Mein besonderer Dank geht an den Korrekturleser Simon Stahlschmidt

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek. Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.

© 2016, 2019: Bernd Leitenberger

http://www.raumfahrtbuecher.de

Herstellung und Verlag: Books on Demand GmbH, Norderstedt

2. Auflage 2019

ISBN-13: 978-3-7494-4260-7

Vorwort zur Auflage 2016

Seit 2009 habe ich einige Bücher über Raketen geschrieben. Sie wenden sich an ein fachlich interessiertes Publikum und sind voller technischer Daten. Vereinzelt bekam ich die Rückmeldung, dass die Aufnahmen der Raketen doch in Farbe sein sollten. Da meine Bücher als „Print-on-Demand“ entstehen, ohne Startauflage, jedes auf Anforderung gedruckt, sind Farbseiten sehr viel teurer als schwarz-weiße. Bei meinen bisherigen Fachbüchern habe ich daher bewusst auf Farbaufnahmen verzichtet.

Dieses Buch hat einen anderen Fokus: es ist kein Fachbuch, enthält kaum technische Daten und nur eine kurze Beschreibung der Träger. Der Fokus liegt (wie der Titel schon sagt) auf den Fotos der Träger. Dies war auch das Auswahlkriterium, welche Rakete abgebildet wurde und welche nicht. Es musste ein gutes, hochauflösendes Bild von der Trägerrakete vorliegen, wenn möglich in Farbe. In meinen beiden Standardwerken „US-Trägerraketen“ und „Internationale Trägerraketen“ führe ich über 200 Subtypen auf. In dieses Buch haben es nur wenige (75) davon geschafft. Sie müssen sich im Aussehen markant von anderen Trägern (vor allem derselben Familie) unterscheiden. Umgekehrt führe ich pro Träger meist nur ein Foto auf, auch wenn es einige Versionen gibt, die sich äußerlich deutlich unterscheiden. Das ist der Fall, wenn es Versionen mit verschiedenen Nutzlastverkleidungen gibt, oder die Zahl der Booster variiert werden kann. Durch die Fixierung auf gute Fotos fallen auch ganze Trägerfamilien weg, wenn es durch Geheimhaltung (militärische Natur der Rakete) oder Alter keine scharfen Aufnahmen gibt. Prominentestes Beispiel ist die R-7, die Sputnik startete. Von ihr gibt es keine scharfen Aufnahmen. Das trifft auch auf neuere sowjetische Typen zu, die noch der Geheimhaltung unterliegen wie der Start, Start-1, Shtil und Wolna – alle basieren auf Mittel- und Langstreckenraketen, die noch im Einsatz sind.

Ich hoffe dieses Buch gefällt ihnen und sie blättern immer wieder in ihm. Sollte es den Appetit auf mehr geweckt haben, so empfehle ich die „US-Trägerraketen“ (700 Seiten, 39,99 €) und „Internationale Trägerraketen“ (600 Seiten, 34,99 €) als weiterführende Lektüre.

Ostfildern, im Juli 2016

Bernd Leitenberger

Vorwort zur Auflage 2019

Zur zweiten Auflage gibt es relativ wenig zu sagen. Sie enthält zusätzlich alle Träger, die seit der ersten Auflage in den vergangenen drei Jahren Jungfernflüge hatten:

Zehn neue Träger, davon sechs alleine aus China, zeigen, dass der Markt sich derzeit schnell entwickelt. Weitere Raketen wie Ariane 6, Vega, FireFly Alpha, LauncherOne, New Glenn, Kuaizhou-11 stehen in den Startlöchern. Anstatt allerdings auf diese mit einer Neuauflage zu warten, wird es das Buch in regelmäßigen Abständen, wenn genügend neue Träger ihren „Einstand“ hatten, als neue Auflage geben. Da viele Firmen derzeit Raketen für Kleinsatelliten und Cubesats entwickeln, ist momentan kein optimaler Zeitpunkt für eine vollständige Neuauflage abzusehen. Ohne diesen Schritt müsste ich damit wohl bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag warten. Alle Angaben zu Starts entsprechen dem Stand vom 1.4.2019.

Ich habe die Gelegenheit genutzt, das Format noch mehr zu vereinheitlichen. Mein Wunsch alle Abbildungen möglichst ganzseitig darzustellen führte öfters dazu, dass die Artikel einiger Träger erst auf der Rückseite ihrer Fotos folgten. Aus diesem Grund werden nun doch gelegentlich zwei Bilder auf einer Seite kombiniert.

