ISBN: 978-3-7494-5822-6

2. aktualisierte Auflage 2019

Die erste Auflage erschien 2013 im Verlag arteMedia, Riehen.

Bibelzitate, sofern nicht anders angegeben, wurden der Übersetzung «Zürcher

Bibel» entnommen: Zürcher Bibel, TVZ Theologischer Verlag Zürich, 2007.

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen

Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über

www.dnb.de abrufbar.

© 2019 Stefan Schweyer

Umschlaggestaltung und Layout: Stefan Schweyer unter Verwendung einer

Fotografie von Rodolfo Margues/Unsplash

Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt

Inhaltsverzeichnis

Nimm dir die gesunden Worte,
die du von mir gehört hast,
zum Vorbild im Glauben
und in der Liebe,
die in Christus Jesus sind.

2Timotheus 1,13

Wer aber andere Lehren verbreitet
und sich nicht an die gesunden Worte
unseres Herrn Jesus Christus hält
und an die Lehre,
die der Frömmigkeit entspricht,
ist ein Narr.

1Timotheus 6,3–4a

Gesunder Glaube

Es ist nicht selbstverständlich, dass christlicher Glaube gesund ist. Der Glaube erscheint in einer ungesunden Form, wenn er verbunden ist mit Fanatismus und mit Egoismus, wenn er reduziert wird auf eine vom übrigen Leben getrennte religiöse Dimension oder wenn er sich vor vernünftiger Reflexion scheut. Solcher Glaube ist zerstörerisch und hat selber kaum Bestand.

Was braucht es denn, damit der Glaube gesund ist? In den Briefen an seinen Schüler Timotheus betont Paulus, dass gesunder Glaube eine feste Grundlage braucht. Das lässt sich gut mit unserem biologischen Leben vergleichen. Zu einem gesunden Leben gehört eine richtige Ernährung. Wer sich ungesund ernährt, wer nur von Fastfood und Dessert lebt, der muss sich nicht wundern, wenn eine solche Ernährung unerwünschte Wirkungen auf den Körper hat. Das Gleiche gilt für den christlichen Glauben. Wer sich nicht an die «gesunden Worte» hält, dessen Glaube hat wenig Substanz. Er ist – um es mit den Worten des Paulus zu sagen – ein Narr.

Ernährungspyramide

Wir wissen heute recht gut Bescheid, wie eine gesunde Ernährung aussieht. Die wesentlichen Erkenntnisse kann man in Form einer Ernährungspyramide darstellen. Unten in dieser Pyramide, in der breiten Basis, befinden sich die «Grundnahrungsmittel», also diejenigen Lebensmittel, die man häufig konsumieren soll, dazu gehören ungesüsste Getränke, Früchte und Gemüse, Getreide, Reis, Brot, Teigwaren etc. Zum mittleren Bereich gehören Milch- und Fleischprodukte, ich nenne das den «Ergänzungsbereich». Die schmale Spitze beinhaltet die stark zucker- und fetthaltigen Speisen. Ich nenne diese Spitze den «Dessertbereich».

Es ist offensichtlich: Was schmackhaft und lecker ist, das gehört eher zum «Dessertbereich» als zum «Grundnahrungsbereich». Es ist daher verlockend, die Ernährungspyramide auf den Kopf zu stellen und sich hauptsächlich von dem zu ernähren, was auch schmeckt. Die Ernährungspyramide wurde als pädagogisches Instrument entwickelt, um diesem Trend entgegenzuwirken und zu sagen: Achten Sie gut darauf, was Sie essen. Ernähre Sie sich nicht vom «Dessertbereich», auch nicht vom «Ergänzungsbereich», sondern hauptsächlich vom «Grundnahrungsbereich». Halten Sie Mass mit ungesunden Lebensmitteln.

Ich möchte diese Einsichten auf den Glauben übertragen. Auch bei der geistlichen Ernährung gibt es einen «Grundnahrungsbereich», einen «Ergänzungsbereich» und einen «Dessertbereich». Gesunder Glaube besteht darin, die «Grundnahrung» häufig zu konsumieren und sich bei der geistlichen Ernährung nicht auf den «Ergänzungs-» oder «Dessertbereich» zu verlassen. Ich versuche, diese drei Bereiche präziser zu beschreiben.

