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© 1.Auflage: 2019
Gabi Haug
Illustration: Gabi Haug
Umschlaggestaltung: Gabi Haug
Layout: Gabi Haug
Hinweis: Die Namen und Clans in meiner Geschichte sind erfunden und entstammen meiner Fantasie. Ähnlichkeiten zu anderen Geschichten oder Ereignissen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.
Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN: 978-3-7494-4428-1
Mein großer Dank geht an …
meine liebe Eileen und meine liebe Dana
für die immer wieder geopferte Freizeit
als Korrekturleserinnen.
Ebenso geht ein solcher Dank
an meine liebe Lektorin,
für die wertvolle Unterstützung.
Schottland, Highlands, anno 1263 …
Es waren keine ruhigen Zeiten für Schottland, denn das Land befand sich schon seit dem Jahr 1034 unter englischem Einfluss. König Alexander III*, auch Alexander der Glorreiche genannt, aus dem Hause Dunkeld, hatte im Jahr 1262 seine Volljährigkeit erlangt und den Thron bestiegen. Sein Vater Alexander II, hatte bereits 13 Jahre zuvor die Absicht gehabt, die Äußeren Hebriden* in das schottische Reich zu integrieren, doch die Invasion wurde wegen seines plötzlichen Todes abgebrochen. Aus diesem Grund hatte der junge Alexander III vor dem norwegischen König Håkon IV seinen Anspruch geltend gemacht, war jedoch zurückgewiesen worden. Nun hatte er ein Jahr später mit den Norwegern und deren Invasion zu kämpfen. Doch selbst diese Schwierigkeiten des Königs hatten keine Auswirkungen auf den kleinen Clan der MacMorvens gehabt. Bis auf den einen oder anderen Viehdiebstahl der kleinen Clans untereinander hatte es kaum Ärger zwischen den Clanmitgliedern gegeben.
Einst waren die Vorfahren der MacMorvens Seefahrer gewesen, doch seit vier Generationen hatte es die Clanmänner, die sich noch immer als Thanes* des Königs bezeichnen durften, von den Blanken der Schiffe auf das Land und in ihre Burg verschlagen. Doch an diesem Abend im Frühjahr des Jahres 1263 nach einem Kampfwettbewerb sollte sich das friedliche Leben ändern.
Ermod MacRaily kehrte vom Austritt zurück, leerte seinen Bescher in einem Zug, dann stieß er mit vom Alkohol schwerer Zunge hervor: »Ich weiß, … du hast beim Wettkampf betrogen, … Wallace!« Diese Demütigung fraß sich wie eine Schlange in seine Eingeweide.
»Du bist … doch nur beleidigt, weil es dir … nicht gelang den Wettkampf für dich zu entscheiden«, stieß der angegriffene Gastgeber mit ebenso schwerem Zungenschlag hervor.
Mit einem wutverzerrten Blick fuhr Laird Ermod auf: »Du … du kriegst gleich eins … aufs Kinn, du … elender Betrüger.«
Wallace schnellte von seinem Stuhl hoch. »Wenn dir etwas nicht passt, dann … verschwinde doch … einfach.«
»Du hast unsere Freundschaft … verraten, du eingebildeter …. Bock«, polterte Ermod und holte mit geballter Faust aus.
Wallace hob ebenfalls die Faust. Er war dabei etwas schneller.
Die Wucht des Treffers stieß Ermod nach hinten. Er verlor das Gleichgewicht und knallte Rücklings mit dem Hinterkopf auf die Kannte der Tischplatte.
Es folgten einige ewig scheinende Augenblicke.
Starr vor Schreck und leichenblass geworden, starrte Wallace junge Nichte auf den Mann, der nun bewegungslos am Boden lag und sich nicht mehr rührte.
Da eilte ein Mann herbei und bückte sich nach dem Gestürzten. Er fühlte nach dessen Puls. Nach kurzem Zögern sah er kummervoll nach oben zu den Umstehenden, schwieg und schüttelte dann den Kopf. Dann sagte er mit erschütterter Stimme: »Er ist tot! Hat sich an der Tischkante den Schädel eingeschlagen.« Der Tonfall des Mannes ließ keinen Zweifel daran zu und als Beweis, zeigte er seine Handfläche, die er dem Laird unter den Kopf geschoben hatte, welcher voller Blut war.
Entsetzt schlug Màiri die Hände vor den Mund, ihr blieb fast das Herz stehen.
Stendhal de Morau amüsierte sich innerlich über die Entwicklung an diesem späten Abend und über das Entsetzen aller nur noch wenigen Anwesenden. Hatte er doch selbst zu dem Streit beigetragen, indem er dem Laird beim stillen Örtchen etwas von Betrug beim Wettkampf von Wallace gegenüber hatte verlauten lassen. Der daraufhin so schnell entbrannte Streit zwischen den Lairds, hat ihm seine Aufgabe um einiges leichter gemacht. Er hatte sich vor Wochen als französischer Händler bei Wallace vorgestellt, der Geschäfte mit ihm machen wollte. Schottland und Frankreich waren zu wichtigen Handelspartnern vor allem in den Highlands und auf den Inseln geworden. Nachdem er Wallace Vertrauen gewonnen hatte, hat Stendhal ihm eröffnet, dass er im Geheimen Verbündete gegen die Engländer suchte. Dabei hatte er auch erfahren, dass die beiden Clans einen Wettkampf geplant hatten. Er war mit einem Schlag nüchtern. Stendhal erkannte seine Chance.
Wallace war in einem Schockzustand gefangen, als er das rote Rinnsal am Boden beobachtet, dass sich langsam als Lache neben dem Kopf seines alten Freundes bildete. Es war ihm ein Rätzel, was soeben geschehen war und doch begriff er langsam, dass er seinen Freund getötet hatte.