Bei Trägern, die noch im Einsatz sind, habe ich deren Beschreibungen aktualisiert. Zusätzlich habe ich mich dazu entschlossen weitere historische Raketen aufzunehmen, auf die ich in der ersten Auflage mangels gutem Bildmaterial verzichtet habe. Das Buch sollte komplett sein. Für nur in schlechter Auflösung vorliegende Fotos habe ich dabei auf Farbe bewusst verzichtet. Schließlich ist in dieser Auflage auch ein Anhang mit Übersichten der Einsatzgeschichten aller vorgestellten Trägerraketen hinzugekommen.

Ostfildern, im April 2019

Bernd Leitenberger

Inhaltsverzeichnis

1. Abbildung: Jungfernflug der Angara 5 (oben) und Angara 1.2 (unten)

Angara

Die Angara ist das einzige umgesetzte neue Raketenprojekt Russlands. Es sollte die bestehenden Träger durch ein wirtschaftlicheres. modulares System ersetzen und die Abhängigkeit Russlands von Zulieferern aus den ehemaligen Sowjetrepubliken senken.

Richtig neu an der Angara ist nur die erste Stufe, das Universal Rocket Module URM. Es setzt ein Triebwerk des Typs RD-191 ein, welches aus dem RD-170 der Energija (S. →) entstand, indem dieses von vier Brennkammern in vier Einzeltriebwerke aufgeteilt wurde. Kombiniert man mehrere dieser URM, so entsteht eine Raketenfamilie. Geplant waren Träger mit einem, drei, fünf und sieben Modulen (Angara 1, 3, 5 und 7). Die Version mit drei Modulen wurde inzwischen gestrichen. Sie hätte die Nutzlast der Zenit (S. →) gehabt. Da diese jedoch nicht mehr eingesetzt wird, benötigt Russland auch keinen Ersatz. Die Version mit fünf Modulen hat die Nutzlast der Proton (S. →). Die Angara 1.2 mit einem URM hat eine Nutzlast von 3.700 kg. Sie wurde am 9.7.2014 suborbital getestet.

Als Oberstufen kommen Adaptionen der schon existierenden Stufen Block I (Sojus) und Breeze-M (Proton) zum Einsatz. Eine vergrößerte Version von Block I, das URM-2, bildet die zweite Stufe. Die Breeze-M wird zusätzlich bei Hochenergiemissionen und Missionen in den GEO-Orbit als dritte Stufe eingesetzt. Die Angara 1.1 mit einem URM und der Fregat (Oberstufe der Sojus) wurde eingestellt, stattdessen wurde die Sojus 2.1v mit gleicher Nutzlast entwickelt.

Die Einführung der Angara verläuft langsam und die alten Träger werden noch lange im Dienst bleiben. Die Sojus (S. →) wird wegen der Bedeutung für die Versorgung der ISS durch Progress- und Sojusraumschiffe sowie Aufträge für Arianespace weiter in Produktion bleiben, die Proton erst 2025 ersetzt werden. Ebenso stagniert die Entwicklung neuer Oberstufen, die Wasserstoff als Treibstoff nutzen und die Nutzlast für geostationäre Missionen deutlich anheben. Mit der Angara soll Baikonur als meistfrequentierter Kosmodrom durch den neu errichteten Weltraumbahnhof Wostotschny abgelöst werden. Es geht es vor allem um die Unabhängigkeit Russlands. Wostotschny hinkt ebenfalls im Zeitplan hinterher, da nach der Finanzkrise von 2008 die Preise für Erdgas, Erdöl und Metalle stark sanken und Russlands Staatseinnahmen stark vom Export von Rohstoffen abhängen.

Es gibt es Pläne für weitere Versionen. Die Angara 7 soll mit neuen Oberstufen, sieben URM und einem vergrößerten zentralen URM die Nutzlast in den GEO-Orbit von 5.400 kg auf bis zu 19.000 kg (Angara A7.2b) anheben. Bisher erfolgten Testflüge der Angara 1 und Angara 5. Seit dem 23.12.2014 erfolgten keine weiteren Starts.

2. Abbildung: Zweiter Start der Antares 132

Antares

Die Antares ist ein Beispiel für einen Träger, dessen Entwicklung nicht durch Regierungsorganisationen vergeben wurde. Sie entstand, als sich Orbital für den COTS-Auftrag bewarb, um die Cygnus-Kapsel zu starten. Alle bisherigen Starts erfolgten mit diesem Transporter.

