Friedrich Weiss

Das etwas andere Karrierebuch

Ein Brief an meinen Sohn

Inhalt

Vorwort

Die Sippschaft, die ich wählte

Das Begehren

Versetzen Sie Berge

Das Wünschen

Gedanken kontrollieren und visualisieren

Das Planen – die Basis für alles

Fehler im Karriereaufbau

Professionelle Vorbereitung beim Jobeinstieg oder Wechsel

Jetzt geht es richtig los

Schalten Sie in den Turbogang

Scheitern gibt’s nicht!

Stagnation oder Rückschritt

Arbeiten im Paradies

Interne Kommunikation, um gute Stimmung für sich zu machen

Public Relations oder interne Politik

In Meetings punkten

Vertrauens- und Beziehungsaufbau in Meetings

Schlusswort

Danksagung

Quellenverzeichnis

Vorwort

Mit 50 Jahren hatte ich das Glück, dass ich zwar spät, aber doch noch Vater wurde. Mein Sohn Marcus ist das größte Glück auf Erden für mich, doch als er vier Jahre alt wurde, glaubte ich, dass ich eine lebensbedrohende Krankheit hätte. Mein Traum, ihn auf seinem Lebensweg zu begleiten, platzte wie eine Seifenblase.

An diesem Tag fasste ich den Entschluss, ihm einen langen Brief zu schreiben, in dem ich ihm nicht nur sagen würde, wie sehr ich ihn liebte, sondern in dem ich ihn auf sein Leben vorbereiten und einige meiner Erfahrungen mit ihm teilen würde.

Ich persönlich habe eine bemerkenswerte Karriere hinter mir, auf diesem Weg aber auch viele Fehler gemacht. Ich wurde im Berufsleben oft ausgenutzt, habe zu viele Stunden im Büro verbracht, mein Privatleben vernachlässigt und falschen Leuten mein Vertrauen geschenkt.

Da ich der Meinung war, dass ich mein Wissen nicht persönlich an ihn weitergeben könnte, habe ich einen ausführlichen Brief verfasst. Ich habe niedergeschrieben, wie er seinen Weg im Berufsleben mit Erfolg meistern und gleichzeitig mit Glück und Freude beschreiten kann.

Nach einiger Zeit stellte sich zum Glück heraus, dass meine Krankheit harmlos war und ich den Ärzten zufolge noch ein langes Leben vor mir haben würde. Die Freude war natürlich groß, und seit diesem Tag genieße ich das Leben in vollen Zügen und vor allem die Zeit mit meinem Sohn. Ich wollte den Brief wieder vernichten – meine Frau jedoch riet mir, dieses Wissen mit anderen zu teilen. Denn es gebe so viele Menschen, die nach einem besseren Leben, nach Karriere und Erfolg streben, und die dankbar wären, wenn sie guten und ehrlichen Rat bekämen.

Ich konnte mir anfangs nicht vorstellen, dass ich irgendwann einmal ein Buch schreiben würde, und schon gar nicht, dass ich so viele persönliche Dinge preisgeben würde. Doch ich war so dankbar, dass ich meinen Sohn auf seinem zukünftigen Weg persönlich begleiten durfte, dass ich mir die Idee meiner Frau zu Herzen nahm.

Vor ein paar Jahren, als ich noch im Berufsleben stand und mir meine eigene Karriere extrem wichtig war, hätte ich niemals so ein Buch verfasst. Ich hätte niemals so ehrlich über die Realität des Karrieremachens schreiben können, ohne meine eigene Karriere zu riskieren.

Diese Ausrede ist nun jedoch weggefallen und es gibt keine Hindernisse mehr, nicht die ganze Wahrheit über das Karrieremachen auszusprechen.

Heute bin ich unabhängig und ich muss keine Vorgesetzten mehr beeindrucken. Ich habe keine Angst mehr davor, unpopuläre Aussagen zu machen. Mein Ziel ist vielmehr, jungen Leuten zu helfen und ihnen die Essenz des Karrieremachens zugänglich zu machen, außerdem möchte ich ihnen zeigen, wie sie ihre Karriere selbst positiv beeinflussen können, ohne der Spielball anderer zu sein.

In diesem Buch finden Sie eine Anleitung, wie man Karriere machen kann, ohne sich selbst dabei zu vergessen. Ich werde ganz offen über die Geheimnisse schreiben, die vielen verborgen sind oder die in vielen Büchern nicht erwähnt werden, da sie manche Leser sogar verärgern können.

Wahrheiten, die niemanden
verärgern, sind meist nur
halbe.1

Diesen Satz soll der Schriftsteller Jupp Müller einmal gesagt haben. Oben habe ich geschrieben, dass es für mich keine Hindernisse mehr gibt, die ganze Wahrheit über das Karrieremachen zu sagen. Es sollte Sie also nicht verwundern, wenn Sie Dinge zu lesen bekommen, die manchem nicht schmecken dürften.

„Die ganze Wahrheit“ in einem so schmalen Bändchen? In Anbetracht der Unmengen an Karriereratgebern, die die Buchhandelsregale schier zusammenbrechen lassen, scheint das mehr als vermessen.

„Die ganze Wahrheit“ soll allerdings nicht bedeuten, dass ich in diesem Buch zu allem bereits Geschriebenen, das nur irgendwie mit Karriere zu tun hat, auch noch meinen Senf dazugebe.

Erwarten Sie keinen Ratgeber, der mit dem hundertdreiundzwanzigsten Konzept daherkommt, das immer noch eine neue Facette des ewig Gleichen aufzeigt oder bestehende Instrumente mit neuen Griffen präsentiert. Das soll nicht heißen, dass die vorhandenen Theorien, Methoden und Tipps nichts taugen. Im Gegenteil. Sie werden sehen, ich empfehle an vielen Stellen, sich mit ihnen auseinanderzusetzen.

