66 Lieblingsplätze
und 11 Genusstipps
Angelika Lauriel
Genießen in
Saar-Lor-Lux
Mitten in Europa
Das Saarland – ein Bundesland im Dornröschenschlaf. So kommt es dem Rest Deutschlands vielleicht vor. Was weiß man denn schon über dieses kleinste Flächenbundesland außer Kohle und Stahl und ein paar mehr oder weniger berühmten Politikernamen? Als Saarländer wird man oft gefragt, ob man fließend Französisch spricht. Unsere wechselhafte Geschichte mit Frankreich legt dies vielleicht nahe – aber nein, tun wir nicht. Und auf die Frage, was an seinem Land das Besondere ist, antwortet der gemeine Saarländer oft: »Man ist mitten in Europa und deshalb schnell in Frankreich, Luxemburg oder der Pfalz.« Aber unser ›Dehemm‹ hat auch vieles zu bieten. Wie lebt der Saarländer, und warum lohnt es sich unbedingt, dieses Bundesland zu besuchen?
Ich habe ein paar große Vorteile beim Schreiben dieses Büchleins: Erstens bin ich geborene Saarländerin mit dem saarländischen Dialekt als Muttersprache. Zweitens darf ich wählen, welche Orte ich als Lieblingsplätze präsentiere. Und drittens habe ich durch die Vorbereitung auf dieses Buch meine Heimat neu kennen gelernt. Folgen Sie mir ins Herz der Saarländer!
In der Einstimmungsphase fragte ich Verwandte und Freunde nach ihren Lieblingsplätzen. Die erste Antwort: »Die Kupp.« Sie kam von meinem Vater, der gerne in diesem Waldstück bei Heusweiler wandert. »Jean-Lurçat-Museum in Eppelborn«, kam es natürlich von einem Eppelborner. Eine ebenso charakteristische Antwort lautete: »Das verrate ich nicht – lade ich doch nicht den Rest der Republik in meinen Garten ein.« Viele Saarländer zählten auf meine Frage Premiumwanderwege auf, die es hier in großer Zahl gibt. Wie aus der Pistole geschossen antworteten andere »Weltkulturerbe Völklinger Hütte«, »Bergwerksmuseum«, »Römische Villa« oder »Villeroy & Boch«. In der Liste der Lieblingsstädte wechselten sich Saarbrücken, Saarlouis und St. Wendel ab, die alle über einen eigenen Reiz verfügen.
»Was fällt dir als erstes zum Saarland ein?« Wenn ich meine Frage ein wenig variiere, ändern sich die Antworten, bleiben aber typisch für die Saarländer. »Ei, Saarlännisch Platt.« »Hauptsach’ gudd gess, geschafft hann mir dann schnell.« »Die Gruub, die Hitt.« »Do druff sinn mir stolz.«
Man bemerkt, die Antworten sind unterschiedlich, meistens im Dialekt gegeben und laufen immer wieder auf ein paar zentrale Themen hinaus. Diese Themen haben meinen Lieblingsplätzen ihre äußere Struktur gegeben. Mich interessieren erstens die saarländischen Städte mit dem typischen ›savoir vivre‹ (oder auch ›Saarvoir vivre‹). Zum Zweiten ist das Saarland undenkbar ohne seine industriell geprägte Geschichte und die Spuren, die Kohlebergbau, Eisenverhüttung, aber auch Glas- und Keramikherstellung hinterlassen haben. Zum Dritten sind zahlreiche archäologische Funde aus Kelten- und Römerzeit harmonisch in die abwechslungsreiche saarländische Natur eingebettet. »Fronkreich, Luxebursch unn die Palz« dürfen aber auch nicht zu kurz kommen, besuchen wir Saarländer doch oft und gerne unsere Nachbarn. So hat sich auch die Saar-Lor-Lux-Region zur Großregion weiterentwickelt, die außerdem die Pfalz und Wallonien einschließt. Wallonien? Naja, Namur liegt von Saarbrücken mehr als 250 Kilometer entfernt, daher soll es – aus dieser Saar-Perspektive – außen vor bleiben.
