KARINA REICHL
KRÄUTER
WUNDER
Entspannt, geerdet und gesund mit der Kraft der Natur
IMPRESSUM
Inhalt
Verstehen durch Tun
Einfach beginnen
Die neue Erdung
TEH statt TCM
Mein Weg zur TEH-Praktikerin
Kräuterhexe goes online
Alles vor deiner Haustür
Der »grüne Therapeut«
Wohin mich die Kräuter gebracht haben
Raus in die Natur und zu den Kräutern!
Dein erstes Kräuterdate
So werdet ihr Freunde, die Kräuter und du
Das Sammeln der Kräuter
Trocknen und aufbewahren
Kräutertouren – für dich allein oder mit Familie und Freunden
Was macht die Kräuter so wirksam?
Inhaltsstoffe – der Clou der grünen Helfer
Tee – die einfachste Methode der Naturapotheke
Tinkturen, Öle und weitere Zubereitungsarten
Deine ersten zwölf Kräuter
Welche Kräuter sprechen dich an?
Das Gänseblümchen – die großzügige Heilerin
Löwenzahn – der starke Unterstützer
Die Birke – der Nierenbaum
Schafgarbe – die Unabhängige
Frauenmantel – die kleine Alchimistin
Schwarzer Holunder – der Duft des Sommers
Kapuzinerkresse – die Scharfe
Die Rose – beruhigende Königin der Blumen
Schwarze Johannisbeere – Superfood vom Gartenstrauch
Das Mädesüß – flauschig süße Schmerzhemmerin
Ringelblume – die Altbekannte
Spitzwegerich – der Wegbegleiter
Urban Gardening mit Kräutern
Naturapotheke trifft Urban Gardening
Dein Erste-Hilfe-Blumenkisterl
Kräuter, wahre Lebensbegleiter
Meine Angebote für dich
Verstehen durch Tun
Wie wird eine Radiomoderatorin und Marketingmanagerin plötzlich zur Kräuterexpertin mit eigenem Blog? Wieso bewegt sich eine Frau, deren Heimat die Medienwelt und schicke Partys waren, plötzlich am liebsten draußen in der Natur? Ganz einfach: Weil ich genau dort, im Grünen und bei den Heilkräften der Kräuter, meine wahre Erfüllung fand. Ein Gefühl tiefer Zufriedenheit. Und genau das möchte ich dir mit diesem Buch weitergeben.
Einfach beginnen
Bereits mit den ersten Worten in diesem Buch möchte ich dir einen kleinen Anstupser geben: Wenn du das nächste Mal auf einer Wiese bist, zieh deine Schuhe und Socken aus, bewege bewusst deine Zehen und fühle die Freiheit, die ihnen die frische Luft verschafft. Und nun geh durch die Wiese, langsam … Schritt für Schritt ... Was spürst du? Den kühlen, feuchten Boden? Grashalme, die deine Sohlen kitzeln? Kleine Steine, die deine Füße massieren? Nimm jedes Gefühl bewusst wahr. Fang an, das Berühren des Bodens zu genießen. Spür deine Erdung. Und dann atme einmal bewusst und lange tief ein und aus …
Du fragst dich, warum ich hier ausgerechnet mit dem Barfußlaufen in einer Wiese beginne? Weil es genauso auch bei mir begonnen hat. Barfußlaufen empfinde ich als den heilsamsten, einfachsten und effektivsten Einstieg zurück in die Natur und damit auch in die Welt der Kräuter. Bei allem, was ich heute tue, treibt mich ein besonderer Wunsch an: Ich wünsche mir, dass immer mehr Menschen etwas tun, das wirklich ihrem Naturell entspricht. Ich habe selbst eine ganze Weile gebraucht und bin einige, vielleicht notwendige Irrwege gegangen, bis ich wieder zu einem Gefühl zurückgefunden habe, das mich schon in frühester Kindheit erfüllt hat: das Gefühl von Glück und Gelassenheit beim intensiven und unmittelbaren Erleben der Natur.