Die erste Version der Antares wog 281 t und war 40,3 m hoch. Orbital führte zunächst nur

die Integration und den Start durch, die Aufträge für ihre beiden Stufen wurden an Fremdfirmen vergeben. Für die zweite Stufe wurde der Castor 30 Antrieb von ATK ausgewählt. Seine Leistung wurde während der ersten fünf Flüge deutlich gesteigert, indem der Treibstoff verdoppelt wurde. Die Nutzlast stieg dadurch von 4.600 auf 5.600 kg in einen LEO. Nachdem Orbital und ATK 2016 fusionierten, stellt Orbital/ATK diese Stufe nun selbst her.

Die Strukturen der ersten Stufe werden vom ukrainischen KB Juschnoje gefertigt. Sie nutzen die Fertigungsstraße der Zenit und haben den gleichen Durchmesser von 3,90 m. Allerdings wurden die Tanks verkürzt, da die Triebwerke weniger Schub haben. Bisher waren dies die AJ-26 von Aerojet. Die Triebwerke sind jedoch nicht neu, sondern alte NK-33 Triebwerke der russischen Mondrakete N-1 (S. →). Sie wurden Ende der Neunziger Jahre von Aerojet für die Kistler K-1 Trägerrakete gekauft und modernisiert.

Schon vor dem Jungfernflug versagten die AJ-26 Triebwerke beim Testprogramm. Schließlich fiel eines der beiden Triebwerke beim fünften Einsatz kurz nach dem Abheben aus und die Antares wurde unmittelbar vor dem Aufschlagen auf der Startbasis gesprengt. Trotzdem entstand beträchtlicher Schaden an den Anlagen. Bereits vorher suchte Orbital nach einer Alternative zu den Triebwerken, da nicht mehr gefertigt werden. Nach dem Fehlstart wurde mit Energomasch ein Vertrag über die Lieferung von RD-181 Antrieben abgeschlossen. Ein RD-181 sind zwei RD-193 Triebwerke in einem gemeinsamen Schubrahmen. Das RD-193 ist wiederum eine Variante des RD-191 der Angara (S. →). Die Ziffer zeigt die Verwandtschaft zum RD-180 der Atlas V (S. →) an, das ebenfalls aus zwei Brennkammern dieses Typs besteht, aber mit einer gemeinsamen Turbopumpe. Am 17.10.2016 hatte diese zweite Version mit einer deutlich höheren Nutzlast von über 7 t ihren Jungfernflug. Dies ist möglich durch den höheren Schub und höhere Effizienz des RD-181 Triebwerks. Die Startmasse stieg nur leicht auf 296 t und die Länge auf 43 m.

Seitdem erfolgten vier Starts. Insgesamt erfolgten seit dem Jungfernflug 2013 in sechs Jahren neun Starts. Die Antares startet, wie die von Orbital hergestellten Feststoffraketen der Minotaur Familie, von Wallops Island aus, einem der kleinen US-Weltraumbahnhöfe. Sie ist der größte jemals von Wallops Island aus gestartete Träger.

3. Abbildung: Start der Ariane 1 © des Fotos : ESA/CNES

Ariane 1

Die Ariane 1 entstand als Alternative zur Europa III, nachdem das Programm nach dem Fehlstart der ersten Europa II (S. →) eingestellt wurde. Ariane war ein rein französisches Programm mit Beteiligung weiterer europäischer Länder und Frankreich trug fast zwei Drittel der finanziellen Last. Erst ab der Ariane 2 wurde die ESA federführend.

Die Ariane 1 war eine Rakete mit bewährter, aber veralteter, Technologie in den ersten zwei Stufen und einer leistungsfähigen dritten Stufe, die diesen Mangel wieder ausglich. Die ersten beiden Stufen setzten vier bzw. ein Viking-Triebwerk und lagerfähige Treibstoffe ein. Die dritte Stufe nutzte das HM-7 Triebwerk – die erste Verwendung außerhalb der USA – das Wasserstoff als Treibstoff nutzte. Diese Mischung aus Bewährtem und Innovativem führte zu einer zuverlässigen Trägerrakete. Zudem senkte es die Entwicklungskosten, die ein Drittel unter denen der Europa III lagen. So konnte auch der Zeitplan eingehalten werden. Die Entwicklung begann im Mai 1973 und der erste Start fand an Weihnachten 1979 statt. Wie auch die Nachfolger Ariane 2 bis 4 war Ariane 1 für Transporte in den GTO ausgelegt und die entsprechende Nutzlast konnte schon während der Entwicklung von 1.600 bis 1.700 kg auf 1.860 kg gesteigert werden. Theoretisch hätten 4,5 t in einen LEO befördern können allerdings lag die maximal zulässige Nutzlast bei 2,5 t. Die Rakete war bei einem maximalen Durchmesser von 3,80 m 47,4 m hoch und wog 207 t.