Dessertbereich

Subjektive Seite des Glaubens Individuelle Glaubenserfahrungen

Ergänzungsbereich

Persönliche Seite des Glaubens Aneignung des Glaubens Lebensgestaltung

Grundnahrungsbereich

Objektive Seite des Glaubens Wahrheiten des christlichen Glaubens

Grundnahrungsbereich

Die «Grundnahrung» umfasst diejenigen Aspekte des christlichen Glaubens, die für alle Menschen zu allen Zeiten und in allen Lebenslagen relevant sind. Ich bezeichne das als die objektive Seite des Glaubens. Das sind diejenigen Dinge, die unabhängig von meinem momentanen Lebensgefühl und auch unabhängig von den Umständen gelten. Das Apostolische Glaubensbekenntnis ist eine hervorragende Zusammenfassung dieser «Grundnahrung». Diese Grundnahrung wollen wir im Laufe dieses Büchleins näher entdecken. Es ist diese «Grundnahrung», die uns als Christen über alle Kirchen und Denominationen hinweg miteinander verbindet.

Ergänzungsbereich

Der «Ergänzungsbereich» beinhaltet die persönliche Seite des Glaubens. Damit meine ich die persönliche Aneignung dessen, was in den «objektiven Bereich» des Glaubens gehört. Ich verdeutliche das an einem Beispiel: Die Aussage «Jesus ist gestorben» gehört zum Grundbestand des christlichen Glaubens, also zum «objektiven Bereich». Wenn ich diese Tatsache nun für mich selber akzeptiere und in mein Leben integriere, dann kann ich diese Aussage erweitern: «Jesus ist für mich gestorben». Immer dann, wenn ich eine Grundwahrheit des Glaubens für mich akzeptiere und in mein persönliches Leben integriere, dann bewege ich mich auf der Ebene des «Ergänzungsbereichs». Christlicher Glaube beginnt aber nicht mit dem Ergänzungsbereich. Bevor ich sagen kann, dass Gott mein Schöpfer ist, muss ich glauben, dass er überhaupt Schöpfer ist. Bevor ich gewiss sein kann, dass mir meine Sünden vergeben sind, muss ich glauben, dass Gott überhaupt Sünden vergibt. Ohne «Grundnahrung» macht der «Ergänzungsbereich» keinen Sinn.

Nun haben sich viele christliche Gemeinschaften vor allem aus dem freikirchlichen Spektrum auf diesen «Ergänzungsbereich» konzentriert. Diese Konzentration ist plausibel, solange die «objektive Seite» des Glaubens vorausgesetzt werden kann. Solange man also in einer Gesellschaft lebt, in der breit akzeptiert ist, dass es Gott gibt und dass Jesus Gottes Sohn ist, macht die Aufforderung Sinn, dass es darum geht, nicht beim «Namenschristentum» stehen zu bleiben, sondern sich persönlich auf diesen Gott einzulassen und sein Leben entsprechend zu gestalten. Zum «Ergänzungsbereich» gehören also die persönliche Aneignung des Glaubens und die persönliche Lebensführung als Christ. Beides gehört zusammen. Es gibt kein persönliches Christsein, ohne dass dies Auswirkungen auf die Lebensgestaltung hat. Das andere muss aber auch gesagt sein: Das Christsein beruht nicht auf der Ethik, sondern auf dem Glauben. Die Ethik gehört nicht in den «Grundnahrungsbereich». Daher muss es auch nicht verwirren, wenn Christen, die an den gleichen Gott glauben, ihr Leben unterschiedlich gestalten. Was Christen miteinander verbindet, ist nicht eine Gleichschaltung der Lebensführung, sondern eine gemeinsame «Grundnahrung». Wir haben ein gemeinsames «Brot», von dem wir leben, belegen dieses Brot aber durchaus sehr unterschiedlich und individuell.

Es wäre also jammerschade, den «Ergänzungsbereich» zu missachten und nur «trockenes Brot» zu essen, wenn auch «Käse» und «Fleisch» zur Verfügung steht. Die Einladung zu einer persönlichen Gottesbeziehung und zu einer christlichen Lebensgestaltung macht aber nur Sinn, wenn die «Grundnahrung» gegeben ist. Diese Voraussetzung ist in unserer Gesellschaft nicht mehr gegeben. Es reicht daher nicht aus, wenn die Kirche predigt: «Sie können eine persönliche Beziehung mit Gott haben.» Es gehört zur Aufgabe der Kirche, zuerst die «objektive Seite» zu klären und sagen, was denn überhaupt «christlicher Glaube» ist.