Auf meinem späteren Berufsweg als Radiomoderatorin, Projektleiterin und Social-Media-Managerin ist unter dem Arbeitsdruck sehr, sehr viel davon in Vergessenheit geraten. Es gab eine Zeit in meinem Leben, wo ich mich wirklich ausgebrannt, ausgenutzt, kraftlos und leer gefühlt habe. Ich habe eine Weile gebraucht, um aus diesem schlechten Traum wieder aufzuwachen, zur Natur und zu einem »natürlichen« Leben zurückzufinden und beides – modernes Leben und Naturerleben – miteinander in Verbindung und in Einklang zu bringen. Heute kann ich daraus eine völlig neue Kraft und Stärke für mein Leben gewinnen. Wie mir das nach dem ersten »Aufwachen« mit ganz einfachen, völlig natürlichen Mitteln sehr rasch gelungen ist und wie es auch dir gelingen kann, davon handelt dieses Buch. Ich möchte dir mein Wissen und meine Erfahrungen weitergeben, so wie ich es seit einigen Jahren auch mit meinem Blog www.fräuleingrün.at tue. Auch ihn habe ich genau aus diesem Grund ins Leben gerufen: Menschen zu helfen, zurück zur Natur und zu dem zu finden, was sich in ihrer unmittelbaren Umgebung befindet.
DU BIST EIN TEIL DER NATUR
Auch wenn wir sie vielleicht einen Großteil der Zeit nur vom Fenster aus sehen und auch da oftmals nur als Baum zwischen Häuserzeilen, ist es doch eine Tatsache: Wir kommen aus der Natur und wir sind Natur. Das zu begreifen und zu erspüren, hat mich gerettet. Wir leben in einer Zeit, in der uns die Zeit fehlt. Wir hetzen von einem beruflichen Termin zum nächsten, immer erreichbar, immer »on«, und auch unsere Freizeit ist bis oben hin komplett ausgefüllt und durchorganisiert. Zwischendurch checken wir, was auf den Social-Media-Kanälen los ist, um nur ja nichts zu verpassen. Alles muss immer schneller und effektiver funktionieren. Aber wofür?
Ich bin jahrelang etwas hinterhergelaufen, das ich nicht greifen konnte, was mich aber durchgehend gestresst hat. Ich wollte immer dabei sein, für jeden da sein, alles im Griff haben, noch mehr erreichen und noch glücklicher werden – denn das müssen wir ja, oder? Irgendwann merkte ich, dass ich statt glücklicher immer unglücklicher wurde. Meine Welt wurde immer oberflächlicher und ich immer einsamer. Bis ich mir eines Tages diese einzig richtige Sinnfrage stellte: Was macht mein Leben wirklich aus? Ist es die Arbeit, die mich viele Stunden an einen Ort bindet, an dem ich eigentlich nicht sein möchte? Ist es meine Freizeit, die ich oft nach den Bedürfnissen anderer gestalte? Sind es die Dinge, die ich mir »gönne«, um mich dafür zu belohnen, dass ich wieder einmal vieles unter Zeitdruck gemeistert habe?
Als mir dann wieder mal alles zu viel wurde, bin ich raus in die Natur. Unbewusst, ein Teil von mir rief einfach danach. Ich habe mich nach Stille und Ruhe gesehnt. Ich wollte durchatmen, einen klaren Kopf bekommen, wieder runterkommen. Man könnte auch sagen: Ich wollte mich wieder erden – und das begann mit einer ganz einfachen Handlung, spontan, ohne Überlegung, aus einem echten Bedürfnis heraus. Ich habe mir einfach die drückenden Schuhe ausgezogen, um meinen Füßen Freiheit zu geben, und bin barfuß durch eine Wiese gegangen. Erst langsam, tastend bin ich über das feuchte Gras gegangen, unendlich glücklich, wieder etwas zu spüren. Am Ende habe ich dann sogar in der Wiese gelegen, um diese kühle Erde unter mir voll und ganz zu spüren. Endlich hatte ich es wiedergefunden! Dieses Glücksgefühl, das meine ganze Kindheit bestimmt hat. Ein Gefühl, so erfüllend und wertvoll, dass es mir heute noch die Tränen in die Augen treibt, wenn ich daran denke. Das war die Initialzündung für eine komplette Richtungsänderung in meinem Leben. Undramatisch. Und doch ungeheuer machtvoll, logisch und enorm wichtig für alles Weitere.
Wie? Ich bin barfuß herumgelaufen, und das hat alles verändert? Ja! Denn es ist einfach, wieder die Natur und dabei sich selbst zu spüren. Probier es einfach mal aus. Du wirst geerdet – wortwörtlich –, ohne viel dafür tun zu müssen. Es passiert einfach von selbst. Ohne Schuhe das Gefühl von Freiheit zu spüren und zu merken, dass wir dafür geschaffen sind, auf weichen Wald- und Wiesenböden zu laufen: Das ist mein persönliches Glücksrezept, das ich liebe und das ich gern mit dir teile. Denn vielleicht möchtest auch du dir endlich viel mehr Gutes tun – so wie ich damals. Dir vielleicht öfter eine Auszeit nehmen, einfach das unternehmen, worauf du gerade Lust hast, genüsslich abschalten.