Dies nutzte Stendhal aus. Er wandte sich an Wallace: »Soll ich den Leichnam für Euch aus der Halle an einen anderen Ort schaffen lassen? Ich denke es wäre besser, vor allem für Eure Nichte und die weiblichen Bediensteten des Hauses.«
Wallace brauchte ein paar Sekunden, bis er bejahend nickte. »Lasst ihn bitte in das Gemach bringen, dass er in den letzten Tagen bewohnt hat! Ich bringe zunächst meine Nichte hinauf in ihr Gemach. Komm Kind! Dann werde ich Ralph MacBans wecken, denn er muss wissen was geschehen ist.«
Màiri schniefte. »Wie konnte das geschehen?«, murmelte sie.
»Beruhige dich, mein Kind!«, bat Wallace und ergriff die Hände seiner Nichte. »Ich weiß, ich stecke womöglich in großen Schwierigkeiten.«
Màiri löste ihre Hände aus denen ihres Onkels und wischte sich über das Gesicht. »Du musst sogleich zu Ralph MacBans und es ihm erklären.«
Wallace nickte und ließ seine schockierte Nichte allein in ihrem Gemach zurück.
Es war eine klare Nacht. Die Sterne schimmerten wie hingeworfene Münzen am nachschwatzen Himmelszelt. Màiri stand am Fenster und fragte sich, was es mit diesen winzigen Lichtern wohl auf sich hatte. Waren es Löcher im Himmelszelt, durch die Gottes Glanz herabschien? Wieso beeinflussten die Sterne das Schicksal der Menschen? Was ist wohl mein Schicksal? Herrgott, warum hast du zugelassen, dass sowas passieren konnte?, murmelte sie und schluchzte. Sie kniete nieder, legte den Kopf an die kühle Steinwand, damit der Schmerz mit seinen Tränen nach außen dringen konnte.
»Mein Gott, Wallace, was ist los? Was gibt es denn so Wichtiges Mitten in der Nacht?« Ralph MacBans der schon fest geschlafen hatte, sah den Gastgeber fragend aus schläfrigen Augen an, der ihn gerade aus dem Tiefschlaf gerissen hatte.
Wallace der den Kopf ungewohnt tief zwischen die Schultern gezogen hatte, hob den Blick. »Es ... es ist ... es ist etwas Schreckliches passiert«, stammelte er, da er nicht die richtigen Worte fand.
»Ist es wegen Ermod? Hat er mal wieder gemeinsam mit dir zu viel gesoffen?«, knurrte Ralph MacBans.
»Schlimmer! Wir hatten einen Streit und er ist - er ist tot.«
Ralph MacBans Augen verengten sich zu Schlitzen. »Was? Willst du Suffkopf mich auf den Arm nehmen? Das ist doch wohl ein übler Scherz? «
»Ich wünschte es wäre einer«, flüsterte Wallace matt.
In Ralph MacBans Augen trat ein fragender Ausdruck. Er schien auf eine ausführliche Erklärung seines Gegenübers zu erwarten. Als diese ausblieb, fuhr er Wallace wütend an: »Verdammt Wallace, erklär mir sofort was geschehen ist!«
»Es war also ein Unfall, behauptest du!«, stöhnte Ralph MacBans und rieb sich mit den Händen über das Gesicht.
Wallace nickte erneut.
Ralph warf ihm einen düsteren Blick zu, während er Wallace Arm packte. »Wo ist er? Bring mich sofort zu ihm.«
»Ich habe das Gefühl, du glaubst mir nicht, doch es gibt Zeugen!«, erklärte Wallace verzweifelt.
»Wallace es geht nicht darum, dir etwas nicht zu glauben. Ich bin tief bestürzt und betroffen, wir haben einen Lebensfreund verloren, der durch deine Schuld tot ist! Ich war sein Begleiter und bin ein Mann der MacRaily‘s. Ich brauche Beweise für seinen Neffen und den Clan, dass es ein fataler und unbeabsichtigt tödlicher Unfall war, durch den sein geliebter Onkel auf so tragische Weise ums Leben gekommen ist!«, erklärte Ralph. »Sonst kann ich für nichts garantieren, denn es liegt mir gerade jenseits jeder Vorstellung, wie Logan darauf reagieren wird. Das ist die unbequeme Wahrheit, der du dich nun neben deinem Gewissen stellen musst!«, mit diesen Worten stieß der am Boden zerstöre Ralph MacBans Wallace aus der Tür, in den Gang hinaus.
»Wie bedauerlich für Euch Laird, dass es so für Euch enden muss.«
Das Herz von Ermod MacRaily schlug noch, der auf dem Bauch in der Bettstadt lag. Der Laird war lediglich bewusstlos.
Oh Gott, wie er es liebte vor allem diesem elenden Schotten den Garaus zu machen! Vor allem sein Halbbruder würde es ihm auf ewig danken. Er hob die Hand mit dem scharfkantigen Stein, hieb noch einmal mit voller Wucht auf die Stelle der zuvor in der Halle durch die Tischkante entstandenen Platzwunde. Ein knacken ließ ihn gehässig grinsen. Nun erst war der Laird wirklich tot, die starren Augen starrten ins Leere. Er wusste, es würde gewiss zu einer Fehde zwischen den beiden Clans kommen. Das barbarische Clan-Fehdeunwesen der Schotten war eine große Hilfe, um seinen Auftrag zu erfüllen, da konnte sich Alexander III. noch so sehr als geschickter Politiker erweisen und versuchen sich der Loyalität der Hochland-Lairds zu sichern, um das Hochland zu befrieden.
Ein Geräusch ließ ihn wenige Augenblicke später zusammenfahren. Er konnte gerade noch rechtzeitig den Stein verschwinden lassen, bevor die Tür geöffnet wurde und ein betreten dreinschauender Hausherr, gefolgt von Ralph MacBans, das Gemach betraten.