Dessertbereich

Der «Dessertbereich» steht in der geistlichen Ernährungspyramide für die subjektiven Glaubenserfahrungen. Solche Erfahrungen sind äusserst schmackhaft. Wer die Nähe Gottes ganz stark erfahren hat, möchte das nicht mehr missen. Wer Heilung erfahren hat, wünscht sich das natürlich auch für alle andern Menschen, die krank sind. Die Bibel ist voll von Erlebnissen in diesem «Dessertbereich», wenn wir nur an die Wunder denken, die rund um Jesus und die Apostel geschehen sind.

Ebenso deutlich ist auch, dass dieser Dessertbereich nicht in der eigenen Verfügungsmacht steht. Gott schenkt solche Wunder, wann und wo es ihm gefällt. Es ist schön und ein Geschenk Gottes, wenn man subjektiv starke Glaubenserfahrungen macht. Es wäre aber kurzfristig und kurzsichtig, wenn man denkt, über eine Erlebnissteigerung die Glaubenssubstanz stärken zu können. Es gab in der Geschichte Gottes mit den Menschen, mit dem Volk Israel und mit der Kirche immer auch wieder Zeiten, in denen der «Dessertbereich» mager ausgebildet war. Und solche Zeiten gehören auch zum normalen Christenleben. Glaube, der auch in «Dürrezeiten» nicht ausdorrt, darf nicht auf den «Dessertbereich» fixiert sein, sondern muss im «Grundnahrungsbereich» verwurzelt sein. Die Bibel gebraucht für dieses Verwurzeltsein das Bild eines Baumes, der auch in dürren Zeiten fruchtbar ist:

«Wer seine Lust hat an der Weisung des Herrn und sinnt über seiner Weisung Tag und Nacht, der ist wie ein Baum, an Wasserbächen gepflanzt: Er bringt seine Frucht zu seiner Zeit, und seine Blätter welken nicht. Alles, was er tut, gerät ihm wohl» (Psalm 1,1–2).

«Gesegnet der Mann, der auf den Herrn vertraut und dessen Zuversicht der Herr ist: Er wird sein wie ein Baum, am Wasser gepflanzt, und zum Bach streckt er seine Wurzeln aus. Und nichts hat er zu befürchten, wenn die Hitze kommt, das Laub bleibt ihm; und im Jahr der Dürre muss er sich nicht sorgen, er hört nicht auf, Frucht zu bringen» (Jeremia 17,7–8).

Die Christenheit war und ist in der Geschichte immer der doppelten Gefahr ausgesetzt, der Gefahr, dass man den Dessertbereich verleugnet und von Gott nichts mehr an Wunderbarem erwartet, und auf der anderen Seite der Gefahr, dass man die subjektiven Glaubenserfahrungen überbetont. Mir scheint das Bild der Ernährungspyramide hier hilfreich und gesund zu sein. Subjektive Erfahrungen gehören zum Christsein wie Desserts zu einer gesunden Ernährung. Sie müssen nicht sein, schon gar nicht bei jeder Mahlzeit, aber sie dürfen sein. Je besser man aus dem «Grundnahrungsbereich» ernährt ist, desto mehr kann man dann auch den «Dessertbereich» geniessen. Dann kann man sich an jedem Erlebnis mit Gott freuen, muss aber nicht verzweifeln, wenn solche Erlebnisse ausbleiben.

Ich glaube an Gott,
den Vater, den Allmächtigen,
den Schöpfer des Himmels und der Erde.

Und an Jesus Christus,
seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn,
empfangen durch den Heiligen Geist,
geboren von der Jungfrau Maria,
gelitten unter Pontius Pilatus,
gekreuzigt, gestorben und begraben,
hinabgestiegen in das Reich des Todes,
am dritten Tage auferstanden von den Toten,
aufgefahren in den Himmel;
er sitzt zur Rechten Gottes,
des allmächtigen Vaters;
von dort wird er kommen,
zu richten die Lebenden und die Toten.

Ich glaube an den Heiligen Geist,
die heilige, allgemeine, christliche Kirche,
Gemeinschaft der Heiligen,
Vergebung der Sünden,
Auferstehung der Toten
und das ewige Leben.