Aber natürlich habe ich das »Ich mach das nur für mich« erst lernen müssen. Es ging nicht von selbst, diese kurzen Auszeiten ohne schlechtes Gewissen in mein Leben zu integrieren. Doch meine Begeisterung für die Kräuter, den Wald und die Natur hat mich dabei unterstützt. Ich merke das auch immer wieder bei den Teilnehmern meiner Naturwanderungen. Das schlechte Gewissen ist einfach ein Teil von uns, und es drückt auf unsere Brust, bis wir fast nicht mehr atmen können. Eine meiner Wanderungen ist die »Wiese, Wasser, Wald & Wunder Wanderung«, bei der ich Naturinteressierte um einen See im Salzburger Land führe. Dort geht es zum einen natürlich um die regionalen Kräuter und wie man sie erkennen und einsetzen kann, aber auch um den Wald. Wir tauchen dort kurz hinein, um wegzukommen vom Alltag und zu sehen, was die Stille im Wald in uns auslösen kann. Ich möchte zeigen, was es bedeutet, sich eine Auszeit ohne schlechtes Gewissen zu nehmen. Und genau dort, im ruhigen Wald, wo es eigentlich um Stille geht, öffnen sich viele der Teilnehmer und erzählen, dass sie sich niemals erlauben würden, einfach nur in den Wald zu gehen und nichts zu tun. Die Gedanken an das, was alles noch auf der To-do-Liste steht, lassen es nicht zu, dass sie sich fallen lassen und entspannen könnten. Oft höre ich dabei auch, dass es sie Überwindung gekostet hat, ihre spärliche Zeit in diese Wanderung zu investieren, wartet doch zu Hause so viel anderes, was sie erledigen müssen. Doch es ist genau dieser erste Schritt, dieser Ruf, auszubrechen und in die Natur zu gehen, der viele dann zu einer geführten Naturwanderung verleitet. Wir haben es verlernt, aus unserem eigenen Willen heraus diesem natürlichen Ruf zu folgen, Erholung in der Natur zu suchen. Aber nur dort können wir unsere leeren Batterien wieder aufladen, Kräfte für den durchgetakteten Alltag finden und uns erholen.
Bereits 1890 hat der US-amerikanische Psychologe William James festgestellt, dass es zwei Arten von Aufmerksamkeit gibt. Auf der einen Seite die gerichtete Aufmerksamkeit, die uns heutzutage meist den ganzen Tag über fest im Griff hat – und oft auch noch ein Grund für schlaflose Nächte ist. Mit ihrer Hilfe funktionieren wir in der Schule, im Beruf, im Straßenverkehr, sogar im Privatleben. Wir müssen fokussiert sein und bleiben. Und genau das kostet Energie, die uns irgendwann einfach ausgeht, wie einer Batterie, die unentwegt gefordert wird. Aber erlauben wir es uns, diese Batterie wieder aufzuladen? Auch wenn wir es nicht wollen, es geht oft gar nicht, weil wir aus dieser gerichteten Aufmerksamkeit nicht rauskommen. Ganz im Gegenteil: Wir konzentrieren uns in Zeiten der nachlassenden Kräfte noch mehr darauf, gut zu funktionieren, um alles in unserem Alltag zu schaffen. Und das kostet uns dann noch mehr unserer Kraftreserven.
Aber was bietet den Ausgleich zur gerichteten Aufmerksamkeit, was ist das Yin zum Yang? Auch das hat James rausgefunden: Es ist die Faszination. Sie ist eine andere Art der Aufmerksamkeit. Das heißt nicht, dass wir dafür unbedingt einen Artisten sehen müssen, der sich durch die Lüfte schwingt, bis wir vor lauter Faszination den Atem anhalten. Das Einfachste, was uns fasziniert, ist die Natur in all ihren Facetten – und genau das mache ich dann auch meinen Teilnehmern bewusst. Schon bei den ersten Schritten hinaus sind sie fasziniert, in welchen Blau- und Grüntönen der See schimmert, wie intensiv der wilde Thymian riecht, wie üppig eine einfache Blumenwiese abseits der Straße blüht und wie ruhig es sein kann, wenn wir nur ein paar Meter in ein kleines Waldstück eintauchen. Genau diese Faszination wartet überall um uns herum, kostenlos und oft direkt vor dem Fenster. Die wilden Kräuter und Pflanzen können uns helfen, die Aufmerksamkeit zu verändern, denn wenn wir auf die Suche nach ihnen gehen, Ausschau halten nach Gänseblümchen, Löwenzahn und Co., auch dann sind wir fasziniert, in diesem anderen Modus, der uns den gewünschten Ausgleich bringt. Und sind wir ausgeglichen, dann können wir uns auch endlich wieder spüren, wir nehmen unsere Umwelt wieder bewusster wahr – und plötzlich zeigt uns der Verstand, was wichtig ist und was uns eigentlich nur unnötig Energie kostet.