Die Ariane 1 war viel erfolgreicher als die Europa. Von zehn Starts scheiterten nur zwei. Schon vor dem Jungfernflug gab es den ersten kommerziellen Auftrag, dem bald weitere folgten. Die für die Vermarktung gegründete Firma Arianespace profitierte von Verzögerungen beim Shuttle-Programm und dem damit einhergehenden Produktionsende der größeren US-Trägerraketen. Zahlreiche Kunden wandten sich an die neue Firma. Vorteilhaft war dabei auch, dass die geografisch günstige Lage des Centre Spatial Guyanais (CSG) nahe am Äquator die Nutzlast in den GEO erhöht. Mit der Übertragung von Vermarktung und Fertigung der Ariane auf eine Gesellschaft war die ESA ihrer Zeit weit voraus. Selbst heute beaufsichtigen noch Regierungen die komplette Vermarktung und Produktion ihrer Träger.

Schon 1985 wurde Ariane 1 nach sechs Jahren im Einsatz durch Ariane 2 und 3 (S. →) abgelöst. Beide Modelle basieren auf Verbesserungen der ersten zwei Stufen und einer verlängerten dritten Stufe. Ariane 1 beförderte viele ESA-Nutzlasten, wie den Wettersatelliten Meteosat 2, die Raumsonde Giotto oder den ersten teilkommerziellen Erdbeobachtungssatelliten SPOT-1. Von den insgesamt elf Starts scheiterten der Zweite und der Fünfte. Die ersten vier Einsätze waren Testflüge.

4. Abbildung: Jungfernflug der Ariane 3 © des Bildes ESA/CNES

Ariane 2 und 3

Ariane 3 und ihr Schwestermodell Ariane 2 waren evolutionäre Verbesserungen der Ariane 1. In allen drei Stufen wurden nun Reserven ausgenutzt, die während der ursprünglichen Entwicklung eingeplant worden waren, um die Zuverlässigkeit der Rakete zu erhöhen. Nach den Erfahrungen mit den ersten Starts wurde der Brennkammerdruck aller Triebwerke und damit die Treibstoffausnutzung erhöht. Die ersten beiden Stufen wurden zudem auf eine stabiler verbrennende Treibstoffmischung umgerüstet, nachdem der zweite Start der Ariane 1 durch Verbrennungsinstabilitäten in einem Triebwerk gescheitert war.

Die dritte Stufe erhielt eine längere Expansionsdüse und nahm 1,3 t mehr Treibstoff auf. Das alleine steigerte bereits die Nutzlast von 1.860 kg in den GTO bei der Ariane 1 auf 2.210 kg bei der Ariane 2, welche äußerlich der Ariane 1 sehr ähnelt. Häufiger wurde jedoch das Schwestermodell Ariane 3 eingesetzt. Diese hatte zusätzlich zwei Feststoffraketen an der ersten Stufe, welche oben an der strukturverstärkten Zwischentanksektion und unten am Schubrahmen angebracht wurden. Um eine Beschädigung der Startanlage durch die heißen Abgase zu vermeiden, wurden die Booster erst nach dem Abheben der Rakete gezündet. Damit die Ariane 3 mit diesem Zusatzgewicht noch abheben konnte, war deren Masse begrenzt und schon in 4,8 km Höhe waren sie ausgebrannt und wurden abgetrennt. Die beiden Booster reduzierten durch die schnellere Passage der Atmosphäre die Aufstiegsverluste der Rakete und erhöhten die Nutzlast der Ariane 3 auf 2.620 kg in den GTO. Ariane 2/3 waren 48,90 m hoch, mit einem maximalen Durchmesser von 3,80 m und einem Startgewicht von 219 t bei der Ariane 2 sowie 240 t bei der Ariane 3.