Ralph MacBans sah stumm in den Raum, sah dann Stendhal de Morau durchdringend an, während er ans Bett trat, in dem sein toter Freund lag.
»Es war ein wahrhaft tragischer Unfall, dies kann ich nur noch einmal versichern!«, erklärte Wallace erneut.
»Warum sind Sie hier? «, murmelte Ralph tonlos, nachdem er sich vom Tod des Lairds vergewissert hatte.
Stendhal hielt von der anderen Bettseite her seinem Blick stand.
»Auf den Wunsch von Laird Wallace bin ich hier!«, erklärte er. »Wahrhaft tragisch was geschehen ist. Aber es war ein Unfall.«
Wallace fuhr sich mit der Hand durchs Haar, schüttelte verzweifelt den Kopf. »Das ist schlimm, das hätte nicht passieren dürfen! Da habe ich meinen Clan und dich Ralph, in einen gewaltigen Schlamassel manövriert.«
»So würde ich das nicht sagen«, erwiderte Ralph. »Ich muss es Logan nur beibringen. Der Rest ist deine Sache! Ich mach mich wohl an besten beim ersten Morgengrauen auf den Weg und bringe ihn her. Auch wenn ich dir glaube Wallace, dass es ein Unfall war, wundere dich nicht, wenn der Junge es anders sieht.«
»Ihr seid schon zurück?« fragte Logan MacRaily verwundert, als Ralph MacBans durch die Tür des Pferdestalles trat.
Der Chiftain schüttelte verneinend den Kopf, dann legte er eine Hand auf die Schulter von Logan. Seine Stimme war kaum zu hören. »Ich bin alleine. Dein Onkel ist tot.«
Logen erstarrte in seiner Bewegung. »Wiederhohle was du gerade gesagt hast, Ralph! Und dann erkläre mir gefälligst was geschehen ist!«, forderte Logen Ralph MacBans auf.
So berichtete Ralph, was er zu dem Vorfall sagen konnte.
Ralph fühlte sich noch unbehaglicher, als Logan mit leerem Blick durch ihn hindurchstarrte.
Außer sich vor Wut versuchte Logen Luft zu holen, doch der Schmerz schnürte ihm die Brust ein. Er sah zum Himmel empor und stieß hervor: »Das soll mir der Dreckskerl von MacMorven büßen, ich bringe ihn um!«, und er lief eiligst aus dem Stall.
Ralph folgte ihm. Unwillkürlich musste er an sich selbst denken; Wie würde er wohl reagieren, wenn er an Logans Stelle wäre - gewiss wohl auch nicht anders! »Logen, alle die dabei waren beteuern, dass es ein Unfall war. Wallace hat mich hergeschickt, um dich zu holen.«
Logen blieb stehen. »Er hat unseren Laird getötet.«
»Wenn du auf ihn losgehst, ohne dir seine Erklärung anzuhören und der König bekommt Wind davon, so musst du selbst mit einer Bestrafung durch die Obrigkeit rechnen, denn die MacMorven gelten immerhin weiterhin als Thanes des Königs.
Es ist unklug einen solchen Gefolgsmann ohne rechtliche Handhabe anzugreifem, du riskierst zudem dabei, deine Ehre zu verlieren!«
»Die Ehre meiner Familie ist nicht einfach verletzt worden, Wallace Handeln hat meine Familie ausgelöscht. Werde ich nicht tätig, steht meine Ehre, die meines gemeuchelten Onkels, sowohl die meines Clans auf dem Spiel. Aber gut, ich werde die Regeln einhalten, so schwer es mir auch gerade fällt! Wir werden in der nächsten Stunde noch aufbrechen. Ich werde meine Sachen holen. Iss was und dann kümmere dich um den Clan.«
»Ich komme natürlich mit!«, presste Ralph hervor.
Logan konnte es sich selbst nicht erklären, doch all seine Verzweiflung über den Tod seines Onkels entlud sich jetzt auf seinen Freund und Lehrmeister. Obwohl er eigentlich wusste, dass er Ralph damit verletzte, nahm seine Stimme einen schneidenden Unterton an: »Jetzt werden wir mal sehr persönlich, Ralph! Du hast ihn begleitet und jetzt ist er tot. Hast du überhaupt irgendeine Vorstellung davon, was in mir gerade vorgeht! Ich denke, ich habe jetzt gezwungener Masen hier in der Rangordnung das Sagen, und ich sage daher, du bleibst hier!«
Ralph holte tief Luft, als wollte er etwas sagen, winkte dann jedoch ab. »Aye Laird«, stöhnte er müde. »Ich werde mich darum kümmern, dass unsere Leute erfahren was für ein schreckliches Unglück geschehen ist.«
»Unglück sagst du? Aber lassen wir das, ich habe weder Kraft noch Lust, weiter über etwas zu diskutieren, was ohnehin erst zwischen Wallace und mir geklärt werden muss!«
Einige der Bediensteten waren bereits auf die Beiden aufmerksam geworden und warfen ihnen fragende Blicke zu. »Unser Laird ist tot!«, erklärte Logen tonlos.
Eine Frauenstimme schrie entsetzt auf: »Nein …«
Die Stimme gehörte zu Rodina, einer etwa vierzigjährigen Frau mit hellgrauen Augen und blonden Locken, die unter ihrer Haube hervorglitten. Sie lebte schon seit 20 Jahren auf der Burg.
Logen ging zu der Frau hinüber, um sie zu trösten, so als hätte er gerade nicht genügend eigene Sorgen. »Es tut mir leid, dass du es so erfahren musstest Rodina.« Ein paar Augenblicke stand sie wie angewurzelt da, dann griff Logen in seine Hosentasche und reichte der Frau einen Schlüssel. »Rodina, so lange ich nicht da bin, bist du für den gesamten Haushalt zuständig. Pack bitte etwas Proviant für fünf Männer ein. Es eilt!«, drängte er.