Amen.

Das Apostolische Glaubensbekenntnis – Grundnahrung für den Glauben

Wenn wir uns nun dem Apostolischen Glaubensbekenntnis zuwenden, dann beschäftigten wir uns hauptsächlich mit dem «Grundnahrungsbereich» des christlichen Glaubens. Lassen Sie mich kurz skizzieren, worin der Wert des Apostolikums besteht:

Das Apostolische Glaubensbekenntnis fasst zusammen, was den christlichen Glauben ausmacht. Es wird «apostolisch» genannt, nicht weil es direkt von den Aposteln verfasst worden wäre, sondern weil es eine inhaltlich präzise Zusammenfassung der Lehre der Apostel ist. Die im Bekenntnis formulierten Inhalte werden als objektiv gegeben dargestellt. Sie gelten unabhängig von den Umständen und dem Wohlergehen derjenigen Personen, die in dieses Bekenntnis mit einstimmen. Das Bekenntnis enthält drei Artikel, entsprechend dem Glauben an den dreieinen Gott. Im ersten Artikel geht es um Gott, den Vater. Der zweite Artikel beschreibt die Person von Jesus Christus und seinen Weg von der Menschwerdung über Kreuz und Auferstehung bis zur Wiederkunft. Im dritten Artikel geht es um den Heiligen Geist und sein Werk in und mit uns.

Das Apostolische Glaubensbekenntnis verbindet die Christen miteinander. Es gibt viele unterschiedliche Glaubensbekenntnisse. Die meisten Kirchen haben konfessionelle Bekenntnisse formuliert. Diese Bekenntnisse waren zur Klärung inhaltlicher Fragen wichtig, funktionierten aber gleichzeitig auch als Grenzmarkierungen zwischen den christlichen Konfessionen. Der Vorteil des Apostolischen Glaubensbekenntnisses ist sein hohes Alter. Aufbauend auf Taufbekenntnissen, die bereits im 2. Jahrhundert in Rom in Gebrauch waren, wurde das Apostolische Glaubensbekenntnis in seiner heute bekannten Sprachgestalt im 5. Jahrhundert in Südgallien ausformuliert. Damit reicht das Bekenntnis in die Zeit vor der Kirchenspaltung zwischen Ost- und Westkirche zurück. Es ist daher ein Bekenntnis, das die Christen aller Kirchen miteinander zu verbinden vermag. Ich verwende hier die im Evangelisch-reformierten Gesangbuch abgedruckte deutsche Übersetzung.1

Das Apostolische Glaubensbekenntnis ermöglicht das gemeinsame Bekennen des Glaubens im Gottesdienst. Das Apostolische Glaubensbekenntnis ist Bestandteil der Liturgie in der römisch-katholischen Kirche und in den meisten Kirchen der Reformation. In den reformierten Kirchen der Schweiz ist seit dem Apostolikumstreit im 19. Jahrhundert das Apostolikum nicht mehr verbindlicher Bestandteil des Taufritus und des Gottesdienstes. In den orthodoxen Kirchen findet die konkrete Formulierung selten Anwendung, der Inhalt ist aber unbestritten. In neueren Gesangbüchern aus dem freikirchlichen Spektrum ist das Apostolikum ebenfalls enthalten.2

Das Apostolische Glaubensbekenntnis stärkt den persönlichen Glauben. Es hilft zur Vergewisserung des eigenen Glaubens. Es bietet eine Orientierungshilfe, um das Wesentliche des Glaubens zu entdecken. Das «Ich», das prominent am Anfang des Apostolikums steht, weist uns darauf hin, dass die darin beschriebenen Inhalte persönlich angeeignet werden sollen. Damit schlägt das Apostolikum eine Brücke vom «Grundnahrungsbereich» zum «Ergänzungsbereich».