Das klingt vielleicht zu schön, um wahr zu sein, zu einfach, aber nach der dreistündigen Wanderung, bei der wir abschließend noch einen kleinen Kneipp-Ausflug in ein eiskaltes Becken machen, sind die Teilnehmer tiefenentspannt. Sie tragen ein zufriedenes Lächeln auf den Lippen, und ich merke es oft auch an der Geschwindigkeit ihres Sprechens, dass die Runde in der Natur gewirkt hat. Oft rasen am Anfang ihre Worte und Fragen nur so aus ihren Mündern heraus. Am Ende der Tour redet jeder von ihnen langsamer und auch in einer tieferen Tonlage, also einfach entspannter.
Und das Allerbeste: Es muss nicht immer eine dreistündige Wandertour sein, die uns die Faszination und den Ausgleich bringt. Es reicht aus, einfach selbst in die Natur zu gehen – und das am besten regelmäßig, um es gar nicht so weit kommen zu lassen, dass die Batterien sich bis zur erschöpfenden Gänze leeren.
DIE EINFACHSTE REGEL: TU ES
Wie du vielleicht schon bemerkt hast, ist dieses Buch eine Handlungsaufforderung, ein schneller und einfacher Leitfaden dafür, wie du die Natur und ihre Kräuter in deinen Alltag integrieren kannst. Es geht um das Tun, um dein Tun. Was mir dabei ganz wichtig ist: Du sollst wissen, dass ich mein Leben nicht komplett umgekrempelt und dieser »schnellen und effektiven« Welt den Rücken gekehrt habe. Ganz im Gegenteil: Ich habe die Natur und die Kraft durch meine bewusst dort investierte Zeit in mein Leben eingebaut. Ich habe sozusagen eine alte Freundin wiedergefunden, die ständig erreichbar und immer um mich herum ist. Durch sie habe ich meine Balance zurückgewonnen und bin in der Lage, bestens geerdet Arbeit, Familie, Freunde, Freizeit und auch Probleme wieder zu meistern, ohne das Gefühl zu haben, machtlos und überfordert zu sein. Damit auch du schnell und einfach diese Erfahrung machen und erleben kannst, was Erdung bedeutet, habe ich dich gleich zu Beginn dieses Buches aufgefordert, barfuß durch eine Wiese zu laufen. Egal, ob draußen in der Natur oder direkt in der Stadt: raus aus den Schuhen und schon mit dem ersten Schritt das feuchte Gras, das deinen Körper automatisch erfrischt, wahrnehmen. Die Erde darunter spüren, das wohlig warme Gefühl, das sie auslöst. Die Gräser erleben, die kleinen Blüten und Blätter, die sich zwischen deinen Zehen durchschlängeln. Du gehst einfach ein paar Schritte, schließt dabei vielleicht auch die Augen und holst nach einigen Momenten tief Luft. Das wird dir am Anfang möglicherweise schwerfallen, denn wir haben verlernt, tief durchzuatmen. Doch das Atmen ist der Grundstein für ein gesundes Leben: durchatmen können, die Luft im Bauch spüren, sie drinnen behalten und dann wieder ausatmen, alles rauslassen und Platz schaffen für etwas Neues.
DEIN ERSTES KRÄUTERREZEPT
Da du jetzt schon in dieser wunderbaren, vielfältigen Wiese stehst, schau dich um. Erkennst du das Gänseblümchen? Dieses alltägliche Blümchen, dem wir kaum mehr unsere Aufmerksamkeit schenken? Was du wissen solltest: Das Gänseblümchen ist eine starke Heilpflanze, von der du in diesem Buch noch mehr erfahren wirst. Nimm dir doch schon mal ein paar Blumenköpfchen mit nach Hause, denn ihre reinigende Wirkung für den Körper kannst du dir sofort zunutze machen, indem du dir einen Tee damit zubereitest. Dir gefällt jetzt schon, wie unkompliziert du dir die Natur und ihre wilden Kräuter zu Hilfe holen kannst? Das freut mich. Und es ist erst der Anfang.