Während die Ariane 2 die Starts einzelner schwerer Satelliten durchführte, wie beispielsweise die der Intelsat VA Serie, beförderte die Ariane 3 zwei leichtere Satelliten mit einem Start. Dafür entwickelte die ESA eine Doppelstartstruktur, die den unteren Satelliten umhüllte und auf der ein zweiter Satellit angebracht war. Nach Absetzen des oberen Satelliten wurde der Deckel abgesprengt und der untere Satellit durch Federn ausgestoßen. Diese Fähigkeit die Nutzlastkapazität so optimal auszunutzen und die Kosten eines Starts zwischen zwei Kunden aufzuteilen, ist bis heute einzigartig und war maßgeblich dafür, das Arianespace in der Folgezeit der wichtigste Launch Service Provider wurde.

Die Ariane 2 und 3 wurden zusammen 18-mal von 1985 bis 1989 eingesetzt (siebenmal Ariane 2 und elfmal Ariane 3) und danach von der noch leistungsfähigeren Ariane 4 (S. →) abgelöst. Von diesen 18 Starts scheiterten zwei. Der Grund war in beiden Fällen ein Designfehler des HM-7 Triebwerks, das manchmal nicht richtig startete. Es wurde nach dem Fehlstart beim 18-ten Einsatz für die Ariane 4 komplett überarbeitet.

5. Abbildung: Start der Ariane 44P © des Bildes: ESA

Abbildung 6: Jungfernflug der Ariane 44 LP © des Bildes: ESA

Abbildung 7: Die leistungsfähigste Version Ariane 44L an der Startrampe © des Bildes: ESA

Ariane 4

Die Ariane 4 war die letzte Ausbaustufe der Ariane-1-Entwicklungslinie. Das Konzept war so einfach wie genial: Die zweite und dritte Stufe der Ariane 3 wurden unverändert übernommen, die erste Stufe um 50 % verlängert. An dieser konnten nun sowohl verlängerte Versionen der Ariane 3-Feststoffraketen angebracht werden, als auch neu entwickelte Booster mit flüssigen Treibstoffen. Diese setzten ein Erststufentriebwerk ein, das jedoch nicht schwenkbar war, sondern in einem festen Winkel zur Vertikalachse nach außen zeigte. Sie wurden wie die Feststoffbooster an der Zwischentanksektion befestigt. Die Länge war damit vorgegeben und bei gegebener Treibstoffzuladung ergab sich ein Durchmesser von 2,10 m, etwas geringer als der Durchmesser der zweiten Stufe von 2,60 m. Anzahl und Typ der Booster konnten variiert werden. So ergaben sich folgende Versionen:

  • Ariane 40: keine Booster
  • Ariane 42P: zwei Feststoffbooster
  • Ariane 42L: zwei Booster mit flüssigen Treibstoffen
  • Ariane 44P: vier Feststoffbooster
  • Ariane 44L: vier Booster mit flüssigen Treibstoffen
  • Ariane 44LP: je zwei Feststoffbooster und Booster mit flüssigen Treibstoffen

Da durch die verlängerte erste Stufe die Ariane ohne Booster vollbetankt nicht mehr abheben konnte, wurde bei den Versionen ohne Booster und mit zwei Boostern die erste Stufe nur teilbefüllt. Im Laufe des Einsatzes wurde die Treibstoffzuladung der dritten Stufe zweimal erhöht. Die Ariane 4 konnte je nach Version Nutzlasten von 2.290 bis 4.950 kg in den GTO transportieren. Dafür wurde die Nutzlastverkleidung vergrößert.

Zum Erfolg trug auch die neue Startbasis ELA-2 bei. Beim bisherigen Startplatz, ELA 1, wurde die Rakete auf der Startplattform zusammengebaut, welche daher lange vor dem Start blockiert war. Bei ELA 2 wurde am Startplatz nur noch die Nutzlastspitze mit den Satelliten auf die, vorher in einem eigenen Gebäude montierte, Rakete aufgesetzt. So konnten zwei Raketen parallel zum Start vorbereitet werden und die Startrate stieg von vier bis fünf auf bis zu zwölf Starts pro Jahr an. Mit Ariane 4 dominierte Europa bei den kommerziellen Starts mit einem Marktanteil von zeitweise über 60 Prozent aller Starts. Nach der Einführung der Ariane 5 lief die Produktion langsam aus und 2003 hob die letzte Ariane 4 ab. Zwischen 1988 und 2003 hatten Raketen diesen Typs bei 116 Starts 186 Satelliten gestartet. Nur drei Starts scheiterten und die letzten 74 Starts in Folge waren erfolgreich. Sie wurde eingestellt weil die Ariane 5 (S. →) mit nur vier Triebwerken (Ariane 4: sechs bis zehn) preiswerter war und die immer schwereren Satelliten keine Doppelstarts mehr erlaubten.