»Es tut mir auch für Euch so leid, Logan.«
Logen zuckte hilflos die Achseln und wandte sich zum Gehen. Nach ein paar Schritten hielt er inne und drehte sich noch einmal zu Ralph um. »Auf was wartet der Chieftain, wolltest du nicht meine Clanleute über das Ableben ihres Chiefs informieren?«
Am Morgen des sechsten Tages, nach dem dramatischen Vorfall, erklangen Rufe von der Castlemauer, als sich Reiter näherten.
Laird Wallace erhob sich.
Màiri tat es ihm gleich.
Er schüttelte verneinend den Kopf.
»Onkel Wallace, ich möchte dich aber begleiten!«
»Nein Kind, dies ist alleine meine Angelegenheit. Es ist auch besser sie sehen dich nicht. Geh bitte in dein Gemach und bleibe dort!«
Màiri gehorchte schweren Herzens. Eines der Dienstmädchen folgte ihr nach oben. Tröstend meinte die Magd: »So sind die Männer eben! Sie legen großen Wert darauf ihre Probleme ganz alleine zu lösen, selbst wenn wir in den besten Absichten versuchen ihnen beizustehen. Nur sie alleine entscheiden.«
Màiri setzte sich in die Fensternische ihres Gemachs und sah zum Hof hinunter. Sie wusste zu gut, die Unbeherschtheit beider Lairds durch ihr Saufgelage, hatten alle in eine missliche Lage gebracht, aber vor allen ihren Onkel der den Tod seines Freundes nicht beabsichtigt hatte. Doch wie würde der Neffe des tötlich Verunfallten auf dessen Tod reagieren? Schon erwog sie erneut in den Hof hinunter zu gehen. Sie unterließ es, denn sie wollte ihren Onkel nicht verärgern. Also blieb sie bedrückt in ihrer Kammer.
Eingebettet in sanfte grüne Hügel lag auf einer steinernen Anhöhe die Burg. Logan und seine Männer ritten zum Burgtor hinauf und verlangten Einlass.
Es dauerte nicht lange, da ertönte der Ruf: Öffnet das Tor!
Kaum waren Logan und seine Männer in den Hof geritten und hatten die Pferde untergestellt, kam ihnen auch schon Wallace entgegen. »Es ist eine traurige Begebenheit, die uns hier zusammengeführt hat. Es tut mir so leid!«
Logens Groll wuchs und erzeugte in ihm kalte Wut. Dennoch unterdrückte er seine Agression. »Ist das alles was Ihr mir zu sagen habt, MacMorven?« Er klang beherrscht, doch der bezwungene Wutausbruch lies seine Stimme hörbar erzittern.
»Ich bin bereit dafür zu sühnen!«
»Ihr seid also dazu bereit für den Todschlag an meinem Onkel durch den Schwertstreich eines Henkers aus meinem Clan in den Tod zu gehen?«
Wallace stieß einen Seufzer aus: »Natürlich nicht! Ich gedenke Euch für meine Schuld am Tode Eures Onkels, denn es war ein bedauerlicher Unfall, finanziell zu entschädigen. Also Euch ein Blutgeld zu zahlen.«
Der Blick von Logan war von tiefer Verachtung und Zorn erfüllt. Seine Hand glitt an den Schwertknauf, während er mit vor Wut dröhnender Stimme so laut hervorstieß, dass seine Worte über den gesamten Hof und bis zu Màiri hinauf zu hören war: »Und ihr denkt, dies würde mir als Sühne reichen, für den schändlichen Tod meines Onkels durch Eure Hand?«
Einige von Wallace Krieger traten näher heran und zogen ihre Klingen, bereit sich auf Logan zu stürzen und ihren Laird zu schützen, während einer der Männer ungehalten hervorstieß: »Macht keine Fehler, Ihr geltet hier noch als Besucher, also nehmt die Hand von Eurem Schwert, Logan. Oder ... «
»Oder ... was?«, zischte Logan. »Tötet ihr mich dann auch einfach so wie meinen Onkel?«
»Der Laird hat ihn nicht umgebracht.«
»Für mich macht es dennoch keinen Unterschied, oder ist er etwa nicht an seinem Tod schuld, da er ihn geschlagen hat?«, knurrte Logan
Wallace hielt seine Männer mit erhobener Hand zurück. »Logan MacRaily, ich führe Euch jetzt zu dem Leichnam Eures Onkels, dann nehmt ihn und geht«, brachte Wallace mit erzwungener Ruhe hervor.
Mit weit ausgreifenden Schritten ging er voran, ohne auch nur auf Logans nächste Reaktion zu warten. Er erklomm die Stufen zum Wohnturm, um diesen zu betreten.
Logen folgte ihm.
Wallace führte ihn eine schmale steile Treppe hinauf, die in einem mit zwei Fackeln mäßig beleuchteten Gang endete. An dessen Ende blieb er vor einer Tür stehen und öffnete sie.
Schließlich trat Logan an ihm vorbei und über die Schwelle in den spärlich erleuchteten Raum hinein. Sein Blick wanderte zur Bettstatt und legte sich auf den dort liegenden Körper. Es handelte sich um den Leichnam seines Onkels. Dann wandte er sich um, zu dem Mann, der für das tragische Schicksal seines Onkels verantwortlich war.