Das Apostolische Glaubensbekenntnis befähigt, über den christlichen Glauben kompetent Auskunft zu geben. Wer sich im Klaren ist, was er glaubt, kann auch darüber reden. Diese Klarheit ist nicht selbstverständlich gegeben. Oft verrennt man sich in Kleinigkeiten und Belanglosigkeiten. Der Blick auf das, was für den Glauben grundlegend ist, bewahrt davor, auf solche Nebengeleise zu geraten und sich in heillose Diskussionen zu verstricken. Das Apostolikum ist auch eine «Redehilfe» für Menschen, denen es schwerfällt, ihren eigenen Glauben zu formulieren. Ausgerüstet mit dem Apostolischen Glaubensbekenntnis muss man nicht länger schweigen, sondern findet Worte, um weiterzusagen, was man glaubt. Für diesen Glauben braucht man sich nicht zu schämen. Dieser Glaube kann auch nicht versteckt werden. Die ganze Welt soll es wissen und hören, wer der Gott ist, an den die Christen glauben.

Jubelt, ihr Gerechten, dem HERRN,
den Aufrichtigen ist der Lobgesang Freude.
Preist den HERRN mit der Leier,
spielt ihm auf zehnsaitiger Harfe.
Singt ihm ein neues Lied,
schlagt die Saite mit Jubelklang.
Denn das Wort des HERRN ist gerecht
und all sein Tun verlässlich.
Er liebt Gerechtigkeit und Recht,
von der Gnade des HERRN ist die Erde voll.

Keine Hilfe ist dem König das grösste Heer,
der Held wird nicht gerettet durch grösste Kraft.
Trügerische Hilfe ist das Ross,
und mit all seiner Stärke rettet es nicht.
Seht, das Auge des HERRN ruht auf denen,
die ihn fürchten, die auf seine Gnade harren,
dass er vom Tod ihr Leben errette
und sie am Leben erhalte, wenn sie Hunger leiden.

Unsere Seele wartet auf den HERRN,
er ist unsere Hilfe und unser Schild.
Über ihn freut sich unser Herz,
auf seinen heiligen Namen vertrauen wir.
Deine Gnade, HERR, sei über uns,
denn wir harren auf dich.

Psalm 33,1–5.16–22


1 Gesangbuch der Evangelisch-reformierten Kirchen der deutschsprachigen Schweiz, Basel: Reinhardt, 1998 (im Folgenden «Evangelisch-reformiertes Gesangbuch»), Nr. 263. Der Text ist identisch mit der Übersetzung, die 1970 von der Arbeitsgemeinschaft für liturgische Texte der Kirchen des deutschen Sprachgebietes verabschiedet wurde, mit der einzigen Ausnahme, dass beim Artikel über die Kirche das konfessionell besetzte Adjektiv «katholisch» mit «allgemein, christlich» wiedergegeben wird.

2 So z. B. in Feiern & Loben. Die Gemeindelieder, Hänssler 2003, Nr. 577.

«Ich glaube»

Vor mir liegt eine Karikatur. Zwei Menschen sind im Gespräch. Der eine sagt zum andern: «Es ist nicht so entscheidend, was du glaubst. Hauptsache, du meinst es ehrlich.» Stimmt das? Ist es tatsächlich nicht wichtig, was ich glaube? Und was ist eigentlich «Glaube»?

Ich bin wichtig

Ich – mit diesem starken Wort beginnt das Apostolische Glaubensbekenntnis. Es beginnt mit mir, bei mir. Ich bin entscheidend als derjenige, der glaubt. Ohne den Menschen als Subjekt des Glaubens macht ein Glaubensbekenntnis keinen Sinn. Der Glaube betrifft mich als individuelle Person, als einzelnen Menschen. Ich bin gemeint. Ich soll, darf und kann glauben. Aus diesem Grund heisst es zu Beginn des Glaubensbekenntnisses nicht: «Die Christen glauben …», «Die Kirche glaubt …» oder «Man glaubt …», sondern es heisst «Ich glaube …».

Das Bekennen des Glaubens ist damit eine ganz persönliche Angelegenheit. Da muss sich die Frage stellen: Kann ich denn meinen persönlichen Glauben mit Worten bekennen, die nicht von mir stammen? Wäre es nicht viel besser, ich würde mein eigenes Glaubensbekenntnis formulieren? Natürlich ist es schön, wenn ich mit eigenen Worten darüber Auskunft geben kann, wovon ich überzeugt bin. Der Apostel Petrus fordert uns sogar dazu auf: «Seid stets bereit, Rede und Antwort zu stehen, wenn jemand von euch Rechenschaft fordert über die Hoffnung, die in euch ist» (1Petrus 3,15). Wenn ich dieser Aufforderung nachkomme, dann wird meine Beschreibung des Glaubens sehr gefärbt sein von meinem eigenen Erleben, von meinen Umständen, von meinem Frömmigkeitsstil und von meinen Glaubenserfahrungen. Das darf auch so sein!