8. Abbildung: Die zweite Ariane 5 hebt ab. © des Fotos: ESA/CNES/Arianespace – Service Optique

Ariane 5

Die Ariane 5 war nicht nur als preiswerter und leistungsfähigerer Nachfolger der Ariane 4 (S. →) geplant, sondern zudem auch für den Transport schwerer Nutzlasten in den LEO. Die erste Version, Ariane 5G (G für „Generisch“), wurde für ebensolche Transporte in den LEO konzipiert. Da die Rakete, anders als Ariane 1 (S. →), von Anfang an mit zwei großen Boostern ausgestattet ist, musste die Steigerung der Nutzlast in den GTO hauptsächlich über die Verbesserung ihrer Oberstufe erreicht werden.

Ariane 5 besteht aus einer Zentralstufe mit dem Vulcain-Triebwerk, das Wasserstoff verbrennt. Es ist das effizienteste LOX/LH2-Triebwerk im Einsatz. Zwei Feststoffbooster aus jeweils sieben Segmenten unterstützen die Zentralstufe beim Start und liefern während der ersten zwei Minuten über 90 % des Schubs. Die Oberstufe war zunächst eine kleine Stufe mit lagerfähigen Treibstoffen. 2002 wurde sie durch eine Adaption der Ariane 1-4 Drittstufe ersetzt und eine noch leistungsfähige Stufe mit einem neuen Triebwerk sollte folgen. Diese Entwicklung wurde jedoch nach dem Fehlstart der ersten Ariane 5E, der Version mit der zweiten Oberstufe, ausgesetzt und später zugunsten der Ariane 6 Entwicklung endgültig gestrichen. Die alte Oberstufe kam noch für den Transport der Atomated Transfer Vehicle (ATV) zur ISS zum Einsatz und wird bis heute beim Start von Galileosatelliten verwendet.

Neben neuer Oberstufe setzte die Ariane 5E (E für „Evolution“) zudem leichtere Feststoffbooster mit mehr Treibstoff und in der Zentralstufe das schubkräftige Vulcain 2 Triebwerk mit ebenfalls mehr Treibstoff ein. Zwischen Ariane 5G und Ariane 5E gab es noch zwei Zwischenversionen, die Teile der Evolutionsvariante schon in die Produktion übernahmen. Durch die Maßnahmen stieg die Nutzlast in den GTO von 6.820 kg beim Jungfernflug 1996 auf 11.250 kg beim letzten Baulos. Nachdem beide Jungfernflüge der G- und E-Variante scheiterten, fliegt Ariane 5 seit 2003 ohne größere Probleme. Bei Drucklegung hat sie 88 Starts in Folge ohne Fehlstart erreicht und den Rekord von Ariane 4 mit 74 erfolgreichen Starts in Folge übertroffen. Von bisher 103 Starts entfallen 70 auf die Evolutionsvariante.

Das Ziel die Startkosten der Ariane 4 deutlich zu unterbieten konnte Ariane 5 jedoch nicht einlösen. Mit dem Markteintritt russischer Träger und sinkender Startpreise musste die ESA Arianespace subventionieren, um Verluste zu vermeiden. Frankreich drängte daher auf die Entwicklung einer kostengünstigeren Ariane 6 und als SpaceX als neuer Konkurrent am Markt erschien, bewilligten die anderen ESA-Staaten die Neuentwicklung. Seltsamerweise schreibt Arianespace, nachdem SpaceX zwar Aufträge annahm, aber nicht erfüllte, wieder schwarze Zahlen. Sobald Ariane 6 2020 einsatzbereit ist, wird die Ariane 5 Produktion auslaufen. Die letzten zehn Träger wurden 2018 bestellt und werden bis 2023 eingesetzt.

9. Abbildung: Start von Mercury-Atlas 5 mit dem Schimpansen Enos am 29.11.1961

Atlas D

Die Atlas war die erste ICBM der USA und wurde bereits zu Beginn des Weltraumrennens zum Start eines Satelliten genutzt, als sie noch das Entwicklungsprogramm durchlief und am 18.12.1958 der Satellit Score mit einem Prototypen der Rakete gestartet wurde. Dies war der erste Einsatz einer Atlas für das Weltraumprogramm.