Wallace versuchte noch einmal sich Logan zu erklären: »Logan lasst uns in Ruhe darüber sprechen. Es musste doch möglich sein, dass Ihr Einsicht annehmt!«
Genau diese Worte brachten bei dem jungen Schotten, erneut das Fass zum überlaufen, der mit seinem Onkel, seinen letzten Verwandten verloren hatte. »Eure Beteuerungen und fadenscheinige Behauptung, Ihr habet dies nicht gewollt, sie spielen für mich und meinen Clan keine Rolle. Ich gebe Euch sieben Tage, Euch mir zur Verantwortung Eurer Tat zur Aburteilung auf meinem Clanland zu stellen, oder ich werde nach Ablauf der Frist Euch und die Euren befehden, Wallace. Das ist mein letztes Wort.«
»Dann befehdet uns, wenn Ihr mein Wiedergutmachungsangebot für einen bedauerlichen Unfall nicht annehmen wollt. Doch bedenkt, es gibt auch Zeugen dafür, dass Euer Onkel auf mich zuerst losging, vergesst dies nicht.«
Ohne ein weiteres Wort verließ Logan das Gemach. Zurück im Hof gab er seinen Männern die Anweisung den Leichnam seines Onkels zu holen. Als dies geschehen war, verließen sie das Castle.
Das Gesicht Logans war erstarrt. Sein Blick war auf den in Decken gehüllten Leichnam seines Laird - der sein Onkel gewesen war, und über dem Rücken des Pferdes vor ihm lag gerichtet.
Stendhal de Morau, ritt an ihn heran und raunte in gebrochenem Schottisch mit französischem Akzent, während er sich bekreuzigte: »Er hat ihn getötet, auch wenn er und seine Leute Euch etwas anderes einreden wollen. Betrachtet die Wunde mal etwas genauer.«
Logan sah auf und warf dem spitznasigen Mann einen prüfenden Blick zu. »Ihr wart dabei, Fhrangaich*? «
Stendhal nickte bejahend. »Es ging so schnell … niemand konnte noch eingreifen. Euer Chieftain Ralph MacBans, hatte sich schon zurückgezogen und ich, ich bin kein Krieger, sondern Stendhal de Morau Wollhändler aus Toulouse, der hergekommen ist, um Wolle einzukaufen. Ich hielt Wallace bis vor fünf Tagen noch für einen Ehrenmann, doch nun weiß ich, dass er ein Mensch ohne Gewissen ist. Mit einem solchen will ich keinen Handel treiben.«
Der angebliche Stendhal de Morau trieb, nachdem er den Mitfühlenden spielend, sein Beileid geheuchelt, sein Pferd und sein mitgeführtes Packpferd an. Ein hinterhältiges Lächeln glitt über sein Gesicht, während er sich auf und davon machte.
»Was sollte das - vorhin? Wolltest du dich von Logen umbringen lassen?«
»Nein, ihm die Sache erklären. Doch es interessiert ihn nicht, denn er hat die Absicht uns zu befehden. «
Wir haben somit ein Problem, Wallace! Ein richtig großes Problem!«
»Ich weiß, Aros!«, brummte Wallace.
»Was ist passiert?«, mischte sich Màiri ein, die gesehen hatte, dass die MacRaily Männer, mit dem in Decken gehüllten Leichnam das Castle verlassen hatten. Danach hatte sie ihr Gemach verlassen, um sich bei ihrem Onkel nach dem Ausgang des Gespräches zu erkundigen.
»Was passiert ist?«, rief Wallace. »Das kann ich dir sagen, Kind! Logan bezichtigt mich des Totschlags und will eine Fehde. Also soll er sie haben. Wir werden uns noch heute rüsten. Immerhin habe ich mit Stendhal de Morau einen außenstehenden Zeugen, um beim König vorzusprechen! Das werde ich tun und es dem jungen Schnösel zeigen. Der König wird ihn schon zur Räson bringen.«
»Da gibt es glaube ich nur ein gewaltiges Problem, denn dein Zeuge Stendhal de Morau hat kurz nach Logen und seinen Männern unser Castle mit samt seinem Packpferd verlassen, Onkel Wallace.«
»Bist du sicher?«, murmelte Wallace.
»Ich denke daher, dass wir eine andere Lösung finden müssen. Vielleicht gibt es die Möglichkeit, dass ich mit Logan MacRaily spreche um ihm den Sachverhalt erklär...«
»Denk' nicht einmal daran, mein Mädchen! Ich war ein Narr und der Illusion erlegen, es ließe sich einfach so regeln.«
Es gab unweit der Mauer von Glen Castle einen Friedhof, dort lagen Logans Ahnen und auch seine Eltern in einer Gruft beigesetzt. Seine Clanleute hatten ihn gebeten selbst die Beisetzung zu leiten.
Nachdem sein Onkel beigesetzt war, rief Logan seine Clanleute im Innenhof des Castle zusammen. Logen stellte sich auf die oberste Stufe und richtete sein Augenmerk auf seine Leute, dann sprach er: »Wallace ist ein Mörder, er hat unseren Laird getötet. Gestern war die Zeit abgelaufen, die ich ihm ließ, sich zu stellen. Ab heute ist der Clan der MacMorvens unser öffentlich angesagter Feind!«
Während König Haakon von Norwegen die Geduld mit König Alexander verlor, er einen Angriff startete, bei dem ein heftiger Sturm seine Flotte überraschte und seine Schiffe schwer beschädigte, besetzten die Männer des MacRaily-Clans das Clanland der MacMorvens.
Wochen nach den Ereignissen im schottichen Hochland, auf englischem Boden ….
»Ei, sieh da! Mon Seigneur Stendhal de Morau, gibt uns die Ehre!«, meinte der schwarzhaarige Mann mit schalkhafter Miene.