Als Schwerpunktthema konnte ich schließlich nicht anders, als mich auf eines der Lieblingsthemen der Saarländer zu besinnen, nämlich Tipps für Genießer. Im Saarland trinkt man Bier, Merziger Viez (säuerlich-herben Apfelwein) und Moselwein, aber wir rühmen uns auch unserer hervorragenden Küche und beheimaten einige Sterneköche. Der vorliegende Band ist als Einblick in die Seele eines kleinen, wunderschönen Bundeslandes mit einer sehr eigenen Kultur und speziellen Bevölkerung gedacht. Ich lade Sie herzlich ein: »Kumme Se rinn unn gucke Se sisch um.«
Tipp: Die Fläche des Saarlandes beträgt knapp 2.570 Quadratkilometer. Mit einer guten Million Einwohnern – also vergleichbar mit der Millionenstadt Köln – teilen sich durchschnittlich 394 Menschen einen Quadratkilometer.
Die Saarschleife von der Cloef gesehen
Gibt es wirklich mehr als eine Stadt in diesem kleinen Bundesland?
Ja, gibt es! Welche wähle ich? Einerseits sollen Sie die wichtigen saarländischen Orte kennenlernen, andererseits soll es ein persönliches Buch bleiben. Und überhaupt: Wer entscheidet, was als wichtig zu gelten hat? Meine drei Favoriten: Saarbrücken, Saarlouis, Sankt Wendel. Saarbrücken ist die Hauptstadt, Saarlouis die ›heimliche Hauptstadt‹, und Sankt Wendel kenne ich dank Freunden und Verwandten gut.
Was aber ist mit den anderen Städten? Meine Auswahl bleibt subjektiv. Unter dem Aspekt der Einwohnerzahl zu entscheiden, entspräche einer statistischen Aufstellung; ich habe mich ganz bewusst dagegen entschieden. Vielmehr habe ich Orte gewählt, die ich für besonders interessant halte – aufgrund der Atmosphäre, der Sehenswürdigkeiten oder auch der Bewohner. Jede dieser Städte hat eine eigene, typische Identität. Das Stichwort Identität führt uns zu einem Exkurs über ein entscheidendes identitätsbildendes Merkmal des ›Saarländers an sich‹, den saarländischen Dialekt oder ›Saarlännisch Platt‹.
In bundesweiten Umfragen, welcher Dialekt am beliebtesten ist, schneidet das Sächsische am schlechtesten ab, der Hamburger Dialekt am besten. Saarländisch taucht gar nicht erst auf. Dabei wäre das Saarland ein Fundus für Sprachwissenschaftler, gilt doch jemand, der in seinem Dorf Inländisch spricht, im nächsten mitunter schon als ›Auswärtiger‹.
Mir schwätze Platt. Menschen, die Hochdeutsch pflegen, sind in der Minderheit, und Saarländer unterstellen ihnen gerne Arroganz. »Der halt sich woll fir was Bessres.« Das gilt pauschal auch für Städter gegenüber Dörflern. Stadtbewohner befleißigen sich eines gehobenen Platt, des sogenannten ›Hochdeitsch mit Striefe‹. Pikanterweise sind sie sich der Streifen nicht immer bewusst. Ein paar Interjektionen, ein paar Einsprengsel machen es geradezu unmöglich, die Herkunft zu verschleiern. Den meisten Saarländern rutscht am Anfang eines Satzes ein »ei« heraus. Das hat keine Bedeutung, sondern überspielt eine Denkpause, wie »hmm« oder »tja« – oder das international anerkannte »well«, mit dem englischsprachige Menschen eine Lücke überbrücken. Ein paar Zischlaute in dem geäußerten Satz entlarven den Saarländer endgültig. »Ei, dann wünsche isch allen Bürgerinnen und Bürgern fröhlische Feiertage.« So könnte sich beispielsweise der ehemalige saarländische Ministerpräsident Peter Müller geäußert haben, bei dem noch ein sprachliches Merkmal hinzukommt, das seiner Herkunft aus Eppelborn geschuldet ist: Er rollt das R.
Ob der Saarländer das gerollte Zungenspitzen-R benutzt oder das härtere Zäpfchen-R, hängt mit einem Kuriosum zusammen. Quer durch das Land, von Südwest nach Nordost, verläuft die sogenannte ›das-dat‹-Grenze, die Moselfränkisch und Rheinfränkisch trennt. Zusätzlich variiert der Dialekt von Ort zu Ort. Wir Saarländer können anhand weniger Sätze ziemlich genau bestimmen, woher unser Gegenüber kommt. Der Satz: »Ich weiß genau, wo du herkommst« lautet in seiner rheinfränkischen Ausprägung »Isch wääß genau, wo du herkummscht«, in der moselfränkischen »Eisch wääß genaau, wo dau herrkimmschd«.