Gänseblümchen-Tee
Zutaten
5 bis 6 Gänseblümchenblüten
¼ Liter Wasser
Die Blütenköpfe in eine Tasse geben, mit kochend heißem Wasser übergießen, Deckel drauf und zehn Minuten ziehen lassen. Dann durch ein Sieb gießen und gemütlich trinken.
Die neue Erdung
Ich lebe in Salzburg. Das ist keine große Metropole, aber dennoch eine Stadt, in der Kunst, Kultur, schicke Menschen, viele Cafés, Lokale und Events dazu einladen, sich zu »beschäftigen«. Aber es gibt hier auch die grüne Seite. Meinen Garten zum Beispiel, in dem ein riesiger alter Apfelbaum thront. Die Stadtberge wie den Kapuzinerberg, wo ich nach wenigen Metern weg vom Touristen-Hot-Spot mitten im Wald stehe und wo sogar auch Gemsen leben. Die vielen Seen rund um die Stadt, die ich nach kurzer Autofahrt erreichen kann, und natürlich die zahlreichen Wanderwege und Almen mit ihren Kräuterwiesen in den Bergen, von denen ich einige schon nach wenigen Wanderminuten erreichen kann.
Ich verbringe so viel Zeit wie möglich in der Natur und verstehe dabei immer mehr, dass dieses »moderne« Leben, wie wir es heute meist führen, unnatürlich ist. So viele sitzen den ganzen Tag vor einem Computerbildschirm (es wird ja schon gesagt, dass das viele Sitzen das »Rauchen unserer Zeit« ist), abends gehen sie in einen anderen geschlossenen Raum, um dort in klimatisierter Luft Sport zu treiben, ständig umgeben von elektronischen Geräten, die teilweise sogar direkt am Körper kleben, damit sie ihre gesundheitlichen Werte checken und überprüfen können, was die 432 virtuellen Facebook- oder Instagram-Freunde gerade Tolles erleben. Was treibt uns an? Was wollen wir? Ein super Leben mit viel Action in der Freizeit und einem Traumjob? Den hatte ich …
»Hey, wow, du moderierst beim Radio?« Ja, ein Traum für viele. Damals auch für mich. Medien, Werbung, Marketing, das waren meine Stationen. Diese berufliche Richtung wollen viele einschlagen. Einen Job haben, der »anders«, modern, lukrativ ist.
Ich war immer schon die Entertainerin, habe beruflich und privat unterhalten. Wollte, dass mich die Leute mögen, und habe viel von mir selbst ausgeklammert, um anderen zu gefallen. Denn das wollen und müssen wir ja: gefallen. Ich habe nichts für mich gemacht, ich fühlte mich nicht wichtig, nur die anderen waren es und denen musste ich gefallen – im Job, in der Familie, im Freundeskreis. Aber das hat mich mein fröhliches, sonniges Wesen gekostet. Nach außen hin war ich es noch – die starke Frau, die Karriere macht und dabei Spaß hat und viel erlebt. Nach innen hin habe ich aber irgendwann einfach nichts mehr gespürt, kein Glück, keine Freude. Nichts von dem, was ich mir gekauft und »gegönnt« habe, keine Party und keine neuen Bekanntschaften haben mir ein Gefühl von Zufriedenheit und Ausgeglichenheit gebracht. Und dann kam der Tag, an dem ich wusste: Ich wollte so nicht weitermachen.
Ich wollte mich wieder spüren. Und so war ich eines Tages barfuß durch eine Wiese gegangen und hatte mich dabei überglücklich gefühlt. Danach habe ich immer wieder die vielen kleinen Pflanzen in den Wiesen mit Blicken studiert und mich gefragt: »Was können diese Kräuter vor der Haustür wohl alles für uns tun?« Einiges wusste ich noch von meinen Eltern und meiner Oma, die mich als Kind schon bevorzugt mit Kräutern und Pflanzen wie Kamille oder Fenchel und mit natürlichen Hausmitteln wie einem Essigwickel bei Fieber gesund gepflegt haben. Aber ich wollte mehr wissen und meldete mich zu einem Kräuterkurs an. Etwas Trendiges musste es sein. Ein Workshop für Green-Smoothies mit Kräutern. Dabei mochte ich damals gar keine Smoothies.
