wohin er unter der Führung des Seligen Giovanni da Salerno29 zwölf Brüder entsandte, die wenige Jahre später nach Florenz in die Kirche und den Konvent von San Pancrazio umsiedelten. Dort waren sie untergebracht, als Dominikus selbst nach Florenz kam und sie ihren Sitz seinem Wunsch gemäß dann von dort in die Kirche San Paolo verlegten. Dem besagten Seligen Giovanni wurden nun durch den päpstlichen Legaten30 und den Bischof der Stadt Grund und Boden von Santa Maria Novella samt aller dazugehörigen Güter zugeteilt, die in ihren Besitz übergingen, so daß sie seit dem letzten Oktobertag des Jahres 1221 an diesem Ort niedergelassen sind. Weil besagte Kirche ziemlich klein war und ihr Eingang durch die Ausrichtung nach Westen zur Seite der Piazza Vecchia31 lag, begannen die Brüder, deren Zahl mittlerweile um einiges angewachsen war und die nun auch in der Stadt große Geltung besaßen, darüber nachzudenken, die Kirche und den Konvent zu vergrößern. Nachdem sie eine riesige Geldsumme zusammengebracht hatten und ihnen auch in der Stadt von vielen Seiten jegliche Form der Hilfe zugesichert worden war, begannen sie mit dem Bau der neuen Kirche am Tag des Heiligen Lukas im Jahr 1278,32 an dem Kardinal Latino Orsini,33 der Legat von Papst Nikolaus III.,34 im Beisein der Florentiner überaus feierlich den ersten Grundstein legte.35 Die Architekten besagter Kirche waren der Florentiner Fra Giovanni und Fra Ristoro da Campi, Laienbrüder desselben Ordens, die ebenso die Carraia-Brücke wie auch die Brücke von Santa Trinita erneuerten, nachdem sie infolge der Überschwemmung vom 1. Oktober des Jahres 1264 zerstört worden waren.36 Der größte Teil des Grundstückes, auf dem Kirche und Konvent lagen, war den Brüdern von den Erben des Messer Jacopo, Cavaliere aus der Familie Tornaquinci, als Schenkung überlassen worden.37 Die Kosten wurden wie gesagt teils durch Almosen finanziert, teils durch Geldspenden verschiedener Personen, die tatkräftig mithalfen, insbesondere unterstützt von Fra Aldobrandino Cavalcanti, der später Bischof von Arezzo wurde und oberhalb des Portals mit der Jungfrau seine Grabstätte bekam.38 Es wird berichtet, daß jener neben allem anderen durch seinen Fleiß sämtliche Arbeit und alles Material für jene Kirche beschaffte, die dann unter dem Prior des Konvents Fra Jacopo Passavante fertiggestellt wurde, der dafür verdienterweise links vor der Hauptkapelle ein Grabmal aus Marmor bekam.39 Geweiht wurde die Kirche im Jahr 1420 von Papst Martin V.,40 wie es aus dem Marmorepitaph am rechten Pfeiler der Hauptkapelle ersichtlich wird, das folgendes verkündet: IM JAHRE DES HERRN 1420 AM 7. TAG DES SEPTEMBER HAT DER HERR MARTIN, DURCH DIE GÖTTLICHE VORSEHUNG PAPST, DER FÜNFTE [DIESES NAMENS], DIESE KIRCHE PERSÖNLICH GEWEIHT UND GROSSE ABLÄSSE VERLIEHEN DENEN, DIE DIESELBE BESUCHEN.

Von diesen Dingen und vielen anderen mehr wird in einer Chronik über die Erbauung besagter Kirche berichtet, die bei den Padres von Santa Maria Novella verwahrt ist,41 und in den Geschichtswerken des Giovanni Villani.42 Ich wollte diese wenigen Dinge über diese Kirche und das Konvent nicht unerwähnt lassen, weil sie einerseits eine der wichtigsten und schönsten von Florenz ist, aber auch, weil in ihrem Inneren, wie weiter unten gesagt werden wird, die berühmtesten Künstler der vergangenen Jahre viele vortreffliche Werke geschaffen haben.

Ende der Lebensbeschreibung von Gaddo Gaddi.

Einleitung zum Leben des Margarito