Allerdings sollten wir nicht vergessen, dass der Glaube dazu drängt, von sich selber auf Gott hinzuweisen. Johannes der Täufer steht uns dabei als Vorbild vor Augen. Mit seinem ganzen Leben und seinen Worten hat er nicht sich in den Vordergrund gerückt, sondern hingewiesen auf den, der kommen soll. Deshalb bekennt er: «Jener muss grösser werden, ich aber geringer» (Johannes 3,30). Wir merken: Wenn wir nur von uns und unseren auch noch so überzeugenden und starken Erfahrungen berichten, dann wird es nicht gelingen, von sich selber auf Jesus hinzuweisen. Dann wird man immer in der Gefahr stehen, sich selber zu präsentieren und sich selber zu wichtig zu nehmen.

Genau an dieser Stelle hilft uns das Apostolische Glaubensbekenntnis. Es verbindet das «Ich» mit der objektiven Wahrheit des Glaubens. Es beginnt mit mir, und zwar mit mir als demjenigen, der glaubt, aber es dreht sich nicht um mich. Das heisst: Das «Ich» ist schon anwesend im Glaubensbekenntnis, aber eben nur als «glaubendes Ich». Kaum bin ich da, trete ich schon wieder in den Hintergrund.

Ich glaube nicht an mich, sondern an Gott

Wenn wir uns das Apostolische Glaubensbekenntnis vor Augen halten, dann wird sofort deutlich, dass sich darin alles um Gott dreht, um den dreieinen Gott, den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist. «Ich» komme im Bekenntnis nur vor als derjenige, der bekennt und glaubt. Ich bekenne also nicht, was ich mache, wie ich lebe, was ich mir vornehme oder was ich erfahre. Mein eigenes Leben ist nicht Bestandteil des Glaubens, den ich bekenne. Das ist heilsam. Es erinnert uns daran, dass wir nicht an uns glauben, sondern an Gott. Nicht das «Ich» ist die Grundlage des Glaubens, sondern Gott.

Die objektive Seite des Glaubens

Diese objektive Seite beinhaltet Glaubenswahrheiten, die unabhängig von meiner aktuellen Tagesverfassung, meiner Laune, meiner Kraft und meinem Gefühl bestehen. Diese objektiven Tatsachen tragen mich besonders auch in schweren Zeiten. Wenn mein persönlicher Glaube wankt, wenn Zweifel mich durchbohren, meine Kraft und Überzeugung schwinden und die Erfahrung ausbleibt, wenn Krankheit und Schwachheit mich treffen, wenn ich versage und schuldig werde, wenn das Alter zunimmt und der Tod naht, bleibt die objektive Glaubenswahrheit unangetastet stehen, da sie ausserhalb meiner selbst liegt. Mein Empfinden und Erleben tangieren sie nicht. Die objektive Seite unseres Glaubens ist unverletzlich, nicht anzukratzen, nicht zu verrücken. Sie ist eine absolut feste und verlässliche Grundlage. Sie ist die Konstante, wenn alles sich ändert.

Weil das Apostolikum diese objektive Glaubenswahrheit schildert, kann ich dieses Bekenntnis in jeder Lebensphase beten, in guten wie in schlechten Tagen, bei fröhlicher wie bei mieser Laune, in einem langweiligen und einem spannenden Gottesdienst. Stimme ich also ins Glaubensbekenntnis ein, so kommt damit zum Ausdruck, dass diese objektiven Glaubenstatsachen Grundlage meines persönlichen Glaubens sind.

Glaube – eine feste Überzeugung

Wenn wir von einer objektiven Seite des Glaubens sprechen, ist deutlich, dass Glaube mehr ist, als man umgangssprachlich oft mit diesem Wort assoziiert. Im Alltag gebrauchen wir das Wort «glauben» meist dann, wenn wir verunsichert sind. Wenn wir das Haus verlassen und meine Frau mich kurz darauf fragt: «Hast du die Türe abgeschlossen?», so antworte ich: «Ich glaube schon.» Damit gebe ich zum Ausdruck, dass ich mir nicht hundert Prozent sicher bin. Meine Frau bemerkt meine Unsicherheit und fragt noch einmal nach. Je nachdem müssen wir zurückkehren, um uns zu vergewissern.