Earl Severga stieg von seinem vor Schweiß triefendem Pferd und warf seinen jüngeren Halbbruder einen strafenden Blick zu. »Nenn mich nicht so, Yorick, denn es könnte dem falchen Mann zu Ohren kommen. Nenne mich, wenn schon, einen berüchtigten und erfolgreichen Handlanger unseres Königs. Denn einige Schotten im Hochland, die schlagen sich dank mir wohl gerade die Köpfe gegenseitig ein.«
»Du hattest also den gewünschten Erfolg?«
»Mehr als dies, denn ich habe sogar den Sohn des Mörders unseres Großvaters um die Ecke bringen können. Ein Zufall, den mir das Schicksal in die Hände spielte!«, erklärte Severga mit unbefangener Miene. »Das Leben hat mich gelehrt, dass Satan in Fragen der Politik ein vorzüglicher Ratgeber ist.«
Yorick blickte seinen Halbbruder sprachlos an, dann zeigte sein Gesicht freudiges Erstaunen, als er neugierig fragte: »Und wen hält man für dessen Mörder?«
»Jenen Wallace MacMorven, bei dem ich mich als angeblicher französicher Wollhändler in dessen Burg einschleichen sollte. Es kam dort zwischen den beiden Lairds zu einem kleinen Mißverständniß, dank mir, bei dem Laird Wallace und Ermod MacRaily aufeinander losgingen. Es braucht nicht viel um besoffene schottische Hunde aufeinanderzuhetzen. Ich habe dem betrunkenen Ermod nur einige leise Worte zur rechten Zeit von Betrug zuflüstern müssen«, erklärte Severga leichthin. »Wallace schlug ihn mit der Faust nieder, als MacRaily ihn schlagen wollte und dabei schlug sich Ermod am Tisch den Kopf auf. Er war Bewusstlos. Ein günstiger Augenblick für mich. Zu guter Letzt brauchte es noch einen Schlag auf genau die Stelle an Ermods Kopf und der verdammte Schotte war hin. Jetzt wird sich dessen Neffe Wallace MacMorven annehemen. Ich finde es immer wieder erstaunlich, wie einfach es ist, Menschen durch die Zurschaustellung von Wohlanständigkeit und falscher Freundlichkeit dazu zu bringen sich zu verachten und zu hassen, wenn man ihnen gegenüber die richtigen Argumente gibt. Es wird zu einem weiteren Zerwürfnis zwischen den Clans im Hochland kommen. König Alexander von Schottland wird es so niemals schaffen die Clans zu einenen und sie zu der innenpolitischen Ruhe zu bewegen, die er erreichen will. Wir werden durch meinen Einsatz bald schon nicht mehr dem niederen englichen Adel angehörig. Das Gelingen des Auftrages wird mich in der Gunst des Königs wieder steigen lassen, versicherte mir der Ratsherr.« Er warf seinem Bruder die Zügel seines Pferdes zu, und eilte mit ausladenden Schritten dem Haupthaus zu. Wütend stieß er hervor: »Führ mein Pferd herum, damit es abkühlt. Ich bin hungrig und durstig. Wo ist eigentlich das Gesinde?«
»Die wenigen Bediensteten, die wir durch deine Spielsucht noch haben, die sind auf den Feldern«, murrte dieser zurück.
Severga blieb ruckartig stehen und sah seinen Halbbruder wütend an. An seinem Blick war zu erkennen, dass ihn die Vorhaltung seines Halbbruders mehr als nur störte.
»Schau nicht so finster! Es war deine Spielsucht, die uns fast alle Habe gekostet hat. Die Forderungen der Gewinner haben Unsummen verschlungen, daran gibt es ja wohl keinen Zweifel und einige dieser Forderungen stehen immer noch offen.«
»Nimm dich in Acht! Du setzt gerade mein Wohlwollen dir gegenüber aufs Spiel. Außerdem habe ich schon öfter mit solchen Situationen zu kämpfen gehabt. Aber stets immer eine Lösung gefunden.«
»Vielleicht solltest du einfach mal mit dem Spielen aufhören. Es wird Zeit Pläne für die Zukunft zu schmieden.«
Ende November 1263 ….
Innerhalb kurzer Zeit war der Landstrich um die Burg der MacMorvens unter einer dichten, weißen Decke aus Schnee begraben worden. Während es in anderen Gegenden Schottlands heftig regnete, war der Winter schnell in das schottische Hochland eingekehrt. Was für einen unbeteiligten Betrachter als malerisch Kulisse angemutet hätte, brachte die hinter den Burgmauern Eingeschlossenen in weitere Schwierigkeiten, denn die Nahrungsmittel wurden knapp.
Das Dorf am Fuß der Burg der MacMorvens mit seinen kleinen Steinhäusern, den mit Reet* und Schindeln* gedeckten Dächern war schon fast drei Monate verwaist, denn alle Bewohner hatten sich auf die Burg und hinter deren dicke Mauern geflüchtet während die Männer des MacRaily- Clans vor den Burgmauern belagernd Stellung bezogen hatten.
Als die Dorfbewohner ihr Dorf verlassen hatten, hatten sie einige Nahrungsmittel in Kellergruben versteckt, an die man jedoch nur schwierig herankommen konnte, ohne vom Feind erwischte zu werden.
Eine junge Frau, eingehüllt in einen warmen Wollumhang, huschte mit zwei Begleitern den Weg aus dem verlassenen Dorf zur Burg ihres Clans hinauf und hoffte inständig von den MacRaily Männern nicht entdeckt zu werden.
Die Kälte war schneidend und der Wind trieb Schneeflocken in ihre von Kälte geröteten Gesichter.
Màiri blieb abrupt stehen, da sie glaubte etwas gehört zu haben. Ein ungutes Gefühl breitete sich in ihrer Magengrube aus. Sie ließ den Blick über die weiße Landschaft schweifen, horchte … nichts … und so setzte sie ihren Weg an der Seite der beiden Männer fort, die sie begleiteten. Im Glauben, dass ihr Vorhaben doch gescheitert war, ging sie vorsichtig weiter. Immerhin hatte sie aus dem Lager einige Nahrungsmittel beschaffen können.