Die Atlas ist eine ungewöhnliche Konstruktion. Um die hohe Geschwindigkeit zu erreichen, die benötigt wird, um einen nuklearen Sprengkopf über interkontinentale Distanzen zu befördern, benötigten Raketen eigentlich zwei Stufen. Die Atlas hat aber nur eine und dafür einen im Flug abtrennbaren Triebwerksblock. Insgesamt hatte die Rakete drei Triebwerke: Ein in der Mitte eingebautes mit niedrigem Schub und großer Düse für effiziente Treibstoffausnutzung im Vakuum und zwei seitlich angebrachte Triebwerke mit hohem Schub, angepasst für den Betrieb nahe der Erdoberfläche. Sobald die Tanks so leer waren, dass der Schub des Zentralantriebes ausreichte, um die Rakete alleine weiter zu beschleunigen, wurden die Ventile zu den äußeren Triebwerken geschlossen und sie mitsamt ihrer Aufhängung durch Sprengbolzen vom Rest der Rakete abgetrennt. Die Trockenmasse der Rest-Atlas wurde so mehr als halbiert.

Damit dieses Konzept aufging, wurde das Gewicht der Tanks extrem reduziert. Die Wandstärke war so gering, dass die Tanks nur stabil waren, wenn sie unter Druck standen. Einmal entwich bei einem Probecountdown das Druckgas und die Hülle kollabierte. Das Gleiche passierte im Flug bei einem Mercury-Versuchsstart, da die Kapsel höhere Belastungen auf die Hülle übertrug als die Sprengköpfe. Die Hülle wurde daraufhin im oberen Drittel verstärkt. Während die unbemannten Tests der Mercury-Kapseln durchwachsen verliefen, waren alle bemannten Starts erfolgreich. Das geringe Trockengewicht und das Fehlen einer Oberstufe führten jedoch zu einer sehr hohen Beschleunigungsspitze vor Brennschluss.

Die Atlas wurde beim Mercury-Programm verwendet, da sie der einzige verfügbare Träger mit der geforderten Nutzlast war. Eingesetzt wurde die aktuelle ICBM-Version, die Atlas D ohne zusätzliche Oberstufe. Zum einen aus Sicherheitsgründen (sie konnte nicht ausfallen) zum anderen, weil bei Programmstart noch keine passende Oberstufe einsatzbereit war. Bis 1967 erfolgten weitere Starts der Atlas ohne Oberstufe, wenn die Nutzlast leicht genug war, aber zu schwer für eine Delta als nächstkleinere Trägerrakete. 20 Starts der Atlas ohne Oberstufe gab es, davon zehn im Mercury-Programm (vier davon bemannt). Viel häufiger und länger wurde die Atlas mit Oberstufen eingesetzt. Die Atlas D wog 118 t bei einem Durchmesser von 3,05 m und einer Höhe (ohne Nutzlastspitze) von 25 m. Sie wurde Basis für die folgenden Weiterentwicklungen Atlas Agena (S. →) und Atlas Centaur (S. →).

10. Abbildung: Atlas E mit einer Feststoffoberstufe

Atlas mit Feststoffoberstufen

Die Atlas hatte als ICBM nur eine kurze Einsatzgeschichte. Die Stationierung der letzten Versionen Atlas E/F begann im September 1961. Am 24.5.1963 wurde vorgeschlagen, sie durch die Titan II und Minuteman zu ersetzen. Am 20.4.1965 wurde die letzte Atlas ausgemustert. Der Grund lag darin, dass die Atlas zu verwundbar war: Die Startvorbereitung dauerte zu lange, da der Treibstoff nicht lagerfähig war.

Nach dem Ausmustern, schon wenige Jahre nach der Aufstellung, wurden die Raketen zu Trägern für kleinere Satelliten umgerüstet. General Dynamics bekam am 14.2.1966 den Auftrag die ersten 23 Atlas F umzurüsten von denen viele dann für suborbitale Tests eingesetzt wurden und erstaunlicherweise nicht als Träger für die neuen Agena oder Centaur Oberstufen. NASA und DoD bestellten dafür eigens neue Träger.

82 Atlas kamen zur Norton Luftwaffenbasis. Dort wurden die Triebwerke inspiziert und die Raketen für eine Lagerung auf unbestimmte Zeit vorbereitet. Es dauerte teilweise Jahrzehnte, bis sie gestartet wurden, obwohl die ursprünglichen ICBM nur für eine maximale Bereitschaftsdauer von drei bis fünf Jahren ausgelegt waren. Ab 1968 startete die USAF die Atlas F. Sie ersetzten die Thor mit Feststoffoberstufen (S. →), wenn deren Leistung für neue Satelliten zu klein war. Ab 1980 folgte die Atlas E und 1988 wurde die letzte Rakete dieses Typs umgerüstet. Sie startete 1995 – 30 Jahre nach Ausmusterung.