Der christliche Glaube hat mit diesem unsicheren Alltagsglauben nichts zu tun. Glaube im christlichen Sinn ist keine Unsicherheit. Im Gegenteil. Glaube ist eine feste Überzeugung. «Was ist denn der Glaube? Er ist ein Rechnen mit der Erfüllung dessen, worauf man hofft, ein Überzeugtsein von der Wirklichkeit unsichtbarer Dinge» (Hebräer 11,1 NGÜ).

Und es ist eine besondere Art der Überzeugung, denn es handelt sich, wie der Hebräertext sagt, um den Glauben an etwas, was wir nicht sehen, auch nicht sehen können. Glaube bedeutet also, dass ich von etwas überzeugt bin, was ich mit meinen menschlichen Sinnen nicht erfassen kann. Ich glaube daran, dass diese Welt, die ich sehen, spüren und erfassen kann, nicht alles ist. Man kann beim Glauben zwei Dimensionen unterscheiden: «Glaube, dass» und «Glaube an».

«Glaube, dass»

Zum einen bedeutet Glaube, dass ich von bestimmten Tatsachen überzeugt bin, auch wenn ich diese nicht beweisen kann. Hierbei handelt es sich um die inhaltliche Komponente des Glaubens. Ich nenne diesen Glauben «Glaube, dass». Dazu einige Beispiele:

«Glaube, dass» bedeutet, von einer Wirklichkeit überzeugt zu sein, die unsere Welt übersteigt. «Glaube, dass» ist ein wichtiger Teil des christlichen Glaubens. Wer glaubt, soll darüber Auskunft geben können, was er glaubt.

«Glaube an»

Im Glaubensbekenntnis heisst es aber nicht: «Ich glaube, dass es Gott gibt, dass er der Vater ist», sondern es heisst: «Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen.»

«Glaube an» ist tiefer, intensiver und existenzieller als «Glaube, dass». «Glaube, dass» ist die Zustimmung zu gewissen Aussagen und Tatsachen. «Glaube an» heisst: Ich lasse mich auf das ein, was ich für wahr halte. Ich setze mein Vertrauen in eine Person, in ein Gegenüber. Ich glaube nicht nur, dass Gott existiert, sondern ich vertraue diesem Gott mein Leben an. Es ist ein grosser Unterschied, ob ich zu jemandem sage: «Ich glaube, dass du ein guter Gleitschirmflieger bist», oder ob ich bereit bin, einen Tandem-Sprung mit dieser Person zu wagen.

«Glaube an» betrifft meine ganze Person. Im Glaubensbekenntnis geht es um den «Glauben an». Es geht um die Frage, wem ich mein Leben und meine Existenz anvertrauen will. Das Glaubensbekenntnis ist als Antwort auf diese Frage entstanden. Es hat seinen Ursprung in der Taufe. Vor der Taufe wurde üblicherweise ein Taufgespräch geführt.

«Glaubst du an Gott?»

«Ja, ich glaube an Gott.»

«Glaubst du an Jesus Christus?»

«Ja, ich glaube an Jesus Christus.»

«Glaubst du an den Heiligen Geist?»

«Ja, ich glaube an den Heiligen Geist.»

Später wurden diese Antworten in den Formulierungen des Glaubensbekenntnisses zusammengefasst und wiedergegeben: «Ich glaube an Gott, an Jesus Christus, an den Heiligen Geist.»

Mit der Taufe bekennt ein Christ, dass er nicht auf sich selbst vertraut, auch nicht auf andere Menschen, auf Politiker, die Armee oder andere Götter. Vielmehr ist die Taufe ein Bekenntnis dafür, das eigene Leben dem dreieinigen Gott anzuvertrauen und sich ihm zu unterstellen. Das Apostolische Glaubensbekenntnis ist deshalb eine Einladung, das eigene Leben in Gottes Hände zu legen.

Gebet:

Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Ich bete Dich an. Ich glaube an Dich.
Ich danke Dir für alle Menschen, die vor mir an Dich geglaubt haben.
Ich danke Dir, dass sie über den Glauben nachgedacht haben und uns die
Früchte – auch in der Form dieses Bekenntnisses – überliefert haben.
Danke, dass wir eingebettet sein dürfen