Logan, der Laird* des MacRaily-Clans war müde und übler Laune. Es war zermürbend, selbst für den Belagerer, dem Belagerten über so lange Zeit zuzusetzen. In der letzten Nacht war zudem sein Schlaf unruhiger denn je gewesen, auch wenn der Traum an sich keinen Alp in sich gehabt hatte, hatte dieser ihn doch aufgewühlt. Sie, die schöne Unbekannte, war ihm wieder darin erschienen. Diesmal hatte er sogar ihre Stimme gehört. In der schönen sonaten Stimme war auf einmal dieser empörte Klang gewesen, der ihn aus dem Schlaf hatte aufschrecken lassen. Seine Träume wurden in letzter Zeit immer lebhafter, so als seien sie Vorboten auf ein baldiges Ereignis.
Logan hatte Visionen in der Art wie sie einst auch seine Mutter gehabt hatte. Doch er war kein wirklicher Visionär, denn seine Gabe war bei Weitem nicht so stark wie die eines Taibhsear*. Nie hatte er etwas anderes gesehen als sie, die ihm unbekannte, junge, engelsgleiche Gestalt und doch wusste er im Herzen, dass wenn sie ihm begegnen würde, sie seine Seelengefährtin war, die er für sich gewinnen musste. Seine Gedanken wanderten wieder in eine andere Richtung, die sich um den Laird der Burg der MacMorvens drehten.
Der junge MacRaily verfluchte das immer schlechter werdende Wetter und die Kälte, die ihm dermaßen beißend bis in die Knochen ging, dass seine Glieder steif wurden. Logan rieb sich die Hände, um sie zu wärmen. In Anbetracht des Wetters würden sie ihre Bemühungen wohl aufgeben und die Einnahme der Burg auf einen Zeitpunkt nach dem Winter verschieben müssen, überlegte er gerade. Plötzlich packte ihn die Ungeduld. Er wollte nach Hause. Dort wartete ein Bett und sicher auch eine gute Mahlzeit auf ihn. Er verstand nicht, warum der Herrgott den Tod seines Onkels zugelassen hatte und auch nicht, warum er die Zerstörung seiner Familie erlaubt hatte. Seine Wut wandte sich gegen den Himmel. Er erkannte, dass er die zaghafte und von Gewissensbissen begleitete Hoffnung hegte, dass er seinen Widersacher im Frühjahr erst würde töten können.
»Ich fürchte, der Schnee wird noch mehr werden!«, hörte Logan seinen Freund und besten Mann da auch schon sagen. »Warum greifen wir sie nicht noch einmal an? Wir können schließlich nicht den ganzen Winter darauf warten, dass sie des Hungers wegen uns ihren Laird einfach gefesselt vor die Füße werfen. Bei der Kälte frieren uns bald allen die edelsten Teile ab, Logan es ist wirklich scheußlich kalt geworden. Wir sollten …«
Mit einem warnenden Gesichtsausdruck drehte Logan sich um. Kurz trafen sich die Blicke der beiden Männer. Sein Gegenüber wollte erneut zum Reden ansetzen, da zischte Logan leise: »Verdammt, halt doch den Mund!«
»Waaas?«, empörte sein Gegenüber sich.
»Pssssssst!«, zischte Logan warnend. Eine Bewegung auf dem Weg hinauf zur Burg, hatte seine Aufmerksamkeit auf sich gezogen. »Da geht etwas vor sich, sieh!«, flüsterte er sich erklärend.
Im selben Augenblick meldete sich einer der anderen Männer leise, indem er flüsterte: »Da schleichen Gestalten aus dem verlassenen Dorf zur Burg hinauf. Ich glaube es sind drei und sie haben kleine Proviantsäcke bei sich. Die halten uns wohl für blöd!«
»Warten wir noch?«, fragte ein anderer seiner Männer.
»Nein! Beeilt euch, Männer. Wir dürfen keine Zeit verlieren, ansonsten sind sie zu nah an der Burg und man könnte uns dann von der Burgmauer aus leicht mit Pfeilen abschießen. Sie dürfen uns nicht entwischen!«
Màiri sah sich immer wieder um. Sie hatte dieses eigenartige Gefühl, doch sie sah niemanden.
»Diese hinterhältigen MacRailys!«, murmelte sie eine Sekunde später, als von hinten eine höhnisch klingende Stimme ertönte: »Können wir euch vielleicht helfen?«
Màiri wandte sich um und sah in das höhnische Lächeln mehrere MacRaily Clanmänner. Aus dem Augenwinkel nahm sie wahr, wie einer ihrer Männer verächtlich auf den Boden spuckte.
»Nun mach nicht so ein erstauntes Gesicht, Kleiner, als hättet ihr nicht gewusst, dass wir hier sind«, meinte einer der Männer mit verhöhnender Stimme.
Ein anderer Krieger aus der Gruppe streifte von der Seite her Màiris Gestalt intensiv mit seinem Blick.
Logan sah den anscheinend jüngsten der drei MacMorvens interessiert an, denn etwas erschien ihm an dessen Gestallt merkwürdig. Noch verwunderlicher für ihn war, dass ein seltsames Gefühl von Wärme seinen Körper durchflutete, als er dies tat, obwohl es bitterkalt war. Was zum Teufel ist mit ihm los? Das ist ein junger Kerl!, und wie er an dessen Kleidung erkannte, schien dieser nicht zu den einfachen Leuten des Clans zu gehören. Ihm kam dabei aber auch in den Sinn: Wallace hatte keine direkten männlichen Verwandten mehr. Dies war weithin bekannt. Wer ist also dieser Bursche?, fragte er sich.