Sie werden immer etwas finden, das Sie weiterbringt. Fort- und Weiterbildung betrachte ich als unerlässlich. Es gibt unzählige Teilbereiche der Karriere, wie zum Beispiel Teambuilding, Projektmanagement oder Stressbewältigung – um nur einige wenige zu nennen –, in denen fundiertes Fachwissen außerordentlich hilfreich ist. Das Problem ist nur: Ratgeber, Seminare und Lernprogramme konzentrieren sich auf spezifische Details und bieten keine Einsichten über ganz grundlegende Dinge, ihre Ratschläge sind in ideologische Deckmäntelchen gehüllt, die den tieferen Blick auf den Kern einer Karriere verschleiern.

Um diesen Kern, dem ich in meiner fast 35-jährigen Berufslaufbahn intensiv auf den Grund gegangen bin, geht es mir in diesem Buch. Diesen Kern wollte ich auch meinem Sohn vermitteln und ihn nicht mit vielen Details verunsichern. Ich wollte, dass er das Wesentliche versteht, und das möchte ich jetzt auch Ihnen vermitteln.

Und es geht darum, einige der Halbwahrheiten aufzudecken. Ich weiß, wovon ich rede. Ich selbst habe mich hochgeackert, habe beruflich irgendwo ganz unten angefangen, eine schmerzhafte Initiation durchmachen müssen, um zu erkennen, wo ich im Leben stehe und wie meilenweit entfernt das von dem ist, wo ich hinwollte. Ich bin einen langen, oft mühsamen Weg gegangen und habe es in der Finanzbranche bis in die höchsten Managementebenen gebracht, habe einige Finanzunternehmen und Banken als Generaldirektor zum Erfolg geführt und habe in insgesamt 12 Ländern meine Erfahrungen gemacht. Ich bin bis dato der einzige Ausländer, der aufgrund ausgezeichneten Managements den vietnamesischen Premierministerpreis bekommen hat, und ich arbeite heute als Berater für die Firmengruppe der Familie des ehemaligen Premierministers.

Ich bin überzeugt, dass meine grundsätzlichen, wiederkehrenden Erfahrungen und Einsichten für alle Branchen gelten und dass sie sich auf einige wesentliche Erkenntnisse reduzieren lassen. Die Wahrheit ist im Grunde immer simpel. Heimito von Doderer brachte es auf den Punkt:

Ganze Sachen sind immer
einfach wie die Wahrheit
selbst. Nur die halben Sachen
sind kompliziert.2

Dementsprechend gehe ich das Thema dieses Buches auch etwas anders an, als andere Sachbücher es tun. Es geht mir nicht darum, Fakten von A bis Z zu vermitteln. Jeder von Ihnen arbeitet in verschiedenen Bereichen und Sie kennen Ihren Bereich und die fachspezifischen Details und Anforderungen am besten. Es wäre vermessen, wenn ich Ihnen hierzu Tipps geben würde. Ich möchte mich vielmehr auf die zwischenmenschlichen Abläufe im Businessgeschehen konzentrieren, die Ihre Karriere negativ oder positiv beeinflussen können.

Ich möchte Sie anhand von Beispielen aus der Praxis mehr zum Nach- und Einfühlen einladen und ich möchte, dass Sie nach der Lektüre ein besserer Beobachter in Ihrem eigenen beruflichen Umfeld sind, denn das ist die Grundlage für Ihre Karriere. Im Idealfall sollte Sie das Beobachten, das kritische Hinterfragen – auch Ihrer eigenen Vorstellungen und Werte – und eine klare Orientierung auf die Zielgerade bringen, hin zu Ihrer Wunschposition. Apropos Werte …

Menschen mit Sendungsbewusstsein, ganz gleich ob sie Psychologinnen, Motivationstrainer, Management-Coaches oder sonst was sind, raten denen, die eine Karriere in der Wirtschaft anstreben, die bekannten Kardinaltugenden zu pflegen. Da heißt es dann: Sei offen und ehrlich! Sei loyal deinen Vorgesetzten gegenüber! Sei klug, gerecht, mutig usw. Nur die wenigsten dieser Spezialisten haben aber selbst eine wirklich bemerkenswerte Karriere im Management hinter sich. Sie entscheiden recht willkürlich am grünen Tisch, was ihnen zu verkünden wichtig ist, vor dem Hintergrund dessen, was sie im Studium gelernt, in Büchern gelesen und bestenfalls in Firmen beobachtet haben. Oder schlimmer: Was sie am eigenen Leib erfahren haben und was sie so gekränkt hat, dass sie die Karriere an den Nagel hängten. Und was kommt dabei raus? Die halbe Wahrheit!

Jede Münze hat bekanntlich zwei Seiten. Das gilt auch für die Karriere. Und was sich so toll liest und mit hehren Ansprüchen daherkommt, entspricht nicht dem, was junge Menschen dann in Unternehmen erfahren, und meist auch nicht dem, was sie auf der Karriereleiter voranbringt. Entgegen allen Easy-going-Versprechen im Internet, wo man nur fünf Karrieretipps befolgen oder sieben Karrierekiller vermeiden muss, um die Leiter quasi hinaufzufliegen, ist meine Wahrheit eine weniger bequeme.

1 Müller, Jupp (1980), (1921-1985) verdingte sich zunächst als einfacher Arbeiter, bevor er Schriftsteller wurde.

2 Von Doderer, Heimito (1896–1966), in Repertorium (1996).