Neben dem praktischen Teil in der Küche stand auch eine Kräuterwanderung auf dem Programm. Und dabei hat sich das Feuer, das seit einiger Zeit in mir brannte, vergrößert. Wir sind tatsächlich nur ein paar Schritte gegangen. Stop and go von einem grünen Blatt am Baum zum nächsten Blümchen in der Wiese. Ganz unscheinbare Pflanzen sind mir begegnet, und ich erfuhr zum ersten Mal wieder bewusst etwas von den wirksamen Kräften der wilden Pflanzen für uns Menschen. Von der ersten Sekunde an war ich wie gefesselt, ich glaube, ich habe sogar oft mit offenem Mund dagestanden. Wie ein kleines Kind, bei dem die Begeisterung für etwas noch im Funkeln der Augen zu sehen ist. Zum ersten Mal seit Langem spürte ich wieder so etwas wie Begeisterung. Ich war beflügelt von dem, was ich gesehen, gerochen, gespürt und geschmeckt habe.
Ganz ruhig und leise sind wir zum Beispiel an einer Linde vorbeigegangen, haben ein Blatt gepflückt und gegessen. Ganz anders als erwartet, schmeckte dieses hellgrüne Blatt im Frühling zart und mild. Am Anfang sogar ein bisschen rau auf der Zunge. Bei längerem Kauen entfaltete sich dann eine leicht schleimige Konsistenz, die sich im Mund aber nicht unangenehm anfühlte. Erst in meiner späteren Ausbildung habe ich erfahren, dass ich hier den wertvollen Inhaltsstoff Schleim gespürt habe, der uns besonders bei Hals- und Magenschmerzen helfen kann. Dort unter der Linde habe ich in diesem Moment wiederentdeckt, wie vielfältig und abwechslungsreich die Natur schmecken kann.
Es ging weitere kleine Schritte durch eine Wiese hindurch, die ich mir erstmals genauer angesehen habe, weil ich mir dafür bewusst Zeit genommen habe. Und plötzlich verwandelte sich der anfängliche grüne Teppich für mich in eine vielschichtige Komposition aus kleinen unterschiedlichen Gräsern, verschieden bunten Blumen, großen und kleinen Blättern, die rund, gezackt oder gefiedert waren. Ein Buffet der Natur, von dem wir uns nur bedienen müssen. Diese scheinbar kleinen Dinge, die um uns herum wachsen, haben mich verwandelt, und die Farbe Grün hat mir an diesem Tag neue Hoffnung gegeben. Wie sehr das alles mein Leben verändern sollte, wusste ich noch nicht.
Nach diesem Kräuterkurs bin ich in mein Auto gestiegen und wollte meiner Mutter am Telefon von meinen Erlebnissen erzählen, aber plötzlich konnte ich nicht mehr aufhören, zu weinen und zu schluchzen. Mit den Pflanzen und Kräutern sein, das war es, was ich machen wollte! Das war es, was für mich einen Sinn ergab. Ich wollte die Natur und die Kräfte der Kräuter in mein Leben bringen – und genau betrachtet waren sie ja schon da. Komplett verheult, aufgelöst, aber glücklich kam ich nämlich zu Hause an und bemerkte, dass ich schon einige Bücher über Kräuter, Heilpflanzen und Naturanwendungen von meiner Oma bei mir im Regal gehortet hatte. Beim Betrachten dieser kleinen Naturbibliothek wurde mir klar: Das wird mein neues Leben sein.
Kräutersmoothie
Die wilden Kräuter und Pflanzen der Natur kannst du in den verschiedensten Formen in dein Leben und deinen Alltag bringen. Vor allem kulinarisch. Bei dem erwähnten Kräuterkurs haben wir einen Smoothie mit den selbst gesammelten Kräutern gemixt. Dieses schnelle Rezept ist ideal als Einstieg in die kulinarische Kräuterwelt geeignet.
Zutaten
1 Apfel (oder Obst nach Wahl)
2 Handvoll wilde Kräuter wie Gänseblümchen, Löwenzahn oder Brennnessel
1 Spritzer frische Zitrone ¼ Liter Wasser
Honig, falls du es ein wenig süßer magst
Den Apfel mit der Schale kleinschneiden und mit den Kräutern, der Zitrone und dem Wasser in den Mixer geben. Alles gut durchmixen und fertig. Wenn dir der Smoothie durch die Apfelschale zu breiig ist, kannst du ihn abseihen. Zu empfehlen wäre aber, alles zu trinken, da du so wichtige Ballaststoffe und Vitamine mit aufnimmst.