Natürlich gaben Familien ihre Söhne auch ab und an in die Obhut anderer Clans, um sie in der Fremde ausbilden zu lassen. Also sollte man besser abwägen was man mit dem Bürschlein anstellte. Logan hatte keine Lust auf eine weitere Fehde mit einem anderen Clan. Natürlich konnte man so ein Bürschlein in diesem Fall aber auch als Druckmittel gegen Wallace MacMorven verwenden.
Höhnenden Worte und das Gelächter seiner Männer holten Logan aus seinen Gedanken in die Realität zurück. »Mir scheint nicht, dass sie sich ergeben wollen. Ich frage mich gerade ob das Jungchen da schon kämpfen kann, oder ob wir ihm gleich die Hose wechseln müssen, weil sich das Kerlchen vor Angst die Buchse einnässt? Was meinst du, Laird?«
Logans Blick schweifte erneut zu der Person und verharrte auf ihr. Er grinste ein wenig, während er die schlanke Gestalt von oben bis unten musterte, um belustigt zu äußern: »Da kannst du Recht haben, er scheint noch sehr jung und mir auch ein wenig schwächlich zu sein, um es mit gestandenen Männern wie uns aufnehmen zu können. Vielleicht sollte ich ihm anbieten sich zu ergeben!«
Màiri sah die Männer an und ihre Augen sprühten dabei Funken. Die Krieger waren bestens bewaffnet, trugen lange Hosen und winterdicke Bekleidung. Der junge, dunkelhaarige sowie breitschultrige Kerl, der sie so arrogant beäugte, war Logan MacRaily, der Mann, mit dem ihr Onkel in Fehde stand und die sie zum Wohl aller beenden wollte. Seine ganze Haltung zeugte davon, dass er sich in der Kriegskunst verstand. In dem Augenblick, in dem sie noch überlegte, was sie tun konnte, um die Männer, die sie bei sich hatte, zu retten, vernahm sie, dass ihre Begleiter ihre Schwerter zogen. Ohne dass sie es noch verhindern konnte, griffen die beiden einfach an, ohne sich zu vergewissern, ob ihre junge Herrin mit einem solchen Vorgehen einverstanden war. Somit hatte sich die Frage erübrigt, ob es sinnvoller war den Versuch zu wagen, sich dem feindlichen Laird zu ergeben.
Mit Entsetzen musste Màiri mit ansehen, was sich im nächsten Augenblick vor ihren Augen abspielte: Greys Schwert sauste durch die Luft, doch er fiel kurz darauf schon zu Boden und der Mann, der ihn niedergestreckt hatte, wischte sein blutverschmiertes Schwert an dessen Kleidung ab. Màiri begriff, dass das Verhalten ihrer Begleiter ein großer Fehler gewesen war - und zwar ein sehr tödlicher Fehler, wie sich herausstellte. Dennoch riss auch sie ihr handliches Schwert aus der Scheide. Sie schaute kurz zur Seite und sah, wie ein anderer der MacRaily Männer ihrem zweiten Mann das Schwert in den Leib stieß. Blut strömte aus dem Mund des Mannes. Er war tot, noch bevor er zusammenbrach und bewegungslos in seiner eigenen Blutlache im Schnee liegen blieb. Was ihr als trefflicher Schachzug eingefallen war, endpuppte sich bei genauerem Hinsehen als Todesurteil.
Màiri riss entsetzt die Augen auf, wobei sie ein heiseres, entsetztes Nein!, nicht unterdrücken konnte. Sie konnte nur noch denken, dass sie die Nächste sein würde, die einem tödlichen Streich der Männer zum Opfer fallen würde. Doch das würde sie nicht kampflos geschehen lassen.
Augenblicklich wandte Logan seine Aufmerksamkeit ihr zu. Er hob sein Schwert an und richtete die Spitze der Waffe auf sie, so dass sie gezwungen war sich dem MacRaily Laird im Kampf zu stellen.
Logan warf einen schnellen Blick auf seine Männer und hinderte sie mit einem leichten Kopfschütteln daran einzugreifen.
Wie ein Kartenhaus stürzte Màiris kleine Hoffnung wieder zusammen.
Logan MacRaily hatte mit seinen Männern die Burg ihres Onkels schon seit Monaten belagert und sie dennoch nur wenig schwächen können. Immer wieder hatten sie mit seinen Männern kleinere Scharmützel ausgetragen, die einmal sie und ein anderes Mal die belagernden Gegner gewonnen hatten. Logans Männer hatten über den Sommer hinweg ihre Felder niedergebrannt, über die Hälfte des Viehs geschlachtet und verzehrt oder fortgeführt. Der Laird der MacRailys wollte Rache für den Tod seines Onkels, dessen Erbe er angetreten hatte. Zuerst beabsichtigte er die Vergeltung nur an Wallace zu vollziehen, doch die Menschen ihres Clans hatten zu ihrem Laird gehalten und nahmen lieber die Schwierigkeiten und sogar den Hunger in Kauf, als ihn auszuliefern.
Logan glaubte von sich selbst, er sei ein Mann, der im Gegensatz zu Wallace Ehre in sich trug. Er sah nichts Falsches darin, durch Rache zu vergelten, was er erlitten hatte und darin einen Reflex auf die Widerherstellung seiner verletzten Familienehre zu sehen. Er verachtete Wallace, sah ihn als Narren, der anscheinend seine Leute lieber in den Tod schickte, als die Konsequenzen für sein schändliches Handeln selbst zu tragen. Der junge Krieger - wie er glaubte - der sich ihm nun im Kampf stellen musste, schien genauso verblendet zu sein wie die anderen beiden Dummköpfe, die gerade ihren Angriff mit ihrem Leben bezahlt hatten. Es dauerte jedoch nur kurze Zeit, bis Logan begriff: Sein Gegner war kein Jüngling, sondern eine Frau.