Für Satellitenmissionen wurde die Atlas mit einer Feststoffoberstufe aus dem Deltaprogramm ausgestattet. Sie beförderte vor allem Wettersatelliten in polare Bahnen. Die maximale Nutzlast variierte abhängig von der verwendeten Oberstufe. Die Atlas wurde dabei wie eine Interkontinentalrakete gestartet und im Apogäum der Aufstiegsbahn wurde das Triebwerk der Oberstufe gezündet. Je nach Größe der Oberstufe konnte eine Atlas zwischen 725 und 1.500 kg in einen sonnensynchronen Orbit oder bis zu 2.300 kg in einen niedrigen Erdorbit transportieren. Die meisten Starts gingen in den SSO, einige aber auch in elliptische Umlaufbahnen. 42 der 46 Starts glückten.

Die Atlas waren preisgünstige Träger. Die Gesamtkosten eines Starts betrugen bei den letzten Exemplaren 15 Millionen Dollar, dreimal weniger als bei ihrer Nachfolgerin Titan 2. Trotzdem wurden Anfang der siebziger Jahre 35 Raketen verschrottet, da die Luftwaffe annahm sie wären überflüssig. Mit einem Bulldozer wurden die Trägerraketen platt gewalzt, um 3.000 Dollar pro Exemplar und Jahr an Unterhaltskosten einzusparen. Nachdem die letzte Atlas E 1995 abob verteilte das US-Militär die noch ausstehenden Starts auf die Delta (Navstar), Atlas H (White Cloud Satelliten) und Titan 23 (DMSP-Wettersatelliten).

11. Abbildung: Die Atlas 9C bei den Countdown-Vorbereitungen

Atlas Able

Mit dem Start des Sputniks begann ein Wettrennen im Weltraum. Das nächste Ziel war nach dem Erdorbit der Mond und erneut schlug Russland die USA. Luna 2 war die erste Sonde, die auf der Mondoberfläche aufschlug. Die USAF plante kleine Mondorbiter, die vor russischen Sonden den Mond umkreisen sollten. Für diese waren aber alle vorhandenen Trägerraketen zu klein. Als Notbehelf wurde die einzige verfügbare Oberstufenkombination, die Able-Altair, von der Vanguard (S. →) auf die Atlas umgesetzt.

Nun war die Able schon bei Vanguard und Thor, von der sie vorher eingesetzt wurde, unzuverlässig und die Atlas durchlief 1959 noch ihr Entwicklungsprogramm. Die Kombination von zwei unerprobten Systemen erwies sich als eine Fehlentscheidung. Zwischen 1959 und 1960 fanden drei Startversuche statt, bei keinem wurde eine Mondtransferbahn erreicht. An zwei Fehlstarts war die Able schuld, an einem die Atlas. Die erste Atlas Able explodierte am 24.9.1959 sogar bei einem Probecountdown und zerstörte dabei die Startanlage. Das Bild zeigt diese Rakete bei den Startvorbereitungen. In der Summe waren vier Atlas-Trägerraketen, ein Startkomplex und drei Raumsonden zerstört worden, selbst für die frühe Raumfahrt mit erheblich mehr Fehlstarts als heute, eine sehr schlechte Bilanz.

Die Able und die dritte Stufe Altair wurden für die schmale Vanguard entwickelt. Die Kombination hatte nur einen maximalen Durchmesser von 0,81 m und wirkte auf der Atlas mit 3,05 m Durchmesser winzig. Zusammen sollte eine 175 kg schwere Pioneer-Sonde auf eine Mondtransferbahn befördert werden. Beim Mond angekommen, hätte diese ihr eigenes Feststofftriebwerk gezündet, um in einen elliptischen Mondorbit einzuschwenken. Es waren Untersuchungen der Teilchenumgebung des Mondes geplant, aber auch der Versuch, Bilder der von der Erde immer abgewandten Mondrückseite mit einer Fotodiode zu gewinnen.

Nach den Fehlstarts und den ersten Bilder der Mondrückseite 1959 durch die russische Raumsonde Luna 3, wurde das Atlas-Able-Programm eingestellt. Mehr Nutzlast und eine höhere Zuverlässigkeit versprach der Einsatz der Agena Oberstufe auf der Atlas (S. →), welche zur häufigsten eingesetzten Oberstufe auf der Atlas wurde.