Lerntipps: Wenn Sie im Saarland Freunde finden möchten, gewöhnen Sie sich eine Überraschungsäußerung an, die hier verwendet wird: »Oh leck!« Begrüßen Sie einen Saarländer je nach Tageszeit mit »Gumorje«, »Gundach« oder »Gunomend«! Wenn jemand sagt: »Es Angelika? Dat kenn isch«, dann ist das nicht diffamierend gemeint, sondern entspricht der saarländischen Grammatik. Frauen sind groß gewordene Mädchen; der bestimmte Artikel und das Personalpronomen lauten ›es / et‹ oder ›das / dat‹.
Tipp: Bücher von Saarländern über die saarländische Mundart finden Sie im Lehnert-Verlag. www.lehnert-verlag.de
Saarbrücken gibt es erst seit 1909, dem Jahr, in dem die drei unabhängigen Städte Saarbrücken, St. Johann und Malstatt-Burbach zusammengewachsen sind. Hauptstadt des neu gegründeten Saarlands wurde es gar erst 1947. Das Rathaus St. Johann, seit 1909 für die neue Stadt zuständig, ist es bis heute geblieben.
Architekt Georg von Hauberrisser, bekannt für die Rathäuser in München und Wiesbaden, erbaute das Gebäude 1897 – 1900 aus rotem Sandstein im neugotischen Stil mit Elementen der deutschen Renaissance. Erweiterungsbauten wurden in den 20er- und 30er-Jahren hinzugefügt. Von außen beeindruckt besonders der Ostflügel links des 54 Meter hohen flämisch wirkenden Turms mit seiner Fassade, die mit Maßwerkfenstern, Baldachinfiguren und spitzen Türmchen verziert ist. Die sechs Statuen auf Konsolen an der Gebäudefront symbolisieren Berufszweige der Stadt: Bergmann, Schmied oder Hüttenarbeiter, Landwirt, Brauer, Kaufmann und Gerber. Sehen Sie den heiligen Georg, der am höchsten Turm gegen den Drachen kämpft? Diese Besonderheiten des Rathauses stachen mir zum ersten Mal Ende der 80er-Jahre ins Auge, als ich eine internationale Geburtsurkunde benötigte. In Saarbrücken geboren, musste ich mir diese dort ausstellen lassen.
Jahre später führte mich die standesamtliche Trauung meines Bruders in den Festsaal des Rathauses. Wir bewunderten die monumentalen Wandbemalungen von Wilhelm August Wrage, die die Geschichte des Stadtteils St. Johann erzählen. Interessant auch das Schicksal der 24 Glocken im Rathausturm: Sie wurden 1941 für militärische Zwecke eingeschmolzen. Zur Tausendjahrfeier der Stadt erhielt der Turm 1999 ein neues Glockenspiel mit beweglichen Figuren.
Beim Verlassen des Gebäudes gelangt man über das Rathaus-Carrée zur Bahnhofstraße, einer zur Fußgängerzone umgewandelten Einkaufsmeile. Heute kann man dort von fahrenden Autos unbehelligt shoppen und in den Cafés und Lokalen, die mitten auf der breiten Straße Tische und Stühle aufgestellt haben, seinen Hunger und den Durst stillen. Noch zu der Zeit, als ich meinen Führerschein machte, war die Bahnhofstraße eine pulsierende Hauptverkehrsader. Ich erinnere mich an meine erste Autofahrt als Führerscheinneuling: Meine Eltern, meine Großmutter und ich wollten »in die Stadt inkaafe gehn«. Ich schwitzte Blut und Wasser, bis ich die Spurwechsel, das Anfahren und Stehenbleiben hinter mich gebracht und endlich einen Platz im Parkhaus der damals noch ›Passagekaufhaus‹ (kurz PEKA) genannten Galeria Kaufhof gefunden hatte.
Um sich bei einer guten Tasse Kaffee oder Tee zu entspannen, lohnt es sich aber auch, vom Rathaus aus in die andere Richtung zu gehen, zum St. Johanner Markt. Nach wenigen Schritten landet man in der idyllischen Fußgängerzone. Hier kann man in einladenden, bunt sortierten Boutiquen sein Geld loswerden und um den Markt herum oder in den kleinen Gassen, die ihn flankieren, findet der Gourmet alles, was das Herz begehrt. Stilvolle Cafés reihen sich an gutbürgerliche, eher rustikal eingerichtete Speisegaststätten, in denen unter anderem italienische, elsässische oder typisch saarländische Spezialitäten serviert werden – und dazu hervorragendes selbst gebrautes Bier oder eine große Auswahl nicht nur saarländischer Weine.
Die mittelalterliche Bausubstanz am Markt wurde bei einem Brand 1503 größtenteils zerstört; als ältestes Haus galt lange das Gebäude, in dem die Gaststätte ›Tante Maja‹ untergebracht ist. Es wurde 1680 neu errichtet, wobei die Holzbalkendecke und die gotische Fenstergestaltung wiederverwendet wurden. Die Häuser mit den Nummern 8 und 49 stammen aus dem 16. Jahrhundert und gelten heute als die ältesten am Platz. Älteste Brauereigaststätte ist ›Der Stiefel‹, der sich rühmt, seit 1702 in nunmehr neunter Generation von Familie Bruch geführt zu werden.
Tipp: Vom Rathausvorplatz lohnt sich ein Blick nach Nordosten zur Johanneskirche. Sie hat den Zweiten Weltkrieg fast unbeschadet überstanden – im Gegensatz zur Stadt.
Am Rathausturm finden sich die Figuren von Landwirt und Brauer.
Rathaus Saarbrücken (Touristikinformation) ///
Rathausplatz 1 /// 66111 Saarbrücken /// www.j-kirche.de ///
Blick vom Rathausplatz zur Johanneskirche /// Cecilienstraße 2 /// 66111 Saarbrücken ///
Am einfachsten gelangen wir vom St. Johanner Markt zum Saarbrücker Schloss, wenn wir, aus der Saarstraße kommend, die Alte Brücke passieren. Schon als sie auf Anregung Kaiser Karls V. 1546 – 1549 erbaut wurde, verband sie die – bis dahin getrennten – Städte St. Johann und Saarbrücken miteinander und löste damit den Fährverkehr über die Saar ab.
»Ist das überhaupt ein richtiges Schloss?«, fragte ich mich als Kind, wenn ich das Gebäude sah, das nicht den filigran gebauten romantischen Schlössern mit Türmchen und Erkern glich, die mir vorschwebten. Filigran ist sicher nicht der passende Ausdruck für das Saarbrücker Schloss, das Alt und Neu auf ungewöhnliche Art verbindet. Baumeister Friedrich Joachim Stengel errichtete 1738 – 1748 das heute noch in seinem barocken Konzept erkennbare Schloss für Fürst Wilhelm Heinrich von Nassau-Saarbrücken. An derselben Stelle war im Jahre 999 erstmalig eine Burg urkundlich erwähnt worden, der mehrere Wehrbauten und ein Renaissanceschloss folgten.
In den 1980er-Jahren – nach langen Diskussionen darüber, was mit dem zum Teil maroden Bau geschehen solle – fügte der Kölner Architekt Gottfried Böhm einen postmodernen Mittelbau aus Stahl und Glas hinzu, während die Seitenflügel nach den Stengelschen Bauplänen renoviert wurden und so in neuem, altem Glanz erstrahlten. Der Mittelbau fußt auf einem Sandsteinsockel. Diese Kombination der baulichen Elemente übt auf mich – trotz der viel bescheideneren Ausmaße – einen mit dem Berliner Reichstag vergleichbaren Reiz aus.
Heute pulsiert das Leben im Schloss und drum herum. Saarbrücken lädt in den Sommerwochen ›Sonntags ans Schloss‹ ein: zu Konzerten und anderen Events im Schlosspark, die man wunderbar mit Besichtigungen verbinden kann. Besonders beklemmend wirkt dabei die Häftlingszelle der Gestapo im Schlosskeller, Relikt einer anderen Zeit.
Tipp: Auf dem ›Platz des unsichtbaren Mahnmals‹ mahnen 2.146 Pflastersteine gegen Rassismus: Auf ihrer Unterseite sind Namen jüdischer Friedhöfe eingemeißelt.
Saarbrücker Schloss (durch den Brunnen betrachtet) ///
Schlossplatz /// 66119 Saarbrücken ///
06 81 / 5 06 13 13 /// www.tourismus.saarland.de/de/musik-kultur-jazz-sonntag-schloss-saarbruecken-saarland ///